Müll & Meer prangt es auf der Schaufensterscheibe in der Johann-Sebastian-Bach-Straße. Wo seit 1882 eine Glaserei über mehrere Generationen bestand, haben heute zwei Tätowierer ihren Platz gefunden.
Hermann ist von sehr schlanker Statur, ein Hering, wie man hier sagen würde. Wenn man ihn nicht kennt, würde er einem erst einmal nicht auffallen. Er spricht recht leise, schlendert entspannt durch die Gegend und das Einzige, was ihn wirklich auffällig macht, ist der wuschelige Bart zusammen mit der dicken Mütze auf dem Kopf – auch im Sommer. Ich habe ihn in seinen neuen Räumlichkeiten besucht, die er zusammen mit Tilo von „Golden Crown“ Tattoos in der Johann-Sebastian-Bach-Straße bezogen hat. In guter Nachbarschaft zum Gestiefelten Kater und dem Ravic haben wir uns ein wenig unterhalten.
„Mein Lebensziel war ja früher als Kind einen Trabi zu besitzen. Den Wunsch habe ich mir mit 17 Jahren schon erfüllt und dann hatte man kein Lebensziel mehr.“
Hermann erzählt auch gleich drauf los: wie wenig er sich mit der Schule identifizieren konnte, wie er dadurch in der Oberstufe recht schnell unterpunktete und so über Umwege, anstatt auf der zweiten Studienfahrt, in einem Tattoostudio landete. Im Rahmen dieses Praktikums kam es dann auch zu seinem ersten Tattoo, das Logo der beliebten Ost-Cola „Vita Cola“ auf dem Arm. Es folgte ein FSJ und eine Ausbildung zum Grafikdesigner.
Die Arbeit im Grafikdesign-Bereich hat ihm sehr gefallen, jedoch sah er sich in der Branche zu sehr als Dienstleister und weniger als kreativ Schaffender. Um dem vorzubeugen, probierte er bereits in seiner Ausbildungszeit an Freunden und Bekannten herum und formte seinen unverkennbaren Tattoo-Stil. Inspiriert haben ihn dabei russische Knasttattoos, über die es ganze Enzyklopädien gibt, um deren Bedeutung und Wesen zu entschlüsseln. Dazu kam noch ein Oldschool-Einfluss aus den 30er und 40er Jahren der USA, mit „dicken Outlines, klaren Designs, die über Jahrzehnte erkennbar bleiben. Keine mini-verschnörkelten Details“.
Kombiniert wird das dann mit Hermanns individuellem Humor, welcher die Designs sowohl auflockert als auch unverkennbar macht. Bestimmte Elemente, wie Blumen oder Kreise, rahmen die Motive quasi ein. So umgeht er einerseits dem Druck der Masse und kann gleichzeitig seinen Stil ohne Einschränkungen ausleben. Das natürlich auch auf Kosten von potentiell weniger Aufträgen als andere Tätowierer, die ein größeres Kundensegment bedienen.
„Ich habe für mich meine Nische gefunden, die ich bedienen kann, und lasse den anderen ihren Raum.“
Bei der Frage nach dem ökonomischen Druck bzw. ob sich das denn rechnet, schmunzelt er. „Für mich reicht es aus, mehr geht natürlich immer. Ich habe aber wahrscheinlich auch nicht diesen riesig hohen Anspruch an einen Lebensstil. Ich bin damit aufgewachsen, wenig Geld zu haben. Irgendwie kommt man ja doch durchs Leben“. Gerade in den Wintermonaten, wenn dann auch mal Termine ausfallen, schnallt er den Gürtel auch mal enger, wie er es beschreibt.
Anfangs hat er Tattoos oft bei den jeweiligen Kunden zuhause oder anderen, dafür eher ungewöhnlichen Orten gestochen. Irgendwann kam dann jedoch der Kontakt mit Tilo zustande, dessen Studio zu der Zeit noch in Schönwalde I lag und damit etwas abseits. Mit dem neuen Studio in der Innenstadt, welches sehr gut zu erreichen ist und auch ab und an mal Laufkundschaft möglich macht, ist Hermann sehr zufrieden.
