Wie schafft Wladimir Putin es, die Geschichte zu verdrehen und seine grausamen Taten mit Wörtern anzudeuten und später zu rechtfertigen? Ein Experte erklärt die Strategie hinter der Sprache des russischen Herrschers. Live. In Farbe. Hier in Greifswald. Der webmoritz. berichtet von Prof. Nicolosis Vortrag am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg.
Der 24. Februar 2022 ist der Tag, an dem Undenkbares und überwunden Geglaubtes plötzlich erschütternd echte Realität wird. Russland überfällt nach Befehl von Machthaber Wladimir Putin die Ukraine. Eine „militärische Spezialoperation“, die sich in einen bis heute andauernden, schrecklichen Krieg verwandelt. Am frühen Morgen jenes 24. Februars hält Präsident Putin eine Ansprache, in der er seinen Befehl versucht zu begründen, zu legitimieren und eine Botschaft an die Welt zu senden.
Doch wie schafft er es, seine Sicht der Geschehnisse zu verbreiten? Welche klassischen Elemente der Kriegsrhetorik finden sich bei ihm wieder? Und warum sollte man sich angesichts der grausamen Folgen des Angriffs überhaupt mit so etwas Banalem wie Rhetorik befassen? Antworten auf diese Fragen gab Prof. Riccardo Nicolosi am Montagabend (15.04.) in seinem Vortrag „Putins Kriegsrhetorik“ im Greifswalder Alfried Krupp Wissenschaftskolleg. Die gut besuchte Veranstaltung war der Auftakt der Fellow Lectures des Kollegs, die Zuhörer*innen im ganzen Sommersemester spannende Einblicke in verschiedenste Forschungsgebiete eröffnet.
Putin ist kein begnadeter Redner
Prof. Nicolosi stellt zu Beginn direkt klar, was Putin nicht ist: ein begnadeter Redner. Er sei oberlehrerhaft, anstrengend und wenig charismatisch. Er bewegt die Massen nicht. Er überzeugt nicht in Debatten. Er kann bei Großveranstaltungen nicht mitreißen. Warum? Weil er es nicht nötig hat. Bevor der Präsident auch nur sein erstes Wort spricht, hat er Vorkehrungen getroffen, die den „Erfolg“ seiner Rede garantieren sollen. Putin, so Nicolosi, meide Reden vor großen Menschenmassen auf öffentlichen Plätzen. Wer keine demokratische Wahl hat, muss sich auch nicht, wie beispielsweise Merkel 2013, in einem TV-Kanzlerduell den überaus stechenden Fragen eines Stefan Raab stellen. So eine öffentliche Debatte gibt es in Russland, in dessen Inland laut Nicolosi in den vergangenen zwei Jahren noch repressiver und totalitärer agiert wird, schlichtweg nicht. Und selbst wenn Putin sich in einer Fernsehsendung Fragen eines Publikums stellt, sind die Personen sowie deren Fragen selbstverständlich zuvor abgesprochen. Diese Inszenierung diene nur dazu, eine Nähe des Herrschers zu seinem Volk zu suggerieren, erläutert Nicolosi.
Sind die passenden Voraussetzungen geschaffen, kann Putin seine Botschaften verkünden. Dazu bedient er sich verschiedener rhetorischer Mittel. Aber was ist Rhetorik überhaupt? Nicolosi erläutert diesen Grundstein seines Vortrags mit dem antiken griechischen Philosoph Platon. Laut diesem ist Rhetorik eine „ethische Überzeugungskunst zur Konsensbildung“. Eine demokratische Kunst also. Aber nicht in Russland. Dort gibt es keine Konsensbildung. Putin ist der Konsens.
„Die Kunst der Rhetorik ist laut Platon eigentlich eine demokratische Kunst.“
Prof. Riccardo Nicolosi
Die Subform der Kriegsrhetorik ist eine spezielle, wird sie doch nur im Ausnahmezustand genutzt. Laut Nicolosi kreiert diese Rhetorik einen begrenzten Möglichkeitshorizont, in dem Gewaltanwendung legitimiert wird. Was heißt das konkret? Putin stellt sein Land allgemein als ewiges Opfer des Westens dar, welcher eine ständige Bedrohung für das Fortbestehen Russlands sei. Er geht dabei weit in die Geschichte zurück und behauptet, der Westen wolle Revanche für die Niederlage Napoleons im Jahre 1812 (!). Bemerkenswert: In seiner 30-minütigen Rede am 24. Februar 2022 erwähnt Putin die Ukraine in den ersten 15 Minuten nicht ein einziges Mal. In genannter Rede bedient er sich laut Nicolosi klassischer Mittel der Kriegsrhetorik, die schon viele Tyrannen und Herrscher vor ihm verwendeten.
Zu Beginn gibt es die sogenannte Justification Speech, die dazu dient, die Entstehung der Situation zu erläutern und das Vorgehen zu legitimieren. Putin schildert seine Sicht der Vergangenheit, indem er auf einen angeblichen Genozid an der russischsprachigen Bevölkerung im Donbas, in der Ostukraine, verweist. Das leitet auf das nächste Stilmittel ein: die Alternativlosigkeit des Handelns. Der Genozid müsse gestoppt werden, bevor es zu spät ist. Die „ukrainischen Neonazis“ müssten aufgehalten werden. Nicolosi erklärt, dass der Begriff Nazi in Putins Sprachgebrauch generell einen tyrannischen Feind beschreibt und nicht mehr viel mit der eigentlichen Nazi-Ideologie gemein habe. Zum Schluss seiner Rede zu Kriegsbeginn erwähnt Putin zudem klassisch die Siegessicherheit der „Militäroperation“, die die Führung in Kiew ersetzen und eigentlich nur wenige Tage andauern sollte.
Warum sollte man sich überhaupt mit Putins Rhetorik beschäftigen?
Nicolosi ist es wichtig, die Relevanz des Vortragsthemas hervorzuheben. Die Sprache Putins war der Aggressivität seiner Taten immer mindestens einen Schritt voraus. Putin habe in seinen Reden in den vergangenen Jahren immer wieder undeutlich ausgesprochen, dass eine Intervention in der Ukraine nötig sei. Bereits 2014 deutete er dies in seiner „Blut und Boden“ Rede sehr bildhaft an: „Wenn man eine Feder immer weiter zusammendrückt, wird sie irgendwann mit aller Kraft auseinanderspringen“. Damit spielt er auf die Zeit nach dem Fall der Sowjetunion an, in der er Entwicklungen wie die NATO-Osterweiterung beobachten musste, die für ihn und sein Land eine „Demütigung“ seien.
„9 von 10 Russen haben wahrscheinlich noch nie eine Rede Putins gesehen“
Prof. Riccardo Nicolosi
Die Bezeichnung der „militärischen Spezialoperation“ wählt Putin nicht ohne Grund, wie Nicolosi erklärt. Eine Spezialoperation könne man abbrechen, wenn das Ziel erreicht sei. Einen Krieg könne man nur gewinnen oder verlieren. Hoffnung, dass diese Spezialoperation wirklich zeitnah beendet wird, lässt sich daraus aber wohl nicht schöpfen.
Zum Abschluss der Veranstaltung konnte das Publikum Fragen an Professor Nicolosi stellen. Besonders die Frage nach der Wirksamkeit der Reden stand dabei im Zentrum. Nicolosi stellte klar, dass 9 von 10 Bürgern Russlands wahrscheinlich nie eine Rede Putins verfolgt hätten. Ihnen sei auch völlig unklar, was Putin mit Begriffen wie „Entnazifizierung“ überhaupt meine. Es sind programmatische Reden. Putin sei kein Populist, so Nicolosi. Er wolle den Willen der Massen nicht auf sich ziehen. Das stehe ganz im Gegensatz zu jemandem wie Trump, der sich in einem ständigen Wahlkampfmodus befinde.
