Vergesst uns nicht – ein Interview mit den Greifswalder Studiclubs

Vergesst uns nicht – ein Interview mit den Greifswalder Studiclubs

Wir Studierenden vermissen das Vorglühen bei Freund*innen, von Bar zu Bar zu ziehen, bis ins Morgengrauen zu tanzen. Wehmütig denken wir an die Nächte zurück, die für uns so selbstverständlich waren und schätzen umso mehr, was wir hatten. Wir zehren von der Hoffnung, dass nächsten Sommer vielleicht alles wieder so wie “vor Corona” ist. Doch wir dürfen nicht vergessen, dass viele kulturelle Einrichtungen zur Zeit um ihre Existenz kämpfen und Veranstaltungen nach der Coronakrise vielleicht nicht mehr so selbstverständlich sind. Wir haben mit den drei Studierendenclubs Geographenkeller, Kiste und Club 9 gesprochen und gefragt, wie es ihnen in der jetzigen Situation geht.

Wie geht es eurem Club?

Geographenkeller: Diese Fragen müssen wir gleich recht komplex beantworten. Der Geographenkeller hat ja nicht erst seit Anfang des Jahres coronabedingt geschlossen, sondern bereits seit Juli letzten Jahres keine öffentliche Veranstaltung in den eigenen Räumen mehr ausrichten können. Seit Ende August/Anfang September 2019 wurden die Außenwände des Instituts für Geographie saniert, weshalb zwei unserer Notausgänge nicht passierbar waren und der gesamte Bereich um das Institut quasi Baustelle war. Nach Plan sollten die Bauarbeiten im letzten Quartal 2019 beendet sein, tatsächlich sind sie nun, im letzten Quartal 2020, abgeschlossen. Ihr könnt euch vorstellen, dass die Herbst- und Wintermonate unsere finanziell stärksten Monate sind, insbesondere natürlich die Erstiwoche. An dieser konnten wir nun bereits zweimal nicht in unseren Räumen teilnehmen, wobei sie ja einmal mehr oder weniger vollständig ausgefallen ist. Dementsprechend vorfreudig waren wir, am 31.10.2020 endlich wieder öffnen zu können. Doch hier kam uns nun der zweite Lockdown dazwischen.

Kiste: Wir als Club sind für unser vielfältiges Angebot natürlich auf direkten Besuch von Gästen angewiesen. Damit finanzieren wir auch unsere Fixkosten und alles, was für Veranstaltungen anfällt. Also sind uns durch die coronabedingten Verordnungen sämtliche  Einnahmen weggebrochen. Wir konnten im Oktober bei wenigen Veranstaltungen wieder Gäste begrüßen, aber das war auch zu schnell wieder vorbei.

Club 9: Aktuell geht es uns als Einrichtung noch gut, obwohl uns der zweite Lockdown sehr trifft. Erst Anfang Oktober durften wir von Seiten der Universität wieder öffnen und hatten somit lediglich die Chance, einen Monat lang unsere Räumlichkeiten als Bar zu nutzen. Das fällt logischerweise wieder weg und wir können keine Einnahmen mehr generieren. Somit müssen wir vorerst mit dem auskommen, was wir haben.

Was ist die größte Herausforderung zur Zeit?

Geographenkeller: Die größte Herausforderung ist derzeit finanzieller Natur. Große Rücklagen dürfen wir als Verein eh nicht bilden, aber auch jene, die wir noch hatten, sind nach der vierfach längeren Bauzeit aufgebraucht. Doch damit nicht genug. Da wir auch während des ersten Lockdowns ja insbesondere der Baustelle wegen geschlossen haben mussten, dürfen wir für diesen Zeitraum keine Coronahilfen beantragen. Weder Bundes- noch Landeshilfen sind für uns erreichbar. Möglich wäre es prinzipiell gewesen, mit diesen Hilfen Exilpartys in den anderen Studierendenclubs auszurichten, doch dies ist in den Bedingungen für die Förderungen nicht vorgesehen. Auch Unterstützung für etwaige denkbare Außenveranstaltungen (deutlich teurer durch Miete für zusätzliche Technik, Ämtergänge, Gagen etc.) wurde uns nicht genehmigt, da man hierfür innerhalb des letzten halben Jahres einige Live-Veranstaltungen aufweisen können muss. Dies war in unserem Falle aber eben wegen der Baustelle wiederum nicht möglich. Die aktuellen Hilfen orientieren sich am Vorjahresumsatz aus dem November. Ihr könnt es euch schon denken: Einen solchen hatten wir nicht aufgrund der Baumaßnahmen an der Außenwand des Instituts. Bisherige Kontaktaufnahmen in die Politik blieben leider erfolglos, wir strecken weiter unsere Fühler aus.

Kiste: Wir waren im Vorfeld nicht auf solche Dinge vorbereitet und hatten bzw. haben nicht die Mittel, den Verein technisch dafür auszustatten.  Also ist da viel Improvisation nötig. Es ist auch sehr frustrierend, dass die soziale Interaktion unter  
unseren Mitgliedern stark zum Erliegen gekommen ist und die Kommunikation schwieriger geworden ist. Fixkosten gibt es trotzdem, auch wenn die Universität uns bei der Raummiete entgegengekommen ist. Daher schmelzen unsere ohnehin   knappen Finanzen langsam weg.

Club 9: Die größte Herausforderung für uns zur Zeit ist es, unser Clubleben am Laufen zu halten, Kontakt untereinander zu haben und uns gemeinsam für Projekte zu engagieren, da wir uns nicht treffen können. Dementsprechend versuchen wir, so gut es geht, online Dinge zu organisieren.

Was konntet ihr aus dem ersten Lockdown lernen?

Geographenkeller: Wir konnten lernen, dass unser Plenum im Zweifelsfalle auch online funktioniert (gezwungenermaßen), aber eine Zusammenkunft vor Ort in keiner Weise ersetzen kann. Wir sind eben kein kommerzielles Unternehmen, sondern ein Club, der vor allem von der Diversität seiner Mitglieder lebt. Vor, während und nach dem Plenum findet mehr statt als das reine Organisieren des nächsten Freitags. Eine Zusammenkunft im Internet kann das schwer ersetzen. (Ein Vorteil hiervon ist jedoch, dass auch Leute von früher wieder an der Gemeinschaft teilhaben können.)