Doch Laufkundschaft ist bei ihm ein neuer Trend. Auf der Mehrzahl seiner Kunden konnte er sich bereits verewigen, viele kommen immer wieder. So auch z. B. ein Kunde aus Malaysia, welcher einmal im Jahr in Deutschland zu Besuch ist und dann auch gerne einen Abstecher zu Hermann macht. Oder ein Paar aus Dortmund, welches sich einen gemeinsamen Termin bei ihm hat machen lassen und den Urlaub an der Ostsee dann um ihren Termin geplant haben. Einige sind schon von Anfang an dabei, freuen sich über neue Entwürfe und bleiben ihm treu. Die Öffentlichkeitsarbeit läuft bei ihm über den Buschfunk und vor allem Instagram. Messen oder größere Veranstaltungen hat er noch nicht im Visier, weil „da versteht mich ja auch keiner, so leise wie ich rede und so viele Menschen wie da sind“, sagt er.
Ich kenne Hermann schon sehr lange, die Lehrer in den Schulgeschichten sind auch mir nur zu gut bekannt und meine beiden Tattoos von ihm waren für uns beide quasi eine Premiere. Umso spannender ist es, seinen Weg bis in die Gegenwart skizzieren zu können – samt eines Happy Ends. Denn gerade Kreativberufe erfordern meist viel Durchsetzungskraft, ein dickes Fell und sehr gute Ideen. Zum Glück hatte Hermann all das und ist nun fester Bestandteil der Greifswalder Tattoo-Szene.
Ein Beitrag von Annica Brommann und Julia Schlichtkrull
Die Europaparlamentswahlen sind durch und mit den Ergebnissen mag der eine mehr, die andere weniger zufrieden sein. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, ist es wichtig, sich daran zu erinnern, wie viel Gutes eine Europäische Union leisten kann. Vor zwei Wochen fand in diesem Zuge das Bürgerforum „EU & Du – Europa bei uns in Mecklenburg-Vorpommern“ im Pommerschen Landesmuseum statt, bei dem auch Projekte rund um den Ostseeraum vorgestellt wurden, die sich aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung finanzieren. Diese kleine Messe und das anschließende Bürgerforum konnten eindrücklich zeigen, wie vielschichtig und wichtig EU-Politik sowohl international als auch auf kleinerer Bundeslandebene eigentlich ist.
Interreg
Ein Begriff, der dabei immer wieder unweigerlich fällt, istInterreg. Offiziell als „europäische territoriale Zusammenarbeit“ bekannt, versucht Interreg schon seit gut 20 Jahren, Kooperationen auf verschiedenen wirtschaftlichen Ebenen zu stärken, sowohl zwischen verschiedenen Ländern und Regionen, als auch zwischen einzelnen Städten innerhalb einer Region. Diese Zusammenarbeit kann sich auf unterschiedliche Bereiche beziehen, zum Beispiel auf die Verbesserung des Umweltschutzes oder der Infrastruktur, die Schaffung von Arbeitsplätzen oder die Stärkung lokaler Unternehmen. Statt einer Zentralverwaltung durch die Europäische Kommission gibt es für die verschiedenen Projekte von Interreg jeweils eine regionale Leitung, die sich aus Vertreter*innen aller beteiligten Kommunen oder Mitgliedsstaaten zusammensetzt. Dementsprechend kann diese zielführend entscheiden, welche Maßnahmen für ihre Region am besten geeignet sind.
Fische und Umweltschutz
Im Falle MVs und des Ostseeraums drehen sich wohl die meisten der vorgestellten Projekte um das Thema Schifffahrt und Fischerei. Immer wieder wird betont, was für ein bedeutendes Fischerei-Erbe unsere Region darstellt. Zander, Steinbutt und Dorsch und die Räuchereien und Gastronomien, in denen sie verarbeitet und verkauft werden, tragen viel zum Tourismus im Land bei. Deshalb haben es sich Projekte wie MyFish undFish Markets zur Aufgabe gemacht, genau diese kleinen Fischereibetriebe zu fördern, finanziell zu unterstützen und überregional und international miteinander zu verknüpfen.
Andere Projekte wie LiveLagoonsund SBOIL (South Baltic Oil Spill Response) kümmern sich um regionalen Umweltschutz. Sowohl Eutrophierung (also eine erhöhte Nährstoffanreicherung in den Gewässern, verursacht u.a. durch Industrien und Abwässer, die zu Pflanzenwucherungen führt, die dann Meerestieren den Sauerstoff entziehen), als auch Öllacks sind in unserer Ostsee leider noch immer ein schwerwiegendes Problem. LiveLagoons versucht daher durch die Anlage sogenannter Floating Barriers aus Schilf, Ried und Rohrkolben, die überschüssigen Nährstoffe aus unseren Gewässern herauszufiltern. Bei größeren Ölkatastrophen soll SBOIL durch Forschung und Weiterbildungen die BioBind-Methode verbreiten, bei der Öl gezielt aus Flugzeugen abgeworfene Bindungsmaterialien aufsaugt und dann über große Netze an Schiffen an Land gebracht werden kann.
