retro.kolumne: Meister Eder und sein Pumuckl

retro.kolumne: Meister Eder und sein Pumuckl

Pumuckl neckt, Pumuckl versteckt, keiner was meckt.
Das heißt merkt.
Ja, aber das reimt sich nicht und alles, was sich reimt, ist gut.

Dieser Dialog zwischen Pumuckl und dem Meister Eder fasst das Verhältnis der beiden eigentlich gut zusammen.

Pumuckl, der kleine, freche Kobold mit roten Wuschelhaaren und Meister Eder, der gutmütige, alte Schreiner aus dem Münchener Hinterhof, bilden ein recht ungewöhnliches Paar.

Die Idee zu der Geschichte hatte Ellis Kaut, und das Aussehen der Figur steuerte Barbara von Johnson in einem Zeichenwettbewerb bei.
Zwischenzeitlich gab es einige Streitigkeiten beider Parteien, welche aber inzwischen beigelegt wurden.

Zuerst gab es nur die Hörspielreihe im BR, welche von 1962 bis 1973 lief. Parallel wurden die Pumucklgeschichten auch in mehreren Büchern veröffentlicht.

Neben den sehr bekannten Hörspielen kennen ihn die meisten sicher aus der dazugehörigen Fernsehserie.

Beide Varianten starten damit, dass der zuerst unsichtbare Pumuckl an Meister Eders Leimtopf kleben bleibt, somit für ihn sichtbar wird und bei ihm bleiben muss. So will es das Koboldsgesetz.

Meister Eder stellt schnell fest, dass der manchmal sehr nervige Kobold eigentlich ein sehr lieber Kerl ist und damit sein Junggesellenleben ein bisschen aufmuntert.

Daher erleben beide viele schöne, aber manchmal auch dramatische Abenteuer, die aber alle gut ausgehen. Sei es nun, dass der Meister Eder Pumuckl ein Bettchen baut, dieser beim Spielen in der Wanne fast ertrinkt, als ‚Geist‘ im Schloss spukt oder sich beide so verkrachen, dass man nicht geglaubt hätte, dass sie sich je wieder vertragen (haben sie aber).

Nachdem die zweite Staffel der Serie ausgestrahlt wurde, verstarb mit Gustl Bayrhammer der Darsteller des Meister Eders. Danach gab es zwar noch einige Filme über den kleinen Kobold, welche für mich aber nie an das Original herankamen.

Weitere Geschichten rund um den Pumckl gibt es auf der privaten Fansite.

Beitragsbild: Illustration von Brian Bagnall, Foto von Svenja Fischer; Banner: Jonathan Dehn

PolenmARkT und Fußball passt wie fettige Wurst zu Salzgurken

PolenmARkT und Fußball passt wie fettige Wurst zu Salzgurken

Nun sind zwar schon ein paar Tage seit meiner Abreise aus Greifswald ins Land gezogen, aber der Blick richtet sich häufig noch auf die webmoritz-Seite, auch die pdf-Version des Magazins ziehe ich mir gerne. Obwohl ich jetzt hier in Polen Wurzeln geschlagen habe, interessiert mich das Geschehen an alter Wirkungsstätte – eine Heimat war Mecklenburg-Vorpommern für mich als Märker allerdings nie so richtig. Ick sage immer noch kleen anstatt lütt. Und so besteht auch nach wie vor das Interesse am PolenmARkT.

Im letzten Jahr wurde der Grundstein für die interkulturelle Fußballveranstaltung des Greifswalder Kulturfestes gelegt, diese Tradition gilt es nun auszubauen. Der SV 90 Görmin unterstützte 2018 tatkräftig dieses Vorhaben, richtete die Veranstaltung in seinem Peenetal-Stadion aus und wurde nun nach Szczecin zum Verein Czarni 44 Szczecin eingeladen.

Während das Leben in Vorpommern noch tief schlief, zog ich mir die Schuhe an und lief zur Haltestelle. Polen hat sich in den letzten zehn Jahren rasend schnell entwickelt. Es beginnt schon bei der Bushaltestelle. Früher war es manchmal ein Schuss ins Blaue, ob ein Bus kommt oder nicht. Teilweise gab es keine Information über den Abfahrtsort. Jetzt ist alles haargenau im Netz und an der Tafel zu lesen. Bei der Eisenbahn bzw. dem Bahnhof geht es weiter. Der ehemalige Ort Klebstoff schnüffelnder Jugendlicher ist heute ein steril wirkendes Gebäude mit Einkaufszentrum. Die Ticketpreise bei der polnischen Bahn sind sehr human. Das Wochenendticket ist in den letzten 15 Jahren nur um ca. 10 zl im Preis gestiegen (81 zl). Und wie sieht es in dieser Kategorie in Deutschland aus…? Vieles ist hier im Alltag wesentlich besser organisiert und gestaltet. Die Gastfreundlichkeit ist darüber hinaus enorm. Das galt es heute wieder unter Beweis zu stellen.

