Buch: Erfolg und zurück

Gärtner war ein Großer, war beliebt, war etwas. All das war einmal. Gärtner ist Opfer des Absturzes der Musikbranche geworden und muss zurück. Zurück, das heißt, er muss Berlin verlassen und zurück zu seinen Eltern in die Frankfurter Vorstadt ziehen. Noch beschämender als sein Absturz ist das erneute Leben im ehemaligen Kinderzimmer.

Auch das Zusammentreffen mit seinen Schulfreunden und Saufkumpanen ist nicht einfach, wenn man sich für seine Vergangenheit schämt. Zu allem Überfluss trifft Gärtner dann auch noch auf seine Ex-Freundin Anke, die er damals im Rausch des Erfolgs verlassen und in Frankfurt zurückgelassen hatte. Die gefürchtete Begegnung verläuft allerdings anders als erwartet und die beiden verwickeln sich nach einer durchgemachten Nacht wieder in eine Beziehung.  Erfolgreiche Redakteurin trifft auf gescheiterten Musikpromoter. Dass das nicht ohne Probleme funktioniert ist dabei nicht verwunderlich.
Linus Volkmann schafft es mit seinem Roman, für eine kurze Zeit zu erfreuen. Gern verbringt man ein wenig Zeit mit diesem sympathischen Versager und der neuen alten Freundin Anke. Lange allerdings hält dieses Vergnügen nicht an.  Auch wegen dieser Kurzlebigkeit ist das Prädikat Poproman verdient. Ein bisschen Musik, ein wenig Sex, eine große Portion Humor und ein Schreibstil; ohne weiteres lesbar. „Anke“ lässt sich wunderbar zwischen die Pflichtlektüre schieben – mehr aber nicht.

Volkmann, Linus: Anke. Ventil Verlag. 208 Seiten. 14,90€

Geschrieben von Esther Müller-Reichenwallner (98eins)

Buch: Verständigung

Die Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) im niederländischen Den Haag durch die internationale Staatengemeinschaft greift in die Herrschaft und Sicherheit der Nationalsstaaten ein. Ratifiziert wurde deren Statut trotzdem. Somit kann das IStGH international strafrechtlich gegen Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgehen. Verwunderlich ist, dass Staaten trotz ihrer unterschiedlichen Interessen eine normative Verregelung befürworten.

Nicole Deitelhoff untersucht in ihrer Dissertation den Entstehungsprozess des IStGH mit Hilfe der beiden Metatheorien Realismus und Konstruktivismus und postuliert, dass die Macht der Überzeugung  bedeutend für das Entstehen und das Durchsetzen von Normen im internationalen System ist. Allgegenwärtig in der Schrift ist das Konzept des verständigungsorientierten Handelns Jürgen Habermas´. Zur Normdurchsetzung notwendig sind nationale Diskurse, in denen sich Staaten wechselseitig überzeugen können. Dadurch konnte erst der IStGH geschaffen werden, obwohl sich zum Verhandlunsgsbeginn der Großteil der Staaten gegen diese Gerichtsbarkeit aussprachen. Um den Prozess zu verstehen, wird dieser von Deitelhoff in Phasen unterteilt, um die verschiedenen, wechselnden  Positionen der Akteure darzustellen. Vor allem machtlose Entwicklungsländer ließen sich von  Normen überzeugen… .          

Deitelhoff, Nicole: Überzeugung in der Politik. Grundzüge einer Diskurstheorie internationalen Regierens. Suhrkamp. 347 Seiten. 13,00€

Geschrieben von Björn Buß

Buch: Mit Methode

Wissenschaftstheorie, das Nachdenken über plausible und prüfbare Wege zur Erkenntnis, ist ein Exoten-Thema in der Lehre. Methoden und Probleme des wissenschaftlichen Arbeitens werden meistens noch in Grundkursen „durchgeprügelt“. Die Frage, ob das für Studienanfänger Sinn macht, bleibt unbeantwortet, angesichts der Möglichkeiten, sich an der Methodendiskussion im Rest des Studiums vorbeimogeln zu können.

Es kann jedoch passieren, dass einem die Last der unbewältigten Theorie-Lektionen bei ernst meinenden Prüfern zuletzt auf die Füße fällt. Gut, wenn es ab und zu doch noch Seminare gibt, in denen Wissenschaftstheorie eine Rolle spielt, besser noch, wenn ein Lehrbuch wie das vorliegende sie begleitet.
Der Autor, Professor für theoretische Philosophie, gibt einen Überblick zur wissenschaftlichen Problemdiskussion. Schwerpunkte sind die Theorien des 20. Jahrhunderts. Das Buch ist verständlich und unkompliziert geschrieben. Die Kapitel sind didaktisch aufbereitet. Übersichtlich gegliedert, nicht zu lang, aufbauend und wiederum in sich geschlossen. Schemata, Merksätze und Selbstüberprüfungsfragen kommen den Bedürfnissen des Lesers entgegen. Als Nachschlagewerk für methodisch gelungene Hausarbeiten eignet sich das Buch nicht. Man sollte es schon zur Hälfte lesen und mit anderen Lesern darüber diskutieren. Methodenkritik ist erlernbar; dieses Buch ist ein sehr guter Anfang.                

Schurz, Gerhard: Einführung in die Wissenschaftstheorie. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. 270 Seiten. 24,90€

Geschrieben von Robert Tremmel

Interview: Weihnachten im Schuhkarton

Spendenaktion für Kinder in armen Ländern

Susanne Kiefer, Leiterin der zuständigen Stelle in Greifswald beanwortete moritz Fragen ihrem Projekt.

