Seit dem Abzug der NATO-Truppen aus Afghanistan verschlechtert sich die Sicherheitslage für die dortige Bevölkerung beinahe täglich. Spätestens das Attentat am Kabuler Flughafen, der aktuell noch durch US-Streitkräfte gehalten wird, machte am Donnerstag deutlich, dass Afghanistan derzeit kein sicherer Aufenthaltsort ist. Dennoch erklärte die Bundeswehr ihre Evakuierungsmission bereits für beendet – obwohl zu diesem Zeitpunkt noch über 300 Menschen auf der Ausreiseliste des Außenministeriums standen. Eine letzte Möglichkeit zum sicheren Verlassen des Landes könnten für sie nun privat finanzierte Rettungsflüge bieten. Doch dafür ist Geld nötig.
Daher findet am heutigen Samstag, den 28.08.2021, um 19 Uhr in der Johanneskirche Greifswald spontan ein ganz besonderes Benefizkonzert von Marko Mebus (Trompete) und Tobias Altripp (Klavier) statt. Der Eintritt für das Konzert ist kostenlos. Stattdessen wird vor Ort um Spenden gebeten, die der Organisation “Luftbrücke Kabul” übergeben werden. Die Organisation bemüht sich um die Evakuierung akut gefährdeter Personen in Afghanistan und um grundlegende humanitäre Hilfe.
Die Publikumskapazitäten für das Konzert sind aufgrund der Pandemielage noch immer stark eingeschränkt, daher wird eine vorherige Anmeldung empfohlen.
Über die Musiker:
Der Trompeter Marko Mebus stammt vom Mittelrhein und wohnt inzwischen in der Nähe von Frankfurt am Main. Neben Mitgliedschaften im Landesjugendjazzorchester von Rheinland-Pfalz und dem Bundesjazzorchester stand er unter anderem auch mit der HR-Bigband auf der Bühne. Seit Oktober 2019 ist er Dozent für Jazztrompete am Dr. Hochs Konservatorium der Stadt Frankfurt am Main.
Tobias Altripp ist in Greifswald aufgewachsen, zog 2016 aber nach Mannheim, wo er seinem Musikstudium nachgeht und als freischaffender Musiker tätig ist. 2019 erschien sein Debut-Album “Fermata” in Quintettbesetzung, 2020 folgte das erste Album seines Trios unter dem Namen “Experimental Blues”.
Das Wichtigste auf einen Blick:
Was? Benefizkonzert für die Organisation “Luftbrücke Kabul” Wann? Samstag, 28.08.2021, 19 Uhr Wo?Johanneskirche Greifswald Kosten? Der Eintritt ist kostenlos, um Spenden wird gebeten. Anmeldung? Vorherige Anmeldung über Kontaktformular empfohlen.
Das Pilotprojekt “studentisches Prorektorat” ist bereits vor seinem Start schon wieder auf dem Boden der Tatsachen gelandet. In diesem Kommentar setzt sich unser Redakteur mit möglichen Gründen auseinander und hinterfragt die Rolle der Kommunikation in der Hochschulpolitik der letzten Monate aus studentischer Perspektive.
Wahlen werden durchgeführt, um Entscheidungen zu treffen. Nicht erfolgreiche Wahlgänge gehören also zum politischen Tagesgeschäft und das ist gut und richtig so, denn nicht alle kandidierenden Personen sind für alle Ämter auch tatsächlich geeignet. Darüber kann und muss geredet werden – eine gesunde Demokratie beruht auf gesunder Kommunikation. Nur so ist eine Hochschulpolitik möglich, die allen nützt. Und nur so lassen sich unglückliche Szenarien wie das jetzige vermeiden: Inmitten einer Pandemie steht die Studierendenschaft ohne Vertretung in ihrem höchsten, frisch geschaffenen, hochschulpolitischen Amt da. Vorsichtig formuliert, diese Situation ist suboptimal.
Suboptimal, denn es sind gerade auch Studierende, die zu den großen Verlierer*innen der aktuellen Krise gehören. Wie alle anderen Bevölkerungsgruppen sind auch sie von wirtschaftlicher Unsicherheit und sozialer Isolation betroffen. Und das in einem Lebensabschnitt, der wesentlich dafür ist, Grundsteine für den weiteren Werdegang zu legen, privat wie insbesondere auch akademisch. Dem gegenüber stehen von Seiten der Universität vielfach Lehrkonzepte, die auch im Jahr 2021 und im dritten Online-Semester oft noch sinnbildlich für den digitalen Analphabetismus des deutschen Bildungssystems sind. Hinzu kommen offene Fragen wie etwa zu pandemiebedingten Verlängerungen der Regelstudienzeit, zusätzlichen Prüfungsversuchen, der Anerkennung, bzw. Erbringungsmöglichkeit praktischer Leistungen und vielem mehr. Fragen, für deren Beantwortung es eine starke Stimme der Studierendenschaft bräuchte. Gerade jetzt wäre es unbedingt notwendig, die Studierenden in wesentliche Entscheidungen einzubeziehen. Diese unbekannte, dynamische Situation benötigt frische Impulse, zu denen das neue Amt eines studentischen Prorektorats maßgeblich beitragen könnte. Stattdessen geht es nicht so recht voran. “Typisch”, würde die sowieso schon viel zu große Gruppe der Hochschulpolitik-Verdrossenen den Fortschritt wohl kommentieren.
