Nach der recht wenig besuchten Bildungsdemo in Rostock, fand letzten Donnerstag auch eine Kundgebung in Greifswald statt. Studierende und Mitarbeitende der Universität wurden durch den AStA Greifswald innerhalb kurzer Zeit mobilisiert, um gegen Kürzungen und die fehlende finanzielle Unterstützung, aufgrund der gestiegenen Energiekosten, durch das Wissenschaftsministerium MV zu protestieren. Es folgt eine Zusammenfassung der Kundgebung und der Redebeiträge. Es sprachen Lukas Voigt (Vorsitzender des AStA), Prof. Dr. Katharina Riedel (Rektorin der Uni Greifswald), Rieke Trimcev (wissenschaftliche Mitarbeiterin), Prof. Dr. Uwe Bornscheuer (Vorsitzender des Senats der Uni Greifswald), Em (Vorsitz der Fachschaftskonferenz), die Leiterin des Studierendenwerks, Dennis (Jurastudent) sowie Jeannette von Busse (stellvertretende Oberbürgermeisterin und Baudezernentin der Stadt Greifswald).

Die wichtigsten Punkte auf einen Blick
  •  Der Uni drohen Mehrkosten und Kürzungen in Höhe von insgesamt 14 Millionen Euro
  • 500 Demonstrierende hatten sich daher am letzte Donnerstag auf dem Rubenowplatz eingefunden um dagegen zu protestieren
  • Es gab zwar Mehreinnahmen an Steuern, die unter anderem zur Unterstützung von Hochschulen verwendet werden könnten, jedoch gab es dazu bisher keine konkreten Pläne von der Landesregierung
  • Vor allem der wissenschaftliche Mittelbau, also all jene Mitarbeitenden ohne Professur, werden zuerst von personellen Kürzungen betroffen sein
  • Auch die Lehre wird massiv von den Kürzungen beeinflusst werden, wobei vor allem die Qualität leiden wird
  • Die Universität ist als größter Arbeitgeber und Ausbilder wichtig für die Region und sollte daher gestärkt und nicht geschwächt werden
  • Studierende haben auch mit den erhöhten Kosten zu kämpfen und müssen unterstützt werden
  • Das Studierendenwerk muss ebenfalls besser von der Regierung unterstützt werden, denn es drohen Kürzungen im Angebot, in den Öffnungszeiten und Schließungen
  • Die Stadt Greifswald möchte die Universität unterstützen

Das Land plant, Rücklagen der Hochschulen zu kürzen, wodurch die Uni Greifswald etwa 6 Millionen Euro abgeben müsste. Zudem kommen auf die Uni etwa 8 Millionen Euro Mehrkosten durch Inflation und gestiegene Energiekosten hinzu. Diese 14 Millionen Euro, die der Uni zu fehlen drohen, entsprächen wiederum dem Jahresgehalt von 250 Mitarbeitenden der Universität, deren Stellen nun in Gefahr sind. Daher wird an die Landesregierung appelliert, die Pläne für die Kürzungen zurückzuziehen und die Universität sowie das Studierendenwerk finanziell wegen der Mehrkosten zu unterstützen.

An die 500 Demonstrierende hatten sich daher am Donnerstag, den 03.11.2022, auf dem Rubenowplatz vor dem Universitätshauptgebäude zu der Kundgebung versammelt. Eröffnet wurde die Demonstration von Lukas Voigt, dem Vorsitzenden des AStA. Er betonte, dass eine ausreichende Finanzierung der Hochschulen auch für die Zukunft des Landes von essentieller Bedeutung ist und fordert, dass die Entlastung für Studierende schon im Winter und nicht erst im Sommer kommen soll.

„Wir sind in Not, es ist wirklich wahr.“

Prof. Dr. Katharina Riedel, Rektorin der Universität Greifswald

Danach kam die Rektorin der Uni Greifswald, Frau Prof. Dr. Katharina Riedel, zu Wort. Sie betonte unter anderem, dass die finanzielle Unterstützung nötig ist, weil die Uni als größter und verlässlichster Arbeitgeber in der Region von Bedeutung ist und weil die Wissenschafler*innen nach nachhaltigen Lösungen für die Zukunft forschen. Zudem kritisierte sie, dass die Landesregierung mit Mehreinnahmen an Steuern zwar öffentliche Einrichtungen unterstützen möchte, aber bisher die Hochschulen in ihren Plänen nicht berücksichtigt wurden, obwohl es ebenfalls öffentliche Einrichtungen sind. Zudem erklärte Riedel, dass die Uni dringend auf die Rücklagen angewiesen ist, die sie womöglich abgeben muss. Diese werden dann unter anderem für die Sanierung von Altbauten, zum Beispiel des Internationalen Begegnungszentrums, und für den Bereich Forschung fehlen. Durch das fehlende Geld wird die Lehre massiv beeinflusst werden, Wissenschaftler*innen können keine Verlängerungen für ihre Verträge bekommen und die Attraktivität der Uni könnte nachlassen, wodurch auch die wirtschaftliche Lage der Uni Schaden nehmen würde. Riedel kritisierte zudem, dass noch nichts Konkretes von der Landesregierung bezüglich finanzieller Unterstützung kam, aber die Uni dringend Planungssicherheit braucht. Mit den Worten „Es wäre fatal, in diesem Bereich zu sparen“, schloss sie ihre Rede.