Während der Bus aus Görmin auf die A20 fuhr, war von meinem modernen Zug aus, in dem man auf Knopfdruck einen Haken für seine Kleider bekommt, Szczecin schon in Sichtweite. Ein paar Stündchen später gab es dann ein großes Wiedersehen mit Freund*innen aus Polen, aus der Slawistik, aus Görmin und aus der deutschen Fußballwelt – hier im kleinen Stadion an der ul. Hoża. Wir befinden uns hier im traditionsreichen Nordteil der Stadt (Stichwort: Aufstand 1970, Werft). Am Stadion nagt der Zahn der Zeit, was an vielen Ecken sichtbar ist. Dieser Umstand wurde trotzdem als äußerst charmant und positiv aufgenommen. Es ist einfacher und authentischer Fußball. Der savannenartige Rasen passte sich den heutigen Witterungsbedingungen an. Über ein Auftauchen von Löwen und Zebras hätte sich niemand mehr gewundert.

Ohne großes Trara ging es gleich ans Eingemachte. Bei Görmin wurde im Vergleich zum letzten Jahr stark aufgerüstet. Es war ein Mix aus erster und zweiter Mannschaft. Nach zähem aber fairem Kampf stand es nach 90 Minuten 0:0. Die eine oder andere Chance war nett anzusehen, doch ließen die Torhüter auf beiden Seiten nichts anbrennen. Und wenn der Torwart schon geschlagen war, dann half das Aluminium. Kurz vor Schluss knallte der Ball noch einmal so richtig bis nach Deutschland hörbar an den Pfosten von Czarni, bevor die Entscheidung im Elfmeterschießen getroffen werden musste. „Nein! Keine Verlängerung!“, kreischte der weibliche Anteil des 30-köpfigen Gästetrosses. Kurz und schmerzlos mit einigen schönen Paraden beider Torhüter wanderte der Siegerpokal in die Hände des SV 90 Görmin. Czarni Szczecin ging auch nicht leer aus und konnte sich über einen kleineren Pokal freuen. Das Ergebnis war schnell vergessen. Noch fix das Foto beider Mannschaften gemacht, ehe gemeinsam gespeist und geplaudert wurde. Die Kohle glühte längst während des Spiels, da waren die Würste später nur noch Formsache. Für Vegetarier*innen bzw. Abnehmwillige wurden klassisch polnisch sehr schmackhafte Schnellgurken gereicht. Während die Akteure noch schmausten, rief bereits die Heimfahrt nach mir.

Eine Punktlandung wäre übertrieben, viel später hätte ich dennoch nicht im Zug sein dürfen. Bei untergehender Sonne tuckerte das Eisenross der älteren Generation nun gen Osten. Wie früher. Muffige Polster, 8er-Kabinen und Schiebetür. Schuhe aus und sich in die Horizontale begeben. In der tiefen Nacht erreichte auch ich dann mein Domizil, während in Görmin schon lange alles fest schlief.

Fotos: Michael Fritsche

retro.kolumne: Polly Pocket

retro.kolumne: Polly Pocket

Retro, retro, retro yeah! Die neue Kolumne über alte Dinge. Kennt Ihr diese Spiele, Filme, Accessoires noch? Aus der Kindheit, meist noch aus den 90ern stammen sie und sind vielleicht ja doch noch ein Guilty Pleasure des einen oder anderen.

Kleine Puppen ganz groß

Polly Pocket ist sicherlich jedem Kind der 90er ein Begriff. Der britische Designer Chris Wiggs ahnte aber bestimmt nicht, dass sich seine Erfindung eines Tages so großer Beliebtheit erfreuen würde, als er aus einer leeren Puderdose ein Haus samt Miniaturpuppe für seine Tochter zauberte. Doch genau das war der Fall, als er seine Idee 1989 der Firma Bluebird Toys vorstellte: Die ersten Polly Pockets waren geboren.