Club 9: Der erste Lockdown hat uns lediglich gezeigt, dass es immer Möglichkeiten gibt, solche Situationen zu überstehen und dass wir anschließend wieder mit vollem Engagement und Willen angreifen können. Darauf freuen wir uns, wenn der zweite Lockdown vorbei ist!

Welche Unterstützung wünscht ihr euch von der Regierung?

Geographenkeller: Wir wünschen uns, dass die Hilfen leichter zu bekommen sind. Das Ziel der Regierung ist ja unter anderem, die Veranstaltungsbranche zu unterstützen. Wenn wir also Gelder abrufen könnten, mit denen wir ein Open Air oder ein Streaming-Konzert veranstalten könnten, würde dieses Geld ja nicht einmal an uns gehen, sondern zum größten Teil an Techniker*innen und Künstler*innen. Und wenn es eine solche Lockerung der Bedingungen nicht geben kann, so wäre es schön, wenn unsere besondere Situation verstanden und entsprechend beachtet würde, insbesondere in der Lokalpolitik. Greifswald ist stolz auf seine Studierendenkultur und auch die Uni hängt uns immer hoch aus. Dementsprechend würden wir uns wünschen, dass die Politik auch etwas zum Erhalt dessen beiträgt.

Kiste: Wünschenswert sind da natürlich Fördermittel. Leider sind viele Förderangebote für unser Vereinskonzept nicht angelegt und oft ist die Antragsstellung für Ehrenamtliche zu aufwändig. Insofern würden wir von besseren Informationen und mehr Unterstützung bei solchen Antragsstellungen profitieren. Explizite Wünsche an die Landesregierung haben wir eher nicht. Das Beste aus unserer Sicht wäre, durch konsequente Maßnahmen die Pandemie zum Erliegen zu bringen, um eine neue Form von Normalbetrieb in Ruhe wieder möglich zu machen.

Club 9: Von der Regierung wünschen wir uns einen “Rettungsschirm”. Den gibt es soweit sogar auch und man kann Gelder zur Unterstützung beantragen.

Welche Lockdown-konformen Angebote gibt es bei euch zur Zeit?

Geographenkeller: Keine öffentlichen, wir haben weiterhin eine wöchentliche Sitzung (momentan natürlich online). Wir hatten ein großes Hygienekonzept für den Keller entwickelt, sowie verschiedene neue Veranstaltungsideen. Im Lockdown kann nichts dergleichen stattfinden. Auch ein Stream ist quasi nicht möglich, da wir im Keller kein eduroam in ausreichender Stärke empfangen (die älteren Gäste erinnern sich). Die Entwicklung anderer Angebote ist leider häufig mit für uns hohen Investitionskosten verbunden oder zu arbeitsintensiv für die ehrenamtliche Arbeit. Zudem müssen wir uns bezüglich unserer Infektionsschutzmaßnahmen sowohl mit der Uni koordinieren, als auch den allgemeinen Richtlinien folgen, weswegen die Wiedereröffnung aller Studierendenclubs zum Beispiel auch deutlich verzögert zur restlichen Bar- und Clubszene stattfand.

Kiste: Wir können nun aus der Kiste heraus nur noch gelegentliche Livestreams anbieten, was aber leider wenig Publikum findet und dafür großen Aufwand erzeugt, bei dem viel private Technik unserer Mitglieder eingesetzt werden muss. Ab und zu arbeiten wir dabei mit den emsigen Leuten vom radio 98eins zusammen.

Club 9: Zur Zeit bieten wir keine Angebote an, da wir kaum eine sinnvolle Möglichkeit gesehen haben, uns zu präsentieren.

Was wünscht ihr euch von den Greifswalder*innen?

Geographenkeller: Vergesst uns bitte nicht. Der Geokeller hat jetzt schon eine ganz schöne Weile geschlossen. Das ist natürlich einerseits finanziell schwierig, aber vor allem lebt unser Club von den Menschen, die sich hier engagieren und einbringen. Neue Gäste und Mitglieder bekommt man nur, wenn man auch öffnet und Menschen den Club kennenlernen können. Dies ist in unserem Falle seit einem Jahr nicht möglich gewesen. Insofern wünschen wir uns allgemeine Vorfreude auf eine Wiedereröffnung der uns liebsten Kellerräume.

Kiste: Von unseren Nachbar*innen und Mitbürger*innen wünschen wir uns gegenseitige Rücksichtnahme. Aber auch in dieser Situation vielleicht noch mehr als sonst die Selbstreflektion darüber, ob Einrichtungen unterstützt werden können, oder ob man sich vielleicht selbst engagieren kann. Helfen, mitmachen, Angebote schaffen. Das ist auch unter den aktuellen Verordnungen möglich.

Club 9: Von den Greifswalder*innen wünschen wir uns, dass sie uns nicht vergessen und, sobald wir wieder öffnen dürfen, uns wieder besuchen und schöne Abende mit uns verbringen.

Den Geographenkeller könnt ihr auf Facebook und auf Instagram verfolgen.
Auch der Club Kiste informiert euch über Facebook und Instagram über digitale Angebote.
Club 9 hält euch ebenfalls über Facebook und Instagram auf dem Laufenden.

Beitragsbilder: Fidel Fernando, Dima Pechurin und Anastasiia Chepinska auf Unsplash.

Adventskalender Fensterchen No. 2: Papiersterne basteln

Adventskalender Fensterchen No. 2: Papiersterne basteln

Weihnachtszeit ist Vorfreude und Geheimnistuerei, Nächstenliebe und Besinnung. Sie duftet nach heißem Glühwein, frisch gebackenen Keksen und mühsam gepellten Mandarinen. Der Dezember lebt von kleinen Aufmerksamkeiten und Traditionen, wie den Adventssonntagen mit der Familie, dem mit Süßigkeiten gefüllten Schuh am Nikolausmorgen und dem täglichen Öffnen des Adventskalenders. Weißt du noch, wie du jeden Tag vor Weihnachten aufgeregt aufgestanden bist, um vorfreudig zu deinem Schokoadventskalender zu tappen? Die moritz.medien verstecken das Weihnachtsgefühl hinter 24 Fenstern. Im heutigen Fenster: Papiersterne basteln.

Sterne an Wänden oder Fenstern verbreiten drinnen und draußen Weihnachtstimmung. Die fertigen Sterne sind aber leider recht kostspielig für saisonale Dekoration. Umso schöner ist es, dass sich in wenigen Minuten und aus nur wenigen Materialien wunderschöne und einzigartige Sterne basteln lassen.

