Dario Seifert präsentiert sich als heimatverbundener Kämpfer für Vorpommern. Doch seine Vergangenheit und seine Verbindungen zur extremen Rechten werfen Fragen auf. Kann jemand mit einer solchen Biografie glaubwürdig für demokratische Werte eintreten?
Von Konstantin Ochsenreiter
Der weiße VW-Caddy fällt auf. Einige schauen hin, andere weg. Schwarz-rot-goldene Fähnchen und Warnlichter flackern auf dem spärlich gefüllten Hafenplatz. Der Wagen ist schmutzig, die Aufkleber trotzig: „Deutschland stirbt! Schluss mit der Politik gegen das eigene Volk!“ – flankiert von Deutschlandfahnen.
Ein Symbol des Aufbruchs? Wohl kaum. Doch Dario Seifert, AfD-Bundestagskandidat für Greifswald (Wahlkreis 15: Vorpommern-Rügen/Vorpommern-Greifswald I), hofft darauf. Er lädt zum Bürgerfest – rund 100 der 8.500 Barther kommen. Aber wer ist der Mann, der hier spricht?
Dario Seifert gibt den modernen Rechten
Das Bürgerfest (Zwei Pavillons, ein Transporter, ein Grill) füllt an diesem Abend etwa ein Drittel des Festplatzes am Hafen. So jedenfalls könnte man es aus der Perspektive der Veranstalter sehen. Im Mittelpunkt der Veranstaltung: Dario Seifert.
Der selbsternannte „Heimatverbundene“ gibt sich mit seinen 30 Jahren selbstbewusst jugendlich – Lederjacke, Schal, Sechstagebart. In den sozialen Medien inszeniert er sich nahbar und dynamisch. Vier Wochen ist er auf Wahlkampftour, begleitet Infostände, Grillfeste und Bürgerdialoge. Doch diese Fassade bekommt erste Risse. EXIF-Recherche veröffentlichte Fotos, welche ihn mit Waffe und dem militanten Neonazi Ivan Kormilitsyn zeigen, damals einem Mitglied der Jungen Alternative.
Zwischen Ostseeidylle und Extremismus: Seiferts widersprüchliche Vergangenheit
“Aufgewachsen zwischen Bodden und Ostsee, habe ich früh gelernt, wie wichtig starke Gemeinschaften und faire Perspektiven sind, damit Vorpommern ein Ort bleibt, an dem Familien, Studenten und junge Berufstätige gern leben“, erklärt er auf Anfrage der moritz.medien.
Wo genau Seifert diese „starken Gemeinschaften“ kennengelernt hat, ist eine nicht unerhebliche Frage. Wer seine politischen Anfänge sucht, stößt schnell auf eine Vergangenheit, die wenig mit dem bürgerlichen Image gemein hat, das er nach außen pflegt.
Laut Berichten des Nordkuriers begann Seiferts politische Laufbahn in der rechtsextremen Szene Mecklenburg-Vorpommerns. Er bestätigte der Zeitung, zwischen 2012 und 2014 Mitglied der Jungen Nationalisten (JN), der Jugendorganisation der NPD, gewesen zu sein. „Ich habe im Alter von 17 Jahren ein politisches Betätigungsfeld gesucht und war knapp zwei Jahre als passives Mitglied bei den Jungen Nationaldemokraten aktiv“, erklärte er.
Fotos des Nordkuriers zeigen ihn 2014 auf einem „Trauermarsch“ der NPD in Stralsund. Wie passiv die Teilnahme an einem solchen Marsch beurteilt werden kann, ist jedoch fraglich. Einer Quelle des Nordkuriers zufolge soll Seifert enge Kontakte zu den mittlerweile verbotenen Nationalen Sozialisten Rostock – einer Neonazi-Kameradschaft – besessen haben.
Das Innenministerium MV begründet das Verbot der Kameradschaft damit, dass diese als eine zentrale Struktur der rechtsextremen Szene in Rostock gelte. Auf Anfrage des Nordkuriers bestreitet Seifert die Darstellung der Quelle: „Ich war zu keinem Zeitpunkt Mitglied irgendeiner Kameradschaft und pflege auch keinen Kontakt zu solchen Gruppierungen.“
Was bleibt, ist ein Widerspruch. Dario Seifert gibt sich als moderner Konservativer: volksnah und im besten Sinne bürgerlich. Seine Vergangenheit erzählt jedoch eine andere Geschichte.