Polly Pockets, das sind also Plastikdosen zum Zusammenklappen, in denen sich immer eine Spielwelt mit passenden Figuren befindet: klein genug für jede Handtasche, aber gerade groß genug, um mit den Puppen die detailreiche Welt der Schatulle erkunden zu können. Die eigentlichen Figuren bestanden zunächst aus zwei Teilen, die durch ein Scharnier in der Mitte bewegt werden konnten. Anfangs wurden die etwa zehn Zentimeter großen Dosen noch schlicht gehalten. Später waren einige sogar mit Licht oder Musik ausgestattet. Je nach Set konnten die Puppen, welche unter Kennern auch Pollys genannt werden, nach Herzenslust am Strand Urlaub machen, zu Hause kochen oder im Ballsaal eines Märchenschlosses tanzen. Im Laufe der Jahre konnten dann sogar die Körperteile der Figuren einzeln bewegt werden. In einigen Spieldosen wiederum waren Magnete enthalten, mit denen man die ebenfalls magnetisierten Puppen von außen steuern konnte.

Neben der Reihe Polly Pocket stellte die Firma Bluebird Toys ab 1992 übrigens auch eine Reihe namens Mighty Max her, welche ein eher dunkles und gruseligeres Pendant zu Polly Pockets darstellte. Die Dosen sahen unter anderem aus wie Totenschädel oder Skorpione und enthielten verschiedenste Abenteuerwelten.

Unter dem Namen Disney Tiny Collection erschienen dann auch Spieldosen angelehnt an beliebte Disneyfilme, wie König der Löwen oder Arielle.

Sammlerherzen schlagen höher

Gerade wegen der Liebe zum Detail waren Polly Pockets in den 90ern so beliebt und sind mittlerweile zu echten Sammlerobjekten geworden. Einige der seltenen Sets bringen einem heute bis zu 100 Euro ein. Falls ihr also zufällig alte Polly Pockets besitzt, lohnt sich der Blick in die Spielzeugkisten vergangener Kindheitstage durchaus.

Aber aufgepasst, nicht alle Polly Pockets sind dabei gefragt! Durch den Verkauf von Polly Pocket im Jahr 1998 an die Firma Mattel, welche auch die Barbie auf den Markt gebracht hatte, wurde die Produktion zwar zunächst unverändert fortgeführt, dann aber durch ein neues Konzept ersetzt. So wuchsen die kleinen Figuren seit 2002 auf satte acht Zentimeter an und bestanden jeher nicht mehr aus Hart- sondern Weichplastik. Letztere konnten dann mit Kleidung, verschiedensten Accessoires und sogar Perücken beschmückt werden. Das alte Konzept von Bluebird Toys verschwand in den letzten 17 Jahren vollkommen von der Bildfläche und ist gerade deswegen so heiß begehrt unter Sammlern.

Alte Liebe rostet nicht

Seit diesem Jahr produziert Mattel allerdings tatsächlich wieder Figuren und Schatullen, die dem damaligen Konzept nachempfunden sind. Die neue „alte“ Generation der Polly Pockets ist zwar nicht mehr ganz so detailliert wie früher, aber wer weiß schon, ob sie in 20 Jahren nicht trotzdem an Wert gewinnen wird.

Wer sein Glück versuchen möchte, macht sich am besten auf den Weg in das nächste Spielwarengeschäft, kauft das gesamte Polly-Pocket-Sortiment auf und verstaut es für die nächsten 20 Jahre in der hintersten Ecke seines Schrankes. Und wer nicht von dieser Idee überzeugt ist, ärgert sich in ein paar Jahren vielleicht genauso wie ich, dies nicht getan zu haben.

Beitragsbild: Nina Jungierek; Banner: Jonathan Dehn

Folge 33 – Die ganze Welt der SpieleE3

Folge 33 – Die ganze Welt der SpieleE3

Lieber spät als nie. Den Gamingbegeisterten unter uns war es ein besonderes Anliegen, Euch über die E3 und die dort vorgestellten Spiele zu informieren.

Die E3 ist eine jährlich stattfindende Spielemesse in Los Angeles, auf der Spieleentwickler ihre kommenden Projekte zur Schau stellen. In diesem Jahr fand die Messe vom 11. – 14. Juni statt.

Für alle, die ein generelles Interesse an Konsolen- und/oder Computergames haben, dürfte dieser Kulturpodcast zuträglich sein.

Erreichen könnt Ihr uns wie gewohnt unter web-podcast@moritz-medien.de

Der Name einer Krimiserie, mit Blumen auf der Bühne: Broen

Der Name einer Krimiserie, mit Blumen auf der Bühne: Broen

Broen wird [Bruen] ausgesprochen und heißt “die Brücke” auf Deutsch. Die norwegische Band ist durch ihre aufwendigen Kostüme bekannt geworden, die Ihr in ihren Videos bewundern könnt. Wir haben sie im Rahmen des Nordischen Klangs interviewen dürfen, auch wenn sie diesmal nicht ganz so aufwendig kostümiert waren. 