Förderberatung des Leea e.V.
Leea, das Landeszentrum für erneuerbare Energien Mecklenburg-Vorpommern e.V., ist Träger einer Beratung zu Fördermitteln bei Klima- und Energieprogrammen für Privatpersonen, Unternehmen, Kommunen und Investor*innen. Es ist ein unabhängiges Projekt, das nicht in die freie Wirtschaft eingreifen darf, und leistet vor allem Hilfe bei der technischen Beratung, der Prüfung für mögliche Fördermittel und der Weitervermittlung zu Ansprechpartner*innen, um die Umwelt durch geringere CO2-Emissionen zu entlasten.
Das Team von 2 Mitarbeiter*innen und einer halben Stelle beurteilt vor Ort die Möglichkeiten, Fördermittel zu beantragen und eine Energiewende durch effizientere Energienutzung voranzubringen. So können teilweise sogar bis zu 80% der Kosten durch Fördermittel abgedeckt werden. Unter anderem können Heizungsanlagen optimiert, bessere Maschinen gekauft und generell Hilfe geleistet werden bei Möglichkeiten zu einem sparenden Stromverbrauch im Haushalt. Häufig sind viele Wege noch gar nicht ausgeschöpft oder bislang unbekannt.
Diese Beratung ist kostenfrei und ist bisher auf gute Resonanz gestoßen. Zu Großprojekten gehört zum Beispiel auch der Pommersche Diakonieverein.
InGRiP
Das InGRiP-Projekt arbeitet an einer besseren Zusammenarbeit der Rettungsdienste aus Deutschland und Polen, da es in diesem Bereich zu erheblichen Problemen des rechtlichen Rahmens und der Verständigung kommt.
So besteht vor allem eine Grauzone, was die Zuständigkeit bei Notrufen und dem Patiententransport angeht. Wer, wann und wo zuständig ist und wie der rechtliche Rahmen genauer festgelegt werden soll, wird von den Mitarbeiter*innen analysiert und bei der Gesetzgebung als Beratung hinzugezogen. Momentan besteht zum Beispiel noch das Problem bei zu langen Transportwegen auf Usedom: das Gesetz sieht vor, dass das weiter entfernte Krankenhaus in Wolgast angefahren werden muss, wo doch das polnische Krankenhaus in Swinemünde weitaus näher liegt.
Ein weiterer Aufgabenbereich ist die Sprachschulung der Rettungsteams, sodass sich diese möglichst zweisprachig, sowohl untereinander als auch mit den Patient*innen, verständigen können. Darüber hinaus sollen die Bedingungen für eine gemeinsame Luftrettung verbessert und festgelegt, sowie die gemeinsame, zweisprachige Schulung in Simulationsübungen und Rettungsdienstszenarien vorangetrieben werden.
Partner des Projektes sind unter anderem die Universitätsmedizin Greifswald, das Greifswalder Institut für Slawistik und mehrere Luft- und Rettungsdienste, zum Beispiel aus Stettin, Greifswald oder Szczecin-Goleniów.
EU-Verdrossenheit?
Anschließend an die Messe fand am 15.05. ein zweistündiges Bürgerforum statt, bei dem dann doch wieder der Eindruck aufkommen konnte, dass EU-Politik vom einzelnen Bürger recht weit entfernt ist. Alle geladenen Gäste – darunter der Generaldirektor für Regionalpolitik und Stadtentwicklung bei der Europäischen Kommission Marc Lemaître und die Landräte der Landkreise Vorpommern-Greifswald und Vorpommern-Rügen Michael Sack und Dr. Stefan Kerth – betonen zwar in einer kleinen Fragerunde, dass für sie die EU auch privat eine zentrale Rolle spiele, nicht zuletzt für Friedenssicherung oder kostenloses Roaming. Aber viele Fragen aus dem Publikum blieben dennoch unbeantwortet. Warum gelingt es Politiker*innen oft nicht, das Interesse der Bevölkerung an wichtigen politischen und wirtschaftlichen Themen zu wecken? Warum ist das Einheitsgefühl, das die EU vermittelt, zum Teil außerhalb der EU stärker zu spüren als innerhalb? Warum sind die lautesten Stimmen aus den Reihen der Politiker*innen oft die derer, die gar keine EU wollen? Auch Artikel 13 und Fridays for Future wurden erwähnt und die vielleicht drängendste Frage: Warum nimmt das Europäische Parlament die Sorgen der Bevölkerung, vor allem der jüngeren Generation, oft nicht ernst?
