Bürgerentscheid: Eure Wahl entscheidet über die mögliche Unterbringung von Geflüchteten

Bürgerentscheid: Eure Wahl entscheidet über die mögliche Unterbringung von Geflüchteten

Am Sonntag wird in Form einer Wahl über einen Bürgerentscheid entschieden. Die Einwohner*innen Greifswalds werden gefragt, ob sie dafür sind, dass im Eigentum der Universitäts- und Hansestadt Greifswald stehende Grundstücke zwecks Errichtung von Containerdörfern zur Unterbringung von Geflüchteten an den Landkreis Vorpommern-Greifswald verpachtet werden. Welche Auswirkung euer Kreuz auf dem Wahlschein haben kann, erfahrt ihr im Artikel.

Überall in der Stadt wurden Plakate aufgehängt und aufgestellt, auf denen groß damit geworben wird ,Ja’ oder ,Nein’ beim Bürgerentscheid anzukreuzen. Auf den Plakaten sieht man Parteien und/oder Bündnisse, manchmal auch Fotos von Greifswalder Bürger*innen, die die jeweilige Kampagne unterstützen. Das Problem an den Plakaten: Sie senden teilweise widersprüchliche Aussagen aus. Dieser Artikel klärt über den Bürgerentscheid auf, damit ihr wisst, was es genau bedeutet, wenn ihr am Sonntag ,Ja’ oder ,Nein’ ankreuzt.

Was ist ein Bürgerentscheid?

Ein Bürgerentscheid ist ein Instrument direkter Demokratie auf kommunaler Ebene, wobei die Bürger*innen die Möglichkeit haben, selbst über eine Frage zu entscheiden. Der Bürgerentscheid steht der Bürgerschaft gleich. Die Frage ist entschieden, wenn sie von der Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen beantwortet wurde. Die Mehrheit muss mindestens 25 % der Stimmberechtigten betragen. Ist diese Mehrheit nicht erreicht worden, entscheidet die Bürgerschaft. Bei Stimmengleichheit ist die Antwort nein. Der Bürgerentscheid bindet die Universitäts- und Hansestadt Greifswald für zwei Jahre an die getroffene Entscheidung. Wahlberechtigt sind alle Unionsbürger*innen ab 16 Jahren, die seit mindestens 37 Tagen in Greifswald ihre Hauptwohnung haben.

Worüber entscheidet der Bürgerentscheid in Greifswald?

Im März 2023 wurde ein Bürgerbegehren gestartet. Die Initiator*innen sammelten nach eigenen Angaben mehr als 7.000 Unterschriften und die erforderliche Anzahl an gültigen Unterschriften wurde erreicht, sodass die Bürgerschaft der Durchführung eines Bürgerentscheids zustimmte. Ausgangspunkt dafür war die geplante Verpachtung einer Fläche im Ostseeviertel an den Landkreis Vorpommern-Greifswald, um dort eine Containerunterkunft für Geflüchtete einzurichten. Der webmoritz. berichtete.

Sind Sie dafür, dass im Eigentum der Universitäts- und Hansestadt Greifswald stehende Grundstücke zwecks Errichtung von Containerdörfern zur Unterbringung von Geflüchteten an den Landkreis Vorpommern-Greifswald verpachtet werden?

Die Frage des Bürgerentscheids

In der Stellungnahme der Greifswalder Verwaltung steht eindeutig, welche Auswirkung eure Stimmenabgabe hat und welche nicht.

Sie entscheiden darüber, ob die Universitäts- und Hansestadt Greifswald in den nächsten Jahren ihre eigenen Flächen (Grundstücke) für Containerdörfer zur Unterbringung von Geflüchteten an den Landkreis Vorpommern-Greifswald verpachten darf oder nicht.

Sie können nicht darüber entscheiden, ob private Flächen und Grundstücke, die nicht im Eigentum der Universitäts- und Hansestadt Greifswald stehen, zum Zwecke der Errichtung von Containeranlagen verpachtet werden dürfen. Sie können mit ihrer Entscheidung nicht beeinflussen, ob und wo und in welchem Umfang der Landkreis Vorpommern-Greifswald geflüchtete Menschen in der Universitäts- und Hansestadt Greifswald unterbringt.

Stellungnahme der Verwaltung

Wer entscheidet, wie viele Geflüchtete nach Greifswald kommen?