Nicolosi gelang es in seinem Vortrag, Putins Rhetorik wissenschaftlich einzuordnen und die Zuhörer an ihrem Wissensstand abzuholen. Sein Fachwissen über die Sprache und das russische System trugen zu einer überaus interessanten Abendveranstaltung bei.
Zum Vortragenden
Riccardo Nicolosi ist Professor für Slavische Philologie (Literaturwissenschaft) an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er lehrte zuvor an den Universitäten Konstanz, Bonn und Bochum und war Visiting Professor an der University of California, Berkeley. Im Sommersemester 2024 ist Riccardo Nicolosi Senior Fellow am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald. In diesem Semester gibt es weitere Vorträge von Gastmitgliedern des Wissenschaftskollegs, Infos dazu gibt es hier.
Zur Person der*des Autor*in
Mit 21 Jahren ist der Autor 2022 aus der niedersächsischen Kleinstadt in unsere Kleinstadt am Meer gezogen. Beflügelt vom Wissen der Politik- und Kommunikationswissenschaft möchte er die Medienwelt betreten. Beflügelt ist auch sein Lieblingstier, der Weißkopfseeadler.
Junge Menschen suchen oft nach Möglichkeiten, schnell Geld zu verdienen. Doch die vermeintlich einfache Lösung kann schwerwiegende Folgen haben.
Berlin-Die moritz.medien hatten die Möglichkeit, einen Staatsanwalt zu interviewen. Dieser berichtet von einer wachsenden Zahl junger Menschen, die durch Betrügereien in Schwierigkeiten geraten sind. Er beschreibt, wie die Masche der Online-Betrüger funktioniert: Junge Menschen werden mit harmlos klingenden Nebenjobangeboten angelockt, die nur eine Aufgabe beinhalten: die Nutzung des eigenen Kontos für Geldüberweisungen. „Die Arbeit besteht darin, Gelder zu empfangen und dann an ein anderes Konto weiterzuleiten“, erklärt er nüchtern.
Die Strategie der Betrüger
Die Methode der Betrüger ist perfide: Über gefälschte Online-Shops werden unschuldige Käufer mit Schnäppchenangeboten geködert. Besagte Shops wirken täuschend echt – die Preise liegen oft weit unter dem Marktwert, was viele Käufer anzieht. Das Geld fließt dann nicht direkt an die Betrüger, sondern auf das Konto der Jugendlichen. Junge Menschen, die oft nur eine geringe Provision erhalten, leiten die Beträge gutgläubig an das Konto der Kriminellen weiter. Dabei glauben sie, einen einfachen Job gefunden zu haben, oft ohne die kriminellen Hintergründe zu verstehen.
Der Staatsanwalt beschreibt die Tragweite dieses Szenarios: „Die Seiten sind ganz gut gemacht. Sehen aus wie ein ganz seriöser Online-Shop.“ Erst wenn die ersten Warnungen im Internet auftauchen oder die Bank unerwartete Rückbuchungen vornimmt, beginnen die Jugendlichen, misstrauisch zu werden. Doch zu diesem Zeitpunkt haben sie sich meist bereits strafbar gemacht und blicken ungewollt in die Schuldenfalle.
Die Nachverfolgbarkeit der Initiator*innen gestaltet sich für die Ermittelnden mehr als schwierig. Das Geld wurde längst ins Ausland transferiert, die betroffenen Konten existieren nicht mehr, oder die involvierten Banken handeln unkooperativ. Eine solche „internationale Schnitzeljagd“ ist verzwickt und größtenteils aussichtslos. Im Interview wird uns erklärt: „Unsere Ermittlungen enden praktisch meistens an der deutschen Grenze.“ Selbst innerhalb der EU sind die Strukturen komplex, was die Strafverfolgung erschwert.
Die Folgen der Geldwäsche für die Jugendlichen
Die Folgen dieser vermeintlich harmlosen Tätigkeit können dramatisch sein: Jugendliche, die lediglich als „Geldübermittler“ fungieren, begehen den Straftatbestand der Geldwäsche. Sobald sie das Geld weiterleiten, geraten sie nicht nur ins Visier der Justiz, sondern können auch zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen werden:
Finanzielle Belastungen: Mit zivilrechtlichen Klagen und Schadenersatzforderungen entstehen für die Jugendlichen oft Schulden, die sie über viele Jahre abzahlen müssen.
Zivilrechtliche Konsequenzen: Geschädigte Käufer haben das Recht, ihr verlorenes Geld zurückzufordern – oft direkt von den Jugendlichen.
Strafrechtliche Konsequenzen: Die Jugendlichen riskieren eine Verurteilung wegen Geldwäsche, was schwerwiegende Einträge im Strafregister bedeuten kann.
„Der Hintergrund ist, dass wenn man ein bisschen nachgedacht hätte, mitbekommen würde, dass die Sache stinkt. [… Dadurch, dass] mehr als Fahrlässigkeit vorliegt – [wird der Sachverhalt] damit eine Leichtfertigkeit. Das ist eine Schuldform, die für den Tatbestand der Geldwäsche ausreicht.“
Der Staatsanwalt im Interview mit den moritz.medien
Ermittlungen und Prävention
Um präventiv zu wirken, appelliert der Staatsanwalt an ein kritisches Hinterfragen solcher Jobangebote: „Man muss sich doch immer die Frage stellen, warum hat der kein eigenes Konto? Warum will der mir Geld geben fürs Konto zur Verfügung stellen?“ Eltern, Schulen und Banken sind also gefordert, Jugendliche frühzeitig über diese Masche aufzuklären und ihnen ein gesundes Maß an Misstrauen mitzugeben.
Ein Kreislauf aus Täuschung und Konsequenzen
Mit scheinbar einfachen Angeboten schaffen es die Betrüger, Jugendliche in eine Schuldenfalle zu locken, die sie erst spät erkennen. Die Täuschung ist gut durchdacht, doch die Konsequenzen treffen am Ende vor allem die jungen Opfer. Der Staatsanwalt bleibt mit seinen Warnungen an Eltern und Jugendlichen engagiert, um diesem perfiden Kreislauf entgegenzuwirken – ein Kreislauf, in dem viele erst viel zu spät den echten Preis der „leichten Nebenjobs“ verstehen.
Am Sonntag, den 25.02., lud das neugegründete Bündnis für Demokratie zu einer Kundgebung auf dem Marktplatz ein. Personen aus Universität, Kirche, Wirtschaft, Sport und Politik sowie aus der Studierendenschaft hielten Ansprachen. Es war die dritte Demo gegen Rechts in Greifswald seit den Nachrichten zu dem rechtsextremen Geheimtreffen in Potsdam, das zweite neugegründete Bündnis gegen rechte Tendenzen in diesem Jahr und die erste dieser Demos bei Sonnenschein.
Von Luise Markwort und Juli Böhm
Sonntag, kurz vor 14 Uhr. Die Sonne kam ab und zu zwischen den Wolken hervor. Auf dem Marktplatz in Greifswald waren mehrere hunderte Menschen zusammengekommen, um für Demokratie und gegen Rechts zu demonstrieren. Neben den üblichen Parteiflaggen und Bannern gab es auch Schilder mit Aufschriften wie „Omas gegen Rechts“, „Höcke isst heimlich Döner“ und „Kindergarten Antifa“, komplett mit dem Neinhorn.
Wie auch schon auf den beiden vorangegangen Demonstrationen Ende Januar war auch bei dieser Demo Hennis Herbst Versammlungsleiter. Hennis Herbst ist stellvertretender Landesvorsitzender der Linken Mecklenburg-Vorpommern und studentischer Prorektor der Uni Greifswald. Er hatte die Demonstration gemeinsam mit dem neugegründeten Greifswalder Bündnis für Demokratie organisiert. Nach einer kurzen Begrüßung, bei der er sich bei allen Unterstützenden bedankte und kurz das Organisatorische zu den Ordner*innen und den Flucht- und Rettungswegen klärte, gab er das Wort an den Oberbürgermeister Dr. Stefan Fassbinder weiter.