Ob es der EU gelingt, bürgernäher zu werden und gleichzeitig die gute, bereits existierende Zusammenarbeit an lokalen Projekten beizubehalten, müssen die nächsten fünf Jahre zeigen.
Hallo, mein Name ist Mels. Normalerweise kennt ihr mich vom Podcast JETZT WIRDS ERNST oder dem einen oder anderen Artikel im Magazin oder im Web. Dieses mal jedoch wollen wir etwas Neues ausprobieren. Da beim Podcast von der Aufnahme bis zur Ausstrahlung immer zwei Wochen liegen, ist uns aufgefallen, dass wir auf aktuelle Themen nur schwer eingehen können. Das liegt vor allem daran, dass sie in unserer schnelllebigen Zeit oft schon irrelevant geworden sind oder sich die Situation so verändert hat, dass unsere Kommentare dazu nicht mehr die aktuelle Situation widerspiegeln.
Um dieses Dilemma zu lösen, haben wir nun ein neues zusätzliches Projekt erdacht. Das Projekt von “Jetzt wird’s kurz”. Dabei soll es in der Regel um aktuelle Ereignisse gehen, die wir schnell und knackig besprechen. Das schnelle Aufnehmen und Hochladen wird dadurch erreicht, dass wir uns für dieses Format nicht persönlich treffen müssen, sondern uns die Möglichkeiten dieses fantastischen Internets zu eigen machen wollen.
Dummerweise kam es gleich bei unserer ersten Aufnahme zu Problemen. Diese Probleme sind zum einen die Schuld von technischen Details, Unvermögen des Aufnehmenden (also mir) und Putin (Putin Schuld geben, geht immer). Achtung Satire! Leider schaden diese Probleme sehr der Tonqualität. Da wir aber allesamt finden, dass es dennoch zu einem interessanten Gespräch gekommen ist, wollen wir Euch die Aufnahme nicht vorenthalten.
Sollte Euch dieses Format gefallen (abgesehen von der miserablen Tonqualität) oder falls Ihr Anregungen für uns habt, wie wir das Format verbessern können, oder Ihr findet, dass wir es besser lassen sollten, schreibt Eure Meinung in die Kommentare oder schreibt uns direkt unter web-moritz@moritz-medien.de.
Thema Heute: EU Wahl
Ein Kommentar von Thore Schulz, Tom Siegfried und Mels.
Politiker*innen diskutieren Europa in Greifswald. Gestern fand die Podiumsdiskussion zur Europawahl statt. Diskutiert haben von der SPD Heiko Miraß,von der FDP Karoline Preisler, von den Grünen Niklas Ninaß und von der Linken Helmut Scholz. Marcel vom radio98eins übernahm die Moderation und führte uns durch die 1 1/2 stündige Diskussion. Wir haben hier nur einige Fragen und Antworten verknappt zusammengefasst. radio98eins veröffentlicht in den nächsten Wochen einen Mitschnitt. Den Link dazu findet Ihr dann auch hier.
Nach Fragen zu Streit in der EU kam die Frage, inwieweit die EU auf einen weiteren Flüchtlingszustrom vorbereitet ist. Und welche Maßnahmen es gibt, um die Lage in den Aufnahmeländern zu verbessern? Hier herrschte bei allen Parteien eine klare Einigkeit darüber, dass die EU einem weiteren Strom derzeit nicht gewachsen wäre. Während sich die FDP und die Grünen für ein sinnvolleres Einwanderungsgesetz aussprachen, waren sich Linke und SPD im weitesten darüber einig, dass man Konflikte und Probleme angehen muss, um weitere Fluchtursachen zu verhindern.
Die nächste Frage von Marcel wurde teilweise schon in den vorherigen Antworten angerissen. Die Klimapolitik. Wie kann die EU auf die die Fridays for Future – Bewegung antworten? Die Vertreterin der FDP ging erstmal auf die Lösungen im eigenen Haushalt ein, bevor sie darauf plädierte, dass es eine vereinte europäische Lösung für den Klimawandel geben muss. Auch der Vertreter der Linken fordert eine geeinte Lösung. Noch wird zu viel geredet und zu wenig umgesetzt. Der Vertreter der SPD sieht einen Lösungsansatz in der Einführung von einer Art CO2-Steuer. Der Vertreter der Grünen hält ein CO2- ETS-System für eine mögliche Antwort auf das Problem der Nichteinhaltung der Klimaabkommen der EU.
