Rezension: Willkommen im Wunderlift – Musiktheater für Menschen ab 7 und ab 70 Jahren

Rezension: Willkommen im Wunderlift – Musiktheater für Menschen ab 7 und ab 70 Jahren

Das Alter: Alles eine Frage der Perspektive. Am 07.03.2023 feierte „Willkommen im Wunderlift – Musiktheater für Menschen ab 7 und ab 70 Jahren“ seine Premiere am Theater Vorpommern in Greifswald. Da ich zurzeit ein Praktikum in der Marketingabteilung des Theaters absolviere, durfte ich meine Kollegin Linda zur zweiten Aufführung des Stücks begleiten und blickte am Ende auf eine Vorstellung voller Lachen, Weinen, Erstaunen und allerhand Lebensweisheiten zurück. 

Unsere Erwartungen:

Als wir den Titel lasen, der ohnehin schon eine Alterseinschränkung enthält, dachten wir im Grunde nicht daran, dass es sich bei dem Stück um eine Inszenierung vorrangig für Kinder handelt. Dass es um die Unterschiede zwischen Jung und Alt, zwischen Gen Z und Boomern gehen würde, konnten wir bereits erahnen. Die Tatsache, dass wir durch unsere Stellen am Theater bereits vor der Premiere einige Details des Stücks aufschnappten, sorgte bei uns allerdings vielmehr für Verwirrung als Erleuchtung. Was haben ein feststeckender Fahrstuhl, eine Anleitung für den Sonnengruß aus dem Yoga, ein lauthals schreiender Richter und ein alter Mann an der E-Gitarre miteinander zu tun? Leicht irritiert, jedoch freudig gespannt machten wir uns am 09.03. auf zur Stadthalle. 

Die Handlung: 

Als ein Junge und ein älterer Herr zusammen in einen Fahrstuhl steigen, um in den 12. Stock zu fahren, können sie noch nicht ahnen, dass sie nun einen längeren Zeitraum miteinander verbringen werden. Der Fahrstuhl bleibt stecken, eine Rettung scheint erstmal, trotz der Versicherungen des gelangweilten Service-Mitarbeiters aus dem Lautsprecher, nicht in Sicht. Wie sollen die beiden mit der Situation umgehen? Während sich der alte Mann in Geduld übt, einen Klapphocker, eine Butterstulle und sein Taschenradio auspackt, verfällt der Junge in Panik, sucht mit seinem Smartphone nach Empfang und beklagt sich über die Situation. Wie solle er denn jetzt TikToks drehen und Videos auf Instagram hochladen? Durch die Feststellung, dass beide Protagonisten sich vor bestimmten Dingen fürchten, finden sie Gemeinsamkeiten und kommen so ins Gespräch. Unterbrochen werden sie zeitweise von wundersamen Gestalten – zwei Yogis, einem Richter und einem Anwalt sowie zwei Show-Moderatoren -, die der Fahrstuhl offenbart. Musikalisch wird das Stück durch eine Live-Band mit Mitgliedern des Philharmonischen Orchesters Vorpommern am Synthesizer, Violoncello, Klarinette und Schlagwerk untermalt, während die Sänger durch verschiedene umgeschriebene Arien, Volkslieder und Duette das Publikum in ihren Bann ziehen. So wird beispielsweise das “Blumenduett” der Oper Lakmé zum Titel “Namasté” umgedichtet, der sich um die Meditation aus der Yoga-Perspektive dreht. 

Die Figuren:

Der Junge (Daniel Schliewa, Tenor) verkörpert sowohl durch seine optische Aufmachung als auch sein Verhalten auf eine sehr stereotypische Weise die Gen Z. AirPods und weiße Sneaker, dauerhaft am Scrollen auf seinem Smartphone und äußerst ungeduldig angesichts der Lage, in der er sich befindet, fassen ihn zu Beginn gut zusammen. Im Laufe des Stücks offenbart sich jedoch seine nachdenkliche und kreative Ader. So liebt er es, in seiner Freizeit Geschichten zu schreiben, welche er dem alten Mann schlussendlich in Form eines USB-Sticks schenkt. Er beginnt, über seine Ängste nachzudenken, stellt dem alten Mann Fragen über dessen Leben und was er sich unter dem Tod vorstellt und zeigt Respekt vor der Weisheit des Alters. 

Der ältere Herr (Jovan Koščica, Bass) zeichnet sich vor allem durch seine humorvolle Umgangsweise mit der Unvorhersehbarkeit des Lebens aus. Mit seinem Einkaufstrolley scheint er auf jede Widrigkeit vorbereitet zu sein. Mit Klappstuhl, etwas zu Essen, einem Taschenradio, einem etwa 1000-seitigen Wälzer zur “leichten Lektüre” oder seinem “schon nach 10 Jahren kaputt gegangenen Mobiltelefon” bringt er sowohl den Jungen als auch das Publikum zum Staunen und Auflachen. Doch auch der alte Mann hat Ängste. Als Musiker und ehemaliges Mitglied der Band “Schrammstein” ist es seine größte Sorge, sein Gehör zu verlieren und nicht mehr unabhängig zu sein. Sein Motto lautet “Man ist nur so alt, wie man sich fühlt”, sodass es kaum überrascht, als er im Rahmen einer sonderbaren Game-Show plötzlich seine alte E-Gitarre auspackt und zu spielen beginnt. 

Die wundersamen Figuren (Thomas Rettensteiner, Bariton / Maciej Kozłowski, Bassbariton) überzeugen besonders durch ihr außergewöhnliches Gesangstalent. Während Rettensteiner mit dem Publikum Atem- und Yogaübungen durchführt, bringt Kozłowski die Zuschauer*innen mit einem ansteckenden Lächeln zum Mitbrüllen (“Spaß, Spannung, gute Unterhaltung!”) und Applaudieren – beide in wechselnder, meist sehr knallig-farbenreicher Kostümierung. Mit ihren Show-Einlagen bringen sie die Stärken und Schwächen der jungen und alten Generation zum Vorschein. 