Und wie kommentiert der Senat diese Situation, an der er nicht ganz unbeteiligt ist? Gegenüber der Öffentlichkeit quasi gar nicht. Bestenfalls ist von einigen Senator*innen zu hören, dass sie dazu nichts Konkretes sagen können. Das ist nicht nur irritierend für Mitglieder eines gewählten Gremiums, sondern auch ein echter Schlag ins Gesicht aller hochschulpolitisch engagierten Studierenden, die auf eine offene Kommunikation angewiesen sind. Und zudem ist es gefährlich, denn Stille ist ein Katalysator für Spekulation und Chaos. Nach drei gescheiterten Wahlgängen über zwei Monate hinweg stellt sich natürlich die Frage nach dem “warum”. Und außerdem die Frage, warum nicht darüber gesprochen wird, denn so überschlagen sich die Gerüchte.
Die Gerüchteküche brodelt
Womöglich war es das Ziel einiger Senator*innen, die Position der, gerade erst in Amt und Würden eingeführten, Rektorin zu schwächen. Die Etablierung des studentischen Prorektorats war im Wahlkampf schließlich eines der zentralen Versprechen von Frau Prof. Riedel an die Studierendenschaft gewesen. Dementsprechend ist das Stolpern dieses Projekts im ersten Anlauf für sie auch eine persönliche Niederlage. Vielleicht ist es sogar eine direkte Retourkutsche für die nicht erfolgte Bestätigung des Kanzlers der Universität, die im Hintergrund ebenfalls für Unmut gesorgt hatte. Werden hier also interne Machtkämpfe auf dem Rücken der Studierendenschaft ausgetragen?
Fest steht, dass unter einigen Senator*innen immer noch grundsätzliche Zweifel am studentischen Prorektorat bestehen. Als die Stille in der Senatssitzung am 21.04. ein nicht mehr erträgliches Ausmaß erreicht hatte, wurde sogar kurz darüber gesprochen. Leider äußerten sich jedoch nicht die kritischen Senator*innen selbst. Als Mediator führte ein anderes Mitglied Argumente an, die ihm gegenüber in Gesprächen außerhalb der Sitzungen geäußert worden seien. Demnach seien sich einige Senator*innen des Nutzens nicht bewusst, den dieser Posten bieten solle. Studierende seien bereits in diversen Gremien vertreten und würden von der Hochschulleitung angehört. Zudem bestünden in Teilen des Senats grundsätzliche Zweifel daran, ob Studierende in ihrem Ausbildungsstand überhaupt für so ein hohes Amt geeignet seien. Angesichts des eigenen Verhaltens der kritischen Senator*innen in diesem Moment wirkte diese Aussage geradezu zynisch – möchte man der Studierendenschaft die Eignung für höhere Posten kollektiv aberkennen, nur weil altgediente Senatsmitglieder der Ansicht sind, würdevoller schweigen zu können (offensichtlich eine Grundvoraussetzung in der Hochschulpolitik)? Wenn es eine klassische studentische Eigenschaft gibt, dann doch wohl die des In-(Online-)Sitzungen-die-Klappe-Haltens.
Zyniker*innen würden nach dieser Logik wohl zudem hinterfragen, wozu Dozierende im Prorektorat nötig sind. Gleich zwei an der Zahl, obwohl Professor*innen doch bereits in diversen Gremien vertreten sind und in Ausnahmefällen durch die Studierendenschaft sogar in Vorlesungen angehört werden. Und außerdem sollte die Frage erlaubt sein, welchen Nutzen ein Senat bietet, in dem nicht diskutiert, sondern Probleme bestenfalls hinter verschlossenen Türen angegangen oder schlimmstenfalls einfach totgeschwiegen werden. In den Sitzungen war weder bei der Vorstellung der Kandidierenden, noch zwischen den Wahlgängen oder nach dem Scheitern im dritten Anlauf über Gründe gesprochen worden, warum ein großer Teil der Senatsmitglieder Felix W. offensichtlich nicht in das Amt des studentischen Prorektors wählen konnte oder wollte. Sicherlich kann das Problem auch in der kandidierenden Person selbst liegen, aber auch darüber könnte man sprechen. Wieso also wird ein Kandidat nicht gewählt, über den in den Sitzungen zuvor nicht diskutiert worden war?
Einen Teil der Antwort könnte tatsächlich ein Blick in die Grundordnungsänderung vom Dezember geben. Ein “studentisches Prorektorat” wird hier nicht explizit benannt. Stattdessen ist die Rede von zwei Prorektoratsposten, von denen mindestens einer nicht durch eine Person aus der Statusgruppe der Professor*innen besetzt werden soll. Ein juristisches Schlupfloch für die grundsätzlichen Kritiker*innen, das auch trotz aller Lippenbekenntnisse eben schriftlich verankert als Damoklesschwert des Misstrauens über dieser und zukünftigen Wahlen schwebt und schweben wird: Das studentische Prorektorat ist ein Amt von Gnaden des Senates, der daher wenig Druck hat, diesen Posten zu besetzen.
