Was geht eigentlich ab in Greifswald? In der web.woche geben wir euch eine Übersicht über die kommenden Veranstaltungen in und um unsere Studierendenstadt. Hier findet ihr Termine, Infos und Neuigkeiten, von Politik und Region, über Universität und Wissenschaft bis hin zu Kultur und Sport.
Die STRAZE bietet von Montag bis Freitag (12:30 Uhr bis 14 Uhr) einen Mittagstisch an, bei dem ihr nicht nur herzhafte Gerichte, sondern auch Kuchen erwerben könnt. Die aktuelle Wochenkarte findet ihr hier.
Auch das Café Küstenkind bietet immer von Donnerstag bis Sonntag (13 Uhr bis 17 Uhr) einen Abholservice an. Hier könnt ihr heißgeliebten Kaffee und hausgebackene Kuchen erwerben.
Derzeit könnt ihr Werke von Thomas Hartmann, einem Berliner Maler, im Kunstkubus CUBIC am Karl-Marx-Platz in Greifswald bestaunen. Seine Ausstellung „Hartmannsche Hängung Fünf“ wird noch bis Ende Januar zu sehen sein.
Die Rückmeldefrist für das Sommersemester 2021 läuft wieder! Denkt dran, dass der Semesterbeitrag von 89,50€ (Achtung, neuer Betrag) bis zum 05. Februar auf dem Konto eingegangen sein muss.
Zwei Greifswalder Studentinnen haben zum siebten Mal die „Neuen Nordischen Novellen“ herausgebracht. Unter dem Titel „Zeitstücke“ sind in der Sammlung Kurzgeschichten und Gedichte zum Thema „Zeit“ zu finden. Für das Projekt haben 30 Studierende Texte aus Sprachen wie Dänisch, Lettisch und Ukrainisch ins Deutsche übersetzt, die von Kunststudierenden des CDFI illustriert wurden.
Wo? Zugriff auf den virtuellen Hörsaal erhaltet ihr hier.
NEUIGKEITEN
Das Studierendenwohnheim Makarenkostraße 47a-c hat am 15.01.2021 neu eröffnet.
Die 7-Tage-Inzidenz liegt im Kreis Vorpommern-Greifswald zur Zeit bei 175,3 (Stand: 16.01.2021). Wie in ganz Deutschland sind bis zum 31. Januar nur Geschäfte für den täglichen Bedarf geöffnet. Außerdem wurden die Kontaktbeschränkungen auf eine weitere Kontaktperson pro Haushalt reduziert. Eine Übersicht zu den aktuellen Regelungen an der Uni und im Land findet ihr auf dem webmoritz.
Wir haben ein wichtiges Event in dieser Woche vergessen? Ihr habt noch einen heißen Tipp für die nächste Woche? Schreibt uns einen Kommentar oder eine Nachricht, wenn ihr etwas zur web.woche beisteuern wollt!
Was geht eigentlich ab in Greifswald? In der web.woche geben wir euch eine Übersicht über die kommenden Veranstaltungen in und um unsere Studierendenstadt. Hier findet ihr Termine, Infos und Neuigkeiten, von Politik und Region, über Universität und Wissenschaft bis hin zu Kultur und Sport.
Die STRAZE bietet von Montag bis Freitag (12.30 Uhr bis 14 Uhr) einen Mittagstisch an, bei dem ihr nicht nur herzhafte Gerichte, sondern auch Kuchen erwerben könnt. Die aktuelle Wochenkarte findet ihr hier.
Auch das Café Küstenkind bietet immer von Donnerstag bis Sonntag (13 Uhr bis 17 Uhr) einen Abholservice an. Hier könnt ihr heißgeliebten Kaffee und hausgebackene Kuchen erwerben.
Derzeit könnt ihr Werke von Thomas Hartmann, einem Berliner Maler, im Kunstkubus CUBIC am Karl-Marx-Platz in Greifswald bestaunen. Seine Ausstellung „Hartmannsche Hängung Fünf“ wird noch bis Ende Januar zu sehen sein.
Was wird besprochen? Unter anderem die Lage mit Corona sowie die Bekanntmachung zu aktuellen Regelungen.
Was? Gremienwahlen 2021 Wann? Dienstag, 12.01.2021, 8 Uhr bis Donnerstag 14.01.2021, 17 Uhr Wo? In den drei Wahllokalen. Was wird gewählt? Alle Studierenden können mit ihrer Stimme ihre/n jeweilige/n FSR, das StuPa, den Fakultätsrat und die studentischen Senator*innen wählen. Wer wird gewählt? Die eingereichten Kandidaturen findet ihr hier auf dem webmoritz. und im Studierendenportal.
Die Rückmeldefrist für das Sommersemester 2021 läuft wieder! Denkt dran, dass der Semesterbeitrag von 89,50€ (Achtung, neuer Betrag) bis zum 05. Februar auf dem Konto eingegangen sein muss.
Fenja Neumann, Studentin der Landschaftsökologie hat den ersten Preis des Baltic Sea Youth Dialogue 2020 in der Kategorie „Projektideen“ gewonnen. Sie wurde für ihre Idee eines gemeinschaftsorientierten Konzeptes für nachhaltigen Kleiderkonsum ausgezeichnet.
Anna Lange erhielt für ihre Masterarbeit den Genderpreis 2020. Sie beschäftigte sich mit dem Motiv der Sexarbeit in den Romanen der schwedischen Autoren Maj Sjöwall und Per Fredrik Wahlöö.
Greifswalder Wissenschaftler*innen beleuchteten unter der Leitung Dr. Katharina Schaufler von einen Ausbruch von antibiotikaresistenten Bakterien in Vorpommern, die Ergebnisse sind in Genome Medicine nachzulesen. Der Bakterienklon ist ein gefährlicher Subtyp, der unter anderem gegen zwei wichtige Reserveantibiotika resistent ist.
Wo? Online, genauer Ort wird nach Anmeldung mitgeteilt.