Dr. Stefan Fassbinder, Oberbürgermeister von Greifswald, begann damit, dass er am liebsten alle Demonstrierenden einzeln begrüßen wollen würde. Da dies jedoch zu lange gedauert hätte, beließ er es bei einer Person: Dr. Arthur König, seinem Vorgänger, den er als Vorbild sehe. Dieser liefe dereinst an der Spitze der Demos gegen die NPD. Anschließend erklärte Fassbinder, wofür das Bündnis und die Kundgebung stehen und standen. Für Demokratie, denn diese sei unter Druck geraten. Dies äußere sich in Greifswald vor allem durch Gewalt und gehe so weit, dass einige Personen aus der Bürgerschaft nicht mehr kandidieren möchten. Für Vielfalt, welche eine Bereicherung und auch eine Chance für die Stadt und ebenfalls nötig für die wirtschaftliche Zukunft sei. Gegen Rechtsextremismus und für die Werte des Grundgesetzes. Auch Islamismus, Linksextremismus und Antisemitismus wurden von Fassbinder erwähnt.
„Wir stehen hier zusammen, um uns zu verteidigen […].“
Dr. Stefan Fassbinder, Oberbürgermeister von Greifswald
Tilman Jeremias, Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, sprach danach. „Wir müssen hier sein“, sagte er. „Demokratie ist unser aller Sache. Wir alle sind verantwortlich, sie zu gestalten.“ Denn die Demokratie sei in Gefahr. Der Ton in der Gesellschaft würde aggressiver werden, Leute mit Migrationshintergrund hätten Angst. Er habe zum Beispiel mit einem Briten gesprochen, der sich nach vielen Jahren in Deutschland nun unsicher fühle. Es sei wichtig, sich hinter die Grundordnung zu stellen. Er betonte ebenfalls die Wichtigkeit der Menschenwürde eines jeden Menschen für den göttlichen Glauben – Diskriminierung sei mit der Menschenwürde nicht zu vereinen. Er sagte weiterhin, wir alle hätten eine große Aufgabe bis zur Kommunalwahl: Wir sollen mindestens einer Person, die rechts wählen würde, zuhören und sie konfrontieren. Wir sollen aktiv ins Gespräch kommen und uns hinter das stellen, was für uns wichtig sei. Er kenne Fälle, in denen es geklappt habe, Menschen zum Nach- und Umdenken zu bringen.
„Greifswald soll offen bleiben, vielfältig und bunt – dafür sind wir hier.“
Tilman Jeremias, Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland
Prof. Dr. Katharina Riedel, unsere Rektorin, sprach viel von Wissenschaftsfeindlichkeit. Die aktuelle Tendenz in der Gesellschaft sei gefährlich. Sie warnte vor dem Leugnen von Fakten, vor Schwarz-Weiß-Malerei und Verschwörungstheorien – es würden Erkenntnisse geleugnet, die wissenschaftlich unverrüttbar seien. Sie nannte die verschiedenen Themen, an denen die Universität forscht, unter anderem zu Klimastrategien und demografischem Wandel. Dies alles sei nur möglich mit einer offenen Willkommenskultur und interkulturellem Austausch. Denn die internationale Gesellschaft sei eine große Bereicherung und eine Grundlage dafür, dass die wissenschaftliche Arbeit erfolgreich durchgeführt werden könne. Und ohne wissenschaftliche Erkenntnisse käme die Gesellschaft nicht voran. Die Ideen und Sichtweisen von internationalen Studierenden und Studierenden mit Migrationshintergrund seien zudem essenziell.
Darauf folgte der Chor NoLimHits mit dem Lied „Laut sein“, wo es heißt „Wir müssen laut sein, um all den Hass und all die Wut zu übertönen.“
Weiter ging es mit der Rede der Unternehmerin Prof. Dr. Dagmar Braun. Sie betonte, wie wichtig Studierende und internationale Mitarbeitende für Unternehmen seien – gerade auch für die Kommunikation mit internationalen Kund*innen. Sie würde gerne stolz auf Greifswald sein, aber sagte, es wäre schwierig, Leute nach Greifswald zu holen, wenn der Stadt der Ruf voraus eile, es tobe ein rechter Mob durch die Stadt. Sie spricht ebenfalls von den Vorteilen internationaler Arbeitsgruppen: „Je multikultureller die Diskussionsrunden, desto produktiver.“ Aber zu ihr kämen auch Beschäftigte und sagen, sie würden sich unwohl in der Gesellschaft fühlen. Als Trägerin der Rubenow-Medaille würde sie jedoch gern weiterhin stolz auf Greifswald sein, denn Greifswald sei jung und tolerant und weltoffen.
„Jede*r soll helfen, dass wir vorankommen als vielfältige Stadt.“
Prof. Dr. Dagmar Braun, Unternehmerin
Wie der Bischof hatte auch Braun eine Bitte: „Wenn Ihnen rechtsextreme, intolerante Gedanken begegnen, sagen Sie etwas. Seien Sie nicht die schweigende Mehrheit. Sagen Sie ruhig und bestimmt: ‚Ich sehe das anders und die Mehrheit sicherlich auch.'“ Es sei wichtig, dies ohne Aggression zu tun – nur so würden die Parolen aufhören, die niemand mehr hören wollen würde. Weiter ermahnte sie Eltern, das Internetverhalten ihrer Kinder im Blick zu behalten, und warnt vor Rechtsextremen auf TikTok. Hier geschehe Bildung, die sich dem elterlichen Einfluss entziehe.
Dr. Dirk-Carsten Mahlitz vertritt als Leiter des Greifswalder Sportbundes über 12.000 Sportler*innen und zog viele Vergleiche zwischen Sport und Demokratie. Sport habe einen sozialen Aspekt, welcher die Gesellschaft widerspiegele, denn überall haben Menschen aller Hintergründe die Möglichkeit Sport zu treiben. Sowohl Sport als auch Demokratie haben Regeln und werden von Vielseitigkeit stärker. Sport lehre zudem, wie mit Siegen und Niederlagen gerecht und mit Meinungen würdig und friedlich umgegangen werden könne. Leider gebe es zu viele Spaltungen und Menschen, die sich nicht mehr an die Regeln halten würden – Sport könne wieder Brücken bauen und für Vernetzungen sorgen. Zudem erzählte er von einem Ehrenkodex, der besage, wie demokratisch Sport betrieben werden könne und der von allen Vereinen unterschrieben worden sei. Dieser verspreche unter anderem, dass auf das Recht auf körperliche Unversehrtheit geachtet werde und andernfalls dagegen angegangen werde. Zudem werde jede Form von politischem und religiösem Extremismus abgelehnt. Als Vorbilder wollen sie Zivilcourage und Engagement vorleben und die Sportler*innen anregen, dies ebenfalls zu tun. Zum Schluss zitierte er einen bekannten Fußballer:
„Der Sport zeigt uns, dass in Sport Einheit liegt. Egal welche Hautfarbe, Religion und Herkunft, auf dem Fußballfeld sind wir alle gleich.“
Kurz vor drei betrat Sophie Tieding, Präsidentin des Studierendenparlaments, die Bühne. Sie fände es ermutigend, dass noch immer so viele auf die Straßen gehen – „das muss weitergehen“. Vor allem aber hob sie die studentische Selbstverwaltung als Möglichkeit für demokratische Teilhabe hervor. In den studentischen Gremien würde sich um Vielfalt bemüht werden. Zudem machte sie unter anderem auf das Festival contre le racisme und das jährliche Stolpersteinputzen als feste Bestandteile der studentischen Selbstverwaltung aufmerksam. Aber auch außerhalb der Uni werde sich für die Förderung von Vielfalt engagiert, denn Ausgrenzung und Hass dürfen weder an der Uni oder in der Stadt noch sonst nirgendwo einen Platz haben.
Sie sagte ebenfalls, als Studierendenschaft würden wir dazu beitragen, den internationalen Austausch zu fördern. Sie drückte auch ihr Gedenken an Mehmet Turgut aus, der an diesem Tag vor 20 Jahren in Rostock von Rechtsextremen ermordet wurde.