Die fünf Norweger*innen vereinen Synthiemusik mit Pop, Gesang und einer Tuba.
Die Band heißt durch einen Zufall Broen, also Brücke. Lars, der Drummer (der leider nicht in Greifswald mitspielen konnte) war wandern und dachte sich, dass das ein guter Name wäre – nicht zu kurz und nicht zu lang. Denn, wie die Band uns verriet, werden lange Bandnamen doch eh gekürzt, also warum nicht gleich einen kurzen Namen wählen?

Der einzige Zufall war, dass es die Skandinavische Serie “Broen”, bei uns “Die Brücke – Transit in den Tod”, schon gab. Produziert wird diese aber in Schweden und Dänemark. Trotzdem gefiel der Name und er blieb.

“Even though they are made from plastic.”

Auf die Frage, warum sie so aufwendige Kostüme tragen und etwas abgedreht tanzen, sagt uns die Sängerin Marianna: “Because I feel it!” Die Bewegungen und die Kostüme kommen von Herzen und aus der Leidenschaft für die Künste heraus. Heida, die die Tuba auf der Bühne spielt, bekommt die Ideen und will diese dann umsetzen. Die Gruppe hatte schon verschiedenste Kostümphasen: die goldene Periode, die silberne Periode und momentan die blumende Periode, sozusagen. Heida erklärt uns, dass sie die Natur auf die Bühne bringen will. “Auch wenn die großen Blumen aus Plastik sind.”, sie lacht dabei.

Norwegen unterstützt junge Künstler*innen

Auf die Frage, wann sie sich getroffen haben und entschieden, eine Band zusammen zu gründen, kommen verwirrende Konstruktionen als Antwort: Hans und Marianna haben schon zusammen gespielt, Hans und Lars haben eine gemeinsame Gruppe, Anja und Heida spielen noch zusammen in einer anderen Band. Irgendwie kannten sich alle schon länger, irgendwie machen alle noch in vielen anderen Gruppen, Projekten und Bands Musik zusammen. Das liegt daran, dass der Staat Norwegen viele neue Musikprojekte unterstützt. Musik ist für die norwegische Bevölkerung sehr wichtig, die meisten Kinder lernen ein Instrument. Die Musikkultur wird gefördert und ist im ganzen, dünn besiedelten Land ausgebaut. Bands spielen auf großen Bühnen, in Schulen und in kleinen Gemeindezentren, da wird kein Unterschied gemacht.

So kommt es auch, dass alle Mitglieder der Band Broen von der Musik leben können. Sie spielen alle verschiedene Genres, in verschiedenen Gruppen.


Sechs Songs in einer Nacht

Vor ihrem ersten Konzert schrieben sie erstmal 5-6 Songs – in einer Nacht! Die Songs handeln von den großen Fragen des Lebens, was sie so denken. Es geht viel um die Natur und wie es so ist, ein Mensch in dieser Gesellschaft zu sein. Es geht erstaunlich wenig um die Liebe, eher um Gender- und Umweltfragen, ohne politisch sein zu wollen. Die Band will nur ihre Gedanken darstellen und verarbeiten.

Und obwohl die Band norwegisch ist und in Oslo ihren Hauptstandort hat, singt Marianna auf Englisch. Warum ist das so? “Ich bin Griechin und spreche Englisch seit ich vier Jahre alt bin. Deswegen kann ich Englisch einfach besser als Norwegisch. Aber vielleicht kommt das ja noch oder vielleicht bald sogar griechische Songs!”

Danke für das Gespräch! Mehr zu der Band findet Ihr auf der Facebookseite und beim Intro Magazin.

Noch mehr Nordischen Klang findet Ihr bei
moritz.tv – genießt die kühle Brise aus dem Norden in der heißen Prüfungsphase!

Bilder: Anne Frieda Müller

Die Retterin der vergessenen Kinder

Die Retterin der vergessenen Kinder

„Bevor er hingerichtet wurde, war er ein sehr lieber Papa.“ Es sind Worte wie diese, die einen aufhorchen lassen. Ein eigenartiges Gefühl. Schwer in Worte zu fassen. Schließlich hat ihr Vater drei Menschen umgebracht. Um an dieser Stelle niemanden im Dunkeln zu lassen: Ich schreibe über eine Dokumentation namens „Chinas Schande – Die Kinder der Gehenkten“. Diese schildert das Schicksal von chinesischen Kindern deren Eltern im Gefängnis sitzen oder bereits hingerichtet wurden. Es geht aber auch um die sogenannten Sun Villages, sozusagen Kinderheime für eben diese Kinder. Sowie um die Frau, die diesen Kindern ein Zuhause gegeben hat.