Anschließend hielt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Rieke Trimcev eine Rede. Sie betonte, dass vor allem der wissenschaftliche Mittelbau von den personellen Kürzungen betroffen sein wird, also all jene Mitarbeitenden, die keine Professur besitzen. Denn dort haben viele aneinandergereihte Arbeitsverträge, die auslaufen und erneuert werden müssen. Diejenigen, deren Verträge nächstes Jahr auslaufen, werden dabei zuerst betroffen sein. Oft handelt es sich hier um Mitarbeitende kurz vor der Promotion, die die Verlängerung brauchen, um ihre Promotion abzuschließen. Das könnte dazu führen, dass die Betroffenen wegziehen und ihre Promotion in einem anderen Bundesland beenden oder gänzlich abbrechen müssen. Ein Verlust, den sich das Land, laut Trimcev, nicht leisten kann, zumal es auch ein großer Verlust an Mitteln wäre. Zudem betonte sie, dass die Sparmaßnahmen unglaublich ungerecht sind, weil sie Bildungschancen reduzieren und bestehende Ungerechtigkeiten verschärfen. Außerdem werden sich die Kürzungen auch „eklatant“ auf die Lehre auswirken, weil durch den Druck der Fokus auf den Output verschoben wird und die Lehre und gute Betreuung somit in den Hintergrund rücken. Mehr Arbeit wird auf weniger Schultern lasten. Trimcev befürchtet, dass die Dynamiken im Mittelbau durch die Unsicherheit schon heute leiden könnten und nicht erst, wenn es konkreter wird und die ersten Mitarbeitenden entlassen werden müssen.

Auch der Vorsitzende des Senats der Uni Greifswald, Herr Prof. Dr. Uwe Bornscheuer, hielt eine Rede. Er erzählte, dass der Senat bereits Ende September einen Appell an die Landesregierung geschickt hatte, in dem die Forderungen formuliert sind. Auch andere Hochschulen haben das aufgegriffen und sich beteiligt. Weiterhin kritisierte Bornscheuer, dass die Uni schon seit Jahrzehnten unterfinanziert sei und gerade in den Naturwissenschaften Mittel für die Reparatur und Neubeschaffung von alten Geräten benötigt werden, weil es ansonsten schwieriger ist, attraktive Publikationen zu veröffentlichen. Außerdem erinnert er, dass 2006 schon einmal 160 Stellen gestrichen wurden, wodurch ganze Studiengänge geschlossen werden mussten. Dies betraf einige Lehramtsstudiengänge, woraufhin ein Lehrer*innenmangel folgte. Daraufhin brauchte es wiederum sechs bis acht Jahre, bis neue Lehrkräfte ausgebildet waren. Das droht wieder zu passieren. Auch Bornscheuer sorgt sich, dass Masterabsolvent*innen das Bundesland verlassen könnten, weil sie hier keine Doktorand*innenstellen kriegen könnten. Bezüglich der gestiegenen Energiekosten hält Bornscheuer Online-Uni ebenfalls für die falsche Lösung, denn das hat negativen Einfluss auf die Lehrqualität und das Sozialleben. Ab hier wurde die Rede leider immer leiser und das Getuschel lauter, sodass ich nur wenig verstehen konnte.

„Wir können ja noch den Bunsenbrenner anmachen in der Biochemie – solange wir den da noch haben.“

Prof. Dr. Uwe Bornscheuer, Vorsitzender des Senats der Universität Greifswald

Als Vorsitz der Fachschaftskonferenz und als Studierendenvertretung trug als nächstes Em eine Rede vor. Em betonte, dass die Kürzungen alle betreffen und auch die Existenz der Studierenden gefährden. Ebenso betonte Em den Nutzen, den das Bundesland von der Uni zieht, denn die Uni bringt Bildung, Forschung und auch Fachkräfte in die sonst eher strukturschwache Region. Die Studierenden sind die glänzende Gegenwart und Zukunft des Bundeslandes. Das sollte die Landesregierung ebenfalls interessieren, denn die Uni bringt Geld in das Bundesland. Aber die erhöhten Lebenserhaltungskosten erschweren das Studieren zunehmend. Em erzählte von einer Kommilitonin, die sich die Mieterhöhung im Studierendenwohnheim nicht leisten kann und daher zu ihrer Familie nach Rostock zurückziehen muss, weil das Pendeln günstiger ist. In der Ersti-Woche hatte Em zudem oft gehört, dass Erstis ins Umland oder nach Stralsund gezogen sind, weil es dort günstiger ist. Em befürchtet, dass in Zukunft weniger Studierende nach Greifswald kommen könnten oder hier bleiben, gerade wenn Lehrveranstaltungen durch die Kürzungen wegfallen sollten. Gleichzeitig könnten die Stärken dieser Stadt schwinden, wie zum Beispiel das familiäre Umfeld. Em betonte, dass an der Uni nicht gespart werden darf, sondern viel mehr finanziert werden muss. Auch auf die bevorstehenden Kürzungen der Wohnsitzprämie ging Em ein, von denen zum Beispiel Exkursionen und Arbeitsmittel bezahlt werden und ohne die Lehre nicht möglich ist. Em findet es traurig, dass diese Mittel überhaupt nötig sind und findet es daher auch umso schlimmer, dass diese gekürzt und irgendwann gestrichen werden sollen. Auch die Lehr- und Forschungsstation auf Hiddensee sei dadurch in Gefahr, meinte Em. Zum Schluss betonte Em nochmals, dass die Studierenden die Zukunft des Bundeslandes sind und daher der Respekt vor ihrer Existenz und die Rücknahme der Kürzungen nötig sind.