Flucht nach vorne
Umso interessanter wirkt insofern die Forderung einiger Senator*innen, die Studierendenschaft solle für die kommende Wahl eine Person nominieren, die den vollen Rückhalt aller Studierenden genieße. Der Senat sei optimistisch, dass die Wahl dann erfolgreich verlaufen werde. Sicherlich ist es sehr verwunderlich, dass aller Wahrscheinlichkeit nach auch einige studentische Senatsmitglieder nicht für ihren eigenen Kandidaten gestimmt haben. Das Hauptproblem ist jedoch ein anderes: Der Senat wälzt die Aufarbeitung seiner internen Kommunikationsprobleme auf studentische Gremien ab, die aber gleichzeitig, auch auf explizite Nachfrage hin, nicht über die Hintergründe der gescheiterten Wahl informiert wurden. Wenig überraschend, mit eher durchwachsenem Erfolg: Während die Fachschaftskonferenz nun nämlich beschlossen hat, das Nominierungsverfahren neu aufzurollen, war im Studierendenparlament noch vor einigen Wochen mit knapper Mehrheit entschieden worden, Felix W. erneut als Kandidaten für das Amt nominieren zu lassen. Das Chaos ist perfekt!
Optimale Voraussetzungen also, um eine Person zu finden, die den vollen Rückhalt der Studierendenschaft hat. Der Senat hat den studentischen Gremien die praktisch unlösbare Aufgabe übertragen, unter höchstem Zeitdruck ein Nominierungsverfahren zu entwerfen, das am Ende eine Person benennt, die mehr als eine deutliche Mehrheit der Stimmen – denn die hatte bereits Felix W. besessen – eines noch zu konstituierenden Bewerbungsausschusses auf sich vereint und die noch dazu bereit ist, sich womöglich in einem hochschulpolitischen Rosenkrieg instrumentalisieren zu lassen, ohne genau zu wissen von wem und zu welchem Zweck überhaupt. Wenn den studentischen Gremien dieses Meisterstück gelingen sollte, werden sie wohl drei Kreuze machen, aber hoffentlich ohne ihre Stimmzettel dadurch ungültig werden zu lassen.
Am 20.05. feierte der zweite Teil der digitalen Theaterreihe “Customerzombiefication” seine Premiere. Wie schon der erste Teil beschäftigt sich auch “DATA-Land” mit den großen Fragen unserer Zeit. Im Fokus stehen besonders die Selbstoptimierung und die Rolle der Menschen im Ökosystem unserer Erde. Dennoch hat sich gegenüber dem Vorgängerstück “Mein fremder Wille” einiges geändert.
T.R.U.E. ist für uns alle Neuland
Das Wichtigste zuerst: Der zweite Teil der Trilogie knüpft in der Geschichte nicht an den ersten an. Alle interessierten Nachzügler*innen können also problemlos mit einsteigen. In der futuristischen Welt des Stückes hat sich das Startup “T.R.U.E.” aus Berlin-Kreuzberg als Anbieter für körperloses Leben in der digitalen Welt bereits einen Namen gemacht. Nun sollen auf einer Kennenlern-Veranstaltung neue Kund*innen für das wunderbare, vollkommen virtuelle Leben akquiriert werden. Für dieses exklusive Produkt kommen allerdings selbstverständlich auch nur die erlesensten Personen infrage. Daher müssen alle Interessierten zunächst ein Coaching absolvieren und in einer Reihe von Prüfungen ihre “Human Essence Units” (H.E.U.) verbessern, bevor sie einen Blick auf T.R.U.E. werfen und vielleicht sogar die Erfinderin der scheinbar perfekten Welt selbst treffen können.
Vorsprung für Technik
Zeile 1 der Anweisungen auf dem (natürlich) digitalen Theaterticket lautet: “Bitte bereiten Sie sich circa 15 Minuten vor Beginn des Streamings vor”. Das gilt auch für alle Veteran*innen des digitalen Theaters, die in “Customerzombiefication Teil 1/Mein fremder Wille” die ersten Schritte dieses Projektes mitgegangen sind und wie ich die TotoGo-App aus Platzgründen danach wieder deinstalliert haben. Außerdem gab es da ja auch noch ein Passwort… das man aber zum Glück auch zurücksetzen kann. Die Zeit zur Vorbereitung sollte also in jedem Fall eingeplant werden, da neben der App auch der Stream gestartet werden muss. Der ist übrigens nach Teil 1 von YouTube auf Twitch umgezogen. Der Countdown im Stream tickt herunter, während auf anderen Channels Fortnite gespielt oder gechattet wird. Aber keine Zeit, um bis zum Vorstellungsbeginn nochmal kurz umzuschalten, denn die T.R.U.E.-Gründerin hat eine Videobotschaft in die App hochgeladen. Sie möchte, dass ich meinen H.E.U.-Basiswert bestimme. 51,3% – alles klar.