Anmeldung? Möglich unter promo-ost@straze.de
NEUIGKEITEN
Seit Ende letzten Jahres gibt es neue Radzählstellen in Greifswald. Die beiden Stationen in der Rudolf-Petershagen-Allee und der Walther-Rathenau-Straße sollen den Radverkehr in Greifswald abbilden und langfristig unter anderem zu einer verbesserten Radinfrastruktur und einer erhöhten Verkehrssicherheit führen. Übrigens können die Werte online nachverfolgt werden. Zur Zeit liegt der tägliche Durchschnitt bei etwa 1180 Radfahrer*innen.
Greifswald war Finalist des Nachhaltigkeitspreises 2021. Auf der Seite des Nachhaltigkeitspreises heißt es: „Die Universitäts- und Hansestadt Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern versteht sich als innovatives Regional- und Kulturzentrum und strebt für seine Bürger/innen größtmögliche Lebensqualität und Gesundheit bei gleichzeitigem Umwelt- und Klimaschutz an.“ Unter den vier Finalisten wurde schließlich Buxtehude in Niedersachsen zur nachhaltigsten Stadt 2021 ernannt.
Durch die eingeschränkten Feiermöglichkeiten zu Silvester hat die Greifswalder Stadtreinigung dieses Jahr statt wie sonst 3 bis 4 Tonnen Abfall nur etwa 650 kg Silvestermüll einsammeln müssen.
Die 7-Tage-Inzidenz liegt im Kreis Vorpommern-Greifswald zur Zeit bei 104,0 (Stand: 09.01.2021). Wie in ganz Deutschland sind bis zum 31. Januar nur Geschäfte für den täglichen Bedarf geöffnet. Außerdem wurden die Kontaktbeschränkungen auf eine weitere Kontaktperson pro Haushalt reduziert. Die Unimedizin lässt außerdem seit dem 7. Januar vorerst keine Besucher*innen mehr zu.
Wir haben ein wichtiges Event in dieser Woche vergessen? Ihr habt noch einen heißen Tipp für die nächste Woche? Schreibt uns einen Kommentar oder eine Nachricht, wenn ihr etwas zur web.woche beisteuern wollt!
Keine Sorge, das hier ist keine Politik-Reihe, im Gegenteil. Aber in der aktuellen Situation, in der das Demonstrationsrecht leider vielerorts missbraucht wird, um Unwahrheiten und Hass zu verbreiten, ist es an der Zeit, dem Wort „Demo“ wieder zu neuem Glanz zu verhelfen. Und zwar mit guter Musik.
Habt ihr die Feiertage alle gut überstanden? Dann weiter mit dem zweiten Teil des „Alopecia“-Reviews! Nachdem wir uns vor zwei Wochen mit dem Besingen einer fremden Beziehung in “Fatalist Palmistry” in die wohlverdienten Weihnachtsferien verabschiedet hatten, geht es jetzt zum Jahresabschluss nochmal um’s Ganze.
Der achte Song des WHY?-Albums heißt “The Fall of Mr. Fifths”und er bietet in diesem Jahr ungewollt eine spannende Bühne für die Aufarbeitung der Feiertage. Das schöne an lyrischen Texten ist ja, dass sie oft so wunderbar mehrdeutig sind. Aber in diesem Fall und in der aktuellen Situation ist die Nebenbedeutung so offenkundig und fast schon prophetisch, dass es sich lohnt, sie in diesem einen Jahr zur Hauptbedeutung zu erheben. Zur Erinnerung, der Song stammt aus dem Jahr 2008:
“Oh I’ve stayed scarce this last year yes, but be assured and unrest I’m unavoidable like death this Christmas is this twisted? Why be upset? I never said I didn’t have Syphilis, Miss listless.”
Tauscht man “Syphilis” mit “Covid” aus, hätte dieses Zitat in diesem Jahr wortwörtlich so in einem Streitgespräch unter dem Weihnachtsbaum gefallen sein können. Und dazu der Titel “The Fall Of Mr. Fifths” (eigentlich ein alias von Yoni), der sich einen Tag nach dem “fünften Advent” wie eine Aufforderung zur Abrechnung mit dem Jahr und den Feiertagen anfühlt. In der Demo wird das Ganze noch etwas schüchtern vorgetragen: Erst steigt Yoni viel zu früh ein und muss dann nochmal einen zweiten Versuch unternehmen, der aber ebenfalls unsicher klingt. Der Beat ist hier noch sehr provisorisch mit einem schlichten Schlagzeug-Rhythmus, einer Rassel, einer hohen Synthesizer-Spur und einer Bassline. In der fertigen Studioversion ist der Sound viel voller, der Grundbeat ist zwar immer noch simpel, füllt die Kopfhörer aber ganz aus. Und hat mit den jetzt zusätzlich eingebundenen Glocken auch einen weihnachtlichen Beigeschmack, fast pompös, gar protzig, wie um die Ankunft des (besseren) Königs anzukündigen:
“If I remain lost and die on a cross at least I wasn’t born in a manger.”
Die ganze Stimmung des Liedes möchte an Weihnachten provozieren, im Streit ein reinigendes Feuer entfachen. Und dazu passt auch das Ende der Studio-Version, in der man das Knistern der Flammen hört, sowie das abschließende Statement:
“I’m sorry, I’m just being crazy, I know Don’t pay attention to me Look at the fire. Everything’s totally fine I feel a lot better now!”
Keine Sorge, die Feiertage sind überstanden!
Der Übergang zum neunten Titel des Albums, “Brook & Waxing”, verläuft nahtlos durch ein Stimmgewirr (das wohl die Gedankenkonstellation beim Grübeln darstellen soll) am Ende von „The Fall of Mr. Fifths“. Der Titel befasst sich damit, dass es sich manchmal leichter lebt, wenn man sich nicht zu viele Gedanken um die Konsequenzen des eigenen Handelns macht. “Waxing” ist dabei ein schönes Wortspiel, das einerseits das Wachs der halb ausgebrannten “Lebenskerze” des Protagonisten aufnimmt, aber gleichzeitig auch das emotionale “Wachsen” des Baches (Brook) zu einem Fluss beschreibt, nachdem die Hauptperson nicht mehr so viel nachdenkt. Musikalisch wird dieser plötzliche Wandel aufgegriffen, als der eigentliche, sehr träge, weil auf Schlag 1 und 3 betonte, Song in einer schrägen Klaviermelodie ausklingt und dann plötzlich eine neue, sehr viel fröhlichere Melodie das Outro übernimmt. Dieser Teil ist in der Demo-Aufnahme noch nicht vorhanden, dafür endet der Song in einer schrägen, ausgelassenen Gesangsmelodie.