Es folgen noch verschiedene Fragen aus dem Publikum, direkt an die einzelnen Parteien gerichtet. Zu den Themen Migration, Solarenergieausbau, EU-Armee bis hin zum Iran sollten die Politiker*innen ihre Einschätzungen abgeben. Mehr erfahrt ihr dann bei radio98eins.
Macht Euch aus den Parteiprogrammen ein eigenes Bild oder nutzt den Wahl-O-Mat für einen knappen Überblick über die Parteien bei den Europawahlen. Für die Kommunalwahlen haben wir die Parteien und Bündnisse selbst befragt, das findet Ihr hier. Geht am Sonntag wählen!
Im Rahmen der Nachhaltigkeitswoche und in Zusammenarbeit mit der AG Ökologie wurden am Dienstag, den 13. Mai, zwei Wiesen am Beitz-Campus bepflanzt. Ein Beitrag von Anna Torzewski und Annica Brommann
Mit rund 30 engagierten Helfer*innen traf das Projekt auf große Zustimmung. Zunächst war ein bisschen Schwerstarbeit angesagt, denn der ziemlich trockene und teils steinige Boden musste mit Hacken aufgelockert werden, damit die Samen einen besseren Bodenschluss bekommen. Danach wurde das Saatgut mit Sand vermischt, ausgesät und am Mittwoch maschinell gewalzt. Die Samen stammen ausschließlich aus dem nordostdeutschen Raum, von einer Firma, die auf Bienenwiesen spezialisiert ist. Unter der Mischung befinden sich mehr als 50 Wildkräuter und Kulturarten, wie zum Beispiel Oregano, Nachtkerze, Salbei, Lichtnelke, Ringelblume, Beifuß und Sonnenblume. Wenn alles gut läuft, kann man in ein paar Wochen die ersten Sprösslinge sehen und sich dann im Sommer an einem bunten Blütenmeer erfreuen.
Doch nicht nur ästhetische Gründe sprechen für die Anpflanzung solch einer Wiese. Bienen, Käfer, Schmetterlinge und andere Insekten sind auf solche Grünflächen angewiesen, vor allem, da immer mehr Fläche bebaut wird. Bienen bestäuben unsere Nutzpflanzen und sind wie andere Insekten Teil der Nahrungskette. Das Aussterben der Insekten hat dann zur Folge, dass sich die Bestände, zum Beispiel der heimischen Vögel, dezimieren.
Neben einem schönen Ort zum Entspannen bieten Bienenwiesen sogar einen praktischen Nutzen: Die Flächen sind jetzt sozusagen ein Selbstläufer und müssen nicht mehr gedüngt werden und nur noch ein Mal pro Jahr gemäht werden, was deutlich kosteneffizienter ist als vorher.
Auch wir Studierende können zu Hause im Garten oder auf unseren Balkonen etwas für die Insekten tun. Nach eigener Vorliebe und Interesse können verschiedene Pflanzen wie Salbei, Sonnenblumen oder einfach eine Samenmischung gepflanzt werden, die bestenfalls über einen längeren Zeitraum bestehen.
Zukünftig werden vielleicht weitere Projekte wie das der Bienenwiese kommen, je nachdem wie sich die Wiesen entwickeln und bei der Studierendenschaft ankommen. Für mögliche Projekte kam unter anderem zum Gespräch, dass universitäre Bienenvölker ein sehr moderner und umweltbewusster Vorschlag wären, welcher sich an der Idee der städtischen Bienenvölker orientiert.
EU-Wahlen in einem Land, das die EU schon längst verlassen wollte. Heute sind die Wahlen zum Europäischen Parlament u.a. in Großbritannien. Ein geteiltes Land. Der Chef der Brexit-Partei bekommt einen Milkshake ab, das Parlament soll über ein zweites Referendum entscheiden und jeden Tag sind Demonstrationen vor dem Britischen Parlament in London.