Das entscheidet sozusagen der „Verteilungsschlüssel“. Der wird durch die Steuereinnahmen und die Bevölkerungszahl der Bundesländer errechnet. MV nimmt nur 1,98 % der Geflüchteten auf. Die Geflüchteten werden vom Bundesland auf die Landkreise und kreisfreien Städte verteilt. Unser Landkreis – Vorpommern-Greifswald – muss nach dem Verteilungsschlüssel MVs 14,9 % der 1,98 % Geflüchteten Deutschlands aufnehmen. Normalerweise muss der Landkreis dafür sorgen, die Geflüchteten unterzubringen. In unserem Fall ist er dazu nicht mehr in der Lage und die Stadt Greifswald kümmert sich darum. Dass die Unterbringung von Geflüchteten in Containerdörfern die letzte Möglichkeit der Unterbringung sein sollte, beschloss die Bürgerschaft am 27.03.2023.

Die Bürgerschaftssitzung vom 27.03.2023 ist deswegen interessant, da der Landrat Michael Sack dort erklärte, dass mit einem hohen Zuzug an Geflüchteten gerechnet werde. Trotz der guten Infrastruktur und besseren Voraussetzungen Greifswalds als größte Stadt des Landkreises könne natürlich auch die Stadt an ihre Belastungsgrenze stoßen. Ein Problem unserer Stadt sei der geringe Wohnungsleerstand. Die Geflüchteten können sehr wahrscheinlich nicht in Wohnungen unterkommen. Es müssen also andere Lösungen gefunden werden: gemeinschaftsunterkunftstaugliche Räumlichkeiten, im Notfall auch Sportstätten.

Diese Frage kann beim Bürgerentscheid mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden. Wichtig ist nochmals hervorzuheben, dass der Bürgerentscheid keine Auswirkungen darauf hat, ob Geflüchtete nach Greifswald kommen werden.

Was es bedeutet, wenn ich ,Ja’ ankreuze

  • Eine Unterbringung der Geflüchteten im Containerdorf bleibt eine Notfalllösung.
  • Die Stadt kann geeignete Standorte für Containeranlagen prüfen, dann der Bürgerschaft vorlegen, sie anschließend beschließen und an den Landkreis verpachten.
  • Die folgenden städtischen Flächen könnten momentan angeboten werden: der Festspielplatz an der Jungfernwiese; die Wiese in der Lise-Meitner-Straße und der Sportplatz in der Feldstraße 86.
  • Unterstützt wird die ,Ja-Kampagne’ durch die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, die Fraktion DIE LINKE & Partei MUT und die SPD-Fraktion.

Was es bedeutet, wenn ich ,Nein’ ankreuze

  • Die Geflüchteten werden auf nicht kommunalen Flächen, Flächen, die nicht der Stadt gehören, untergebracht. Das wären zum Beispiel Sporthallen.
  • Es können keine städtischen Standorte zur Errichtung von Containeranlagen verpachtet werden.
  • Dafür könnten allerdings andere Eigentümer*innen ihre Flächen zur Verpachtung anbieten.
  • Unterstützt wird die ,Nein-Kampagne’ durch die CDU-Fraktion, die Fraktion BG/FDP/KfV, die AfD-Fraktion und die Einzelmitglieder Christian Kruse und Grit Wuschek.

Was empfehlen der Landkreis und die Stadtverwaltung?

Der Landkreis Vorpommern-Greifswald und die Stadtverwaltung der Universitäts- und Hansestadt empfehlen, dass eine Verpachtung städtischer Flächen an den Landkreis zur Aufstellung von Containeranlagen als Notlösung bestehen bleiben sollte. Mit einem „Nein“ beim Bürgerentscheid würde diese Möglichkeit verbaut. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sporthallen belegt werden müssen, erhöht sich also mit einem „Nein“ beim Bürgerentscheid.

Stellungnahme der Verwaltung

Das Wichtigste auf einen Blick:
Was? Bürgerentscheid
Wann? Sonntag, 18. Juni 2023, 8 bis 18 Uhr
Wo? In dem Wahllokal, das auf deiner Abstimmungsberechtigung steht.

Countdown bis zum Bürgerentscheid

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Beitragsbild: Adrian Siegler

Hoch hinaus

Hoch hinaus

Der Grünen-Politiker Johann-Georg Jaeger gilt als Vorreiter der Wind-Energie in Mecklenburg-Vorpommern und betreibt selbst südlich von Rostock einige Windkraftanlagen. Vergangenen Freitag lud er zu einer Winradbesteigung ein.

Der Treffpunkt findet sich wie gewöhnlich am Bahnhof an der Osnabrücker Straße. Per Fahrgemeinschaft geht es zu elft zum Windpark Mistorf. Das liegt in der Nähe von Lüssow, was wiederum in der Nähe von Güstrow liegt. Dies befindet sich südlich von Rostock (Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland). Unter einem über 200 Meter hohen Windrad stehend erklärt Jaeger die Besonderheiten der Anlage. Die E82 ragt 138 Meter in den Himmel, ein Rotorblatt misst 82 Meter und streckt sich demnach über 200 Meter hoch der Sonne entgegen. Sie leistet 6 mW und kann bei einem durschnittlichen Verbrauch von 3000 kWh 2000 Haushalte mit Strom versorgen. Das 18 Quadratmeter einnehmende Fundament reicht 1,8 Meter in die Tiefe und wiegt 1000 Tonnen, darauf wächst der aus Betonschalen zusammengefügte Turm. “Das ganze funktioniert wie ein Stehaufmännchen: Durch das enormge Gewicht des Fundaments und der unteren Turmelemente ist die Konstruktion stabil genug für die gewaltige Kraft der drehenden Rotoren”, erläutert Jaeger.