Kritik und Lob:

Wie es bereits der Titel verraten hat, wurde das Theaterstück für Kinder ab 7 Jahren angesetzt. Nach unserer Einschätzung sind die im Rahmen des Stücks bearbeiteten Themen (Tod und Vergänglichkeit, Achtsamkeit, Geduld und Akzeptanz der Widrigkeiten des Lebens), rein was das Verständnis und die Relevanz betrifft, eher etwas für Kinder und Jugendliche ab ca. 12 Jahren. Auch Erwachsene werden sich selbst und die Sorgen und Probleme ihres Alltags in diesem Stück problemlos wiederfinden. 

Was den Mitmach- und Spaßfaktor betrifft, ist das Stück wiederum doch für jüngere Kinder geeignet, wenn die Darsteller das Publikum auf humorvolle Weise auffordern, zu klatschen, die Arme zu heben und Atemübungen zu machen. Zugleich werden jüngere Kinder durch die umgedichteten klassischen Arien, Duette und Volkslieder dazu angeregt, ihre Begeisterung für das Theater zu wecken und sich im späteren Verlauf ihres Lebens auch an die originalen Werke heranzuwagen.

Besonders gut gefallen hat uns die Kulisse, die einen sehr realistischen Blick auf einen echten Fahrstuhl vermittelte und dessen Soundeffekte zugleich sehr wirklichkeitsgetreu durch das Orchester nachgeahmt wurden. 

Insgesamt schätzen wir das Stück – um auf die Gemeinsamkeiten zwischen den Generationen zurückzukommen – als ein Vergnügen für Jung und Alt ein und können nicht genug empfehlen, sich ein eigenes Bild von der Inszenierung zu machen. 

Wann und wo kann ich mir das Stück ansehen? 

  • 18.03.2023 / 16:00 Uhr, Rubenowsaal Stadthalle Greifswald
  • 19.03.2023 / 11:00 Uhr, Rubenowsaal Stadthalle Greifswald
  • 13.04.2023 / 10:00 Uhr, Gustav-Adolf-Saal / Kirche St. Jakobi Stralsund
  • 14.04.2023 / 10:00 Uhr, Gustav-Adolf-Saal / Kirche St. Jakobi Stralsund
  • 16.04.2023 / 16:00 Uhr, Gustav-Adolf-Saal / Kirche St. Jakobi Stralsund
  • 25.04.2023 / 10:00 Uhr, Gustav-Adolf-Saal / Kirche St. Jakobi Stralsund
  • 26.04.2023 / 10:00 Uhr, Gustav-Adolf-Saal / Kirche St. Jakobi Stralsund
  • 09.05.2023 / 10:00 Uhr, Rubenowsaal Stadthalle Greifswald
  • 10.05.2023 / 10:00 Uhr, Rubenowsaal Stadthalle Greifswald

Ein Beitrag von Linda Siebing und Klara-Marie Zwerschke

Beitragsbild: Theater Vorpommern

200€ Soforthilfe – ein bitterer Tropfen auf den heißen Stein

200€ Soforthilfe – ein bitterer Tropfen auf den heißen Stein

Am 18.11.2022 – das ist bereits eine Weile her – hat das Bundeskabinett die lang ersehnte Energiepauschale für Studierende und Fachschüler*innen beschlossen. Diese soll eine Hilfe darstellen, um die stetig steigenden Energiekosten etwas tragbarer zu machen. Enttäuschenderweise ist diese Soforthilfe lediglich eine Einmalzahlung in Höhe von 200€. Wie ihr diese Soforthilfe erhaltet und welche Optionen ihr zur Beantragung habt, erfahrt ihr hier.

Ihr habt eben schon richtig gelesen: Beantragung. Ihr habt zwar alle (solange ihr studiert oder eine Fachschule besucht) Anrecht darauf, die 200€ zu erhalten, müsst dafür allerdings einen Antrag ausfüllen. Dieser ist über das Portal der Bundesregierung ab heute zugänglich. Die Zugangscodes dazu wurden auf Anweisung des Wissenschaftsministeriums über die Hochschulen bereits am 14.03. versendet. Eventuell ist euch auch schon eine Email in euren Uni-Mails aufgefallen, wo dieser drinsteht.
Zur gleichen Zeit wird euch auch eine Pin zugeschickt, die ihr in der Accountverwaltung abrufen könnt. Dort müsst ihr lediglich auf das rote Feld „Pin abrufen“ drücken und in dem Feld darüber erscheint dann eine sechsstellige Kombination aus Zahlen und Buchstaben – eure Pin.

Das klingt zwar alles etwas kompliziert und umständlich – ist es auch. Denn ihr benötigt zusätzlich zur Antragstellung auch einen BundID-Account, welchen ihr auf der entsprechenden Website erstellen könnt. Die BundID ist der jüngste Versuch der Bundesregierung, mit einem freiwilligen Online-Tool zeitaufwändige Gänge zum Amt zu vermeiden. Was wie eine gute Idee wirkt, bedeutet in diesem Fall eine weitere Hürde für Antragstellende. Wie bereits erwähnt ist eine BundID obligatorisch und alles andere als eine freiwillige Alternative – zumindest, wenn man die 200€ erhalten möchte. Von den berechtigten Zweifeln in Bezug auf Datenschutz und -verbarbeitung, sowie der ausschließlichen Verfügbarkeit in deutscher Sprache ganz zu schweigen.

Nachdem das erledigt ist, besucht ihr die folgende Seite:  https://antrag.einmalzahlung200.de/
Hier könnt ihr den letztendlichen Antrag stellen. Zuerst müsst ihr euch anmelden, wozu die BundID benötigt wird. Haltet auch den 32-stelligen Zugangscode (dieser sollte euch gestern in eurem Uni-Postfach erreicht haben) und die 6-stellige Pin (diese findet ihr in der Accountverwaltung) bereit. Erfolgreich angemeldet, müsst ihr lediglich die offenen Felder ausfüllen und schon ist die Soforthilfe beantragt.