Benötigte Materialien

  • 7 bis 9 Brotpapiertüten (je mehr Tüten, desto “voller” und zackenreicher wird der Stern) – die Tüten gibt es im Drogeriemarkt übrigens auch in Rot!
  • Klebstoff
  • Nadel
  • heller oder durchsichtiger Faden
  • Schere
  • ggf. Stift
  • Wenn dein Stern leuchten soll: Locher und Lichterkette

Schritt 1

Die Tüten werden nach und nach aufeinandergeklebt. Dafür den Klebstoff mittig in Form eines umgedrehten T auftragen, sodass die Mitte und der untere Rand kleben. Alle Tüten aufeinanderkleben, bis ihr einen Stapel von Tüten habt.

Schritt 2

Jetzt dürft ihr kreativ werden, denn jetzt wird der Stern geformt. Wichtig ist, die Spitze dreieckig zurechtzuschneiden – dafür könnt ihr, wenn ihr möchtet, eine Linie vorzeichnen. In die Ränder könnt ihr Muster reinschneiden, wie Sterne, Kreise oder Zacken. Eine andere schöne Idee, die vor allem bei anschließender Beleuchtung gut zur Geltung kommt, ist kleine Löcher in die Ränder zu stanzen.

Hier seht ihr drei verschiedene Ideen, wie man die Tüten zuschneiden kann.

Schritt 3

Wenn der Stern leuchten soll, kann ein (mehr oder weniger schönes) Loch in die untere Mitte geschnitten oder gestanzt werden. Hier wird dann die Lichterkette durchgefädelt, also sollte das Loch groß genug für die kleinen Glühbirnen sein.

Schritt 4

Nun kann auch die obere Seite mit Klebstoff versehen werden, der Stern wird auseinandergeklappt und das obere Ende mit dem unteren verklebt. Das Ergebnis ist immer eine Überraschung und jede Variation kann toll aussehen.

Schritt 5

Nun kann die Lichterkette eingefädelt werden. Je nach Länge der Lichterkette sollten in jedem Zacken ein paar Lichter verteilt werden, damit der Stern gleichmäßig leuchtet.

Schritt 6

Zu guter Letzt die Nadel mit dem Faden an einer beliebigen Spitze des Sterns durchfädeln und zu einer Schlaufe verknoten.

Schon fertig! Nun kann der Stern an der Wand oder am Fenster aufgehängt werden.

Beitragsbilder: Lilli Lipka
Titelbild: Julia Schlichtkrull

Umgekrempelt: Die 3-Minuten-Regel

Umgekrempelt: Die 3-Minuten-Regel

Kennt ihr das, wenn man mal was Neues ausprobieren will, aber am Ende alles beim Alten bleibt? Uns jedenfalls kommt das sehr bekannt vor, deswegen haben wir uns für euch auf einen Selbstoptimierungstrip begeben. In dieser Kolumne stellen wir uns sieben Tage als Testobjekte zur Verfügung. Wir versuchen für euch mit unseren alten Gewohnheiten zu brechen, neue Routinen zu entwickeln und andere Lebensstile auszuprobieren. Ob wir die Challenges meistern oder kläglich scheitern, erfahrt ihr hier.

“Ach na ja, das mache ich dann später”, ist ein Satz, den ich leider viel zu häufig denke oder sage, obwohl ich mich doch eigentlich als ziemlich disziplinierten Menschen beschreiben würde. Ich versinke nicht im Chaos und bin so gut wie immer up to date unterwegs – bemerke aber auch, dass ich doch gerne mal kleinere Sachen vor mir herschiebe: Zu manchen Zeiten sammeln sich dann einzweidreivier Teebecher in meinem Zimmer an und den berühmten Klamottensessel muss ich bestimmt nicht weiter vorstellen. Ich bin mal mit jemandem gereist, der nach folgender Regel lebt: Alles, was man in 3 Minuten erledigen kann, wird sofort gemacht. “Damals” wurde ich ganz gut mitgezogen (und war hellauf begeistert), nun starte ich aber schon zum zweiten Mal in dieses Selbstexperiment. Warum? In der ersten Woche war so viel los, dass das umgekrempelt schlicht und einfach wieder untergegangen ist. Eigentlich hatte ich geplant, mir am Sonntag davor zur Erinnerung noch kleine Post-Its in der Wohnung zu verteilen, habe es aber immer auf das berühmte “nachher dann” vertagt und es schlussendlich ganz vergessen. Wenn das mal keine Ironie und ein Zeichen der Notwendigkeit ist, schließlich hätte auch das nicht mal die besagten 3 Minuten gedauert.

Montag

Der zweite Start in den umgekrempelt-Montag bringt dafür aber so einen Produktivitätsschub mit sich, dass sich die Verzögerung mehr als gelohnt hat. Die 3-Minuten-Regel wurde zugegebenermaßen in die „Mails, die ich schon ewig vor mir herschiebe endlich beantworten und danach den Abwasch machen“-Regel umgewandelt, um alles Mögliche, was mir schon länger aufsitzt, endlich mal anzugehen, aber Manometer war das ein befreiendes Gefühl! Ich habe die letzten Tage ein wenig komisch verlebt – ich wusste nicht, ob ich jetzt Sachen bewusst stehen und liegen lassen soll, damit der Kontrast zur umgekrempelt-Woche noch stärker wird? Es war für einige Momente jedenfalls eine sehr schöne Ausrede. 😀

Dienstag

So, bevor sich letzte Woche wiederholt, habe ich doch tatsächlich den Zettel aufgehängt. Auch das gibt so ein gutes Gefühl; das ist etwas, worüber ich letzte Woche auch schon sehr viel nachgedacht habe. Nehmen wir das Klamottensessel-Beispiel: Es würde ein, zwei Handgriffe brauchen, um die Klamotten zusammenzulegen und wegzuräumen, und trotzdem brauche ich oft mehrere Anläufe, bis es dann dazu kommt. Stattdessen geht dann aber der Blick mehrmals täglich dorthin, sodass man ebenso oft einen “Störreiz” (oder irgendwann andersrum leider gar keinen Reiz mehr) vermittelt bekommt oder sich, viel pragmatischer, auch gar nicht auf den Sessel setzen kann. Diese kleinen Sachen sitzen dann teilweise so auf (in dem Fall “liegen”, höhö), dass das Belohnungssystem dafür auch entsprechend Glücksgefühle auslöst, sie (endlich) zu erledigen. Die Frage bleibt: Warum verschiebe ich es dann doch immer wieder?