20:01 Uhr – die Frisur sitzt, das Mikro noch nicht ganz
Als der Countdown auf 00:00 springt, passiert… nichts. Technische Probleme? Haaaallloooo?? Geht die App zu, wenn ich nochmal kurz auf Insta gucke? Spoiler: Nein, tut sie nicht. Aber kaum habe ich das Sofa verlassen, um mir noch etwas zu trinken zu holen, erscheinen die beiden Coaches auf meinem Bildschirm. Erwischt! Auch wenn sie mich nicht sehen können, will ich trotzdem einen guten ersten Eindruck hinterlassen, um mir optimale Chancen auf einen Platz in T.R.U.E. zu sichern. Stimmungsvoll ist es also schon mal. In einem längeren Dialog stellen die Coaches Ella und Inga nun das Abendprogramm vor. Gemeinsam möchten Sie mit uns an der Verbesserung unserer H.E.U.-Werte arbeiten, denn ein guter Wert ist Voraussetzung für den Upload. Schon jetzt ist klar, dass der Abend arbeitsintensiv wird und tatsächlich sind es am Ende des Stücks etwa 30 Eingaben, die wir geleistet haben werden. Inklusive Photoshooting und Gesangseinlage. Und auch so manche (zum Beispiel meine) Internetverbindung wird bei der schnellen Abfolge an Videos wohl zwischendurch mal etwas in die Knie gehen (danke, Vodafone). Aber was tut man nicht alles für einen Platz im digitalen Paradies…
Fragen über Fragen
Anders als noch im ersten Teil der Trilogie geht es in “DATA-Land” nicht darum, Entscheidungen zur Fortsetzung einer Geschichte demokratisch zu treffen, sondern durch die individuelle Beantwortung von Fragen einen möglichst guten Platz in der Rangliste für den Upload zu erkämpfen. Dabei geht es um alles, was uns als Menschen ausmacht, die besten Eigenschaften, die schlechtesten, geheime Wünsche und vieles mehr. Den eigenen H.E.U.-Score können die Zuschauer*innen/Kontrahent*innen jederzeit in der App nachlesen, die Werte der anderen werden immer wieder in Zwischensequenzen eingeblendet. So intensiviert sich nach und nach ein Konkurrenzkampf um die besten Plätze. Recht schnell wird zwar deutlich, dass gesellschaftlich akzeptiertes Verhalten mehr Punkte einbringt. Aber bin das wirklich ich? Und ist das tatsächlich besser, um sich die besten Chancen für den Upload zu sichern? Schließlich gilt ja immer noch: “Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommst du ohne ihr…”
Ein Abend wie ein Horoskop
“DATA-Land” ist sehr anders als ich es nach dem ersten Teil der Trilogie erwartet hatte. Durch die große Anzahl an, auch durchaus intimen, Fragen und Informationen, fühlt es sich an manchen Stellen eher wie eine Therapiesitzung als wie ein Theaterbesuch an. Fans des klassischen Geschichten-Erzählens werden daher vermutlich eher enttäuscht sein, denn das Stück ist durch den Fokus auf die Persönlichkeiten seiner Zuschauer*innen recht statisch. Auch wenn die Coaches nach und nach einige Hintergründe der Entwicklung des Uploads und ihrer eigenen Funktion im futuristischen Universum preisgeben, passiert auf dem Bildschirm nicht besonders viel. An manchen Stellen wirken außerdem Details noch ein wenig unausgereift, beispielsweise gibt es ein Credit-System, für das Zuschauer*innen Eigenschaften kaufen können, was aber auch bei negativem Credit-Score noch ohne Konsequenzen möglich ist. Trotz solcher Kleinigkeiten ist das Stück gerade durch das hohe Maß an Interaktion sehr kurzweilig und schöpft die Möglichkeiten der App gut aus. Wie schon im ersten Teil geht es um Fragen, die uns als Menschheit insgesamt, aber vor allem auch individuell immer mehr beschäftigen: Wie möchten wir leben und wie lässt sich das mit den Kapazitäten unserer Gesellschaft und unseres Planeten in Einklang bringen? Ist die Aufgabe des realen Lebens und der Transfer in eine digitale Parallelwelt die ultima ratio? Das Stück dürfte besonders interessant für die immer größer werdende Gruppe der selbstoptimierenden Yogis und Küchentischpsycholog*innen sein. Aber Vorsicht, ein bisschen fühlt sich der Ausblick wie ein Horoskop an: Egal zu welcher Gruppe ihr am Ende gehört, irgendwie sind die Vorhersagen doch immer die gleichen.
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Unterhaltungsfaktor
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Das Wichtigste auf einen Blick: Wann? (Fast) täglich bis zum 30.05. Wo?Digital über Twitch und die TotoGo-App Anmeldung? Über die Webseite des Borgtheaters
Einfach mal abheben in ein anderes Universum, auch dafür ist der webmoritz. da! Ab sofort könnt ihr jeden Freitag ein anderes Redaktionsmitglied auf einem neuen Teil der intergalaktischen Reise unserer unendlichen Geschichte begleiten. Die Rahmenbedingungen haben wir in einer gemeinsamen Sitzung aus unseren Ideen zufällig ausgewürfelt, danach haben wir die Geschichte jedoch der individuellen Kreativität und Gnade unserer Redakteur*innen überlassen. Wohin die unendliche Geschichte führen wird, ist für uns also auch noch ungewiss, aber wir bieten Corona-Craziness, Ärger und Spaß ohne Ende – garantiert!