Ein Beantragungsverfahren, das nach Monaten der Frustration und ausbleibender finanzieller Unterstützung schon fast wie Hohn erscheint. Zu lange dauert bereits das gesamte Verfahren. Schon 2021 war über ein Drittel der Studierenden in Deutschland von Armut bedroht (nachzulesen in diesem webmoritz-Artikel). Nachdem im September die Pauschale in Form eines dritten Entlastungspaktes bereits durch die Bundesregierung beschlossen wurde, warten Schüler*innen und Studierende nun bereits ein halbes Jahr auf die Soforthilfe.

„Eine Soforthilfe ist das schon lange nicht mehr. Die 200 Euro können das Loch im Portemonnaie bei den hohen Lebenserhaltungskosten sowieso nicht mehr stopfen. […].“

Carlotta Eklöh, Vorstandsmitglied des fzs

Und das Warten hat leider noch kein Ende. Es sei an dieser Stelle betont, dass es sich bei dem Antrag lediglich um den Antrag handelt. Das Geld wird euch leider noch nicht direkt überwiesen. Nachdem der Bund die Aufgabe der Verteilung der Hilfen erfolgreich an die Länder abgetreten hat, sind nun diese für die Auszahlung verantwortlich. Demnach können wir nicht davon ausgehen, dass die Pauschale alle Schüler*innen und Studierende gleichzeitig und in naher Zukunft erreicht. Das ist nun ganz von den Ländern und der Geschwindigkeit, in der diese arbeiten, abhängig.

Beitragsbild: Adrian Siegler

Neues aus Greifswald

Neues aus Greifswald

Der März bringt einiges an Neuigkeiten mit nach Greifswald. Der neue On-Demand-Fahrservice „Friedrich“ düst ab diesem Monat durch die Universitäts- und Hansestadt und sorgt für mehr Mobilität und Flexibilität im Nahverkehr. Das neue Zentrum für Plasmatechnologie und Life Science mit dem Namen Z4 wurde feierlich eröffnet und die Einführung des neuen Handytickets bringt einige Änderungen für den Busverkehr mit sich. Genaueres über die drei Neuigkeiten erfahrt ihr im Folgenden.

Friedrich, der neue Mobilitätsdienst

Seit dem 2. März gibt es einen neuen On-Demand-Fahrservice in Greifswald unter dem Namen „Friedrich“. Auf Beschluss der Bürgerschaft läuft der Service zunächst für zwei Jahre. „Friedrich“ hat keinen fixen Fahrplan oder konkrete Fahrtrouten und soll mit seiner Flexibilität das bestehende ÖPNV-Angebot in der Stadt ergänzen. Bis zu 6 Leute mit ähnlichen Zielen können sich ein Fahrzeug teilen und dann einen der 250 virtuellen Haltepunkte anpeilen, die quer über die Stadt verteilt sind. Die Buchung erfolgt entweder über die „Friedrich“-App oder telefonisch. Man kann direkt in der App via Kreditkarte oder mit PayPal zahlen, Barzahlungen sind nicht möglich. Bei der Buchung einer Fahrt legt man lediglich den Start- und Zielpunkt fest und die App zeigt einem dann den Weg zum nächsten Haltepunkt sowie die Abfahrtzeit an. Buchungen sind übrigens bis zu eine Woche im Voraus möglich. Möchte man die Buchungen per Telefon durchführen, dann ist nur eine einmalige Registrierung in der Mobilitätszentrale am ZOB notwendig. Der Name „Friedrich“ kommt im Übrigen von dem in Greifswald geborenen Caspar David Friedrich, der als einer der bedeutendsten Künstler der deutschen Frühromantik gilt. Deswegen wird die Fahrzeuge auch eine abgewandelte Version des Bildes „Greifswalder Marktplatz“ von Caspar David Friedrich als Werbemotiv zieren. Wer sich noch genauer mit dem Mobilitätsdienst und seinen Bedienzeiten, Preisen wie auch Ermäßigungen auseinandersetzen will, kann dies auf der Seite der Stadtwerke Greifswald tun.

Eröffnung des Z4

Das neue Forschungs- und Gründerzentrum für Plasmatechnologie und Life Science in Greifswald oder in Kurzfassung Z4, wurde mittlerweile offiziell eröffnet und eingeweiht. Bereits 2006 warb INP-Direktor Klaus-Dieter Weltmann für die Errichtung eines Zentrums für Forscher*innen und Gründer*innen im Bereich der Plasmatechnologie und Life Science. Der Grund dafür war, dass sowohl das Biotechnikum als auch das Technologiezentrum an der Brandteichstraße nahezu ausgeschöpft waren. Im Jahr 2011 beschloss die Bürgerschaft der Stadt die Errichtung des Z4 und ganze 12 Jahre später ist es nun fertiggestellt. Das Forschungszentrum, welches der Witeno GmbH angehört, bietet ganze 5500 Quadratmeter mit flexiblen Laboren wie auch Technik- und Produktionsräumen. Das ganze Projekt ist mit zunächst antizipierten 31 Millionen Euro an Kosten aber mittlerweile doch auf bis zu 41 Millionen Euro angestiegen, also knapp 33%. Das INP selber wird knapp 1000 Quadratmeter mieten, um den drückenden Kapazitäten im Institut den Rücken kehren zu können. Weltmann kündigte zudem an, bis 2026 rund 7,5 Millionen Euro Projektmittel für die Ausstattung und Infrastruktur des Z4 einzusetzen. Zu den weiteren zukünftigen Mietern zählen Neoplas Med, die Enzymicals AG, die Osentec GmbH, das Helmholtz-Institut für One Health und die Toloo Technology GmbH. Mit knapp 20 Euro pro Quadratmeter für etablierte Unternehmen und Forscher*innen und 12-13 Euro für Start-ups, ist der Mietpreis nicht gerade billig. Für 10 Euro pro Quadratmeter sind die Büroflächen im Vergleich am billigsten. Witeno-Chef Wolfgang Blank sieht vor, dass in dem Neubau knapp 240 neue Arbeitsplätze geschaffen werden und die Flächen des Zentrums im Laufe des Jahres bis zu 70% ausgelastet werden. Das Zentrum versetzt Greifswald in der Plasmatechnologie und der Bioökonomie generell in eine respektable Position für die Zukunft.