Die Situation in China

In keinem Land werden so viele Menschen hingerichtet wie in China. Die genauen Zahlen sind ein Staatsgeheimnis. Doch Amnesty International geht von Tausenden Hinrichtungen jährlich aus. Sprichwörter wie „Eine Katze wirft niemals Hundewelpen“ oder der Satz „Der Sohn eines Helden ist ein Held. Und der Sohn eines faulen Eis ist selbst ein faules Ei“ (Mao Zedong), sorgen für eine Ausgrenzung der Kinder. Für viele Chines*innen ist die Schande bei Morden so groß, dass sich die Verwandten nicht mehr um die Kinder kümmern wollen. Oder sie sind schlicht zu arm, um den Kindern eine Zukunft zu bieten. Meist landen diese Kinder dann auf der Straße und müssen betteln oder stehlen, um zu überleben.

Zhang Shuqin und die Sun Villages

Das ist der Name der Frau, die im Jahre 1996 das erste Sonnendorf gegründet hat. Sie ist bis heute, mit 70 Jahren, Managerin der zehn derzeit bestehenden Sun Villages. Sie war früher selbst mal in einem Gefängnis angestellt und hat dort miterlebt, dass sich die Häftlinge große Sorgen um ihre Kinder machten. Deshalb gab sie ihren Job auf und fing an, den Kindern zu helfen. Heute besteht ihre Tätigkeit nicht nur aus Verwaltung, sondern auch besonders aus Pressearbeit und Werbung. Schließlich finanzieren sich die Dörfer nur über Spenden und die Einnahmen der von den Kindern angebauten Pflanzen sowie von ihnen gebastelten Kleinigkeiten. Spenden kann man zum Beispiel, indem man die Kosten für ein Kind übernimmt oder einen Baum finanziert, dessen Früchte dann den Kindern zugutekommen.

Was wird aus den Kindern?

Viele der Kinder leiden durch die Verbrechen ihrer Eltern oder unter dem, was sie in ihrem alten Zuhause erlebt haben. Sie sind z. B. von Epilepsie betroffen, neigen zu psychischen Störungen wie Angststörungen oder werden in der Schule ausgegrenzt. Zwar wird es mit der Zeit im Sonnendorf meistens besser und auch die Lehrer*innen geben sich Mühe, die Kinder zu integrieren, aber der Start ist schwer. Es ist immerhin ein Erfolg, dass die Kinder dort zur Schule gehen können. In China zahlt man immer noch Schulgeld. Ebenso wird ihnen der Kontakt zu ihren Eltern ermöglicht (falls diese noch leben) und Verwandte dürfen sie jederzeit besuchen. Wenn sie 18 Jahre alt sind, müssen sie ausziehen und sich um sich selbst kümmern. Denn das Ziel von Zhang Shuqin war es immer, diesen benachteiligten Kindern eine faire Chance auf ein besseres Leben zu ermöglichen. Mit Erfolg! Aus den Kindern, die damals in das Sun Village kamen, sind heute z. B. Bildhauer*innen oder Ingenieur*innen geworden. Aber auch ohne selbst berühmt zu werden, sind die Zukunftschancen der Kinder bei weitem besser, als wenn sie auf der Straße leben oder ohne Schulbildung auf dem Land arbeiten müssten.

Und warum der Artikel?

Nun, es war mir ein persönliches Anliegen auf Zhang Shuqin und die Sun Villages aufmerksam zu machen. Ich empfand die eingangs erwähnte Dokumentation als sehr bewegend und hätte nicht gedacht, dass man mich mit einem solchen Thema so berühren kann. Schließlich hat man Spendenaufrufe im Fernsehen oder leidende Menschen und Tiere schon so oft gesehen und sich trotzdem nicht viel dabei gedacht. Außerdem fühlt sich die Geschichte dieser Sonnendörfer so an, als hätte man, in absehbarer Zeit, wirklich etwas bewirkt. Als könnte man das landesweite Problem dort vielleicht wirklich lösen. Was nicht heißen soll, dass langfristige Probleme wie der Klimawandel keine Beachtung mehr verdienen. Doch für mein Glücksgefühl ist es besser, die Erfolge und Auswirkungen direkt zu sehen.

Wenn sich jetzt auch nur eine Person zum Nachdenken angeregt fühlt, sich die Doku vielleicht selbst einmal ansieht oder sich z. B. auf der Website der Sun Village Organisation selbst etwas informieren will, dann ist damit schon etwas gewonnen.

Beitragsbild: Felix Michau