Als letzter Redebeitrag sprachen Vertreter*innen von vier Parteien.Katharina Horn von den Grünen beginnt mit einem Aufruf: „Kommen Sie zu den [Bürgerschafts-]Sitzungen, gestalten Sie die Stadt mit! Mischen Sie sich ein, denn Demokratie kann nur leben, wenn wir diskutieren!“
Danach sprach Birgit Socher von der Linken: Sie zählte verschiedene Gremien wie zum Beispiel den Seniorenbeirat und den Migrantenbeirat auf und ermutigte dazu, sich einzumischen – „denn Demokratie kann nur leben, wenn wir ins Gespräch kommen.“ Der Grundsatz alle sind gleich müsse verteidigt werden. Alle müssen ein Leben ohne Angst führen können. Sie hob zudem das Banner mit dem Spruch „Menschenrechte haben keine Außengrenzen“ hervor, welches ganz vorn vor der Bühne gehalten wurde.
Johannes Barsch (SPD) schloss sich an. Auch er sprach den Mord an Mehmet Turgut an. Damals hätte es viele gegeben, die die Augen verschlossen hätten, und 20 Jahre später sei das wieder der Fall. Er erinnert daran, wie entscheidend Kommunal- und Europawahlen seien. Weiter sprach er von der besonderen Situation in Greifswald, denn „hier fehlt eine Partei.“ „Es kann keine politische Zusammenarbeit mit dem parlamentarischen Arm rechtsextremer Kräfte geben“ sagt er.
Lars Boorberg von der FDP ergänzte zuletzt, dass Demokratie ein grundsätzlicher Wert sei, der verteidigt werden müsse. Jeder dürfe seine*ihre Meinung äußern.
Der Chor NoLimHits sang noch einmal, „Komm, wir ziehen in den Frieden“ von Udo Lindenberg, eingeleitet durch Artikel 3 und 1 des Grundgesetzes.
Hennis Herbst beendet kurz nach 3 die Kundgebung. In der Spitze seien 2000 Leute dagewesen. „Dabei belassen wir’s nicht, wir werden uns wiedersehen.“ Damit, begleitet von Seifenblasen der Kindergarten Antifa, beendet er die Kundgebung.
Die deutsch-polnischen bilateralen Beziehungen sind ambivalent und befinden sich momentan im Wandel. Schon seit einigen Jahren führen Polen und Deutschland einen sehr aktiven Handel miteinander, von dem beide Staaten profitieren. Der Regierungswechsel in Polen im letzten Jahr könnte die Handelsbeziehungen noch verstärken. Die neue Regierung steht für enge Zusammenarbeit mit anderen EU-Staaten. Mit der nationalistischen Vorgänger-Regierung der PiS-Partei, diezunehmend autoritär herrschte, stand Deutschland immer wieder im Konflikt. Doch auch nun gibt es Unstimmigkeiten, besonders in Bezug auf die mecklenburg-vorpommersche Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und ihre frühere deutsch-russische Handelspolitik.
Trotz bisheriger politischer Konflikte ist Polen schon seit mehreren Jahren der fünftgrößte deutsche Handelspartner. Umgekehrt ist Deutschland sogar Polens größter Handelspartner. Deutschland exportiert vor allem Chemieprodukte und Maschinen nach und importiert vor allem Autos und Autoteile aus Polen. 2020 Betrug der Wert der zwischen Deutschland und Polen gehandelten Waren zwischen 100 und 150 Milliarden Euro; 2022 waren es fast 170 Milliarden. Der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft gibt gegenüber der Tagesschau an, dass er sich durch den Regierungswechsel in Polen eine weitere Ausweitung der Handelsbeziehungen erhofft. Unter der Vorgängerregierung hatte es immer wieder Spannungen zwischen Polen und Deutschland und Polen und der Europäischen Union gegeben. Die neue Regierung von Ministerpräsident Donald Franciszek Tusk („Platforma Obywatelska“, PO, Bürgerplattform) ist ein Bündnis von drei Fraktion, die ein linkes, liberales und konservatives Spektrum umfassen. Sie ist klar pro-europäisch ausgerichtet.
Mecklenburg-Vorpommern und Polen
Besonders bedeutend sind die deutsch-polnischen Beziehungen in den Grenzregionen, also auf deutscher Seite neben Brandenburg auch in Mecklenburg-Vorpommern. Entsprechend pflegt das Bundesland auch politische regionale Partnerschaften mit den polnischen Wojewodschaften Westpommern und Pommern. Zudem besteht eine grenzüberschreitende Partnerschaft mit Polen im Rahmen mehrerer politischer Gremien. Die Industrie- und Handelskammer Neubrandenburg engagiert sich in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Polen besonders der Wojewodschaft Westpommern. In Stettin betreibt sie das „Haus der Wirtschaft“, um Unternehmen vor Ort zu beraten.
Mecklenburg-Vorpommerns Reaktionen auf den polnischen Regierungswechsel
Der vorhergesehene Regierungswechsel nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse im Oktober 2023 wurde von mecklenburg-vorpommerschen Kommunalpolitiker:innen positiv beschrieben. Zwar seien die Beziehungen im lokalen und regionalen Kontext auch zuvor schon recht gut gewesen, Konflikte mit der nationalen polnischen Regierung hätten jedoch immer wieder eine Belastung dieser Verhältnisse verursacht. Man hoffe, dass sich dies nun unter der neuen nationalen Regierung ändere. Ministerpräsidentin Schwesig hoffte, dass sich dadurch neben den lokalen auch die deutsch-polnischen Verhältnisse verbessern werden. So könne man als benachbarte Länder Probleme gemeinsam lösen.
Nun gibt es jedoch wieder Konflikte, deren Gegenstand Ministerpräsidentin Schwesigs frühere Russlandpolitik ist. Bis unmittelbar vor dem Beginn des Ukrainekriegs hatte sie sich für Bau und Inbetriebnahme der Gaspipeline Nordstream 2 aus Russland ausgesprochen. Diese war in Polen immer wieder kritisiert worden, weil Deutschland damit Russland unterstützt habe, was dort nicht gut angekommen war. Dennoch wurde Ministerpräsidentin Schwesig als Bundesratsvorsitzende im November 2023 vom polnischen Senat zu einem Staatsbesuch im Februar 2024 eingeladen. Diese erklärte dazu, sie wolle die deutsch-polnischen Beziehungen verbessern und vertiefen. Vor kurzem kam es deshalb jedoch in Polen zu größeren Protesten gegen diesen Besuch. Die oppositionelle PiS-Partei rief dazu auf und sprach sich öffentlich dagegen aus, Ministerpräsidentin Schwesig zu empfangen. Ihre pro-russische Außen- und Wirtschaftspolitik in der Vergangenheit spreche dagegen.
Nachdem die Deutsche Welle berichtet hatte, dass der Staatsbesuch in Polen aufgrund dieser Dynamiken wohl nicht stattfinden könne, gab der Leiter der mecklenburg-vorpommerschen Staatskanzlei Patrick Dahlemann (SPD) bekannt, dass die Reise aufgrund der derzeitigen Situation dort momentan nicht möglich sei. Er betonte auch, dass dies keine „politischen“ Hintergründe habe. Dennoch wurde die Ausladung in Deutschland auch als Affront gewertet. Einen Tag später erklärte die Kanzlei des polnischen Senats, dass gute Verhältnisse zum Bundesrat bestünden und die Reise zu einem späteren Termin nachgeholt werde. Wegen der „Dynamik anderer politischer Ereignisse“ sei eine Koordination der Termine derzeit schwierig, worin der Grund für die Absage bestehe. In einem Bericht vom 19. Januar 2024 deutete der Norddeutsche Rundfunk die deutsche Übersetzung der Pressemitteilung als Zeichen für ein „diplomatisch schwieriges Gelände“. Die mecklenburg-vorpommerschen Landesoppositionsparteien äußerten Verständnis für die polnische Kritik an Ministerpräsidentin Schwesig. Der Europaabgeordnete der Grünen-Fraktion Niklas Nienaß aus Rostock forderte sie deshalb dazu auf, sich bei den Polen zu entschuldigen.