Handyticket ab sofort verfügbar

Ab sofort kann man in Greifswald für gerade einmal einen Euro mit dem Bus fahren. Ermöglichen tut dies das neue Handyticket. Mit der Einführung der neuen VGB.Deutschland-App kommen einige zeitlich begrenzte Rabattaktionen hinsichtlich der Ticketpreise im Nahverkehr in Greifswald zum Einsatz. Für 6 Monate sind die Preise für Einzelfahrscheine, die man über die neue App erwirbt, zu einem ermäßigtem Preis von gerade einmal einem Euro erwerbbar. Zudem sind für den gleichen Zeitraum die Preise von Papiertickets für Einzelfahrscheine auf 2,00 Euro und bei dem 6er-Ticket auf 6,00 Euro reduziert. Die VGB.Deutschland-App soll es ihren Nutzer*innen ermöglichen, Reiserouten in Echtzeit abzurufen und auch direkt Einzelfahrscheine, Tageskarten und Wochenendtickets über die App zu buchen. Aus rechtlichen Gründen ist der Erwerb von Tickets über die App bisher nur im Namen eines Erwachsenen möglich, dies soll aber zukünftig auch für Minderjährige ermöglicht werden. Auch die Buchung von Fernverkehrstickets ist bislang nur über eine Verlinkung möglich, soll aber auch noch abgeändert werden. Die VGB.Deutschland-App ist seit dem 2. März im App Store und im Google Play Store verfügbar.

Beitragsbild: Lucas Hohmeister

Demonstrationen wegen Geflüchtetenheim – Eskalierende Proteste und Suche nach alternativen Unterbringungsmöglichkeiten

Demonstrationen wegen Geflüchtetenheim – Eskalierende Proteste und Suche nach alternativen Unterbringungsmöglichkeiten

Seit Ende Februar sucht der Landkreis Vorpommern-Greifswald eine Unterbringungsmöglichkeit für mehrere hundert Geflüchtete. Diese werden dem Landkreis wie in allen deutschen Kommunen vom Bund zugewiesen. Die Kommunen müssen dann deren Unterbringung organisieren. Die Überlegungen des Kreistags gingen mit mehreren Demonstrationen und Gegendemonstrationen einher, die teilweise unangemeldet stattfanden und am 27. Februar im Ostseeviertel heftig eskalierten. Aufgrund dieses eskalierten Protests und Uneinigkeiten der politischen Entscheidungsträger*innen wird weiter nach der bestmöglichen Lösung gesucht.

Erst fünf Tage vor den Protesten, am 22. Februar, wurde von Landrat Michael Sack (CDU) bei einer Pressemitteilung angekündigt, dass man nun kein Containerdorf in Pasewalk mehr plane, sondern eines in Greifswald entstehen solle. Darüber war zuvor nicht öffentlich diskutiert worden. Stattdessen war eine Geflüchtetenunterkunft für etwa 300 Personen in Pasewalk angezielt worden, weshalb die dortige Stadtverwaltung ebenfalls am 22. Februar beschloss, sich bei ihrer nächsten Sitzung Anfang März 2023 damit näher zu befassen. Schon hierbei kam es zu heftigen Protesten vor dem Pasewalker Rathaus, an denen rund 200 Personen teilnahmen. Dabei musste die Polizei nach eigenen Angaben das Rathaus vor den Demonstrierenden schützen. Im Vorfeld waren 1600 Unterschriften gegen die Unterkunft gesammelt worden.

Nachdem der Landtag bereits im Herbst letzten Jahres die Herrichtung der leerstehenden Kita „Zwergenland“ verhindern konnte – diese war bereits in der Umsetzung und wurde ohne Mitrede der Stadt Greifswald abgebrochen – sucht man wieder nach Lösungen für die sich zuspitzende Geflüchtetenkrise. Auch in diesem webmoritz-Artikel nachzulesen.

Planung für ein Containerdorf in Greifswald

Dieser Plan wurde nach Landrat Sacks Pressemitteilung aufgegeben. Anstatt dessen sollte ein Containerdorf für 500 Geflüchtete auf einem freien Grundstück im Greifswalder Stadtteil Ostseeviertel entstehen. Bei seiner Pressemitteilung hatte Landrat Sack erklärt, dass ein genauer Zeitplan noch nicht vorhanden sei, das Projekt aber so schnell wie möglich durchgeführt werden solle. Der Kreistag solle daher am 27. Februar über den Erwerb von Containern beraten.