Dass es manchmal gar nicht so einfach ist, alte Denkmuster zu verlassen, zeigt der zehnte Titel “A Sky for shoeing horses under”, der sich gedanklich mit verschiedensten metaphorischen Niederlagen im Leben des Protagonisten beschäftigt. Und mit einer wortwörtlichen, die den Abschluss der Strophe bildet: “I only played chess in my life once and I lost (at such a cost)” Auffällig ist, dass aus den Niederlagen nicht der Wunsch zu entstehen scheint, es noch einmal versuchen zu wollen. In der Demo ist der Song hier schon nach 49 Sekunden zu Ende. Die Aufnahme wirkt sehr spontan, ein “Beat aus der Dose”, eine Xylophon-Melodie und der traurige Text, das war’s. In der Studioversion klingt es voller, aber trotzdem gedämpft. Das Lied endet textlich auch hier wenig fröhlich in einem abgewandelten Mantra des Songtitels mit “Looks like a good sky to die under.” Dabei fühlt sich das Ende aber nicht wirklich traurig an, sondern eher gleichgültig, etwas betäubt, vielleicht durch das Khat, von dem vorher im Song die Rede war. Musikalisch wird das Gefühl durch das hohe, durchgängige, sehr monotone Glockenspiel, das das Xylophon aus der Demo ersetzt hat, unterstützt. Das Lied wirkt in der Studioversion insgesamt fast verträumt und von der Realität losgelöst, so als ob das Studio eine Parallelwelt wäre.
Der elfte Titel “Twenty-eight”ist eine 44-sekündige Intermission. In der Demoversion sind es sogar nur 29 Sekunden und es ist weniger ein Lied als ein, in ein Diktiergerät vorgetragenes, Gedicht, vollkommen ohne Instrumentalbegleitung. Es geht eindeutig um eine unglückliche Liebe, inhaltlich bietet der Text aber dennoch einige Interpretationsmöglichkeiten. Das beginnt schon beim Titel, der am Anfang aus dem Off hereingerufen wird und entweder als die Anzahl der laufenden Takes oder als eine Altersangabe gesehen werden kann. Variante 1 ermöglicht die Interpretation, dass der Protagonist einen Song nach dem anderen schreibt, weil er die andere Person einfach nicht aus dem Kopf bekommt. Variante 2 eröffnet eine ganz andere Sichtweise. Vielleicht haben der Protagonist und die Besungene einen “Beziehungspakt” geschlossen, nach dem sie zu einem bestimmten Zeitpunkt zusammenkommen, wenn beide single sein sollten. Zu dieser Interpretation passt die erste Line “Tell me, are you single yet?”, allerdings wird der restliche Text dann sehr düster, in der die schließlich tödlichen Qualen einer männlichen Person beschrieben werden. In Variante 1 der Protagonist selbst, in Variante 2 der Partner der Angebeteten.
Der creepy Vibe wird in “Simeon’s Dilemma” nahtlos aufgegriffen, wenn der schüchterne, wenn nicht sogar feige, Protagonist seine romantischen Tagträume vorträgt: “Stalker’s my whole style and if I get caught I’ll deny, deny, deny.” Hier und im Titel (Petrus’ Name war eigentlich Simon) findet sich mit der dreifachen Verleugnung von Jesus durch Petrus einer der vielen biblischen Bezüge in den Texten dieses Albums, in dem religiöse Motive insgesamt eine zentrale Rolle spielen. Einerseits quasi als Gegenpol zu den düsteren Alltagsgeschichten, aber andererseits durch falsche Versprechungen auch als Ursache für diese. In diesem Song wird die andere Person zum Messias erhoben, nur um diese Rolle danach direkt wieder in Frage zu stellen, weil sie gerade in einem Umzugswagen sitzt und ihn hinter sich lässt. Die weltfremde Stimmung der Tagträume, in denen Möglichkeiten einer gemeinsamen Zukunft durchgesponnen werden, wird durch eine monotone Xylophon-Melodie (in der Demo ein Klavier) untermalt und insgesamt ist der ganze Song nach den textlastigen vorherigen Titeln ungewohnt melodisch, fast schon ein Popsong (der in der Demo aber so schräg gesungen ist, dass er kaum zu ertragen ist). Im Verlaufe des Erzählung hadert der Protagonist damit, ob er seine Gefühle offenlegen oder für sich behalten sollte. Er entschließt sich erst dagegen, tut es am Ende aber doch (auf eine sehr eigenartige Art und Weise): “Twenty-five carved with a butter knife on the palm of my new hand. It’s out, you’re mostly what I think about.”
Der 13. und vorletzte Titel “By Torpedo or Crohn’s” ist aus zwei Gründen sehr interessant. Zum einen ist die Demo noch ziemlich anders als die Studioversion und eröffnet so Einblick in die Entwicklung des Liedes. Die Demo enthält noch eine zusätzliche Strophe gegenüber der Studioversion, nämlich die zweite Strophe aus dem achten Song “The Fall of Mr. Fifths”, von dem auch das Knistern des Feuers am Ende in der Studioversion übernommen wurde. Außerdem endet die finale Version auf dem Refrain des neunten Titels “Brooks & Waxing”. In der Zusammenschau lässt die Band hier also das Album noch einmal Revue passieren. Interessant ist der Song aber zum anderen auch deshalb, weil er das Leben mit der chronischen Erkrankung Morbus Crohn aufgreift und dabei auf viele Aspekte eingeht, in denen die Krankheit Einfluss auf das Leben des Protagonisten nimmt. Dadurch erhält das Album neben den diversen Liebesgeschichten eine ganz neue inhaltliche Ebene und Tiefe.