Mittwoch

Hier ist Samstags-Annica, die irgendwie den Mittwochs-Abschnitt dieses Artikels füllen muss, weil Mittwoch- bis Freitags-Annica sich wohl so gar nicht dazu aufraffen konnte, na supi. Ich kann mich erinnern, dass der Tag // Ja und hier brach der Satz ab und woran ich mich erinnern konnte, weiß ich auch nicht mehr, echt nur zu empfehlen, dieses Aufschieben. 🙃

Donnerstag

Heute habe ich ehrlicherweise kaum darauf geachtet und würde es als relativ “normalen” Tag bezeichnen. Allerdings muss ich zugeben, dass ich heute Nachmittag durch einen Kursausfall viel mehr Zeit als erwartet hatte und das trotzdem nicht ansatzweise als Anlass nehmen konnte, mich mal um den Abwasch von gestern zu kümmern. Nach der Redaktionssitzung, in der wir über das laufende Experiment gesprochen haben, fühle ich mich allerdings echt ein wenig schlecht, heute mit Scheuklappen durch die Wohnung gegangen zu sein, raffe also meine Disziplin wieder zusammen und starte nochmal durch. Und obwohl es später dann schon tief in der Nacht war, habe ich mich endlich mal an eine Mail gesetzt, die ich schon seit Monaten schreiben wollte. Das hat zwar eineinhalb Stunden und nicht nur die paar Minuten gedauert, aber irgendwie gilt die Regel langsam abstrakt dafür, Sachen einfach mal anzugehen. Das Belohnungssystem hat danach wieder ganze Arbeit geleistet, schließlich war der Mail-Kontakt doch super schön und saß einfach nur auf, weil die Zeitspanne meiner Antwort immer größer und dann zu unangenehm geworden ist. 

Freitag

Was auch nur 3 Minuten dauern würde? Wenigstens ein paar Stichpunkte für die Tagesreflexionen festhalten, mir sind zwischendurch nämlich wirklich wichtige oder manchmal auch selbstironisch-lustige Gedanken gekommen, von denen ich aber anscheinend so überzeugt war, mich daran erinnern zu können, dass sie die 30 Sekunden fürs Aufschreiben wohl nicht wert waren. Schande über mein Haupt, denn vergessen habe ich natürlich jeden einzelnen davon. Dafür habe ich heute direkt beim Frühstück etwas erledigt, was ich in der Regel wirklich so lange vor mir her schiebe, dass es sich dann auch nicht mehr lohnt: Ein Lesezeichen in mein Buch legen. Auch hier kann ich wieder nur feststellen, dass die Contra-Seite enorm ist, schließlich vergesse ich wirklich JEDES Mal die Seitenzahl, von der ich aber genau so jedes Mal wieder überzeugt genug bin, sie mir merken zu können, dass ich das Buch dann einfach zuklappe. Wir könnten es einen ausgeprägten Selbstoptimismus für ein plötzlich entstehendes Zahlengedächtnis nennen, oder mein “Nicht jetzt”-Denken at its best. Tja, endlose Querles’- und Suchaktionen sollten mich eines besseren gelehrt haben, denn Spoiler sind da unvermeidlich. Ich habe mich also kurzerhand entschlossen, das mir nächste Verfügbare – typisch Lesezeichen – einer Zweckentfremdung zu unterziehen und stelle erst danach fest, was für ein Zeichen des Schicksals das war, schaut man sich mal die Beschriftung an:

Samstag

Jetzt wollte ich heute mal so richtig mit neuem Schwung die 3 Minuten wieder ausleben und hatte dann von morgens bis abends Uni, sodass mir eigentlich kaum Gelegenheit blieb, überhaupt was anderes zu machen. Dafür habe ich mich in der kurzen Zeit zu Hause aber umso engagierter daran gehalten und trotz des stressigen Tages alles noch direkt erledigt. Nur ein einziger Teller steht in diesem Augenblick (es ist schon sehr spät) noch in meinem Blickfeld (aber echt am äußersten Rand), den Weg in die Küche möchte ich jetzt aber wirklich nicht mehr machen.

Sonntag

Auch heute war Uni und ich kaum zu Hause, allerdings habe ich den Teller der letzten Nacht direkt nach dem Aufstehen in den Geschirrspüler gestellt, immerhin. Zum Ende der Woche habe ich mal weitere Dinge gesammelt, die weniger als 3 Minuten dauern: Auf links gestrampelte Hosen direkt wieder auf rechts drehen und zusammenlegen, das Bett machen, Chats beantworten, in Tupperdosen verstaute Lebensmittel … mal überprüfen (hust), den Müll (danach) runterbringen, Pflanzen gießen, Taschen direkt ausräumen, das Kalenderblatt umblättern (? lol warum schiebe ich sowas denn auch), geknülltes Naschpapier wegschmeißen oder auch sowas wie direkt etwas zu Trinken zu machen, wenn man den Impuls danach verspürt.

Fazit

Tja, ich muss ganz selbstkritisch feststellen: Puh, bin ich eine Aufschieberin geworden. Und zwar nicht von den großen Dingen, sondern von all den kleinen und privaten, die nur meiner eigenen Verantwortung obliegen und dann bei all den anderen, “richtigen” Projekten einfach schnell hinten runter fallen. Eine kurze (dreiminütige? (ok Spaß)) Analyse meiner Fragezeichen zeigt: Warum ich solche Sachen nicht direkt erledige, verstehe ich nach dieser Woche noch weniger als vorher. Es ist schon fast paradox, wie ich teilweise Geschirr automatisch erstmal stehen lasse – wirklich so, als ob das der normale Ablauf wäre, aber später bin es doch immer noch ich, die das wegräumen muss?! Ich habe diese Woche wirklich gebraucht, um das überhaupt als Routine zu realisieren und immer wieder aktiv dagegen anziehen müssen. Es war teilweise echt ein innerer Kampf: Ich bin mehrmals pro Tag doch nochmal umgedreht, habe mich dann direkt um etwas gekümmert und mich dabei manchmal so im inneren Konflikt befunden, als hätte ich zwei Annicas auf der Schulter sitzen, die mir (beiderseits sehr überzeugend) ein “später” oder “jetzt” zuflüsterten. Ich kann inzwischen (zwei Tage nach dem Experiment) definitiv sagen, auch bei den kleinen Dingen wieder weitaus disziplinierter zu sein und nur immer wieder feststellen: Es tut so gut, nicht sechs Mal pro Tag an etwas denken zu müssen, sondern es direkt erledigt zu haben. Das ist nicht nur logisch, schließlich muss man es irgendwann sowieso machen, sondern die kleinen Glücksgefühle wirklich wert. 