Teil 1 – Der blinde Passagier
“Völlig losgelöst, von der Erde!”, grölte die Besatzung durch “das Raumschiff, völlig schwerelos!” Es war der 11.11.1111 um Punkt 11:11 Uhr MESZ (= Mainzer Europäische Standardzeit) und unter den gefiederten Bewohner*innen der mobilen Raumstation Große Kosmische Ente herrschte ausgelassene Stimmung. Sie schnatterten freudig und lagen einander, vor Glück weinend, in den Flügeln. Kein Wunder, denn heute war die fast zweijährige Isolationszeit zu Ende gegangen, die alle 42 Crewmitglieder nach ihrem Start in Richtung des Planeten Meridia hatten antreten müssen. Zwei lange Jahre in aufgereihten Glaskästen, heruntergekühlt und in einer Art Dornröschenschlaf, um Ressourcen zu sparen für die lange Reise. Viele von ihnen hatten schon nicht mehr daran geglaubt, dass sie den Flug überstehen würden, zu groß war die Einsamkeit gewesen. Doch sie hatten keine Wahl, denn sie waren auf der Flucht. Auf ihrem Heimatplaneten herrschte Chaos, spätestens seit The Donald mit windigen Methoden in das Amt als El PresidEnte gelangt war. Doch nach langer Planung und noch längerer Reise hatten sie es nun tatsächlich geschafft. Sie waren angekommen. Entlich.
Bei einem Blick aus der großen, verglasten Crew-Lounge der Raumstation bot Meridia ein atemberaubendes Panorama. Die von azurblauen Ozeanen umgebenen, rotbraunen Landmassen waren geschmückt mit gewaltigen Urwäldern und kristallklaren Süßwasserseen, die zum Baden einluden. Jetzt gerade war die Atmosphäre des Planeten in das goldene Licht des Sonnenuntergangs gehüllt. Ein scheinbar unberührtes Paradies also, das so wirkte, als würde es nur darauf warten, die Fliehenden in Empfang zu nehmen. Und entsprechend war die gesamte Besatzung bestens gelaunt. Die gesamte Besatzung? Nein.
Gerhard Schmitt kauerte in seinem Panzer und versuchte, sich so still wie möglich zu verhalten. Er hatte sich seit Langem vor diesem Tag gefürchtet, von dem die ganze restliche Crew seit zwei Jahren geträumt hatte. Allerdings war er technisch gesehen auch gar kein wirkliches Mitglied dieser Raummission. Er hatte sich nämlich als blinder Passagier an Bord geschlichen. Aus beruflichen Gründen. Gerhard Schmitt war investigativer Fotojournalist, sein Schwerpunkt waren Aufnahmen von Enten aus Krisengebieten und nun also auch Enten auf der Flucht quer durch das Universum. Mit seinen 63 ½ Jahren war er im besten Alter für eine Galapagos-Schildkröte und hatte sich dank seiner spektakulären Aufnahmen bereits einen hervorragenden Ruf in der intergalaktischen Medienlandschaft erarbeitet. Als die Redaktion des quackmoritz. mit diesem riskanten Anliegen an ihn herangetreten war, hatte er daher keinen Augenblick gezögert. Nein, im Gegenteil, er hatte sich sofort auf den Weg zum Raumschiff begeben (denn Schildkröten sind bekanntermaßen nicht besonders flink zu Fuß). In einem Karton mit der Aufschrift “Schildkrötensuppe – Astro-Zubereitung” getarnt war er an Bord gelangt und hatte es sich auf der Station gemütlich gemacht. Für die lange Reise war ihm zugutegekommen, dass die restliche Besatzung ihre Selbstisolation angetreten hatte. So war es ein Leichtes gewesen, unentdeckt zu bleiben, aber dennoch alles zu dokumentieren und sich außerdem mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen. Nach und nach hatte er also die Vorräte der Raumstation immer weiter geplündert, sogar einen kleinen Rest Sauerteig hatte er in seinem Panzer untergebracht, denn man konnte ja nie wissen … Doch das war ein Problem, denn obwohl er mit Bedacht vorgegangen war und sich aus den hintersten Ecken der Lagerräume bedient hatte, wusste er, dass es einzig eine Frage der Zeit sein konnte, bis jemand das Fehlen des Proviants bemerken und man daraufhin anfangen würde, die Station zu durchsuchen. Leider hatte er es nach seinem letzten Versorgungsausflug nicht mehr geschafft, zurück bis in seinen Unterschlupf zu gelangen, denn er war seit einer Schussverletzung sogar für eine Galapagos-Schildkröte nicht mehr besonders gut zu Fuß und auch in der Schwerelosigkeit der Raumstation war es kaum besser. Und so schwebte er nun hier, mitten auf dem Flur vom Aufenthaltsraum zum Landungsshuttle, als Suppenkarton getarnt und sah durch die Gucklöcher in der Kiste unruhig zu, wie immer wieder gut gelaunte Vögel die Lounge betraten und verließen. Erpel und Enten, mal alleine, mal zu zweit, mal in Grüppchen, die Stimmung war ausgelassen und niemand schien sich für die einsame Kiste zu interessieren. Er konnte aktuell nichts weiter tun als zu warten, so riskant das auch sein mochte. Nach Stunden der Anspannung, schlief er schließlich ein.