Den Abschluss von “Alopecia” bildet der 14. Track “Exegesis”, also die Auslegungsfrage und als religionswissenschaftlicher Begriff damit wieder ein zentrales Motiv des Albums. Im Song wird von einem Suizid durch Erhängen berichtet, dem vorangestellt wird, dass der Protagonist es so tun würde, wenn er es tatsächlich tun wollte. Ist das jetzt ein Abschiedsbrief oder eben gerade nicht? Ein sehr spannender Song, weil er die vorherigen, teilweise sehr negativen, Titel des Albums aus Sicht der Band etwas in Relation setzt. Für mich ist der Song auf eine absurde Weise sehr lebensbejahend. Das zeigt zum Abschluss noch einmal das interessante Songwriting dieses besonderen Albums, denn wie vielen Bands gelingt schon ein solcher Effekt in einem Song, in dem mantraartig dreimal (in der Demo zweimal) von einem Suizid berichtet wird? Musikalisch ist der Titel ebenfalls spannend, denn während in der Demo eine einfache Klavierbegleitung das Mantra untermalt und der Titel abrupt beginnt, wird die “Exegesis” in der Studioaufnahme akustisch sanft mit Klanghölzern und Tiergeräuschen im Hintergrund in ein Dschungel-Feeling eingeführt. Beide Versionen erzeugen auf ganz unterschiedliche Weise eine meditative Atmosphäre, die uns als Hörer*innen nach dem Ausklingen der letzten Töne in einer schwerelosen Stille zurücklassen. Wie war das noch gleich mit der Auslegung?
“Alopecia” ist ein besonderes Album, an dem sich die Geister scheiden werden. Für die einen wird es zu viele Grenzen überschreiten und tatsächlich ist es an manchen Stellen so grafisch und/oder schwermütig, dass es nur schwer zu ertragen ist. Gleichzeitig sind aber die Texte so außergewöhnlich brillant geschrieben, dass es mit etwas emotionalem Abstand zu den Inhalten eine Freude ist, die lyrischen Meisterstücke einfach auf sich wirken zu lassen und die Wortspiele, Reime und die besondere Metrik aufzusaugen. Vielleicht sollte man zugegebenermaßen manchmal aber nicht zu sehr darüber nachdenken, was man sich da gerade eigentlich angehört hat. Darauf macht das Album aber auch selbst schon deutlich.
Beitragsbilder: (alle Künstler*innen auf pixabay.com) OpenClipart-Vectors Clker-Free-Vector-Images mohamed_hassan Jo-B
Rihanna neben Audrey Hepburn. Albert Einstein an einer Wand mit Alicia Keys. Gesichter von internationalen Schauspieler*innen, Models und Musiker*innen in Öl und Acrylauf Leinwand. Seit einigen Wochen können wir diese Kunstwerke im Eingangsbereich der Mensa am Berthold-Beitz-Platz bestaunen. Und hinter den beeindruckenden Gemälden steckt niemand anders als eine 17-jährige Greifswalderin.
Obwohl Laura Saß erst seit zweieinhalb Jahren malt, ist diese Ausstellung in der „Kulturmensa“ nicht ihre erste. Zuvor hatte die Schülerin bereits ihre Bilder im „Delight“ in der Innenstadt präsentiert, nun wurde sie auf das Kulturprojekt der Mensa aufmerksam, das seit etwa drei Wochen ihre Bilder zur Schau stellt. Aus „purer Langeweile“ fing sie an, Gesichter zu malen und aus dem Hobby wurde eine Leidenschaft. Bevor Laura zu ihrer Technik kam, hat sie sich ausprobiert: „Mein Stil hat sich nach und nach entwickelt. Anfangs habe ich oft nur schlichte schwarz/weiß Bilder gemalt. Irgendwann fing ich dann an, etwas Neues zu probieren und fand dann meinen eigenen Stil. Dabei habe ich auch gemerkt, dass sich Acrylfarbe gut für den Hintergrund eignet, da sie sehr schnell trocknet und auch kräftiger wirkt als Ölfarbe. Ölfarbe hingegen eignet sich sehr gut zum Gesichtermalen“. Inzwischen malt Laura hauptsächlich mit Acryl und Öl auf Leinwand.
Gesichter sind das Hauptmotiv von Lauras Bildern. Gesichter von deutschen Rappern, internationalen Musiker*innen, Germany’s Next Topmodels und US-amerikanischen Schauspieler*innen. Vor allem wählt sie dabei Gesichter, die sie inspirieren und ansprechen, aber auch die von Personen des öffentlichen Lebens, die gerade „im Trend sind“. Damit scheint sie den Puls der Zeit zu treffen: Nicht nur in studentischen Gebäuden finden ihre Bilder Anklang, auch in den sozialen Medien wächst ihre Bekanntheit.
Kunst inspiriert und beschäftigt Laura und neue Ideen findet sie über Pinterest und Instagram. Dort teilt sie auch ihre neuesten Werke mit inzwischen über 10.000 Abonnent*innen, die sie und ihre Kunst bewundern. „Ich hätte auch nie gedacht, dass ich mit meiner Kunst mal so viele Menschen erreichen würde. Es ist wirklich ein sehr schönes Gefühl, so viele Menschen hinter mir stehen zu haben, die meine Kunst mögen und mich unterstützen“, sagt Laura. Nicht selten kommt es dabei vor, dass eine der gezeichneten Personen ihr Werk kommentiert. Diese Momente seien immer wieder unbeschreiblich: „Als Michele Morrone kommentiert hat, musste ich zuerst anfangen zu weinen, weil ich mich so gefreut habe. Sowas gibt einem nochmal einen kleinen Push und motiviert, immer weiter zu machen.“
Zur Zeit besucht Laura die 12. Klasse des Jahn-Gymnasiums und plant nach dem Abitur einen Auslandsaufenthalt in Australien mit ihrer besten Freundin. Was danach kommt, ist noch unklar. Fest steht aber: „Viele fragen mich immer, ob ich später Kunst studieren möchte. Dies wird denke ich nicht der Fall sein, weil ich hauptberuflich auch nicht unbedingt Künstlerin werden möchte. Ich liebe das Malen und wenn ich das Malen zu meinem Beruf machen würde, wäre das Ganze auch immer mit sehr viel Druck verbunden und dabei hätte ich Angst, dass diese Leidenschaft und der Spaß dabei irgendwann verloren geht.“
Die Gemälde von Laura Saß sind bis auf Weiteres in der Mensa am Berthold-Beitz-Platz ausgestellt. Ab dem 04. Januar ist die Mensa wieder zugänglich. Auch auf ihrem Instagram-Profil könnt ihr euch einen Eindruck über Laura Saß‘ Kunst verschaffen.
