Am 19. Juli fand der bundesweite Aktionstag für ein faires Praktisches Jahr (PJ) statt. Ins Leben gerufen wurde dieser von der „Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V.“, kurz bvmd, und wurde in Zusammenarbeit mit dem Hartmann- und Marburger Bund durchgeführt. Der FSR Medizin hat sich an diesem Aktionstag beteiligt und hierfür neben einer Demonstration vor der Uniklinik auch einen Vortrag zu dem Thema „Rechte und Pflichten im Praktischen Jahr“ organisiert. Gehalten wurde dieser von Lars Grabenkamp, dem Geschäftsführer des Marburger Bunds Mecklenburg-Vorpommerns. Anlass genug für den webmoritz. mal hinter das Praktische Jahr zu blicken. Also, was ist das Praktische Jahr und warum sind so viele Menschen unzufrieden mit den Umständen und setzen sich für ein faireres PJ ein?

Das ist das Praktische Jahr

Aber von Anfang an. Zuerst beschäftigen wir uns mit dem Aufbau des PJ. Um das PJ absolvieren zu können, muss jede*r Medizinstudierende das zweite von drei Staatsexamina bestanden haben. Hat man das also geschafft, kann man in das PJ gehen. Dieses gliedert sich in drei Teile (Tertiale) auf. Man verbringt jeweils 16 Wochen in der inneren Medizin, der Chirurgie, oder einem klinisch-praktischen Wahlfach. Eine 32-Stunden-Woche ist vorgeschrieben, genauso wie die Zahl der maximal zu erlaubenden Fehltage. In dieser Zeit kann man sich 30 Fehltage erlauben, allerdings nur 20 in einem Tertial. Mit einem Härtefallantrag lässt sich dies allerdings überschreiten. Auch wird bei den Fehltagen nicht zwischen Kranken- und Urlaubstagen unterschieden. Für einen einheitlichen Verdienst gibt es in der Approbationsordnung für Ärzte keine Regelung.

Das sagen die Kritiker*innen

Gerade die bvmd sieht bei diesen Regelungen Handlungsbedarf. Der FSR Medizin unterstützt die Forderungen der bvmd und hat sich auch aus diesem Grund am Aktionstag für ein faireres PJ beteiligt. Diese sehen eine einheitliche Aufwandsentschädigung, eine Trennung von Kranken- und Urlaubstagen, einen festgeschriebenen Abstand zwischen dem PJ und dem dritten Staatsexamen, sowie eine Lehre im PJ vor. Hier werden vor allem bundeseinheitliche Regelungen gefordert. Neben dem FSR Medizin erklärten auch der Ring Christlich-Demokratischer Studenten Greifswald und die Bundestagsabgeordnete Simone Borchardt (CDU) ihre Unterstützung der Forderungen der bvmd und die lokale Bundestagsabgeordnete Anna Kassautzki (SPD) war bei dem Aktionstag in Greifswald vor Ort und richtete einige Worte an die Studierenden. Der Marbuger Bund MV geht in seinen Forderungen noch weiter. Lars Grabenkamp, der Geschäftsführer des Marburger Bund MV, erklärte gegenüber dem webmoritz., dass man auch fordere, dass PJler keine Wochenend- oder Nachtarbeit leisten und genügend Zeit zum Selbststudium haben. Man fordere aber auch, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden und daraus folgend, dass es Sanktionsmöglichkeiten geben solle, sollten die gesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten werden.

Auch die Universitätsmedizin Greifswald (UMG) unterstützt eine Reihe der Forderungen der bmvd. Christian Arns, der Presseprecher der UMG, erklärte zudem auf Nachfrage, dass es ein gemeinsames Ziel sei, dass PJ fair auszugestalten. „Wünschenswert wäre zudem die bundesweite Vereinheitlichung durch entsprechende Regelungen, die auch die (Re-) Finanzierung beinhalten“, so Arns weiter.

So lief der Aktionstag

Den bereits angesprochenen Aktionstag organisierte der FSR Medizin in Zusammenarbeit mit dem Marburger Bund MV. Der FSR Medizin bezeichnete den Aktionstag in Greifswald als „erfolgreich“. Rund 150 Teilnehmende waren bei der Demonstration inmitten der Prüfungsphase und bei regnerischem Wetter anwesend. Auch der Marburger Bund zeigt sich auf Nachfrage „sehr zufrieden“ mit dem Aktionstag. Lars Grabenkamp, der Geschäftsführer des Marburger Bund MV, erklärte zudem, es habe eine gute Beteiligung, eine gelungene Organisation sowie tolle Wortbeiträge gegeben. Auch die Universitätsmedizin Greifswald (UMG) erklärte auf Nachfrage, dass es eine Selbstverständlichkeit sei, dass Studierende an einer solchen Veranstaltung teilnehmen würden.

Erste Entwicklungen sind auch schon zu verzeichnen. So teilten, wie schon angesprochen, der RCDS Greifswald und Simone Borchardt (CDU) als Bundestagsabgeordnete ihre Unterstützung der Forderungen, nach dem Aktionstag, mit. Lars Grabenkamp zufolge hat das Thema durch den Aktionstag vor allem Aufmerksamkeit bekommen. So habe es u. a. interessierte Nachfragen von Studierenden gegeben.