Als er wieder aufwachte, war es wahnsinnig laut und alles vibrierte. Wo war er bloß? Was war geschehen? Er wagte einen kurzen Blick durch die Gucklöcher. In einem länglichen Raum saßen zwölf Enten und Erpel in Landungsanzügen und starrten fasziniert aus dem Fenster, vor dem Meridia immer größer und größer wurde. “Das Landungsshuttle!”, zuckte es wie ein Blitz durch Gerhards Kopf. “Ich bin im Landungsshuttle! Aber wieso? Was ist passiert?” Über das Dröhnen der Rakete hinweg konnte er ein paar Gesprächsfetzen aufschnappen: “Nochmal: Wie kann es bitte sein, dass unsere Vorräte jetzt schon so gut wie leer sind? Diese Versorgungsmission war nicht im Protokoll vorgesehen! Verdammte Buchhaltung mit ihren ewigen Rechenfehlern!” Eine zweite Stimme antwortete der ersten: “Ich weiß es doch auch nicht. Aber so ist es jetzt halt. Und wir wollten den Planeten ja sowieso erkunden. Was mich viel mehr aufregt, ist, dass uns die Missionsleitung nur diese Schildkrötensuppe als Proviant mitgegeben hat, bloß weil die eh schon in der Nähe des Shuttles herumgeschwebt hatte. Ich HASSE Schildkrötensuppe!” “Also ich könnte einen Happen vertragen”, meldete sich eine dritte Stimme zu Wort und schon hörte Gerhard mit Panik, wie sich jemand an seinem Karton zu schaffen machte. Doch es war bereits zu spät, um darauf zu reagieren – er hätte wohl eh nicht viel tun können. “Riecht schön frisch, mir läuft schon das Wasser im Schnabel zu … – Hey! What the quack ist das denn??”
Der Karton kippte seitlich über und schon flog Gerhard, der sich reflexartig in seinen Panzer zurückgezogen hatte, heraus und schwebte nun in der Mitte des Spaceshuttles. Plötzlich war die komplette Besatzung auf den Beinen und selbst die Pilotin verriss vor Schreck das Steuer, was zur Folge hatte, dass das Schiff für einen kurzen Moment komplett aus der Bahn geriet und alle, zur Begutachtung des blinden Passagiers gerade ungesicherten, Besatzungsmitglieder gegen die Seitenwand des Schiffes geworfen wurden. Federn und wüste Flüche flogen durch den Innenraum des Shuttles. Die Pilotin wollte abrupt abbremsen, um ihrer Besatzung zur Hilfe zu kommen, doch dabei wurde Gerhard durch die Trägheit wie eine Kanonenkugel aus dem Kuddelmuddel der Enten heraus beschleunigt und krachte mit voller Wucht in die Steuereinheit des Landungsshuttles. Dieses wiederum beschleunigte jetzt unkontrolliert, wodurch noch mehr Panik unter den Crewmitgliedern ausbrach, die wild umherschnatterten und schließlich ein Fenster aufbrachen, um darüber nach und nach das nun in Höchstgeschwindigkeit abstürzende Schiff zu verlassen und davonzufliegen, bis nur noch Gerhard an Bord war. “Das war’s für mich …”, dachte er, als er den fremden Planeten auf sich zurasen sah. “Das war’s … hätte ich bloß auf Mama gehört und bei Nintendo angeheuert … ‘Die brauchen immer gute Schildkröten da!’, hat Mama immer gesagt … Das war’s für mich …” Das Letzte, was er hörte, bevor er bewusstlos wurde, war ein ohrenbetäubendes Krachen. Danach nur noch Stille. Und Dunkelheit.
“Lass das Schatz … nur noch ein paar Minuten … Bitte …” Er öffnete träge die Augen, es war viel zu hell um ihn herum, und sein Kopf tat höllisch weh. Also schloss er die Augen wieder. “Lass mich noch ein bisschen schlafen … Bitte …” Doch was auch immer da gegen seinen Kopf stieß, es wollte einfach nicht damit aufhören. Er öffnete erneut die Augen. Inmitten des Trümmerhaufens liegend sah er, wie sich ein breiter Schnabel auf seinen Kopf zubewegte und an ihm zu knabbern begann. Er fuhr erschrocken auf und obwohl sein Kopf zu explodieren drohte, war seine Erinnerung plötzlich ganz klar. “Die Enten sind zurückgekommen, um mich zu verhören … oder zu töten?!” Doch dieses Wesen, das ihn geweckt hatte, besaß zwar unverkennbar einen Schnabel, aber es war keine Ente. So ein Tier hatte er überhaupt noch nie gesehen, obwohl er bereits sehr viel herumgekommen war. Es war das wundervollste Wesen, das er jemals gesehen hatte. Ob es bereits taxonomisch eingeordnet worden war? Falls nicht, war es als sein Entdecker nun an ihm, genau das zu tun. Doch weil er soeben den Absturz eines Spaceshuttles überlebt hatte und entsprechend gerade nicht zu geistigen Höchstleistungen in der Lage war, beließ er die Namensgebung beim Offensichtlichen: Dieses Wesen war unverkennbar ein Tier und es besaß einen Schnabel, so viel war klar. Und so stand für ihn fest, dass er soeben Bekanntschaft mit einem Schnabeltier gemacht haben musste.