Wir vermissen es, uns gemeinsam mit anderen sportlich zu betätigen, zu schwimmen und zu tanzen, und zwar nicht allein mit Kopfhörern im Wohnzimmer oder als Eisbaden in Wampen. Wehmütig denken wir an den Geruch von Chlorwasser und das Quietschen von Tanzschuhen auf Parkettboden zurück und schätzen umso mehr, was wir hatten. Wir zehren von der Hoffnung, dass nächsten Sommer vielleicht alles wieder so wie „vor Corona“ ist. Doch wir dürfen nicht vergessen, dass viele dieser Einrichtungen zur Zeit um ihre Existenz kämpfen und ein gemeinsames Tanzen und Schwimmen nach der Coronakrise vielleicht nicht mehr so selbstverständlich sein wird. Wir haben mit der Tanzschule D&D und dem Freizeitbad/den Stadtwerken gesprochen und gefragt, wie es ihnen in der jetzigen Situation geht.
Die Interviews stammen vom 23. und 26. November 2020.
Wie geht es Ihrer Einrichtung?
Tanzschule D&D: Ehrlich gesagt, ist unsere Situation bescheiden. Unser Beruf ist es, die Freizeit unserer Tanzschüler*innen zu gestalten und sie zu motivieren. Während wir im Frühjahr ganz schnell reagiert haben und nach 2 Tagen ein Alternativ-Programm erstellt hatten, ist es jetzt niederschmetternd, die Situation wieder hinnehmen zu müssen. Wir sind mit einem Berufsverbot belegt. Es gibt für uns keine Ansprechpartner*innen, aber auch keine Stelle, die sich dafür interessiert, wie in einer qualifizierten Tanzschule der Alltag aussieht und welche Auflagen wie umgesetzt werden. Wir haben keine Lobby – Kunst und Kultur hat allgemein keine Lobby!
Freizeitbad/SW: Den Stadtwerken Greifswald geht es gut, alle wichtigen Arbeiten und Investitionen laufen planmäßig und das Kundenzentrum ist dienstags für Besucher*innen geöffnet. Der Verkehrsbetrieb hat weniger Fahrgäste und erhebliche Einnahmeverluste. Das Freizeitbad ist zum zweiten Mal in diesem Jahr geschlossen, nur der Schulsport (Schwimmen) kann stattfinden, da die meisten Mitarbeiter*innen seit Anfang November in Kurzarbeit sind und die Verbliebenen das Schulschwimmen gesichert haben. Ab dem 16.12.2020 schließt das Bad nun komplett. Wir nutzen die Schließung, um nach der Komplettsanierung der Duschen jetzt auch die Damen WC-Anlage komplett zu erneuern. Wir hoffen, dass wir im neuen Jahr bald wieder öffnen können und die Infektionszahlen sinken.
Was ist die derzeit größte Herausforderung?
Tanzschule D&D: Derzeit sind wir bemüht, unsere Tanzschüler*innen, die Eltern und das Team weiterhin zu motivieren und den Betrieb mit den laufenden Kosten am Leben zu erhalten. Wir lassen uns immer wieder etwas für die Kinder (z.B. zum Vorlesetag, Nikolausüberraschung) und Erwachsenen (wir haben einen disTANZindenMai veranstaltet) einfallen. Eigentlich halten wir gerade die Hoffnung am Leben.
Freizeitbad/SW: Unsere Mitarbeiter*innen zu schützen und umfassende Quarantänemaßnahmen zu verhindern, um den reibungslosen Betriebsablauf zu gewährleisten und unserem Versorgungsauftrag gerecht zu werden. Dazu schränken wir unsere Kontakte erheblich ein. Das heißt, wir vermeiden Zusammenkünfte, die nicht unbedingt erforderlich sind. Unsere Mitarbeiter*innen arbeiten in kleinen festen Teams, die möglichst nicht zusammenkommen.
Was konnten Sie aus dem ersten Lockdown lernen?
Tanzschule D&D: Wir haben im ersten Lockdown sehr schnell alle Maßnahmen umgesetzt, die Tanzschule aufgerüstet und konnten den Kontakt zu allen Tanzschüler*innen halten. Die Umsetzung hat sehr gut geklappt. Zudem haben wir unheimlich viel Zuspruch von unseren Schüler*innen (Briefe, Videos) bekommen und von einigen Unternehmen, die in der gleichen Situation waren. Die Motivation und Treue unserer Schüler*innen hat uns sehr aufgebaut. Die offiziellen Anfragen/Anschreiben zur Situation wurden leider nicht beantwortet.
Freizeitbad/SW: Seit dem ersten Lockdown hat unsere Führungsmannschaft die Corona-Situation regelmäßig beobachtet und Maßnahmen für das Unternehmen konkret abgeleitet. Unser Notfall- und Pandemieplan wurde regelmäßig angepasst und unsere Gefährdungsbeurteilungen erfuhren mehrfache Aktualisierungen. Schutzausrüstungen, Desinfektionsspender und Masken wurden angeschafft und die Einhaltung aller Hygieneregeln wird kontrolliert, denn besonders schützenswert ist die Gesundheit unserer Mitarbeiter*innen.
Welche Unterstützung wünschen Sie sich von der Regierung?
Tanzschule D&D: Wir wünschen uns natürlich eine Wahrnehmung als Branche, Unternehmen und als relevante Institution. Kultur ist eben kein Luxus, sondern ein Grundbedürfnis des Menschen. Wir sind davon überzeugt, dass zu einem gesunden Dasein eben auch der Ausgleich zum Beruf gehört. Die Auswirkungen der Isolation haben wir nach dem ersten Lockdown ganz deutlich bei den Kindern und besonders den Senior*innen gemerkt. Und damit wir das überstehen können, wünschen wir uns auch eine schnelle und unkomplizierte Vergabe der angekündigten staatlichen Unterstützungen für November/Dezember.