Beitragsbilder: Annica Brommann
Banner: Julia Schlichtkrull

Adventskalender Fensterchen No. 1: L’Avent en vogue

Adventskalender Fensterchen No. 1: L’Avent en vogue

Weihnachtszeit ist Vorfreude und Geheimnistuerei, Nächstenliebe und Besinnung. Sie duftet nach heißem Glühwein, frisch gebackenen Keksen und mühsam gepellten Mandarinen. Der Dezember lebt von kleinen Aufmerksamkeiten und Traditionen, wie den Adventssonntagen mit der Familie, dem mit Süßigkeiten gefüllten Schuh am Nikolausmorgen und dem täglichen Öffnen des Adventskalenders. Weißt du noch, wie du jeden Tag vor Weihnachten aufgeregt aufgestanden bist, um vorfreudig zu deinem Schokoadventskalender zu tappen? Die moritz.medien verstecken das Weihnachtsgefühl hinter 24 Fenstern. Im heutigen Fenster: L’Avent en vogue.

Was ist der größte Nachteil fehlender Präsenzveranstaltungen?
Schlechtere Verständlichkeit der Lehrinhalte durch digitale Formate? Okay, Boomer…
Keine Mensagespräche mehr nach den Vorlesungen? Jap, das ist etwas, das uns allen fehlt.
Aber die wirklich größte Herausforderung in der aktuellen Situation, der bekanntermaßen härtesten Vorweihnachtszeit, die Nachkriegsgenerationen in Deutschland je erlebt haben, besteht darin, dass es viel schwerer als jemals zuvor werden wird, eure sweeten Weihnachtsoutfits auf dem Campus zu präsentieren! Zum Beginn des diesjährigen Adventskalenders möchten wir euch deshalb dabei unterstützen, trotzdem stilsicher in die Weihnachtszeit des digitalen Semesters zu starten. Es folgt dein perfekter Weihnachts-Look in 4 einfachen Schritten:

Das könntest du sein.

Schritt 1: Wer hat hier die Hosen an!?
Das Erfolgsrezept für dein perfektes Weihnachtsoutfit auf dem digitalen Campus ist identisch mit dem für einen guten Hintergrund für Videokonferenzen. Alles, was nicht im Bild ist, ist vollkommen irrelevant. Deine Wohnung kann noch so unordentlich sein, solange du den Aufnahmebereich deiner Kamera in Ordnung hältst, wird niemand erfahren, was für ein Messie du bist. Alles, was kleidungstechnisch unterhalb deines Schreibtisches passiert, kannst du also frei nach Gemütlichkeit auswählen. Weihnachtssocken sind cool, aber leider dieses Jahr nicht en vogue/Jitsi/BBB/Zoom, also tun es im Zweifel auch normale Socken oder barfuß mit ungeschnittenen Zehennägeln. Eine Hose ist auch mehr so ein “Kann” und kein wirkliches “Must-Have” im Winter 2020. Ein ganz heißer Geheimtipp ist dennoch diese Unterhose, weil sie “Jingle Bells” spielt, wenn man auf den roten Knopf drückt. Damit kann man jedes Seminar bereichern!

Jingle all the way.

Schritt 2: Bunt, bunter, dein Outfit!
In einem Online-Seminar sind die Bildausschnitte der einzelnen Teilnehmer*innen bekanntermaßen nicht besonders groß. Deshalb solltest du die Blicke mit grellen Farben auf dich ziehen, um im Vollbild betrachtungswürdig zu werden. Dein Lieblings-Weihnachtspulli ist grau mit einem kunstvoll gestickten Rentier darauf? Dieses Jahr bleibt dieser Pulli im Schrank! Die Trendfarben des digitalen Weihnachten 2020 sind: Knallrot, Pink, Orange und alle Farben, die das Wort “Neon” im Namen tragen! Mein persönlicher Favorit: Hawaiinachtshemden. Ja, du hast richtig gelesen, Hawaiihemden mit Weihnachtsmotiven. Auf meinem surft Santa mit mir gemeinsam durch die digitalen Lehrveranstaltungen!

Schritt 3: Gut behütet durch die Adventszeit!
Du hast ein Allerweltsgesicht? Dann ist eine weihnachtliche Kopfbedeckung genau das Richtige für dich! Zur Auswahl stehen: Weihnachtsmann- und Elfmützen, sowie Rentiergeweihe. Nach Belieben können diese Kopfbedeckungen um Haarspangen im Zuckerstangen-Look oder um rote Rudolph-Nasen ergänzt werden. So wird nie jemand erfahren, ob sich in deiner Tasse Tee oder Glühwein befindet (außer du fängst an zu lallen).

Schritt 4: Rücke dein Outfit ins richtige Licht!
Im Halbdunkel um halb 9 im lila Licht deines Displays vor der Webcam zu hängen ist viel zu Mainstream! Steh zu deinem Outfit und gönne ihm die volle Aufmerksamkeit, am besten mithilfe einer Lichterkette über deinen Schultern! Hat den positiven Nebeneffekt, dass man während der Lehrveranstaltungen auch endlich mal was Sinnvolles zu tun hat, die Dinger verheddern sich wirklich verdammt schnell…

Wenn ihr diese 4 einfachen Tipps beherzigt, kommt ihr garantiert gut durch die vorweihnachtliche digitale Uni-Zeit!
Schickt gerne auch ein Bild von euch im Weihnachtsoutfit vor der Webcam an unseren Instagram-Account @moritz.medien!

Don’t wait for the christmas spirit, be the christmas spirit!

Titelbild: Julia Schlichtkrull
Beitragsbilder:
“Distracted Boyfriend Meme” – Template von Antonio Guillem auf Shutterstock
Weihnachtsmannmütze und Tannenbaum im Meme von Pezibear, bzw. Alexandra Koch auf Pixabay
Weitere Beitragsbilder: Philipp Schweikhard

Montagsdemo: Transatlanticism Teil 2

Montagsdemo: Transatlanticism Teil 2

Keine Sorge, das hier ist keine Politik-Reihe, im Gegenteil. Aber in der aktuellen Situation, in der das Demonstrationsrecht leider vielerorts missbraucht wird, um Unwahrheiten und Hass zu verbreiten, ist es an der Zeit, dem Wort „Demo“ wieder zu neuem Glanz zu verhelfen. Und zwar mit guter Musik.