Jede*r Teilnehmer*in bekommt Kletterequipment ausgehändigt: Schulter- und Beingurte, die mit einem Läufer verbunden werden, dazu ein Helm und Handschuhe. Das Windrad, das wir besteigen, ist ein älteres Modell: Es misst nur 80 Meter, die Rotoren strecken sich über 37 Meter. Am Leiterfuß hakt jeder seinen Läufer in ein Drahtseil ein, das einmal von oben nach unten durch das Windrad läuft. “Wenn ihr abstürzt, bleibt ihr am Drahtseil hängen und könnt mithilfe des an eurem Rückengurt befestigeten Rings gerettet werden. Dazu bleiben uns ungefähr 20 Minuten, dann ist zu viel Blut in den Beinen gelandet, um das Gehirn ausreichend zu versorgen.” Jaegers Augen blitzen schelmisch, dann beginnt der Aufstieg. Mit dem Rücken an die Turmwand gepresst, kann man theoretisch ohne Nutzung der Hände auf den Sprossen nach oben wandern. Innen herrschen bestialisch heiße Temperaturen, oben sind alle schweißgebadet.

Doch die Mühen sind schnell vergessen, als Jaeger die Gondel öffnet. Wie bei einem Spaceshuttle gleiten die Halbschalen auseinander und offenbaren den Blick über die weiten Wiesen der Region. Besonders spannend wird es noch einmal, als Jaeger die Bremse des Windrades löst: die riesigen Rotoren beginnen sich erst langsam und dann immer schneller zu drehen, die Geräuschkulisse ähnelt einem startenden Flugzeug. Das Windrad erreicht schnell die maximale Umdrehungsgeschwindigkeit von 16 Umdrehungen pro Minute. Obwohl sich die Nabe scheinbar langsam dreht, sind die Rotorenspitzen auf 220 km/h beschleunigt worden. Über ein Getriebe wird mit 1600 Umdrehungen noch in der Gondel in einem Generator netzfertiger Strom erzeugt, der sofort eingespeist werden kann. Dann bringt Jaeger das Rad mit der öldruckgesteuerten Feststellbremse wieder zum Stehen, die Rotoren verzögern, die Gondel schaukelt und ruckelt hin und her. In 80 Meter Höhe raunen manche ein wenig verängstigt. Dann geht es auch schon wieder abwärts, weiteres Schwitzen und fröhliches Lachen in der abfallenden Aufregung. Unterwegs bewundern wir die Schrauben, mit denen die einzelnen Turmsegmente untereinander verbunden sind: 4600 nM. Zum Vergleich: Die Radmuttern am Auto werden mit 120 nM angezogen. Unten angekommen verabschieden sich alle Teilnehmer unter begeisterten Dankesbekundungen von Johann-Georg Jaeger und fahren in Windeseile in die Heimat zurück.

Natürlich erzählte der Grünen-Politiker noch viele andere spannende Impressionen zur Windkraft: Vor- und Nachteile, Chancen und Perspektiven, Natur- und Tierschutz sowie Zukunftsaussichten. Außerdem funktioniert die Mistorfer Anlage nach dem Solidarprinzip und beteiligt die umliegende Standortgemeinde am Gewinn. Wie genau das funktioniert, wie sich Vogelschutz und grüner Energiebedarf in Deutschland vereinbaren lassen und welche Rolle Jaeger bei dem Ganzen spielt, lest ihr im übernächsten moritz.magazin!

Bilder: Jonas Greiten

Knappes Bekenntnis der Stadt gegen weiteren Atommüll

Knappes Bekenntnis der Stadt gegen weiteren Atommüll

Gruen_AntiAtom_Berger-Simon VoigtMit einer Kundgebung vor dem Rathaus machten heute die Greifswalder Grünen Stimmung für einen ihrer Anträge in der Bürgerschaft. Mit Erfolg: Die Bürgerschaft sprach sich gegen eine weitere Lagerung von Atommüll im Zwischenlager Nord (ZLN) aus. Ein ähnliches Vorhaben scheiterte unlängst auf Kreisebene, wo ihr Antrag gar nicht erst zur Diskussion kam,  sondern vorher von der Tagesordnung gestrichen wurde. (mehr …)