Welche Lockdown-konformen Angebote gibt es bei Ihnen zur Zeit?
Tanzschule D&D: Wir haben, wie im Frühjahr, wieder Video-Unterricht eingeführt. Besondere Anlässe wie der Tanz in den Mai wurden zum disTANZindenMai in den eigenen Wohnzimmern. Unser Verband hat auch in Eigenregie ein TANZ-Radio auf die Beine gestellt – so können unsere Schüler*innen zuhause im Wohn-/Tanzzimmer mit der passenden Musik weitertanzen.
Freizeitbad/SW: Ausweitung der mobilen Arbeit: Alle Mitarbeiter*innen, die organisatorisch und technisch in der Lage sind, von zuhause aus zu arbeiten, können dies tun. Mitarbeiter*innen, die einer Risikogruppe angehören, können separiert werden. Für sie stehen fast immer Einzelbüros oder Einzelarbeitsplätze zur Verfügung.
Was wünschen Sie sich von den Greifswalder*innen?
Tanzschule D&D: Zuerst wünschen wir uns, dass alle Greifswalder*innen gesund durch diese Zeit kommen: Unsere Tanzschüler*innen mit ihren Familien, unsere Geschäftspartner*innen und natürlich die Künstler*innen, mit denen wir zusammenarbeiten. Unsere Schüler*innen werden mit Sicherheit weiterhin tanzfreudig und treu sein und sich auf die wöchentliche Tanzstunde/Zeit zu zweit freuen. Wir hoffen, dass es im neuen Jahr wieder GRUND zum TANZEN gibt. Auf jeden Fall wird es ZEIT für KULTUR sein. Wir freuen uns auf alle Neukund*innen, Hochzeitspaare und Abschlussklassen, die wir dann wieder zum Tanzen bringen können.
Freizeitbad/SW: Wir wünschen allen Greifswalder*innen: Bleiben Sie gesund und gehen Sie verantwortungsvoll miteinander um.
Das Freizeitbad hält euch über Facebook und ihre Website auf dem Laufenden. Die Stadtwerke informieren euch ebenfalls über Facebook und ihre Website. Auch die Tanzschule erreicht ihr über Facebook, Instagram und ihre Website.
Etwas verloren sitzt der kleine Messingklotz zwischen den Pflastersteinen. Die goldene Farbe glänzt aus dem matten Grau hervor, das gleiche Grau wie das des trüben Dezemberhimmels. Wer mit dem Fahrrad die Robert-Blum-Straße entlang kommt, fährt wohl leicht an dem Stein vorbei und auch als Fußgänger stolpert man eher über den noch leicht staubigen Fleck drum herum, der durch das Aufbrechen des Bodens entstanden sein muss. Aber es ist eine Anerkennung, so ein Stolperstein. Er erzählt von einem Menschen, der gelebt und gelitten hat, nur aufgrund dessen, was er ist. Kurt Brüssows „Verbrechen“ ist unter seinem Namen, seinem Geburtsdatum und Beruf angegeben: verurteilt nach §175.
So unauffällig wie der Stolperstein war für die breite Allgemeinheit wohl auch Kurt Brüssows Leben. Als Jürgen Wenke im Zuge seiner Nachforschungen zu dem Greifswalder Schauspieler 2020 auch auf Brüssows Enkelkinder trifft, sind selbst diese überrascht von dem Leben, das ihr Großvater geführt hat. Überrascht, überwältigt, aber auch stolz. Stolz, eine so starke Persönlichkeit in der Familienlinie zu haben.
Stärke spricht auch aus allen Lebensabschnitten, die Wenke in seiner Recherche über Kurt Brüssow zu Tage fördern konnte. Kurt Brüssow wurde am 9. Dezember 1910 in Stettin geboren. Er erlernte zuerst das Konditorhandwerk, bevor er sich ab 1931 am Theater Greifswald seiner wahren Leidenschaft widmete und Schauspiel studierte. Bis 1937 arbeitete er hier als Schauspieler, Sänger und Statistenführer. Dann, am 27. Juni 1937, die erste Verhaftung. Das Urteil: „widernatürliche Unzucht“. Kurt Brüssow ist für 6 Monate im Gefängnis und gilt ab jetzt als vorbestraft. Auch seine Anstellung am Theater verliert er, und da er zudem aus der Reichstheaterkammer ausgeschlossen wird, ist ihm auch die Option verweigert, eine weitere Anstellung als Schauspieler zu finden.
Der Ausschluss aus dem Berufsleben hat bereits 1933 mit der Machtübernahme der Nationalsozialist*innen jüdische Menschen getroffen, die im öffentlichen Dienst angestellt waren. Den Anti-Schwulen-Paragraphen 175 gibt es bereits seit der Kaiserzeit, 1935 wird er aber noch weiter verschärft: Strafbar sind nicht nur sexuelle Kontakte, sondern auch Küsse und sogar „wollüstige Blicke“. Die Strafe wird von Gefängnis auf bis zu 10 Jahre Zuchthaus erweitert. Treffpunkte von Homosexuellen werden durch Gestapo und Polizei bespitzelt, Razzien werden durchgeführt, Listen von namentlich bekannten Homosexuellen angelegt, Zeitschriften verboten, Vereine zerschlagen. Auch in der Presse wird öffentlich gegen Homosexuelle gehetzt, um die Vorurteile, die in der deutschen Bevölkerung ohnehin vorherrschen, weiter zu befeuern und Schwule zu „Volksfeinden“ zu erklären. Das Sonderdezernat Homosexualität der Gestapo, das 1934 geschaffen wird, bekommt 1936 Unterstützung durch die Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung. Das Ziel: die Zucht „arischer“ Menschen. Wer zu dieser Zucht nicht beitragen kann oder will, hat keinen Platz in der Gesellschaft.