Demos sind so viel mehr als Infektionshotspots oder Sammelbecken für Verschwörungstheoretiker*innen. Eigentlich sind sie ursprünglich eine Möglichkeit zur Präsentation und zur Teilhabe am Entwicklungsprozess neuer Ideen. Und genau deshalb ist es so passend, dass der Begriff „Demo“ im Englischen auch einen zentralen Platz in der Musikproduktion gefunden hat. „Demo Tapes“ waren die Tonbandaufnahmen, auf denen Künstler*innen ihre Ideen für neue Songs festhielten, um sie an Plattenfirmen zu schicken. Die Labels mussten dann entscheiden, ob sie den Song im Studio produzieren lassen wollten oder nicht. Das klingt erstmal trivial, bedeutet aber, dass von diesen Tapes abhing, ob ein Song den Weg vom Konzept zur fertigen Aufnahme im Laden beschreiten konnte. Ganze Karrieren hingen so statt am seidenen Faden am schwarzen Tonband und wer weiß, wie Popmusik heute klingen würde, wenn sich einflussreiche Labels damals anders entschieden hätten. Die Tonbänder sind inzwischen natürlich längst von der Bildfläche verschwunden, aber das Grundprinzip hat sich gehalten: Demoaufnahmen sind weiterhin ein wesentlicher Bestandteil im Entstehungsprozess vieler Songs und es lohnt sich, sie genauer unter die Lupe zu nehmen! Oft ermöglichen sie einen tieferen Einblick in die Ideen und Emotionen, die die Künstler*innen beim Schreiben eines Songs ursprünglich vermitteln wollten und sie bieten eine schöne Gelegenheit, Lieblingslieder und -alben noch einmal intensiver und mit erfahreneren Ohren kennenzulernen und so vielleicht eine alte Liebe neu zu entfachen.

Hier könnt ihr euch das komplette Album inklusive der Demos direkt über Spotify anhören.

Nachdem wir vor 14 Tagen mit Teil 1 des Reviews der “Transatlanticism”-Demos der amerikanischen Indie-Band Death Cab for Cutie unsere neue Musik-Reihe eingeläutet haben, folgt heute Teil 2. Viel Spaß beim Lesen und Hören!

Nach dem in “Tiny Vessels” besungenen Ende einer Beziehung nehmen wir uns in “Transatlanticism”, dem Titelsong des Albums, Zeit zum Nachdenken. Mit gut 6 Minuten in der Demoversion und fast 8 Minuten in der Studioversion bietet der Song, zu dem Sänger Ben Gibbard am Flughafen inspiriert wurde, eine angemessene Bühne für das klassische Drama eines Studiums in Greifswald: Fernbeziehungen. So schön die Lage an der Ostsee auch sein mag, für Beziehungen kann sie fatal werden, wenn sich, wie in der aktuellen Situation, die Distanz zum wichtigsten Menschen wie der Weg über den Atlantik anfühlt – unüberwindbar. Der Text ist kurz gehalten, hat es aber sprachlich umso mehr in sich, besonders der Abschnitt: “The rhythm of my footsteps, crossing flatlands to your door, have been silenced forevermore and the distance is quite simply much too far for me to row. It seems farther than ever before.” Unterstützt wird dieses Gefühl der Machtlosigkeit musikalisch durch eine sehr schlichte Begleitung. In der Demo bildet ein simpler, elektronischer Drumbeat die Grundlage, über der ein Synthesizer und eine Klavierspur laufen. Der Synthesizer-Sound schwirrt in den Kopfhörern hin und her und bildet so den Eindruck eines unüberwindbaren akustischen Schleiers und erinnert gleichzeitig an das Tuten eines besetzten Telefons. Der Song baut sich musikalisch nach und nach immer weiter auf, mehr und mehr Instrumente stoßen wie tröstende Freund*innen hinzu. Nichtsdestotrotz überwiegt die sprachliche und emotionale Quintessenz des Liedes, die unter den aktuellen Umständen inzwischen wohl auch alle von euch, die das Glück hatten, nie eine Fernbeziehung zu führen, schmerzlich nachempfinden können und die wie ein Mantra wiederholt wird – “I need you so much closer.” In der Demo endet der Song hier nach 6 düsteren Minuten. Nicht so die Studioversion, hier wurde eine alles entscheidende, hoffnungsvolle Zeile ergänzt “So come on, come on!”, quasi das Gegenmantra und ein Hoffnungsschimmer, den wir vermutlich alle gerade gut gebrauchen können.

Den achten Song des Albums, “Passenger Seat”, habe ich ehrlich gesagt früher immer übersprungen, bevor ich mich näher und im Kontext mit ihm beschäftigt habe. Meine erste Notiz für dieses Review dazu war “Passt nicht so richtig ins Album hinein.” Ich vermute das liegt auch daran, dass dieses Lied instrumental von meinen sonstigen Hörgewohnheiten ziemlich abweicht, es passt aber auch nach längerem Überlegen tatsächlich nicht so richtig ins Album. Ein nacktes Klavier und Gesang, das war’s. In der Demo ebenso wie in der Studioversion. Dafür passt die Vertonung des Textes aber umso besser zum Inhalt, denn es geht um eine ruhige, intime Situation, die in eleganter Weise auch wieder schön an das Ende der finalen Version von “Transatlanticism” anschließt: Eine zweisame Autofahrt nach Hause. Vielleicht das versöhnliche Ende der Fernbeziehung, eine Wiedervereinigung? Beim Anblick der Sternschnuppen und Satelliten am Himmel stellt der Protagonist die Frage “‘Do they collide?’, I ask and you smile.” Fliegt man aufeinander zu oder aneinander vorbei?
Jeder Feelgood-Hollywood-Film würde an dieser Stelle einfach mit einem leidenschaftlichen Kuss enden, das Album hat aber noch 3 weitere Stücke, so versöhnlich kann es also leider nicht ausgehen.

“Death of an Interior Designer” ist trotzdem ein Song für alle Cineast*innen, er ist nämlich eine Anspielung oder besser gesagt eine Rekapitulation des Woody-Allen-Films “Interiors”. Wie, das wusstest du nicht? Du kanntest den Film gar nicht? Unglaublich… Dann geht es dir ja wie mir, bevor ich es gegoogelt habe! Ich fand den Song ohne das Hintergrundwissen immer sehr kryptisch, aber lyrisch und musikalisch trotzdem so ansprechend, dass es mich nicht gestört hat, nicht so genau zu verstehen, um wen es in der Geschichte eigentlich geht.