So ist die Situation in der Praxis

Einen Einblick in den Praxisalltag liefert das PJ-Barometer des Marburger Bund. Dieses ist eine Umfrage, welche vom Marburger Bund durchgeführt wird und an der rund 1.700 PJler und ehemalige PJler, deren PJ nicht länger als drei Jahre zurückliegt, teilgenommen haben. Die Ergebnisse zeichnen ein Bild, welches schockieren sollte.

So geben knapp 55 Prozent der Teilnehmenden an, dass sie zwischen 40 und 50 Stunden im ersten Tertial im Rahmen des PJ in einem Krankenhaus arbeiteten. Dementsprechend fanden auch 39 Prozent nicht ausreichend Zeit zum Selbststudium. Auch sind nach der Befragung knapp 78 Prozent auf elterliche Zuwendungen angewiesen. 17 Prozent erhalten bis zu 300 Euro im Monat an Aufwandsentschädigung, während 11 Prozent keine Geld- oder Sachleistungen erhalten. Die große Mehrheit der Befragten (61 Prozent) erhält eine Aufwandentschädigung ab 300 bis 649 Euro. Nur einmal zum Vergleich: Die durchschnittliche Miete kostete im Jahr 2021 779 Euro. Mit einer durchschnittlichen Aufwandentschädigung kann man also nicht mal die Miete zahlen, wenn man Pech hat. Das Ergebnis der Umfrage zeige auch, dass der klassische PJler meist als Lückenfüller dort arbeitet, wo Bedarf auf der Station bestehe, so der Marburger Bund in der Erklärung des Ergebnisses.

Erfreulich ist hingegen, dass die Lehre in ihrer Qualität als mehrheitlich gut bis sehr gut bewertet wird. Auch gibt es bei einer Mehrheit der Befragten (59 Prozent) Unterricht oder Seminare für PJler. Weiterhin fühlen sich 6 Prozent der Befragten ausreichend durch Kolleg*innen wertgeschätzt.

So ist die Situation an der Universitätsmedizin Greifswald

Aber schaut das PJ in Greifswald genauso aus, wie in der Umfrage dargestellt? Um diese Frage zu beantworten, haben wir bei der UMG nachgefragt. Diese rangiert auf der Seite pj-ranking, wo PJler ihr Praktisches Jahr anonym bewerten, auf Rang 275 von 360 bewerteten Kliniken (Stand: 22.8.2023). Auf Nachfrage erklärte Christian Arns hierzu, dass der UMG dieser Umstand bewusst sei und die UMG sich verbessern und die inhaltliche Ausgestaltung optimieren müsse, damit diese ein beliebter PJ-Standort werde. „Darüber hinaus würde durch Festlegung und Sicherstellung einer bundesweit einheitlichen Vergütung das Bewertungskriterium Gehalt und damit die Kritik an der niedrigen Aufwandsentschädigung entfallen“, so Arns weiter. Gerade wird von der UMG eine Aufwandsentschädigung von 400 Euro pro Monat ausbezahlt. Eine Summe, mit der selbst die UMG nicht zufrieden ist. Allerdings zahle man die Aufwandsentschädigungen aus Eigenmitteln der UMG. „Weswegen wir diese nicht aus eigener Kraft erhöhen können“, meint Christian Arns hierzu.

Wie genau ein PJ an der UMG abläuft, lasse sich nicht schnell beantworten, da die konkreten Abläufe in den 21 Kliniken der UMG nicht identisch seien. Allerdings gebe es nach Wissen der UMG keine großen Abweichungen zu der Durchführung an anderen Kliniken. Im Mittelpunkt stehe aber die Ausbildung an der Patientin oder dem Patienten. „Die PJ-Studierenden sollen unter Anleitung, Aufsicht und Verantwortung der ausbildenden Ärzt*innen auf den Stationen, in den Ambulanzen oder im OP ärztliche Tätigkeiten ausüben. Die Studierenden sind darüber hinaus an Lehrvisiten, klinischen Besprechungen und Demonstrationen beteiligt“, so Christian Arns hierzu. Auch sei ein wichtiges Ziel der UMG die Mitarbeit im Klinikalltag in all seinen Facetten.

So schaut’s aus

Rund um das Praktische Jahr besteht also deutlicher Handlungsbedarf. Gerade wird dieser Handlungsbedarf in letzter Konsequenz auf dem Rücken der PJler ausgetragen. Aber auch Kliniken müssen sich weiter nach Verbesserungsmöglichkeiten umsehen, zumindest solange es keine bundeseinheitlichen Standards gibt. Auch über die Finanzierung muss nicht erst ab 2027 nachgedacht werden, sondern schon vorher muss eine Lösung stehen, die einheitlich regelt, wie und in welcher Höhe PJler bezahlt werden. Solange Kliniken wie die UMG ihre begrenzten Eigenmittel verwenden müssen, um sich Aufwandsentschädigungen leisten zu können, können diese bei der breiten Masse der Kliniken nicht in einer Höhe sein, welche für alle Seiten zufriedenstellend ist. Hier sind die entsprechenden Stellen gefragt, eine Lösung zu finden. Eine erste Reform der Approbationsordnung für Ärzte könnte bereits 2027 kommen. Es bleibt abzuwarten, ob diese Reform das PJ zum Besseren beeinflusst.

Beitragsbild: Luis Melendez auf Unsplash