An diesem Datum fand in Greifswald eine Sitzung der Ortsteilvertretung des Ostseeviertels in einer Schule in der Nähe des Grundstücks, auf dem das Containerdorf entstehen soll, statt. Auch der Greifswalder Oberbürgermeister Stefan Fassbinder (Bündnis 90/Die Grünen) war dort kurzfristig anwesend, musste aber aufgrund eines anderen Termins vorzeitig gehen. Zeitgleich protestierten im Ostseeviertel an dem Ort, der für das Containerdorf vorgesehen war, etwa 500 Demonstrierende unangemeldet dagegen. Durch vorherige Protestaufrufe im Internet wusste die Polizei von der Demonstration, obwohl sie nicht angemeldet war. Die Demonstrierenden versammelten sich auch vor der Schule, in der die Ortsteilvertretung tagte. Beim vorzeitigen Verlassen des Gebäudes wurde Oberbürgermeister Fassbinder von der Polizei auf deren Empfehlung hin durch einen Hinterausgang zu seinem Auto eskortiert. Sie gibt an, dass eine Kette von Beamten notwendig gewesen sei, um ihn zu schützen. Kurzzeitig sei die Situation sogar „gefährlich“ für ihn gewesen. Die Demonstrierenden hätten ihn ausgebuht und aggressiv versucht, zu ihm zu gelangen und ihm ihre Kritik und Wut aufzuzeigen. Nach eigenen Angaben musste die Polizei physische Gewalt anwenden und Schlagstöcke einsetzen, um Oberbürgermeister Fassbinder zu schützen. Vor der Demonstration hatte es im Internet auch Aufrufe gegeben, zum Protestieren vor sein Haus zu ziehen. Nach vorläufigen Angaben der Polizei waren unter den Demonstrierenden mindestens 20 Menschen aus der rechtsextremen Szene. Zeitgleich mit den Protesten fand eine angemeldete Gegendemonstration mit etwa 50 Personen gegen Rassismus statt. Nach deren Ende kam es zu verbalen Angriffen einiger Gegendemonstrant*innen auf die Demonstrierenden gegen die Geflüchtetenunterkunft. Als Reaktion darauf griffen zwei von ihnen einen Gegendemonstranten physisch an. Die Polizei verhinderte weitere Eskalationen. Nach ihren Angaben bestehen Ermittlungen wegen einer Widerstandshandlung gegen die Schutzmaßnahmen für Oberbürgermeister Fassbinder, Anzeigen wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und das Zünden von Pyrotechnik sowie eine Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung.

Die Ortsteilvertretung war bei der Sitzung einstimmig gegen die Geflüchtetenunterkunft, kann jedoch nur Empfehlungen aussprechen. Sie sei grundsätzlich für Hilfen für Geflüchtete, aber gegen die Größe und Lokalität der Unterkunft, auch aufgrund der Nähe zur Schule, argumentierte sie. Oberbürgermeister Fassbinder kritisierte in Interviews die Kurzfristigkeit des Beschlusses vom Landkreis. Der Kreistag stimmte am 27. Februar mit einer knappen Mehrheit für eine Dringlichkeitsvorlage, um der Stadt Greifswald rund neun Millionen Euro für das Projekt zu geben. 25 Abgeordnete stimmten dafür und 19 dagegen; es gab zehn Enthaltungen. Bei der Debatte hatte es heftige Kritik an den Plänen durch die Fraktionen von „DIE LINKE“ und der SPD. Landrat Sack argumentierte dagegen, es sei kein freier Wohnraum für “dezentrale Lösungen“ vorhanden und der Kreistag habe sich mit großer Mehrheit gegen Unterbringung in Sporthallen und Schulen entschieden. Außerdem habe die Stadt Greifswald im Kreis Vorpommern-Greifswald bislang nicht die meisten Geflüchteten aufgenommen.

Suche nach alternativen Lösungen und weitere Proteste

Aufgrund der breiten Kritik tagte am 2. März der Greifswalder Hauptausschuss, um alternative Unterbringungsmöglichkeiten zum geplanten Containerdorf im Ostseeviertel zu finden. Das war im Vorfeld von Lokalpolitiker*innen aller Parteien für die Zentrierung der Geflüchteten an einem Ort kritisiert worden. Oberbürgermeister Fassbinder hatte daher drei alternative Standorte für Unterkünfte für bis zu 200 Geflüchtete vorgeschlagen. Landrat Sack hatte die Eskalationen am 27. Februar hart verurteilt und angegeben, dass Kreistag und Stadtrat kooperieren würden, um eine Lösung zu finden.

Während der Tagung kam es erneut zu Protesten. Es fanden mehrere Demonstrationen auf dem Greifswalder Marktplatz statt: zwei angemeldete mit insgesamt 300 Teilnehmenden für die Aufnahme von Geflüchteten und eine unangemeldete mit 750 Personen gegen das geplante Containerdorf. Die Polizei ließ auch die unangemeldete Demonstration gewähren. Trotz der aufgeladenen Stimmung waren die Proteste zwar laut, aber zumindest weitestgehend friedlich.

Beitragsbild: Jan Hilgendorf

Eine Liebeserklärung an Takeshi´s Castle

Eine Liebeserklärung an Takeshi´s Castle

Ein Kribbeln im Bauch, ein unverhoffter Glücksmoment, ein wohlig warmes Gefühl. Dafür braucht es nicht immer ein großes Ereignis, vielmehr liegen diese magischen Momente oft verdeckt unter einem Mantel der Gewohnheit und der Selbstverständlichkeit. „Eine Liebeserklärung“ ist unsere neue Kolumne, in der es darum gehen soll, die vermeintlich einfachsten Dinge dieser Welt wertzuschätzen. Mit ihr bauen wir euch eine zynismusfreie Nische, in die sich hineingekuschelt werden kann, wenn der Alltag einem mal wieder die Daunendecke der guten Laune zu klauen versucht. In diesem Beitrag soll es um die Liebe zu der alten Kultserie Takeshi´s Castle gehen.

Was geschieht in der Burg dieses Takeshis überhaupt?

„Und wieder bricht ein Tag auf der Burg des Fürsten Takeshi an“, so lauten die berühmten Einleitungsworte der japanischen Spielshow, die von 1986 bis 1989 zum ersten Mal in ihrer Originalfassung ausgestrahlt wurde. Das Prinzip der Show ist ganz simpel, auf der einen Seite haben wir General Hayati Tani und seine Gefolgschaft von Kandidat*innen, die gemeinsam versuchen die Burg des Fürsten zu erobern. Auf der anderen Seite befinden sich Fürst Takeshi und seine Gefolgsleute, die alles dafür tun, um die Eroberung der Burg zu verhindern. Knapp 90-150 Teilnehmer*innen versuchen sich jedes Mal an der Herausforderung. Die Show ist wie ein Videospiel aufgebaut, welches mehrere Level hat, die man abschließen muss, ehe man sich dem Boss, in dem Fall Fürst Takeshi, stellen kann. In einer Reihe von Minispielen und Challenges versuchen so viele Teilnehmer*innen wie möglich sich bis zum Fürsten vorzukämpfen.