Resumé
Auf lokaler und regionaler Ebene bestehen in der deutsch-polnischen Grenzregion schon seit Jahren gut und enge Kontakte. Die nationalistische und zunehmend autoritäre nationale polnische Regierung hatte die politischen Beziehungen auf dieser Ebene jedoch zunehmend erschwert. Wirtschaftlich entstanden dennoch enge Verknüpfungen und Handelsbeziehungen. Durch die neue pro-europäische polnische Regierung erhoffen sich viele in Deutschland und im Besonderen auch in Mecklenburg-Vorpommern eine weitere Annäherung und Verdichtung der bilateralen Verhältnisse und Kooperationen. Die laut Kritiker:innen pro-russische Auslands- und Wirtschaftspolitik der mecklenburg-vorpommerschen Landesregierungen und Ministerpräsidentin Schwesigs erschweren dies jedoch weiterhin. Forciert wird das durch den weiterhin hohen Einfluss der PiS-Partei in Polen. Wie sich die Beziehungen weiter entwickeln werden, bleibt daher abzuwarten.
Ob auf Flyern, Postern, in Vorlesungen oder auf Instagram, inzwischen sollten alle von der Urabstimmung zum Semesterticket an unserer Uni erfahren haben. Dieser Beitrag ergänzt die Fakten, die ihr im Studierendenportal findet, um Hintergrundwissen, wie ihr es auch bei den Online-Infoveranstaltungen (nächste Chance: Montag, 18 Uhr) erfahren könnt.
Was bedeutet Semesterticket?
Ein Semesterticket ist ein Ticket mit dem man während des gesamten Semesters (also auch der vorlesungsfreien Zeit, sechs Monate am Stück) bestimmte Verkehrsmittel nutzen kann. Der Preis für dieses Ticket ist im Semesterbeitrag enthalten, man bezahlt also einmal und kann dann während des gesamten Semesters den ÖPNV unbegrenzt benutzen.
Das Semesterticket, das in Greifswald eingeführt werden könnte, ist eine vergünstigte Version des Deutschlandtickets, auch bekannt als 49€ Ticket. Mit diesem Ticket kann man in ganz Deutschland den öffentlichen Nah- und Regionalverkehr benutzen, also Busse, Straßenbahnen, U-Bahnen und Regionalbahnen. Für Fernverkehrszüge (IC, ICE) gelten die Tickets in der Regel nicht, allerdings soll es auch vereinzelte Strecken geben, wo man mit dem Deutschlandticket ICE fahren darf.
Es gibt in Mecklenburg-Vorpommern keine billigeren Alternativen. Allein ein Monatsticket bei den Stadtwerken Greifswald kostet 33€. Für Studierende, die außerhalb der Hansestadt wohnen, gibt es kein Angebot, Pendeln ist also ohne PKW sehr teuer und unbeliebt.
Das Semesterticket soll 60% des Deutschlandtickets kosten. Im Moment kostet dies 49€ pro Monat, das Semesterticket würde also 29,40€ kosten. Für ein Semester würde es also 176,40€ kosten. Diese 176,40€ müsste man als Teil des Semesterbeitrags vor Beginn eines neuen Semesters bezahlen. (Kleine Erinnerung, dass ihr euch bis zum 9. Februar fürs kommende Semester zurückmeldet!) Wenn der Preis des Deutschlandtickets steigt, steigt auch der Preis des Semestertickets und somit der Semesterbeitrag. 2024 soll der Preis des Deutschlandtickets konstant bleiben, aber 2025 könnte er steigen.
Der Semesterbeitrag für das Sommersemester 2024 beträgt 98€ für Studierende. Ab WS 24/25 wird es zu einer Erhöhung auf 109€ Semesterbeitrag kommen, womit wir immer noch weit unter dem Bundesdurchschnitt liegen würden. Mit Semesterticket müssten wir dann aber 285,40€ bezahlen.
Warum Urabstimmung?
Weil die Einführung eines Semesterticket einen so hohen Anstieg des Semesterbeitrages verursachen würde, haben der AStA, der Allgemeine Studierendausschuss, und das Studierendenparlament, beschlossen eine Urabstimmung durchzuführen. Bei der Urabstimmung können alle Studierenden direkt abstimmen und das Ergebnis ist bindend. (Mehr zur Urabstimmung findet ihr unter §36 der Satzung der Studierendenschaft.) Wenn also die Mehrheit der Studierendenschaft dafür stimmt, das Semesterticket anzuschaffen, sind AStA und StuPa dazu verpflichtet, die Anschaffung umzusetzen, und wenn die Studierendenschaft dagegen stimmt, wird es kein Semesterticket geben. Diese Bindung gilt so lange, bis es zu einer neuen Urabstimmung kommt.
Das Ergebnis des Urabstimmung ist allerdings nur dann bindend, wenn genug Studierende an der Abstimmung teilnehmen. Mehr als die Hälfte aller Studierenden müssten für das Ticket stimmen, damit es eingeführt werden könnte. Bei 9290 wahlberechtigten Studierenden wäre diese Mehrheit mit 4.645 Studierenden erreicht.
Wenn weniger als 4.645 Studierende für das Ticket stimmen ist die Abstimmung nicht bindend. Wenn die Abstimmung nicht bindend ist, nehmen AStA und StuPa das Ergebnis als eine Empfehlung und können selbst entscheiden, ob sie das Ticket einführen oder nicht. Wenn also insgesamt nur 2.000 Studierende abstimmen würden, davon 1.200 für das Ticket und 800 dagegen, wäre das Ergebnis nicht bindend, und AStA und StuPa könnten sich frei für oder gegen das Ticket entscheiden. (In Anbetracht der geringen Wahlbeteiligung bei den Studentischen Gremienwahlen (nur 18,1% Wahlbeteiligung bei der Wahl zum Studierendenparlament) scheint dieser Fall sehr wahrscheinlich.)
[Anmerkung der Redaktion: Zuerst wurden in dem gerade gelesenen Absatz Zahlen in Bezug auf die wahlberechtigten Studenten angegeben, welche nicht korrekt waren. Dies haben wir am 31.1.24 um 13:45Uhr angepasst. Diesen Umstand bitten wir vielmals zu entschuldigen.]
Ab wann würde es das Ticket geben? Und wäre das verpflichtend?
Bund und Länder haben die Möglichkeit eines bundesweiten Semestertickets geschaffen, es liegt nun an den Organen der Studierendenschaften diese Möglichkeit zu ergreifen und umzusetzen. Die Einführung eines Semestertickets erfordert natürlich viel Bürokratie. Die Studierendenschaft – repräsentiert durch den AStA – müsste dafür Verträge mit den Verkehrsbetrieben schließen. Damit die Verkehrsbetriebe so ein Ticket aber überhaupt in Betracht ziehen, gibt es das Vollsolidarmodell. Das heißt, dass alle immatrikulierten Studierenden für das Ticket bezahlen, egal ob sie planen das Ticket zu nutzen oder nicht. Allerdings kann man aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund von Auslandsaufenthalten von der Zahlung des Ticketpreises befreit werden. (Der Hintergrund ist, dass Menschen mit Behinderungen oft bereits kostenfrei im ÖPNV mitfahren dürfen. Um sich wegen Auslandsaufenthalten befreien zu lassen, muss man i.d.R. mehr als drei Monate während des Geltungszeitraumes im Ausland verbringen.)
Der AStA hofft, das Semesterticket zum Wintersemester 24/25 einführen zu können. In den Verhandlungen, die – wenn die Entscheidung für das Ticket ausfällt – anstehen, werden noch weitere Details geklärt werden. So könnte es theoretisch möglich sein, Kinder unter gewissen Bedingungen kostenlos mit dem Ticket mitzunehmen. Auch kann dort über die Statusgruppen, die von dem Vollsolidarmodell ausgenommen sind, verhandelt werden. So könnten zum Beispiel Studierende, die Wohngeld oder andere Leistungen empfangen, von der Zahlung befreit werden. Weiterhin könnte bei Verhandlungen die Möglichkeit auf bestimmten Strecken in ICEs zu fahren geschaffen werden.