Diese Demonstrationen habe ich mir mal genauer angeschaut. Es sind keine Riesenaufmärsche mehr wie vor zwei Monaten. Es sind kleine Demonstrationen mit 10-15 Personen pro Seite, wenn überhaupt. Meistens am Nachmittag, so bis 16-17 Uhr. Es stehen sich die Pro-Brexit-, auch Brexiteer und die Anti-Brexit-Vertreter*innen, auch Remainers genannt, gegenüber oder neben einander. Sie unterscheiden sich sehr offensichtlich: die einen mit EU-Flaggen, die anderen mit „Vote Brexit-Party“-Schildern. Die Demonstrierenden sind ein beliebtes Fotomotiv bei den zahlreichen Touris, die am Parlament vorbeiströmen. Und das genießen beide Seiten. Sie lassen sich gerne fotografieren und posieren mit ihren Schildern.
Beide sind vor dem Parlament, um der britischen Regierung zu
sagen, dass sie die Politik furchtbar finden. Die einen wollen den Brexit
endlich durchhaben, die anderen wollen diesen noch aufhalten. Gerne motzen sie
sich dabei auch mal gegenseitig an.
Aber wie stehen die Pro- und Anti-Brexit Seite zur
EU-Wahl?
Ich habe jeweils eine Vertreterin der zwei Seiten gefragt. Diese „Umfrage“ ist nicht repräsentativ. Die Antworten geben aber zumindest einen kleinen Einblick in die verschiedenen Meinungen zur EU-Wahl. Und schließlich stehen sie vor dem Parlament, um gehört zu werden, also warum nicht mal fragen?
Wählen gehen
Am wichtigsten: beide werden heute wählen gehen. Beide glauben an die Demokratie. Beide wollen mehr Demokratie, die in ihrem eigenen Land nicht existiere. Die Vertreterin der Remainer sagt klar, dass sie die Green Party wählen wird, die sich u.a. für ein zweites Referendum und ein Bleiben in der EU stark machen wollen. Sie verstehe nicht, warum das Parlament überhaupt für etwas kämpfe, das sie nicht wollen. Vor allem müssen sie nicht, da das Referendum nicht zwingend gewesen sei. Sie hofft darauf, dass mehr junge Leute zur EU-Wahl gehen als zum Referendum. Diese Hoffnung hat sie noch, andererseits stünde sie nicht hier, sagt sie.
Die Vertreterin der Brexiteer sagt ehrlich, dass es eine missliche Lage ist, an der EU-Wahl teilzunehmen. Laut ihr ist Großbritannien schon seit dem 29. März aus der EU ausgetreten. Sie wird trotzdem wählen, die Brexit-Party und diese werde auch gewinnen. Sie kritisiert die Premierministerin Theresa May klar. Diese trete nicht für den Willen der Bevölkerung, die Demokratie, ein, denn sie sei ein Remainer. Die Brexit-Bewegung solle sich voran bewegen und wählen gehen.
Choose Your Future Or Somebody Else Will
Diese beiden Seiten rufen also klar zur Wahl auf. Genau so wird auch Werbung an Londoner Bushaltestellen und in den Underground-Stationen gemacht. Mit dem Zitat: „Choose your future or somebody else will“ wird die Bevölkerung zur Wahl zum Europaparlament aufgerufen. Sehr dezent, aber trotzdem treffend.
Andere Stimmen kommen von der sogenannten Left Leave-Bewegung, die zum Boykott der EU-Wahl aufrufen. Denn jede Stimme bei der EU-Wahl sei eine Stimme für die EU. Und das sei nach dem Referendum demokratisch nicht mehr vertretbar. Eine Gruppe ist die Young Communist League, die grob gesagt, die EU für Arbeiter feindlich und Firmen bevorzugend sieht. Dazu konnte ich aber leider niemanden befragen.
EU-Wahl als Chance
Die EU-Wahl wird von den beiden Befragten also irgendwie doch als Chance gesehen. Sie wollen wählen, um ihrer Haltung gegenüber der EU Ausdruck zu verleihen. Ich bleibe auf jeden Fall gespannt, wie die Wahlbeteiligung in Großbritannien ausfallen wird. Es bleibt spannend, ob mehr junge Menschen an den Wahlen teilnehmen als am Referendum. Und wird die Brexit-Partei gewinnen, wie es Prognosen schon voraussagen? Das erfahren wir leider erst frühestens Sonntagabend, wenn die Auszählungen der kompletten EU-Wahl anfangen.
Nichtsdestotrotz will ich an dieser Stelle die Londoner U-Bahn zitieren: Wählt Eure Zukunft selbst, sonst tut es jemand anders!