** Achtung, Spoiler zum Film im folgenden Block:

In Film und Lied geht es um die Geschichte einer Innenausstatterin, die mit ihrem Mann eine scheinbar glückliche Familie mit drei Töchtern gründet. Der Mann verliebt sich jedoch irgendwann neu und heiratet seine Freundin schließlich auch – gegen den Willen der jüngsten Tochter. Bei der Hochzeit stolpert die frisch Getraute und zerstört dabei versehentlich eine Vase der Exfrau. Diese Vase stand sinnbildlich für deren Karriere als Innenausstatterin, die nach dem Zerfall der Familie ihr ganzes Leben gewesen war. Als die Exfrau später zur Hochzeit dazustößt und sieht, dass sie neben der Familie jetzt auch noch das Symbol ihrer Berufung verloren hat, ertränkt sie sich vor Verzweiflung im Meer. Es ist der Klassiker: Frau + Mann + Frau – Mann – Vase + Meer = Drama. Musikalisch fühlt sich die Geschichte auch nicht ganz so ernst genommen an, irgendwie ist die Stimmung ein bisschen zu fröhlich. Aber das passt ja durchaus zu Woody-Allen-Filmen, eine gewisse Dissoziation von Inhalt und Stimmung kombiniert mit einer großen Prise an Neurosen.


Spoiler Ende. **


Der zehnte und vorletzte Song des Albums, “We Looked Like Giants”, war für mich der Auslöser, intensiver in Demo-Aufnahmen verschiedener Künstler*innen reinzuhören. In diesem Fall finde ich die Demo nämlich viel schöner als die Studioversion (die nichtsdestotrotz auch ein wundervoller Song ist, das ist Jammern auf höchstem Niveau!). Obwohl, oder vielleicht besser “weil”, auch dieser Song in der Story anschließt und melancholisch Erinnerungen einer vergangenen Beziehung verarbeitet, schwingt in der Demoversion viel Energie mit und auch ein Hauch von Wut. Das geschieht vor allem durch die Verbindung aus dem intensiven elektronischen Drumbeat und der elektrischen Gitarre, bei der der Drive passiv-aggressiv leicht in den verzerrten Bereich gezogen wurde, aber so subtil, dass man rufen möchte, die Gitarre möge sich doch endlich entscheiden, ob sie denn clean oder verzerrt klingen möchte. Im Hintergrund jault leise eine elektronische Orgel. In der Kombination entsteht so eine verrückte Mischung aus Wehmut und Aufbruchstimmung. Dieses Gefühl ist in der Studioversion zwar auch noch vorhanden, aber abgeschwächt. Leider ist im Entwicklungsprozess auch der Text deutlich verändert worden und meine Lieblingsstelle des Liedes verloren gegangen: “And from this floor I can see through your window next door. He’s strumming a tune on the toy guitar I gave to you. You throw your head back, so overcome with laughter.” Dieser Ausschnitt beschreibt das bittere, aber unvermeidliche Gefühl schmerzhaft anschaulich, wenn gemeinsame Erinnerungen und Gewohnheiten von einer vorherigen Beziehung auf eine neue übertragen werden. “Ich bin nicht mehr derjenige, der ihr Lieder auf der Gitarre vorspielt.” Ganz trivial und selbstverständlich, aber dennoch ein sehr trauriger Gedanke nach einer Trennung. Passenderweise endet die Demoversion des Songs auch auf dieser Zeile.

Den Abschluss des Albums wiederum bildet der ebenfalls wenig farbenfrohe Titel “A Lack of Color”. Dieser endet zwar, wie bereits angekündigt, auch nicht wirklich versöhnlich, muss mich als Medizinstudenten und Physikersohn aber stilistisch trotzdem glücklich machen. Hier werden nämlich physiologisch-physikalische Phänomene spielerisch genutzt, um nach dem Ende der Beziehung die andere Person ein wenig aufzumuntern und zu einem emotionalen Perspektivwechsel zu ermutigen. Musikalisch endet das Album mit “A Lack of Color” schlicht und nachdenklich, eine einfache gezupfte Gitarrenbegleitung zum Gesang, die im Laufe des Songs durch einen simplen Beat ergänzt wird. Das ist in der Demo genau so wie in der Studioaufnahme, wobei die Demo zum Abschluss nochmal das gemütliche Gefühl einer zu Hause angefertigten Aufnahme vermittelt. Letztlich geht es zum Finale des Albums darum, sich das unveränderliche Ende der gescheiterten, aber trotzdem intensiven, verzehrenden und doch lohnenswerten Beziehung vor Augen zu führen und damit endgültig abzuschließen. Das gelingt jedoch nicht wirklich überzeugend, auch wenn der letzte Vers mit den Worten “This is fact, not fiction, for the first time in years” endet.

Wer ganz genau hinhört oder das Album in Dauerschleife laufen lässt, wird bald erkennen, dass “A Lack of Color” mit den selben Hintergrundgeräuschen endet, die auch am Anfang von “The New Year” zu hören sind. Die Geschichte ist also zyklisch angelegt. Das passt, denn das im Album Erlebte ist alles nicht wirklich neu, aber trotzdem individuell immer wieder besonders. Im Gesamtkonzept arbeitet die Band schmerzvoll intensiv eine Beziehung auf, in der es nicht gut genug passt, um für immer zusammen zu bleiben, in der man sich aber emotional trotzdem zu nah ist, um wirklich über einander hinweg kommen zu können. Im Verlauf der Erzählung werden vom Kennenlernen über das Verlieben, Trennen, On-Off-Beziehungen, Heiraten, Affären, Fernbeziehungen, wunschlos-glückliche Phasen, bis hin zu Todesfällen, Erinnerungen und dem vermeintlich-endgültigen Abschließen mit der Beziehung so viele Facetten des Liebeslebens abgedeckt, dass sie sich auf praktisch jede (romantische) Lebenslage beziehen lässt. Dabei kann das Album je nach Situation als Verarbeitungshilfe, Beziehungsratgeber oder einfach als Seifenoper betrachtet werden und erfüllt jede dieser Rollen durch das herausragend schöne Songwriting und die sprachliche Eleganz der Texte mit Bravour. Gerade deshalb ist es umso erfreulicher, dass Death Cab for Cutie zum zehnjährigen Jubiläum des Albums die Demoaufnahmen veröffentlicht haben, die uns einen Einblick ermöglichen, wie die Stücke zu dem Gesamtkunstwerk wurden, das sie sind.