Kurt Brüssow wird der Verbrecher-Klasse „homosexuell“ zugeordnet. Als er wieder aus dem Gefängnis entlassen wird, fängt er bei einer Versicherungsgesellschaft an, doch die Arbeit ist nicht von Dauer. Bereits 1938 wird er wieder verhaftet, diesmal wegen „fortgesetzten Verbrechens“ zu anderthalb Jahren Zuchthaus. Während dieser Zeit werden Brüssow und Kontakte von ihm so lange befragt, bis sie weitere Namen preisgeben. Dass Brüssow noch öfter „straffällig“ geworden ist, veranlasst das Landesgericht Stettin 1939 zu einer erneuten Strafe: In seinem „kriminellen Lebenslauf“ werden die Straftaten festgehalten, denen er sich schuldig gemacht hat, darunter homosexuelle Kontakte seit seiner Jugend. Er ist für die nationalsozialistische Regierung ein zu großer Dorn im Auge. 1939 wird Brüssow zu weiteren zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt, doch er wird anschließend nicht entlassen. Stattdessen bringt man ihn ins Konzentrationslager Auschwitz. Der Polizeibericht vom 11. April 1941 hält fest:
„Aus seinem ganzen Verhalten ist zu schließen, dass er auch nach Strafentlassung nicht von seiner anormalen Neigung lassen wird. Es ist daher angebracht, Brüssow bei Entlassung aus der Strafhaft wieder festzunehmen und in polizeiliche Vorbeugungshaft zu bringen.“
Heinrich Himmler, SS-Reichsführer und Chef der deutschen Polizei, hatte im Jahr zuvor erklärt, dass er homosexuelle „Mehrfachtäter“ nach dem Absitzen ihrer Strafe nicht mehr entlassen würde. Stattdessen werden sie unmittelbar in ein KZ deportiert, finden anstelle von Freiheit höchstens den Tod. Kurt Brüssow überlebt – als einer der wenigen. Die meisten kommen durch Erschießung, durch Folter oder durch langsame Auszehrung um, und wenn sie die Unterernährung überstehen, bringen es die schlechten hygienischen Bedingungen oder die schwere Sklavenarbeit zu Ende. Die Opfer des Nationalsozialismus sind nicht nur Homosexuelle und Jüd*innen. Es sind politische Gegner*innen und Kritiker*innen, Intellektuelle, Künstler*innen oder Wehrdienstverweigerer, Sinti und Roma und Behinderte. Das Prinzip ist simpel und gerade deshalb vielleicht so effektiv: „Teile und herrsche“, das betont Wenke in seiner biografischen Abhandlung über Kurt Brüssow immer wieder. Teile eine Gesellschaft in Gruppen mit unterschiedlichen Privilegien, unterschiedlichem Wert. Sorge so dafür, dass sie sich gegenseitig misstrauen, dass Uneinigkeit und Hass herrscht. Deine Macht ist gesichert.
Kurt Brüssow erhält die Häftlingsnummer 16642. Er bekommt zuerst den rosa Winkel, der ihn als Homosexuellen brandmarkt, später den roten Winkel der politischen Häftlinge, womit er zumindest darauf hoffen kann, bei den anderen im Ansehen zu steigen. Am 31. Januar 1942, nachdem Brüssow sich bereits drei Mal geweigert hat, freiwillig zuzustimmen, wird er zwangskastriert. Nicht sterilisiert, kastriert. Die Entfernung der Hoden geht nicht nur mit psychischen Schäden einher, vor allem auch die hormonellen Funktionen des Körpers leiden darunter. Brüssow ist von nun an auf eine hormonelle Behandlung angewiesen. Die freiwillige Kastration ist für viele Homosexuelle im KZ der letzte Hoffnungsschimmer auf Freiheit. Vom Arzt wird auf Brüssows Akte vermerkt, er habe sich gegen die Operation geweigert, da er glaube, bereits durch den Aufenthalt im KZ „geheilt“ zu sein. Vielleicht rettet ihm dieser Kommentar, gemeinsam mit den Bemühungen seiner Eltern, am Ende das Leben.
Im Februar 1944 wird Kurt Brüssow ins KZ Flossenbürg gebracht, im März 1944 entlassen und in Stettin unter Polizeiaufsicht gestellt. Die Reichstheaterkammer nimmt ihn zunächst nicht wieder auf, doch mit dem Ende der NS-Diktatur 1945 kehrt Brüssow nach Greifswald und damit auch ans Theater zurück. Hier heiratet er 1946, seine verwitwete Frau Margarete Gutjahr bringt zwei Kinder mit in die Ehe. Gemeinsam ziehen sie nach Putbus, wo Brüssow versucht, als neuer Leiter das Theater wieder aufzubauen, doch auch hier bleiben sie nur bis 1947, bevor sie aus der sowjetischen in die amerikanische Zone nach München ziehen. Hier wird Brüssow zuerst im Bayerischen Staatsministerium für Sonderaufgaben als Ermittler angestellt, wo er sich mit NS-Täter*innen befasst, dann steigt er zum öffentlichen Kläger auf und macht sich nach der Auflösung der Spruchkammern mit einem eigenen Kurierunternehmen selbstständig.
In seinen Bewerbungen, sowohl an den Theatern in Greifswald und Putbus als auch später in München, erwähnt Brüssow in seinem Lebenslauf zwar seine Gefängnis-, Zuchthaus- und KZ-Aufenthalte, nennt als Grund aber immer nur „staatsfeindliches Verhalten“. Denn bis auf die Abschaffung der Konzentrationslager hat sich kaum etwas getan im Nachkriegsdeutschland. Der von der nationalsozialistischen Regierung erweiterte §175a wird sogar bis 1969 unverändert in der BRD fortgeführt. Bis zu diesem Tag hätte Brüssow auch hier verfolgt und bestraft werden können, wegen der ihm angeborenen Art zu lieben, und hätte kaum eine Anstellung gefunden.