In den 133 Folgen gab es insgesamt 127 Finalrunden, in denen die Burg ganze 9-mal erobert wurde, 117-mal konnten die Angreifer erfolgreich abgewehrt werden und einmal trat ein Unentschieden ein. Takeshi’s Castle wurde zu Beginn noch mit eher geringem Aufwand wie auch Budget gedreht, aber konnte später in den Midoriyama-Studios bei Yokohama abgefilmt werden.

Takeshi’s Castle hat international einen großen Erfolg zu verzeichnen. So wurde die Serie beispielsweise in Spanien, Italien, Portugal, Taiwan, Australien und eben auch Deutschland ausgestrahlt. Dabei wurden die Originalsendungen etwas gekürzt und von berühmten Kabarettist*innen und Komiker*innen der jeweiligen Länder neu synchronisiert. Während die Kommentare in der japanischen Fassung oft eher bedeckt und nüchtern waren, wurden in den neuen Synchronisationen viele humorvolle Anmerkungen genutzt. In Deutschland wurde die Sendung das erste Mal von 1999 bis 2001 auf DSF ausgestrahlt und in war in den kommenden Jahren auch auf Sendern wie RTL 2, Comedy Central oder RTL Nitro zu sehen.

Was genau macht die Show jetzt so interessant?

Für mich persönlich ist Takeshi´s Castle eine meiner Lieblingsserien aus meiner Kindheit. Ich kann mich noch erinnern, wie ich als kleiner Junge manchmal ganz unbeaufsichtigt und gelangweilt die Fernsehsender durchgeschaltet habe, auf der Suche nach etwas Interessantem. Hin und wieder landete ich eben bei der japanischen Spielshow. Mein 7-jähriges Ich hat nicht lange gebraucht, um Gefallen an der Show zu finden. Es war spannend, die vielen Teilnehmer*innen bei ihren Versuchen, die Minispiele zu überstehen, zu beobachten. Oft fand ich mich selbst mitgerissen und eiferte mit den Teilnehmenden mit und hoffte, dass sie eine Etappe weiter kommen würden. Da die Spiele aber alle auch einen Comedy Aspekt hatten, musste ich öfter schmunzeln, wenn mal wieder eine Person beim Überqueren des Drachensees auf den falschen Stein trat und ins Wasser plumpste. Ich war immer wieder fasziniert, wie viele verschiedene Spiele die Show zu bieten hatte. Es gab immer reichlich Abwechslung, aber genauso waren manche Klassiker immer wieder vertreten, wie zum Beispiel die Grenzmauer, die oft das erste Spiel war. Dabei müssen die motivierten Kandidat*innen versuchen, eine glitschige Schräge zu überwinden, auf deren anderer Seite ein Wassergraben wartete, in den die erfolgreichen Teilnehmenden hineinrutschten. Ich finde dieses spezifische Spiel als erstes immer ganz passend, da es zeigt, dass die Gefolgschaft von General Hayati Tani wirklich eine Einheit ist und auch als Team zusammen arbeitet. Selbst wenn die Kandidat*innen bei vielen Spielen auf sich alleine gestellt sind, helfen sie sich hin und wieder doch aus.

Meine Lieblingsspiele

Ich kann leider nicht auf alle Spiele der Show eingehen, da das wirklich eine ordentliche Anzahl ist, aber ich würde euch trotzdem gerne ein paar meiner Lieblingsspiele vorstellen. Zunächst hätten wir da einmal das Waben-Labyrinth, bei dem die Teilnehmenden sich einen Weg durch das Labyrinth an Kammern bahnen müssen. Nur eine Tür führt ins Ziel, alle anderen leiten entweder gegen eine Wand, ins Wasser oder in die Arme von Fürst Takeshis Gefolgsleuten, die sich ebenfalls im Labyrinth aufhalten. Ich fand es bei dem Spiel immer amüsant anzusehen, was für verschiedene Strategien die Kandidat*innen zu bieten hatten. Manche versuchten ganz leise und eher langsam durch das Labyrinth zu schleichen, während andere alles auf Schnelligkeit setzten, um ans Ziel zu kommen.

Ein weiteres meiner Lieblingsspiele ist die Hängebrücke, bei der die Teilnehmenden zunächst einen goldenen Ball fangen müssen, den ihnen General Hayati Tani persönlich zukommen lässt. Danach ist Balance und Geschick gefragt, denn man muss sich über eine schmale Brücke wagen und den goldenen Ball sicher auf die andere Seite bringen, während die Schergen von Fürst Takeshi versuchen die Teilnehmenden mit ihren Kanonen abzuschießen. Ich fand es immer wieder lustig, wie manche Kandidat*innen versuchten, im Matrix-Style den Schüssen der Kanonen auszuweichen.

Zu guter Letzt habe ich noch ein Spiel, welches man quasi auch in jeder Folge sieht, nämlich die Finalrunde. Hier stehen die Teilnehmer*innen, die alle Etappenspiele überstanden haben, dem Fürsten und seinen Schergen persönlich gegenüber. Alle sitzen in Fahrzeugen, die mit einem Sensor ausgestattet sind, der abgeschossen werden muss. Benutzt wurden dafür sowohl Wasserpistolen, als auch richtige Laser. Falls der Sensor des Fürsten getroffen wird, gilt die Burg als erobert, aber falls alle Sensoren der Kandidat*innen getroffen werden, haben diese versagt. Ich fand das Finale immer richtig cool inszeniert. Jede*r fährt in einer Art abgespaceten Autoscooter direkt auf dem Platz vor der Burg des Fürsten und versucht, das andere Team auszuschalten. Als meine Eltern mich damals fragten, was ich mir denn da anschauen würde und ich ihnen erklärte, dass die Leute versuchen sich mit Wasserpistolen abzuschießen, während sie in einem Autoscooter fahren, haben die mich auch erstmal komisch angeguckt. Das Ganze ist so absurd und spannend zugleich, aber genauso ist Takeshi´s Castle nun mal eben.