Die Verhandlungen haben noch nicht begonnen, Verträge wurden noch nicht geschrieben. Das StuPa und der AStA warten das Ergebnis der Urabstimmung ab, um zu sehen, ob sie sich weiter mit der Umsetzung beschäftigen wollen. Die genauen Fristen, sollte es zu einer Kündigung kommen, sind auch noch nicht klar. Wahrscheinlich müsste ein Semester vorher gekündigt werden. Die Möglichkeit, über die fertigen Verträge ebenfalls in einer Urabstimmung zu entscheiden, wurde bei dem Informationstreffen am Dienstagabend auch in den Raum gestellt.
Wie kann ich das ganze beeinflussen?
Wenn euch die Anschaffung des Semestertickets am Herzen liegt – egal ob ihr dafür oder dagegen seid – nutzt die Chance der Urabstimmung! Stimmt ab und motiviert andere Studierende, abzustimmen!
Weiterhin haben alle Studierende die Möglichkeit, sich hochschulpolitisch zu engagieren. Auch wenn ihr nicht gewählt wurdet, könnt ihr den Sitzungen des Studierendenparlaments beiwohnen und eurer Stimme Gehör verschaffen. Auf dem Studierendenportal findet ihr alle Informationen zu den verschiedenen Organen der Hochschulpolitik, inklusive deren Ordnungen und die nächsten Sitzungen.
Am Montag, den 29. findet um 18 Uhr nochmal eine online-Infoveranstaltung zum Semesterticket statt, wo ihr Robert, dem AStA-Vorsitz, alle eure Fragen stellen könnt. Hier ist der Zoom-Link dazu. Ihr erreicht ihn auch per Mail unter asta_vorsitz@uni-greifswald.de.
Das Wichtigste auf einen Blick: Was: Abstimmung zum Semesterticket an der Uni Greifswald Wer: alle Mitglieder der Studierendenschaft (also alle Studierenden) der Universität Greifswald Wann: Montag, 29.01., 8:30 bis Mittwoch, 31.01., 12:00 Wie: online (Link findet ihr im Studierendenportal, auf Instagram und wahrscheinlich in eurer Mailbox).
Am Samstag, den 13. Januar 2024, haben rund 1300 Menschen auf dem Greifswalder Marktplatz gegen Rassismus und Diskriminierung demonstriert. Ein Bündnis aus Universität, Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen, Unternehmen, Einrichtungen, Kirchen und gesellschaftlichen Vereinen hatte im Rahmen der neuen Kampagne „Gesicht zeigen gegen Rassismus“ dazu aufgerufen. Hier könnt Ihr nachlesen, wie es war und was (zusammengefasst) gesagt wurde.
Es ist 14:30 Uhr an einem regnerischen Januarwochenende. Mitten auf dem Marktplatz ist eine Leinwand aufgebaut, darauf zu sehen: das von Jeff Osuji designte Banner der Kampagne. Drumherum versammelt eine Menschenmenge, so groß wie es in Greifswald selten der Fall ist: 1300 Menschen sollen gekommen sein – das sind etwa 2,2 % der Greifswalder Einwohner*innen. Prozentual sind das mehr Teilnehmende als bei der Demo gegen Antisemitismus und Rassismus im Dezember in Berlin. Anlass ist jedoch ein ähnlicher: In letzter Zeit wurde vermehrt über rassistisch motivierte Übergriffe berichtet. Aber es ist auch klar, dass dies kein Problem ist, das erst mit dem Israel-Gaza-Krieg oder der Diskussion um die Geflüchtetenunterkünfte im letzten Jahr in Greifswald begonnen hat. Bei der Demonstration berichten viele Greifswalder*innen von ihren Erfahrungen der letzten Jahre oder erzählen, wie wichtig auch die internationalen Kolleg*innen für die Region sind.
Prof. Dr. Katharina Riedel, Rektorin der Universität Greifswald, eröffnet die Demonstration gemeinsam mit Jada Ladu, Student der Universität Greifswald. Sie bedankt sich, dass so viele Menschen trotz des schlechten Wetters gekommen waren und die Kampagne unterstützen. Sie habe die Kampagne initiiert, nachdem Jada Ladu im Herbst 2023 „unsägliche“ rassistische Angriffe auf ihn publik gemacht hatte. Auch Jada Ladu bedankt sich, dass heute ein „so starkes Zeichen gegen Rassismus gezeigt werden kann.“ Er habe auch mit anderen betroffenen Studierenden gesprochen und festgestellt, dass sich die rassistischen Übergriffe vor allem nach der Debatte um die Geflüchtetenunterkünfte in Greifswald verschärft haben. Prof. Dr. Katharina Riedel ergänzt, dass auch Dozierende von rassistischen Angriffen berichtet haben – sowohl im Uni-Kontext als auch außerhalb der Universität. Außerdem erwähnt sie den tätlichen Angriff auf eine jordanische/syrische Familie Ende letzten Jahres, bei dem die Täter in eine Wohnung eingedrungen sind und zwei Personen verletzt haben. Zudem betont sie: Auch Antisemitismus zähle heute dazu. Rassismus schade dem Image und widerspreche den Grundsätzen der Menschlichkeit.
Auf dem Bildschirm werden alle Partner*innen der Kampagne gezeigt. Darunter unter anderem alle wissenschaftlichen Einrichtungen Greifswalds. Auch Katapult unterstützt die Kampagne und hat eine Grafik erstellt mit den Ländern, aus denen Greifswalder Uniangehörige stammen – es zeigt sich: es gibt wenige Länder, aus denen keine Studierenden und Kolleg*innen kommen. Die Grafik ist auch auf Instagram zu sehen.
Prof. Dr. Katharina Riedel vergleicht die Stadt mit einem Ökosystem: Sie sehe in der Ökologie, dass Vielfalt gut sei und das sei auch auf das „Ökosystem“ Greifswald übertragbar.
„Als Biologin weiß ich diese Diversität zu schätzen.“
Prof. Dr. Katharina Riedel, Rektorin der Universität Greifswald
Ruth Terodde, zentrale Gleichstellungsbeauftragte der Universität Greifswald, moderiert die Veranstaltung und richtet ebenfalls ein paar Worte an die Versammelten. Sie habe mit Blick auf das Wetter nicht mit vielen Menschen gerechnet, aber sei nun „echt stolz“ auf die Stadt. Sie sagt, die Kampagne sei „nötig und wichtiger und aktueller denn je“.
„Die Provokationen von gestern dürfen nicht die Normalität von heute werden.“
Ruth Terodde, Zentrale Gleichstellungsbeauftragte der Universität Greifswald
Bettina Martin, Ministerin für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten, ist Schirmherrin der Kampagne und zeigt sich in einer Videobotschaft. Sie betont, dass rassistisch motivierte Angriffe nicht in Ordnung sind und aufgestanden werden muss für eine demokratische Gesellschaft ohne Rassismus. Sie wünsche sich eine Welt, in der niemand zum Beispiel aufgrund von Herkunft, Kultur oder Aussehen diskriminiert wird. Sie sei sich sicher, dass es mehr Menschen gebe, die ebenfalls dahinterstehen.
Auch Dr. Stefan Fassbinder, Oberbürgermeister der Stadt Greifswald, ist in einer Videobotschaft zu sehen. Er betont, dass Rassismus und Diskriminierung jeglicher Art, Angriffe auf die Menschlichkeit seien und der Stadt schaden. Ohne die betroffenen Menschen wäre Greifswald arm – sie seien nötig für eine gesicherte Zukunft und wichtig für die Stadt.