Puh, hartes Auftaktprogramm für Gerhard! Trinken eigentlich alle Schnabeltiere aus Schnabeltassen oder nur die Babys und die ganz alten? Diese und weitere Fragen werden nächste Woche vermutlich nicht beantwortet, aber dafür erfahrt ihr von Lilli, wie es Gerhard nach seinem Absturz auf Meridia weiter ergangen ist!
Wut, Hass, Zorn: All diese Gefühle verbindet man so manches Mal mit seinen Mitmenschen. Genau für solche Momente ist diese Kolumne da. Wann immer wir uns mal gepflegt über Leute auslassen oder uns auch generell mal der Schuh drückt, lest ihr das hier.
20:25 Uhr: “Joooo Moin Diggi! Wie geht’s dir so? Voll lange nichts mehr voneinander gehört und so! Hahaha…. Naja, ich weiß ja nicht, was bei dir gerade so geht und so, aber ich dachte ich melde mich mal wieder. Also ich bin jetzt jedenfalls in Berlin und mache hier meinen Master in Brauwesen und Getränketechnologie. Voll krass Alter, neulich hab ich hier zufällig deine Ex getroffen, also Larissa oder wie die noch hieß, die studiert jetzt auch hier, voll strange, oder, haha? Achja, ich soll dir noch was von ihr ausrichten… war glaube ich irgendwas Wichtiges, glaube ich… Was war denn das noch gleich? …Boah ey, mein Gehirn ist in letzter Zeit so dermaßen Matsche, scheiß Corona-Lockdown-Blues…hahaha…geht dir das auch so? Mega kacke. Alteeeeeeer, was war denn das noch gleich, was ich dir sagen sollte? … Ja, bitte komplett… Ja, bitte auch scharfe Soße… Sorry Bro, bin gerade beim Dönermann… Ah, jetzt weiß ich es wieder, was ich ausrichten sollte!… Halt! Doch nicht! Nee, doch nicht komplett, keine Zwiebeln und ohne Knoblauch-Soße, hab morgen einen Zahnarzttermin… Hahaha… Boah Alter, ich hab schon seit Wochen sooo krass Zahnschmerzen! Ich glaube, ich muss mir jetzt doch endlich mal die Weisheitszähne ziehen lassen. Aber ich hab so Schiss davor, Mann! … Naja, mal gucken, was der Zahnarzt morgen sagt… Der hat übrigens voll die süße Zahnarzthelferin, das ist auch ein ganz nicer Nebeneffekt zum Stempel im Bonusheft, also bei der würde ich auch gerne mal das Bonusheft stempeln, wenn du weißt, was ich meine, hahahahaha… aber trotzdem mega nervig, dass man da so oft hingehen muss… *im Hintergrund: Döner ist fertig, das macht dann 5 €* … Also Brudi, mein Döner ist fertig, muss dann mal los, aber lass mal wieder von dir hören, Diggah!”
Kommunikation ist ein komplexes Thema, gerade in Zeiten harter, mittelharter und der Lockdowns mit weichem Eigelb oder wie auch immer man den aktuellen deutschen Kurs bezeichnen möchte. Zwischenmenschliche Nähe herzustellen ist schwierig, wenn räumliche Nähe keine Option ist. Glücklicherweise bieten unsere Smartphones heute eine riesige Bandbreite an Möglichkeiten, um dennoch miteinander in Kontakt zu bleiben: Textnachrichten, Emojis, GIFs, klassische Anrufe, Videotelefonate,… und eben auch Sprachnachrichten. Doch so schön es auch sein mag, die Stimme einer anderen Person zu hören, so sehr stehen Sprachnachrichten symptomatisch für viele Dinge, die in unserer Welt aktuell nicht gut laufen. Daher hier das Manifest der kommunikativistischen Partei in 5 Punkten. Egal wie schlecht das Manifest ist, Karl Marx!
Punkt 1: Chaos, Chaos und nochmal Chaos
Für die Übermittlung komplexer Informationen sind Sprachnachrichten vollkommen ungeeignet. Unsere Gedankengänge sind im Normalfall nicht geradlinig genug, um weiterführende Zusammenhänge spontan und strukturiert auszudrücken. Das gilt besonders für einseitige Gespräche ohne direkte zwischenmenschliche Interaktion und vor allem ohne Möglichkeit für direkte Rückfragen. So kommt es, obwohl Sprachnachrichten grundsätzlich die Vermittlung von Emotionen besser ermöglichen könnten als Textnachrichten, oft dazu, dass leicht vermeidbare Missverständnisse entstehen. Wenn dann auch noch mehrere Gesprächsthemen innerhalb einer Sprachnachricht kommuniziert werden sollen, ist das Chaos absolut vorprogrammiert. Nachrichten ab 30 Sekunden Länge sind bereits vollkommen unbrauchbar und Nachrichten ab 5 Minuten Länge sollten meiner Meinung nach direkt an die Staatsanwaltschaft gehen – Anzeige ist raus. Und was viele vermutlich gar nicht wussten: Die deutsche Corona-Impfstrategie wurde komplett mittels Sprachnachrichten erarbeitet. Wirklich wahr!
Sorry, es dir sagen zu müssen, aber etwa genau so viel Sinn ergeben auch deine Sprachnachrichten.