Schlusswort

Ich fand es immer faszinierend, wie die Show für ihre Zeit umgesetzt wurde, und was für eine Vielzahl an lustigen Spielen sich die Japaner*innen ausgedacht haben. Die Show hat nicht umsonst so einen internationalen Erfolg eingefahren, denn es gab nun mal nichts vergleichbares zu Takeshi´s Castle zu dieser Zeit, was Zuschauer*innen auf die Art und Weise unterhalten konnte, wie es die japanische Spielshow tat. Der Videospiel-Charakter der Show war für mich immer der größte Anreiz, die Serie weiterzuverfolgen. Man hatte wirklich das Gefühl, dass sich die Teilnehmenden von Level zu Level vorarbeiten würden, um den großen Fürst Takeshi herauszufordern zu können. Eine sehr erfreuliche Nachricht, auf die ich während der Recherche zu diesem Beitrag gestoßen bin, ist, dass Takeshi´s Castle angeblich im Frühjahr 2023 eine Neuauflage erhalten soll, die von Amazon Prime ausgestrahlt wird. Vielleicht ist das für einige die Chance, um etwas Nostalgie aufleben zu lassen oder die Show selber zum ersten Mal zu erleben. Ich bin jedenfalls gespannt, wie das Reboot umgesetzt wird und werde bestimmt auch mal gucken wie es so ist, wenn wieder einmal ein neuer Tag auf der Burg des Fürsten Takeshi anbricht.

Beitragsbild: Alessio Ferretti auf Unsplash

Umgekrempelt: Eine Woche Traumtagebuch

Umgekrempelt: Eine Woche Traumtagebuch

Kennt ihr das, wenn man mal was Neues ausprobieren will, aber am Ende alles beim Alten bleibt? Uns jedenfalls kommt das sehr bekannt vor, deswegen haben wir uns für euch auf einen Selbstoptimierungstrip begeben. In dieser Kolumne stellen wir uns sieben Tage als Testobjekte zur Verfügung. Wir versuchen für euch mit unseren alten Gewohnheiten zu brechen, neue Routinen zu entwickeln und andere Lebensstile auszuprobieren. Ob wir die Challenges meistern oder kläglich scheitern, erfahrt ihr hier.

Nachts durch Zeit und Raum reisen, Abenteuer bestehen, Freunde treffen – ohne das Bett zu verlassen. Das habe ich schon immer gut gekonnt. Meistens schlafe ich nicht nur gut ein und durch, sondern erlebe dabei noch etwas. Am nächsten Morgen erinnere ich mich mehr oder weniger gut an meine Träume. Irgendwann kam bei mir die Frage auf: Will mir mein Unterbewusstsein etwas sagen? Darum wird jetzt ein Traumtagebuch geführt!

Die Vorbereitung

Was ist überhaupt ein Traumtagebuch? Laut Wikipedia ist es das schriftliche Festhalten der Träume über einen längeren Zeitraum. Man schreibt also schlicht jeden Morgen auf, was man geträumt hat. Obwohl, einfach mal so Traumtagebuch führen, geht nicht. Also geht schon, aber einschlägige Esoterikseiten im Internet raten davon ab. Als Vorbereitung auf ein Traumtagebuch soll man sich eine morgendliche Routine schaffen. Die hilft dabei, sich so strukturiert an die Träume zu erinnern, dass man sie auch aufschreiben kann. Nach dem Klingeln des Weckers snooze ich also nicht mehr und checke auch nicht sofort meine Nachrichten. Ich übe, jeden Morgen nochmal kurz die Augen zu schließen (Achtung, nicht wieder einschlafen) und mich zu fragen: Was ist vor dem Aufwachen passiert? Und davor? Und davor? Das soll helfen, die Struktur und den Ablauf der Träume nachzuvollziehen. Im Traumtagebuch geht es scheinbar nicht um genaue Details, sondern eher ums große Ganze. Und natürlich braucht man ein Buch oder Heftchen neben dem Bett. Nach einer guten Woche Vorbereitung fühle ich mich bereit zum Tagebuch führen.

Der Anfang

In der ersten Nacht im eigentlichen Versuch habe ich ziemlichen Mist geträumt. Sagen wir so viel: Es war die thailändische Geheimpolizei, das Team vom webmoritz. und Kuchen involviert. Ich versuche, den Handlungsablauf niederzuschreiben. Das ist gar nicht so einfach. Im Traum ist ziemlich viel ohne wirkliche chronologische Reihenfolge passiert. Außerdem zittert meine Hand beim Schreiben. Verständlich, schließlich bin ich noch nicht richtig wach und mein Kreislauf muss erstmal hochfahren. Eine halbe Seite bekomme ich dann trotzdem aufs Papier gekritzelt. Mal sehen, wie es am nächsten Morgen wird.