„Liebes Ministerium, nehmt uns diese Dinge, die wir durch die Universität haben, nicht weg.“

Em, Vorsitz der Fachschaftskonferenz und Studierendenvertretung

Die Leiterin des Studierendenwerks hielt ebenfalls eine Rede und erklärte die Schwierigkeiten für das Studierendenwerk und weshalb auch hier finanzielle Unterstützung durch das Land von Nöten sei. Sie erklärte, dass zwei Drittel des Budgets durch die Mensen, Wohnheime und Studierendenbeiträge selbst finanziert werden müssen. Im Moment sei es aber unmöglich kostendeckend zu wirtschaften, denn die Abschläge und Preissteigungen sind immens. Sie befinden sich nun im dritten Krisenjahr und fühlten sich durch die Coronakrise bereits ganz erprobt. Allerdings war das nur in etwa ein Zehntel von dem, was jetzt auf sie zukommt. Noch immer wird in den Mensen weniger Essen als 2019 verkauft. Zwar steige die Zahl im Moment wieder, aber dennoch fehlen hier die Umsätze. Sie ist dankbar für die Präsenzlehre, weil dadurch mehr Leute die Einrichtungen füllen, allerdings befürchtet sie auch, dass sie es sich nicht mehr leisten könnten, diese offen zu halten. Zwar wurde finanzielle Hilfe bereits in Aussicht gestellt, jedoch gab es bisher nichts Konkretes. 2 Millionen Euro können nicht aus Rücklagen finanziert werden, erklärte sie. Der Semesterbeitrag wird um 8 Euro steigen, Mieterhöhungen in den Wohnheimen wurden angekündigt und die Essenspreise in den Mensen bereits angehoben. Sie betonte, dass die Kostensteigungen so gering wie möglich gehalten wurden. Auch im Vergleich zu anderen Unis waren diese eher gering, dennoch versteht sie, dass es für viele Studierende trotzdem schwierig ist. Das Studierendenwerk ist neben den Semesterbeiträgen und den Umsätzen auf eine dritte Säule angewiesen – und das ist der Zuschuss des Landes. Zurzeit steht alles auf dem Prüfstand, das heißt, Angebot und Öffnungszeiten sollen angepasst werden. Auch Standortschließungen müssen in Betracht gezogen werden. Sie erklärte, dass die stärkeren Mensen bisher die schwächeren Mensen unterstützt haben, aber dies nun nicht mehr möglich ist. Dadurch werden die kleinen Mensen zuerst betroffen sein. Zuletzt betont sie nochmal, wie wichtig die Unterstützung des Landes ist, schließlich geht es hier um die Grundbedürfnisse der Studierenden.

An vorletzter Stelle hielt Dennis, ein Jurastudent im fünften Semester, eine Rede. Auch er sprach davon, wie sehr die Studierenden von den Kürzungen betroffen sind und dass die Unterstützung von der Landesregierung dringend benötigt wird.

Zuletzt hielt Jeannette von Busse, die stellvertretende Oberbürgermeisterin und Baudezernentin der Stadt Greifswald eine Rede. Sie betonte, wie wichtig das Wohlergehen der Uni auch für das Wohlergehen der Stadt ist. Zum Beispiel könnten die Kürzungen dazu führen, dass die Stadt in Zukunft weniger Einwohner*innen haben könnte und sich weniger entwickeln würde. Weniger Absolvent*innen würden auch weniger Fachkräfte bedeuten, die in den Betrieben der Region arbeiten könnten. Auch sie betonte, wie wichtig die Uni als größter Arbeitgeber und Ausbilder der Region ist und wie eng die Uni mit der Stadt verbunden ist. Von Busse versicherte, dass die Stadt die Uni mit allen Kräften unterstützt und betonte, dass die Studierenden und Mitarbeitenden der Uni zur Stadt gehören. Sie bedeuten mehr junge Leute und mehr Diversität. Das möchte die Stadt nicht verlieren.

Im Anschluss wurde mit einigen Teilnehmer*innen der Demo auf dem Innenhof der Universität eine symbolische 250 gestellt, die an die gefährdeten Arbeitsplätze erinnern soll. In nächster Zeit sollen noch weitere Protestveranstaltungen folgen.

Beitragsbilder: Constantin Krüger und Juli Böhm