Wie genau sieht die Aktion aus?
Kindern, die eventuell noch nie in ihrem Leben ein Geschenk bekommen haben, wollen wir diese Freude machen. Jeder, der möchte, kann einen oder mehrere Schuhkartons bunt bekleben und mit schönen, für Kinder geeigneten Dingen füllen. Allerdings gibt es Einschränkungen, da die Bestimmungen des Zolls sehr streng sind. So dürfen nur Vollmilchschokolade, Bonbons, Lutscher, Traubenzucker oder Pfefferminz an Naschereien eingepackt werden. Wir bitten  nur neue Dinge zu verschenken und keine parfümhaltigen Artikel. Auf den Kartons sollte auch stehen, ob er für einen Jungen oder ein Mädchen gedacht ist und welches Alter durch den Inhalt angesprochen wird.

Wie wurden die Päckchen abgeben?
Bis Mitte November konnten die Geschenke, möglichst mit sechs Euro pro Stück für den Transport,  in der Loefflerstraße 67 abgegeben werden. Über Berlin gelangen die Päckchen in acht osteuropäische Länder.Geschenke aus anderen deutschen Städten gehen auch nach Israel, in das palästinensische Gebiet, Afghanistan und den Irak.

Wer hat diese Initiative ins Leben gerufen?
1990 hatte in England ein Geschäftsmann die Idee und übergab diese 1993 an die christliche US-amerikanische Organisation „Samaritan`s Purse International“. Drei Jahre später führte die Chefredakteurin der christlichen Zeitschrift „Entscheidung“, Irmhild Bärend, das Projekt in Deutschland ein. Mittlerweile übernahm das christliche Missions- und Hilfswerk „Geschenke der Hoffnung e.V.“ die Trägerschaft.

Wie finanziert sich die Aktion?

Viele ehrenamtliche Helfer unterstützen uns. Für die bezahlten Mitarbeiter und den Transport der Päckchen rufen wir immer wieder zu Spenden auf.

Wie groß ist die Beteiligung in Greifswald?

Seit dem Beginn des Projekts vor vier Jahren freuen wir uns über die wachsende Beteiligung. In diesem Jahr wurden insgesamt 565 Kartons abgegeben. Allein eine Familie mit fünf Kindern hat 28 Päckchen gebracht.
Waren Sie persönlich schon einmal bei der Übergabe der Pakete dabei?
Nein, obwohl  jeder mitfahren kann, der Interesse daran hat. Bei den Feiern wird meist ein Krippenspiel aufgeführt und danach ist Bescherung.  Ein kleines Kuscheltier ist für die Kinder schon ein wahrer Schatz, Schulhefte und Stifte sind purer Luxus. Dementsprechend groß sind Freude und Aufregung, wenn die bunten Pakete verteilt und geöffnet werden.

Geschrieben von Uta-Caecilia Nabert

Buch: Mangelnde Empathie

Vor der Kulisse des elften Septembers entspinnt sich ein Plot um die Hauptfiguren Isabelle und Jakob. Beide kennen sich schon aus dem Studium in Freiburg, treffen sich nach zehn Jahren wieder und verlieben sich ineinander. Ihretwegen kam Jakob früher aus New York zurück und entging so dem Terroranschlag. Und weil alles so passend scheint, heiraten die beiden, ziehen nach London, nur um dort angekommen mit ansehen zu müssen, wie ihr Leben aus den Fugen gerät. Isabelle verliebt sich in den Drogendealer Jim und Jakob sich in seinen schwulen Chef. Obwohl sie alles haben sind sie doch leer. Eine Sehnsucht nach Liebe und Gewalt entsteht und Sara, das kleine Nachbarskind, fällt ihr zum Opfer.

Katharina Hacker baut in ihren  prämierten Roman „Die Habenichtse“, der eigentlich von der Entfremdung zweier Liebenden handelt, sehr viele Handlungsebenen und Blickwinkel ein: den elften September, den daraus resultierenden Irak-Krieg, Drogen, Kindesmissbrauch bis hin zu Antisemitismus und Homosexualität. Es entstehen somit viele Handlungsstränge, die anfangs nicht leicht zu identifizieren und auseinander zu halten sind.
Die Sprache des Romans des Jahres 2006 ist zudem keine leichte Kost.  Schachtelsätze, keine kenntlich gemachte wörtliche Rede und nachdenklich stimmende Vergleiche („Besitz ist ein Posten des Verlustes“). Auch der Leser fühlt sich zuweilen wie ein Habenichts.  Man kann sich weder mit den Protagonisten identifizieren noch ehrliches Mitleid für sie aufbringen. Außer für Sara. Anstatt mitzureißen wirkt das Geschehen wie ein Rundgang im Zoo.  
Das Buch liest sich insgesamt nicht leicht, stellenweise sogar zäh, und wirkt gelegentlich verstörend und abstoßend. Allerdings schafft es „Die Habenichtse“, dass sich der Leser genauso fühlt, wie es wahrscheinlich Isabelle und Jakob tun. Er fühlt die Leere, die emotionale Armut, das mangelnde Mitleid von beiden und muss tatenlos mit ansehen, wie sich die Freunde der beiden weiterentwickeln, während sie im Leerlauf verharren. Wer also Freude an gekonntem Erzählstil hat und nicht zu zart besaitet ist, sollte es lesen.    

Katharina Hacker: Die Habenichtse. Suhrkamp. 308 Seiten. 17,80€

Geschrieben von Antonia-Madeleine Garitz