Auch die Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus wird ihm verweigert. Durch seine unerbittlichen Bemühungen und die Unterstützung durch seine Frau wird ihm zwar in der sowjetischen Zone schließlich der Status des OdF (Opfer des Faschismus) gewährt (als „aus Mecklenburg der einzige, der wegen Vergehen nach §175 bestraft ist und als O.d.F. anerkannt wurde“), in München laufen all seine Versuche aber ins Leere. Für vier lange Jahre kämpft Brüssow um Gerechtigkeit. In einem Schreiben von 1949 erklärt er, es ginge ihm nicht „um die Ehre und nicht um materialistische Vorteile […] Aus meinem Ehrgefühl heraus kann ich nicht einfach meine Nicht-Anerkennung hinnehmen“. Die Sympathien zur KPD, auf die Brüssow beharrt, genügen nicht, um als politischer Gegner anerkannt zu werden, denn die Behörden bestehen allein auf seine Verurteilung nach §175, an der sie nichts Falsches zu erkennen scheinen. Brüssow war und bleibt Straftäter und somit steht ihm keine Anerkennung des erfahrenen Unrechts zu. Während sozialdemokratische und kommunistische Inhaftierte, Jüd*innen und Zeugen Jehovas auf eine „Entschädigung“ hoffen können, bleibt diese Schwulen, „Asozialen“, Sinti und Roma, Behinderten und Kleinkriminellen verwehrt. Als deutlich wird, dass seine Bemühungen scheitern, schreibt Brüssow in einem Brief an die staatliche Ausführungsbehörde für Unfallversicherung:
„Meine Herren, es ist traurig, dass man als Heimatvertriebener und langjähriger KZ-Insasse den Gedanken hat, wärst du doch bloß im Lager umgekommen. So hättest du doch noch einen guten Zweck erfüllt, indem die Asche deiner Leiche als Felddünger Verwendung gefunden hätte.“
1969 wird der Paragraph 175 zwar nicht aufgehoben, aber abgeschwächt. Einvernehmliche sexuelle Handlungen zwischen erwachsenen Männern stehen zwar juristisch nicht mehr unter Strafe, doch es folgen auch weiterhin Berufsverbote und Stigmatisierungen. Von der Anerkennung Homosexueller als vollwertiger Teil der Gesellschaft und der Würdigung ihrer Leiden im Nationalsozialismus bekommt Brüssow nichts mehr mit. Er stirbt am 14. März 1988, dem 13. Geburtstag seiner Enkeltochter. Sechs Jahre später wird §175 endlich aus dem Strafgesetzbuch der BRD gestrichen. Die Urteile nach §175 werden erst 2002 aufgehoben, 57 Jahre nach dem Ende der NS-Zeit. Es wurde „die biologische Lösung abgewartet“, schreibt Wenke mit zynischem Unterton in seiner Brüssow-Biografie, „fast alle Männer, die in der NS-Zeit als Homosexuelle verfolgt und zu Unrecht verurteilt worden sind und überlebt haben, erfahren von der Einstellungsveränderung und der Aufhebung nicht mehr. Sie sind verstorben.“
Auch heute sind wir noch weit entfernt von einer gleichberechtigten Stellung in unserer Gesellschaft. Juristisch dürfen wir heiraten und adoptieren, werden von Teilen der Bevölkerung aber dafür belächelt oder verurteilt. Politiker*innen wie der Greifswalder Sascha Ott bezeichnen uns als „mikroskopische Randgruppe“, nennen die Toleranz, die uns und anderen Minderheiten zurecht entgegengebracht wird, so groß, dass es „bald bis zur Selbstverleumdung reicht“, und verbieten uns ein einfaches Stück Stoff zu zeigen, um nicht nur uns, sondern auch Menschen wie Kurt Brüssow gebührend zu ehren. Auch Jürgen Wenke stößt 2005 auf diese Ungerechtigkeit. Als er durch seine Heimatstadt Bochum geht, findet er zum damaligen Zeitpunkt etwa 70 Stolpersteine für die Opfer des Nationalsozialismus, keiner davon ehrt einen homosexuellen Verurteilten. Er beschließt, dass er sich über diesen Zustand entweder beschweren oder etwas tun könne, um ihn zu ändern: „Ich habe mich für ‚was tun‘ entschieden.“
Kurt Brüssows Stolperstein ist der 46., den Wenke für schwule Männer hat verlegen lassen. Am 9. Dezember, Brüssows 110. Geburtstag, wurde der Stein vor dem Theater verlegt, in dem Brüssow den Beruf ausgeübt hat, der ihn in seinem Leben wohl am meisten bewegen konnte. Gefördert wurde die Verlegung von der Stadt Greifswald, dem Theater und der evangelischen Studierendengemeinde, die auch die Kosten für den vom Künstler Gunter Demnig erstellten Stolperstein übernommen hat. Die Website Stolpersteine Homosexuelle, auf der Wenke die Biografien der gewürdigten schwulen Männer festhält, betreibt er gemeinsam mit Mediengestalter Dirk Konert. Die Website und die Stolpersteine sind nicht nur eine Möglichkeit, um sich der Vergangenheit bewusst zu werden. Denn Erinnerungskultur wirft ihre Schatten immer auch auf die Gegenwartskultur. Sie ist wichtig, um heute aktiv zu werden,
„[g]egen das Vergessen [und] für die Erinnerung niemals wieder barbarische Willkür zu tolerieren, die die Welt schon einmal in Trümmern zurückgelassen und unzählige Leben zerstört hat.“
Dirk Konert
Ein Artikel kann auf etwas aufmerksam machen, aber er ist immer nur eine verkürzte Darstellung des Erzählten und neigt in seinem selektierten Charakter schnell dazu, die Person auf ihre Opferrolle zu reduzieren. Wer also mehr über Kurt Brüssow erfahren möchte, kann dies durch Jürgen Wenkes Biografie „Was bleibt, wenn der Vorhang fällt?“ tun, hier auch einsehbar als PDF.
Ebenso lesenswert ist das Buch aus diesem Jahr: Erinnern in Auschwitz: Auch an sexuelle Minderheiten (Querverlag Berlin), von Joanna Ostrowska, Joanna Talewicz-Kwiatkowska und Lutz van Dijk.
Auf der Website von Jürgen Wenke findet ihr außerdem Tipps, wie auch ihr etwas zu dem Projekt beitragen könnt (inklusive einer Putzanleitung für Stolpersteine).
Beitragsbilder: Julia Schlichtkrull und das Amt für Bildung, Kultur und Sport