Nach einer guten Woche

Das Erinnern klappt immer besser und nach einem Stiftwechsel zittert meine Hand auch nicht mehr so sehr. Vielleicht ist das auch der Übung geschuldet. Nachdem ich mich mit Fachliteratur zum Thema belesen habe, kam mir die – eigentlich recht naheliegende – Erkenntnis: Träume sind sehr subjektiv und werden von jedem Menschen anders erlebt. So werden Träume von den meisten nur bildlich und akustisch wahrgenommen. Die anderen Sinne sind wenig beteiligt. Anfangs dachte ich, dass es auch bei mir so ist. Als ich mich durch das Tagebuch intensiver damit beschäftigt habe, stellte ich fest: Der Kaffee im Traum schmeckt nach Karamell und der Sand ist heiß unter meinen Füßen. Ich habe also nicht nur herausgefunden was, sondern auch wie ich träume. Auch sind die meisten meiner Träume realistisch. Es passieren also nur Dinge, die auch physikalisch möglich sind. Wenn meine Träume dann bizarr werden, wird es richtig wild (mehr dazu im Best of meiner Träume). Durch das Tagebuch habe ich auch die Struktur meines nächtlichen Erlebens besser verstanden. Entweder gibt es eine große Haupthandlung, in die sich die einzelnen Szenen eingliedern, oder ich träume in mehreren Ebenen. Ich denke also, dass ich aufwache, aber in Wirklichkeit träume ich weiter. Spannend ist auch, wer so alles in meinen Träumen handelt. „Ich habe von dir geträumt“ – ist bei mir keine besondere Auszeichnung. Wenn wir uns länger als fünf Minuten unterhalten haben, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass du mal eine Nebenrolle in meinem Traum bekommst. Meistens spiegelt sich mein Alltag nachts sehr verzerrt wider. Gute Träume habe ich nicht. Es geht immer um irgendeine Art von Ärger, Angst oder Frustration. Vielleicht verarbeite ich die negativen Gefühle des Tages, damit sie mich im Wachzustand nicht belasten.

Fazit

Abschließend kann ich sagen, dass der kleine Exkurs in meine Psyche wirklich spannend war. Durch das Experiment habe ich mich auch öfter mit Leuten über Träume unterhalten und dabei erfahren, wie unterschiedlich die Traumwahrnehmung sein kann. Ich kann jedem empfehlen einmal so ein Tagebuch zu führen, auch weil dadurch die Traumerinnerung gesteigert wird. Viele Fragen zum Thema sind aus wissenschaftlicher Sicht noch ungeklärt. Zum Bespiel warum wir überhaupt Träumen. Ein Tagebuch kann dabei helfen, sich selbst zu reflektieren und diese Frage für sich zu beantworten. Wer sich ein bisschen in das Thema einlesen möchte, dem empfehle ich die Bücher „Traum“ von Michael Schredl oder „Traum und Schlaf – Ein interdisziplinäres Handbuch“ herausgegeben von Alfred Krovoza und Christine Walde. Beide Bücher sind für Mitglieder der Uni Greifswald kostenfrei erhältlich. Ich werde nach dieser Woche das Tagebuch nicht mehr weiterführen. Nachdem ich meine Träume aufgeschrieben hatte, konnte ich mich über den Tag hinweg besser an sie erinnern. Ich habe meine negativen Emotionen und Erinnerungen also mit in den Wachzustand genommen, statt sie verblassen zu lassen. Damit ist der Sinn des Träumens für mich hinfällig. Auch die Tatsache, dass ich nach dem Aufstehen sofort schreiben musste und nicht nochmal schlummern konnte, war eher unbequem. Mein Heftchen bleibt trotzdem neben dem Bett liegen. Vielleicht gibt es ja mal wieder etwas aufzuschreiben.

Best of meiner Träume

Zwei Träume möchte ich an dieser Stelle mit allen interessierten Leser*innen teilen (Achtung, es kommt zu Beschreibungen von Gewalt gegen Menschen, Tiere und Früchte):

Vor dem Gebäude meiner alten Schule befindet sich eine kleine Grünfläche. Ein Hund, ungefähr so groß wie ein Dackel, flitzte dort umher. Der Besitzer scheiterte daran, den Hund einzufangen und wieder an die Leine zu bekommen. Er bat mich um Hilfe. Ich positionierte mich, um dem Hund den Weg abzuschneiden, doch bevor ich ihn zu fassen bekam, verwandelte er sich in eine Heidelbeere. Die Heidelbeere rollte fröhlich weiter über den Rasen. Der Besitzer hinterher. Ich versuchte, die Heidelbeere mit meinem Fuß zu stoppen, ähnlich wie einen Fußball. Tatsächlich kam sie zum Stehen. Keuchend erreichte mich der Besitzer, bereit, der Heidelbeere die Leine anzulegen. Doch als ich meinen Fuß hochnahm, hatte ich die Heidelbeere zerquetscht.

In einem anderen Traum befand ich mich auf einer kleinen tropischen Insel. Um mich herum sonnten sich Tourist*innen auf ihren Liegetüchern. Plötzlich hörte ich Geschrei und Schüsse. Uniformierte Ratten, groß wie Menschen, schossen mit Maschinengewehren auf fliehende Tourist*innen. Ich rannte. Hinter einem Stein kauerte ich mich hin und versuchte, einen Fluchtweg zu finden. Plötzlich setzte sich ein Mann neben mich. Völlig ruhig sprach er mit mir, obwohl neben uns Menschen starben. Ich sei in meiner persönlichen Hölle, erklärte er mir. Er sei der Tod und könne mir helfen. Ich müsse nur eine Stunde im Kugelhagel überleben. Dann verschwand er. Eine Stunde – dachte ich – muss doch zu schaffen sein. Am anderen Ende des Strandes lag ein Kreuzfahrtschiff. Ich sah, wie sich Menschen an Bord retteten und sich die Besatzung bereit machte zum Ablegen. Heißer Sand brannte unter meinen Füßen, als ich zum Schiff rannte. Im letzten Moment konnte ich über eine kleine Brücke an Bord springen. Ich atmete schwer, aber ich hatte es geschafft. Ich würde überleben, bis der Tod mich holt. Doch wir kamen nur wenige Seemeilen weit. Das Schiff hatte ein Leck und begann zu sinken. Mit Rettungsbooten erreichten wir schließlich eine Nachbarinsel. Nicht mehr lang – dachte ich. Plötzlich zeigte ein Passagier zum Horizont und rief: „Ratten können schwimmen!“

Beitragsbild: Lilly Biedermann