Beitragsbilder: (alle Künstler*innen auf pixabay.com)
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web.woche 30. November-06. Dezember

web.woche 30. November-06. Dezember

Was geht eigentlich ab in Greifswald? In der web.woche geben wir euch eine Übersicht über die kommenden Veranstaltungen in und um unsere Studierendenstadt. Hier findet ihr Termine, Infos und Neuigkeiten, von Politik und Region, über Universität und Wissenschaft bis hin zu Kultur und Sport.

Region & Politik

NEUIGKEITEN

  • Noch bis zum 22. Dezember ist es möglich, mit einer Blutspende ein Trekkingbike zu gewinnen. Dafür müsst ihr eure Aufwandsentschädigung in Höhe von 20 Euro für zwei Greifswald-Gutscheine eintauschen. Weitere Informationen könnt ihr hier nachlesen.

Kultur & Sport

VERANSTALTUNGEN

  • Was? Stille Kunstauktion – “Hände hoch”
  • Wann? Dienstag, 01. Dezember 2020 bis Mittwoch, 09. Dezember 2020
  • Wo? Verschiedene Ausstellungen im Stadtraum: Kiosk am Mühlentor, Kultur-Schaufenster Lutherstraße / Lange Straße und Kunstkubus am Karl-Marx-Platz

NEUIGKEITEN

  • Der Shop des Pommerschen Landesmuseums hat für euch jetzt wieder von Mittwoch bis Sonntag, immer 10 bis 18 Uhr geöffnet.
  • Auch der Museumsladen des CDFZ kann wieder besucht werden. Er hat Dienstag bis Samstag von jeweils 11 bis 17 Uhr geöffnet.
  • Das StuThe wagt ein Experiment und sucht noch Interessierte für sein neues Projekt online://Theater. Anmelden könnt ihr euch unter online@stuthe.de.

Uni & Wissenschaft

VERANSTALTUNGEN

  • Was? Sitzung der AG Ökologie
  • Wann? Montag, 30. November 2020, 18:30 Uhr
  • Wo? Online, der Link kann über asta_ag-oekologie@uni-greifswald.de angefordert werden.
  • Was wird besprochen? Unter anderem die Gremienwahlen und die Vollversammlung.
  • Was? Ordentliche AStA-Sitzung (abgesagt, Stand 30.11.2020)
  • Wann? Montag, 30. November 2020, 20:15 Uhr
  • Wo? Digital, der Link wird kurz vor der Sitzung verschickt.
  • Was wird besprochen? Unter anderem die Wahl des VV-Präsidiums.
  • Was? Online-Diskussion “(Un-)Freiheit der Wissenschaft – Zur derzeitigen Lage von Wissenschaftler*innen in Belarus”
  • Wann? Dienstag, 01. Dezember 2020, 16 bis 18 Uhr
  • Wo? Online und vor Ort
  • Anmeldung? Per Mail an hess@uni-greifswald.de.
  • Was? Sitzung des Medienausschusses
  • Wann? Donnerstag, 03. Dezember 2020, 16 Uhr
  • Wo? Online über Jitsi
  • Was wird besprochen? Feedback zu den einzelnen Redaktionen.
  • Was? Vollversammlung des FSR IPK
  • Wann? Donnerstag, 03. Dezember 2020, 17 Uhr
  • Wo? BBB, den Link findet ihr beim FSR.

NEUIGKEITEN

Bis zum 03. Dezember könnt ihr noch Anträge für die kommende studentische Vollversammlung am 08. Dezember einreichen! Schickt dafür einfach eine Mail an Bianca unter asta_hopo@uni-greifswald.de.
– Bis zum 08. Dezember können noch Wahlvorschläge für die Gremienwahlen eingereicht werden. Wenn ihr euch also für eure Fachschaft oder die Hochschulpolitik engagieren wollt, dann nutzt die Chance für die kommende Legislatur! Alle Infos findet ihr hier im Studierendenportal.
– Mit Frau Prof. Dr. Riedel als neue Rektorin wird es in Greifswald künftig auch das Amt eines studentischen Prorektorats geben! Die studentischen Senator*innen haben dafür eine offene Ausschreibung an die Studierendenschaft gerichtet. Näheres findet ihr in eurem Mail-Account oder in diesem Artikel auf dem webmoritz.
– Die Prüfungsanmeldung hat wieder begonnen! In diesem Semester läuft die Frist bis zum 14. Dezember, ab nun sogar ohne TAN!

  • Am 11. und 12. Dezember werden in einer digitalen Tagung zum Thema „Minderheitensprachen im digitalen ZeitalterReferent*innen aus Großbritannien, den Niederlanden, Irland und Deutschland 20 Vorträge mit Fokus auf europäische kleine Sprachen wie Färöisch, Friesisch und Niederdeutsch halten. Anmeldung ist noch bis zum 7. Dezember möglich.
  • Die Uni Greifswald hat ein geschütztes Verfahren an das Start Up NIPOKA GmbH verkauft. Die Verfahrensweise PEMP soll durch 3D-strukturiertere Lichtmikroskopie kleinste Veränderungen in der Niere feststellen und damit die Entwicklung von Medikamenten gegen Nierenkrankheiten unterstützen.
  • In der „Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie“ hat die Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie unter Mitarbeit von Prof. Dr. Eva-Lotta Brakemeier und Dr. Janine Wirkner vom Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Greifswald und von Prof. Dr. Susanne Wurm von der Universitätsmedizin Greifswald aktuelle Studienergebnisse zur Auswirkung der Corona-Pandemie auf die psychische Gesundheit und gesundheitspolitische Maßnahmen veröffentlicht.
  • Das Studierendenwerk bietet Sozial- und psychologische Beratung nun auch per Videosprechstunde an. Ihr könnt per E-Mail unter beratung@stw-greifswald.de (Sozialberatung) bzw. pb@stw-greifswald.de (psychologische Beratung) einen Termin vereinbaren.

Wir haben ein wichtiges Event in dieser Woche vergessen? Ihr habt noch einen heißen Tipp für die nächste Woche? Schreibt uns einen Kommentar oder eine Nachricht, wenn ihr etwas zur web.woche beisteuern wollt!