„[Es] ist unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass sich alle wohlfühlen.“
Dr. Stefan Fassbinder, Oberbürgermeister der Stadt Greifswald
1. Kurzgespräch: Welche Stadt wollen wir sein?
Ruth Terodde spricht mit Homaira Adeel und Jada Ladu. Homaira Adeel ist afghanische Feministin und Aktivistin. Sie ist selbst geflohen und ist Vorsitzende des Migrantenbeirats Greifswald. Zudem ist sie Gründerin des Vereins ASNA e. V., der sich für die Rechte von persisch sprechenden Frauen einsetzt. Jada Ladu ist in Kenia aufgewachsen und kam zum Studium nach Greifswald. Er ist in vielen Gremien beteiligt und ist als Vertreter der Studierendenschaft Mitglied mit beratender Stimme im Migrantenbeirat.
Die erste Frage wird an Jada Ladu gestellt: Er ist das Gesicht der Kampagne – was war sein Ziel, als er im letzten Jahr seine Erfahrungen publik gemacht hatte? Jada Ladu antwortet, es sei einfach mal an der Zeit gewesen, es sei quasi in ihm übergekocht. Er spricht auch von der Erfahrung, dass er kaum Beistand von Zivilist*innen während oder unmittelbar nach den Angriffen bekommen habe. Da habe sich dann viel Frust aufgebaut. Schließlich habe er entschieden, mit der Ostseezeitung zu sprechen. Und seitdem habe er von immer mehr Betroffenen gehört, die oft sogar noch Schlimmeres erlebt haben – vor allem, wenn mehrere Diskriminierungsmerkmale zusammenfielen.
Die nächste Frage wird an Homaira Adeel gestellt: Sie habe selbst schlimme Fluchterfahrungen gemacht und arbeite nun mit geflüchteten Frauen zusammen – ist Greifswald für sie ein sicherer Hafen? Homaira Adeel antwortet, dass dies keine leichte Frage sei. In Greifswald leben 6000 Menschen mit Migrationshintergrund, die alle unterschiedliche Geschichten und Leben haben. Sie könne jedoch von ihren eigenen Erfahrungen und von Gesprächen mit Anderen reden. Greifswald gebe Sicherheit, vor allem vor dem weshalb die Menschen geflohen sind. Aber es gäbe auch Probleme. Sie selbst sei zum Studieren nach Greifswald gekommen und habe rassistische Erfahrungen sowohl an der Uni als auch außerhalb gemacht. Außerdem erzählt sie von einer Diskussion über eben diese Kampagne bei einer Frauengruppe in der letzten Woche: Viele überlegen, Greifswald wieder zu verlassen. Sie müssen sich überlegen, möchten sie hier bleiben und kämpfen oder lieber in eine sicherere Stadt mit weniger Herausforderungen ziehen? Es gebe zudem Rassismus-Erfahrungen, die nicht anerkannt und über die nicht geredet wird. Auch kritisiert sie, dass es keine Beratungsstelle für Opfer von Rassismus in der Stadt gebe.
2. Kurzgespräch: Kultur ohne Grenzen
Marcus Hoffmann, Referent im Rektorat der Universität Greifswald, spricht mit Prof. Dr. Clemens Räthel und Oliver Lisewski. Prof. Dr. Clemens Räthel ist Lehrstuhlinhaber für Fennistik und Skandinavistik und zudem Festivalleiter des Nordischen Klangs. Oliver Lisewski ist Chefdramaturg am Theater Vorpommern.
Die erste Frage richtet sich an Prof. Dr. Clemens Räthel: Warum sei Kultur das richtige Medium gegen Rassismus? Prof. Dr. Clemens Räthel antwortet, dass durch Kultur Begegnungsräume geschaffen werden und bisher Unbekanntes kennengelernt werden könne. Als er neu in der Stadt war, habe er gemerkt, dass man durch Veranstaltungen, wie den Nordischen Klang, auch die Stadt besser kennenlernen könne. Man könne zusammen tanzen, diskutieren und in den Austausch treten.
Die nächste Frage richtet sich an Oliver Lisewski: Er arbeitet in einem internationalen Team – wie sehe dort die Zusammenarbeit aus? Oliver Lisewski antwortet, dass sie ohne die internationalen Künstler*innen nicht das aktuelle Repertoire zeigen könnten. Sie würden zudem versuchen, die Internationalität für mehr Vielfalt zu zeigen.
Eine dritte Frage richtet sich ebenfalls an Oliver Lisewski: Sind Vorfälle von den internationalen Künstler*innen berichtet worden? Oliver Lisewski antwortet, dass es vor allem im Ballett und Orchester internationale Bewerber*innen gebe. Eine Häufung an rassistischen Angriffen sei noch nicht berichtet worden, jedoch könne das noch kommen und das würde auch dem Ruf des Theaters schaden. Zudem weist er darauf hin, dass Greifswald eine Hansestadt ist, sich also über internationale Beziehungen definiert.
Christian Suhm, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Alfried Krupp Wissenschaftskolleg, spricht mit Diclehan Ulucan, Dr. Dina Raafat und Prof. Dr. Thomas Klinger. Diclehan Ulucan ist Promovierende am Institut für Mathematik und Informatik an der Universität Greifswald. Dr. Dina Raafat ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Immunologie an der Universitätsmedizin Greifswald. Prof. Dr. Thomas Klinger arbeitet am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik und ist zudem wissenschaftlicher Direktor des Alfried Krupp Wissenschaftskolleg.
Christian Suhm stellt eine Frage an alle drei Gesprächspartner*innen: Warum sei Rassismus inakzeptabel und welche Maßnahmen sollten unternommen werden? Diclehan Ulucan antwortet, dass Rassismus die Gesellschaft schwäche. Gerade in der Wissenschaft sehe man, dass international besetzte Themen effektiver seien. Sie wünscht sich zudem ein Kulturfest in Greifswald, bei dem verschiedene Kulturen vorgestellt werden könnten. So könne gezeigt werden, wie gut und schön Vielfalt eigentlich ist. Dr. Dina Raafat appelliert, dass eine Hochschule idealerweise ein sicherer Raum sein sollte – nur dann könne man sich sicher fühlen und gut arbeiten. Sie schlägt vor, zuerst zu gucken, wo das Problem liege, wo der Rassismus herkomme, und dann dort anzusetzen. Es sei wichtig, dahingehend mehr zu sensibilisieren, dass Leute aus verschiedenen Kulturen kommen und da auch viel Potential liege. Prof. Dr. Thomas Klinger betont ebenfalls, dass Rassismus menschlich und moralisch völlig inakzeptabel und daneben sei. Alle brauchen Wissenschaft, sie sei gut für uns. Am Max-Planck-Institut stammen etwa ein Drittel aus der ganzen Welt. 60 % der Doktorand*innen haben einen internationalen Hintergrund. Er betont, Rassismus sei nicht die Zukunft. Ohne die Internationalität würde es das Max-Planck-Institut und das Alfried Krupp Wissenschaftskolleg nicht geben. Er wünscht sich einen Aufruf an die ganze Stadt für mehr Offenheit und Neugier.
4. Kurzgespräch: Fachkräftemangel in der Region – Expert*innen in der Krankenversorgung und Pflege willkommen?
Steffen Fleßa, Lehrstuhlinhaber für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Gesundheitsmanagement an der Universität Greifswald, spricht mit Fatima Sevde Acikgöz, Prof. Dr. Uwe Reuter und Dr. Elpiniki Katsari. Fatima Sevde Acikgöz ist Medizinstudentin im fünften Semester. Prof. Dr. Uwe Reuter ist der ärztliche Vorstand der Unimedizin Greifswald. Dr. Elpiniki Katsari ist Herzchirurgin an der Klinik für Unfall-, Wiederherstellungschirurgie und Rehabilitative Medizin.
Die erste Frage wird an Fatima Sevde Acikgöz gestellt: Fühlt sie sich hier willkommen? Fatima Sevde Acikgöz antwortet, dass sie sich damals sehr über die Zusage für das Medizinstudium in Greifswald gefreut, und sich gleich ein idyllisches Leben an der Küste vorgestellt habe. Die Realität sähe aber anders aus. So habe sie zum Beispiel rassistische Erfahrungen mit Lehrkräften gehabt. Sie müsse jeden Tag neu beweisen, dass sie deutsch ist.