Punkt 2: Das richtige Setting
Wie so oft im Leben sind auch für den Sinn und Unsinn von Sprachnachrichten die äußeren Umstände extrem entscheidend. Du hast dir beide Arme gebrochen, kannst deshalb nicht schreiben und sitzt in einem ruhigen Zimmer? Alles klar, schick mir eine Sprachnachricht (oder ruf mich an)! Du sitzt in einem ruhigen Zimmer und kannst tippen? Dann schick mir keine Sprachnachricht! Du stehst in einem vollen Bus und schickst mir eine Sprachnachricht? Freundschaft beendet. Und die gleichen Probleme, die beim Aufnehmen von Sprachnachrichten auftreten können, gelten natürlich auch für das Anhören. Ich weiß nicht, was du mir gleich erzählen wirst, also werde ich mir deine Nachricht garantiert nicht in der Öffentlichkeit anhören. Wahrscheinlich könnte ich dich mit all den Geräuschen um mich herum eh nicht verstehen und müsste den Mist dreimal abspielen.
Punkt 3: Schnelllebigkeit
Ja, das Leben ist manchmal wirklich stressig und ja, es mag sich so anfühlen, als ob du aktuell keine Zeit für irgendetwas hättest. Und ebenfalls ja, eine Sprachnachricht zu verschicken mag dir ein paar Sekunden deiner kostbaren Lebenszeit sparen. Aber ist es tatsächlich so viel verlangt, dass du dir die Zeit für unsere Freundschaft nimmst und mir eine Nachricht schreibst, die wirklich das ausdrückt, was du mir sagen möchtest? Zum Beispiel, dass du noch deine Jacke aus dem Keller holen möchtest?? Goethe sagte (dem Volksmund nach) einmal: “Ich schreibe dir einen langen Brief, weil ich keine Zeit habe, einen kurzen zu schreiben.” Möchtest du hingegen wirklich mit den (vermutlich in einer Sprachnachricht festgehaltenen) Worten “Ich schicke dir eine Sprachnachricht, weil ich keine Zeit habe, dir kurz zu schreiben.” in Erinnerung bleiben? Wann hast du dir das letzte Mal bewusst Zeit genommen, um Freundschaften zu pflegen, die dir am Herzen liegen?
Punkt 4: Rückschritt statt Fortschritt
Wir leben im 21. Jahrhundert und entsprechend sollte sich auch unsere Kommunikation weiterentwickelt haben. Aber, so beeindruckend die Speicherung und der Transport unserer Stimme über tausende Kilometer hinweg auch sein mag, so rückständig sind die sprachliche Form sowie die Inhalte von Sprachnachrichten oft. Um es etwas überspitzt auszudrücken: Dank Sprachnachrichten und Autokorrektur entwickeln wir uns sprachlich langsam aber stetig auf ein Niveau aus der Zeit vor der Erfindung des Buchdrucks zurück. Einer Zeit, in der der überwiegende Teil der Menschen nicht schreiben und viele nicht einmal lesen konnten. Schaut euch einmal unter euren Komilliton*innen um. Wie viele von ihnen könnten einen längeren Text fehlerfrei nur mit Stift und Papier, vollkommen ohne weitere Hilfsmittel, verfassen? Und wie vielen von ihnen ist aufgefallen, dass sie gar nicht eure Komilliton*innen sind, sondern eure Kommiliton*innen? Oder war es doch andersherum?
Nur weil etwas grundsätzlich geht, sollte es nicht auch tatsächlich gemacht werden.
Punkt 5: Egozentrik und Schlusswort
Eigentlich ist Punkt 5 kein wirklich eigenständiger Aspekt, sondern mehr eine Zusammenschau der Punkte 1-4. Durch all die vorher genannten Unannehmlichkeiten, die den Empfänger*innen von Sprachnachrichten entstehen, ist die Kommunikationslast extrem einseitig. Das ist aber ziemlich dämlich, da die Person, die die Sprachnachricht versendet, in den meisten Fällen ein Interesse daran hat, dass die empfangende Person möglichst leicht an die zu vermittelnden Informationen gelangt. Sei es, weil noch Fragen zum Klausurstoff bestehen, eine Reise geplant wird, eine kleine Zutat zum Verfeinern des Abendbrotes mitgebracht werden soll oder auch einfach nur eine sinnvolle Antwort erwartet wird. Kommunikation auf Augenhöhe geht anders. Deshalb bin ich raus aus diesem Zirkus. Wenn die Information es nicht wert war, in geschriebene Worte verpackt zu werden, war sie wohl nicht so wichtig. Insofern höre ich mir Sprachnachrichten im Normalfall einfach gar nicht mehr an, sondern antworte einfach irgendetwas. Wer wirklich etwas von mir möchte, kann mir sehr gerne schreiben oder mich anrufen.
20:54 Uhr:“Achjaaa übrigens Diggi, keine Ahnung mehr, was ich dir noch von Larissa ausrichten sollte. Aber meld dich auf jeden Fall mal wieder bei ihr, sie wollte wie gesagt irgendwas Wichtiges mit dir besprechen und kann dich irgendwie nicht mehr erreichen… Die ist jetzt übrigens gerade Mama geworden, mega krass, Alter, das ging ja mega schnell! Habt ihr euch nicht erst vor einem halben Jahr oder so getrennt? Naja, bis bald Brudi, hab einen schönen Abend!”