Auch die nächste Frage richtet sich an Fatima Sevde Acikgöz: Möchte sie nach den hiesigen Erfahrungen wieder zurück ins Rheinland und was müsse man dagegen tun? Fatima Sevde Acikgöz antwortet, dass ihre Erfahrungen hier es nicht leicht machen würden zu bleiben. Sie sehe allerdings auch die Probleme der Gesundheitsversorgung im ländlichen Bereich und könne sich schon vorstellen, in dem Bereich zu arbeiten. Daher könne sie diese Frage nicht endgültig beantworten.
Die nächste Frage richtet sich an Dr. Elpiniki Katsari: Wie sehe sie den Fachkräftemangel? Dr. Elpiniki Katsari antwortet, dass der Fachkräftemangel ein großes Problem sei. Viele wichtige Termine, wie zum Beispiel OP-Termine, müssen verschoben werden, weil nicht genug Personal da sei.
Die nächste Frage richtet sich ebenfalls an Dr. Elpiniki Katsari: Wie sähe es in der Herzchirurgie ohne internationale Fachkräfte aus? Dr. Elpiniki Katsari antwortet zunächst mit ein bisschen Statistik: etwa 30 bis 40 Prozent der Herzchirurg*innen hätten einen internationalen Hintergrund. Es müsse bewusst werden, dass auch sie wichtig sind und unbedingt erhalten bleiben sollten.
Eine weitere Frage wird an Prof. Dr. Uwe Reuter gestellt: Wieviele Mitarbeiter*innen der Universitätsmedizin Greifswald haben einen Migrationshintergrund? Prof. Dr. Uwe Reuter antwortet, dass über 200 Mitarbeitende aus 64 verschiedenen Ländern an der UMG arbeiten.
Die letzte Frage wird ebenfalls an Prof. Dr. Uwe Reuter gestellt: Wie sähe es aus, wenn es keine internationalen Mitarbeitende geben würde? Prof. Dr. Uwe Reuter antwortet, das die UMG auf die internationalen Mitarbeitenden angewiesen sei. Es gäbe so schon einen Mangel an Personal in allen Bereichen. Außerdem nehme die Geburtenrate ab, während die Bevölkerung immer älter wird. So brauche es mehr Pflegekräfte. Ohne die internationalen Fachkräfte sei die Gesundheitspflege und vor allem die Altenpflege nicht sichergestellt.
5. Kurzgespräch: Bleiben wir lieber unter uns? Tourismus und Wirtschaft
Prof. Dr. Annelie Ramsbrock, Prorektorin für Personalentwicklung, Organisation und Diversität, spricht mit Heiko Miraß, Peter Mosdorf und Jeff Osuji. Heiko Miraß ist der parlamentarische Staatssekretär für Vorpommern und das Östliche Mecklenburg. Peter Mosdorf ist der Geschäftsführer der Brasserie Hermann. Jeff Osuji ist Grafikdesigner, kommt aus Nigeria und ist seit 2021 in Greifswald. Prof. Dr. Annelie Ramsbrock stellt ihn so vor, dass Jada Ladu zwar das Gesicht der Kampagne sei, Jeff Osuji der Kampagne jedoch ein Gesicht verliehen habe. Er hat nämlich die Banner der Kampagne designt.
Die erste Frage wird Jeff Osuji gestellt: Welche Erfahrungen habe er in Greifswald gemacht? Jeff Osuji antwortet zunächst, dass es gerade ein besonderer Moment sei, so viele Gesichter zu sehen. Aber auch er habe rassistische Erfahrungen in Greifswald machen müssen. Besonders einprägsam sei es gewesen, als er gerade einmal drei Monate in Greifswald war: ein alter Mann mit einem Beutel sei auf ihn und seine Freundin zugekommen und er habe ihm Hilfe angeboten. Der Mann habe jedoch zu seiner Freundin gesagt, dass schwarze Männer nichts wert seien. Das habe sehr wehgetan. Normalerweise habe er unterwegs Kopfhörer auf und kriege es so nicht so mit, wenn jemand eine rassistische Bemerkung mache, oder könne es so besser ausblenden. Aber in dem Moment sei er dem schutzlos ausgeliefert gewesen.
Die folgende Frage wird ebenfalls Jeff Osuji gestellt: Möchte er denn in Greifswald bleiben? Er antwortet, dass er da schon drüber nachgedacht habe. Letztendlich habe er sich aber dazu entschieden, vorerst zu bleiben, denn er habe hier auch tolle Menschen kennengelernt und die seien ihm wichtiger.
Die nächste Frage richtet sich an Peter Mosdorf: Welche Erfahrungen habe er mit internationalen Leuten und Rassismus in der Küche und an den Tischen gemacht? Peter Mosdorf antwortet, dass jeder Mensch irgendeine Art an Rassismus an sich hätte und erzählt, dass in der Küche der Brasserie Hermann vier Mitarbeitende aus unterschiedlichen Ländern arbeiten, die sich humorvoll ständig übereinander lustig machen würden. Er sagt, ohne Menschen aus anderen Ländern, würde es Gastronomie auf diese Art nicht geben. Oft würden diese Menschen auch die Jobs machen, die viele Deutsche gar nicht machen wollen. Zudem gebe es auch viele internationale Gäste. Da sei es völlig uninteressant, welche Herkunft oder Geschlecht jemand habe – sie alle haben ein Bedürfnis. Die Menschen in der Gastronomie, würden das Leben bunt machen.
Prof. Dr. Annelie Ramsbrock wirft ein, dass es nicht optimal ist, wenn die internationalen Leute vor allem die Arbeit machen, die die Deutschen nicht machen wollen. Besser wäre es, wenn sich das gleichmäßig aufteile. Dem stimmt Peter Mosdorf ebenfalls zu.
Die letzte Frage richtet sich an Heiko Miraß: Welche Erfahrungen habe er gemacht? Heiko Miraß antwortet, dass es ihm widerstrebe, dass diese Kampagne nötig sei – dabei sei die Internationalität so wichtig. Er habe die Erfahrung gemacht, dass Firmen, bevor sie Migrant*innen einstellen, fragen, ob sie da etwas beachten müssten. Dabei müsse man sich einfach „gesittet und anständig“ verhalten, damit das funktioniere.
Kommende Veranstaltungen
Ruth Terodde bedankt sich bei allen Redner*innen und erwähnt, dass zu jedem Thema noch viel mehr gesagt werden könne. Dazu sei eventuell bei den kommenden Aktionen Zeit.
Dr. Michael Schöner, Antidiskriminierungsbeauftragter der Universität Greifswald, stellt die bereits geplanten Veranstaltungen und Aktionen der Kampagne vor:
Vom 11. bis 24. März 2024 finden die internationalen Wochen gegen Rassismus in Greifswald statt, bei der es einige Aktionen geben wird
Es soll eine Plakataktion mit dem Design von Jeff Osuji in der ganzen Stadt geben.
Es soll eine Broschüre mit Informationen für Betroffene von Rassismus geben.
In Zusammenarbeit mit den Alfried Krupp Wissenschaftskolleg wird es eine Vortragsreihe passend zum Thema geben. Die ersten Vorträge sind am 21. Mai und 3. Juni, jeweils um 18 Uhr.
Es sind Workshops geplant, bei denen es um die Stärkung von Personen, die Rassismus ausgesetzt sind, geht, und Workshops, bei denen es um die Sensibilisierung, Rassismus im Umfeld wahrzunehmen, und um den Umgang mit eigenem Rassismus geht.
Falls Ihr von Rassismus betroffen seid, könnt Ihr Euch bei dem Antidiskriminierungsbeauftragten der Uni, Dr. Michael Schöner, melden. In dieser Richtlinie der Uni ist außerdem festgehalten, wie mit Diskriminierung jeglicher Art umgegangen wird.