Zwischen Gemeinplätzen und Geschichtsrevisionismus
Die moritz.medien fragten Dario Seifert direkt nach seinen Zielen für Greifswald. Seine Antwort klingt gefällig: „Ich setze mich dafür ein, Greifswald zukunftsfest aufzustellen: Die lokale Infrastruktur muss ausgebaut, der öffentliche Nahverkehr gestärkt und der Wohnungsmarkt entschärft werden, damit junge Menschen hier nicht nur studieren, sondern auch bleiben können.“
Um dies zu erreichen, wolle er sich im Bundestag für „gezielte Förderprogramme“ einsetzen. Digitalisierung und Start-up-Förderung sollen innovative Arbeitsplätze schaffen. Seifert wolle sich außerdem für neue Wohnprojekte, bezahlbare WGs und faire Mieten einsetzen. Zudem liege ihm die Schaffung hochwertiger Ausbildungs- und Arbeitsplätze am Herzen, damit Absolventen in Vorpommern bleiben.
In Deutschland sind Infrastruktur, Nahverkehr und der Wohnungsmarkt primär Aufgaben der Länder und Kommunen. Zwar stellt der Bund spezielle Förderprogramme für sozialen Wohnungsbau, Digitalisierung und Unternehmensgründungen bereit, doch die konkrete Umsetzung und Verwaltung obliegen den regionalen Behörden. Warum Seifert dieses Verfahren nicht transparenter beschreibt, bleibt unklar.
Diese Aussage nutzt deutsche Opferzahlen, um ein geschichtsrevisionistisches Narrativ zu bedienen. Sie stellt hierbei die Anzahl deutscher Opfer in den Vordergrund und relativiert somit die weiteren Opfer der NS-Verbrechen. Experten wie Deborah Krieg, (Bildungsreferentin der Bildungsstätte Anne Frank mit Schwerpunkt auf Antisemitismus, Rassismus und historische Bildung) warnen davor, dass solche Umdeutungen der Geschichte die Verantwortung für NS-Verbrechen relativieren. Der Verfassungsschutz stuft entsprechende Narrative als potenziell verfassungsfeindlich ein.
Glaubwürdigkeit und politischer Anspruch
Von bürgerlicher Modernisierungspolitik zu Geschichtsrevisionismus: Es stellt sich die Frage, inwieweit der Bundestagskandidat demokratische Werte vertritt.
Eine Frage, die sich scheinbar auch die AfD-MV stellte. Noch bis 2024 lief gegen Dario Seifert ein Parteiausschlussverfahren, wie die Ostsee Zeitung berichtete. Der Grund dafür liegt im Jahr 2019. Im Kreis Vorpommern-Rügen entbrannte ein Richtungsstreit zwischen den zehn frisch gewählten AfD-Mitgliedern.
Im Zentrum dieses Richtungsstreits stand Dennis Augustin. Dieser hatte seine ehemalige NPD-Mitgliedschaft verschwiegen und wurde 2019 aus der Partei geworfen. Seifert hielt dennoch zu seinem Kreistagskollegen. Nach Berichten der Ostsee Zeitung kam es zum Zwist zwischen dem gemäßigten und dem völkisch-nationalistischen Lager.
Auf Kreisebene fand der Konflikt noch im selben Jahr ein Ende. Doch in der Konsequenz wurde gegen Seifert ein Parteiausschlussverfahren angestrebt.
2024 dann die Entscheidung: Das parteiinterne Schiedsgericht verhängte keinen Ausschluss, sondern eine 2-jährige Ämtersperre. Die Sperre gelte für innerparteiliche Ämter, wie beispielsweise Vorstandsämter – so berichtet die Ostsee Zeitung. Repräsentative Ämter – etwa in einem Vorstand – sind laut Schiedsgericht mit Dario Seiferts Person nicht vereinbar.
Dennoch hält er an seinem Ziel fest, in den Bundestag einzuziehen – und damit nicht nur einen Kreisverband, sondern eine deutlich größere Wählerschaft zu vertreten. Rückendeckung erhält er dabei nicht nur aus der Jungen Alternative: Auch die AfD-Spitze stellte sich beim Landesparteitag hinter Seifert und signalisiert Unterstützung für seine Kandidatur.
Bis zum Landesparteitag war Seifert überdies Vorsitzender der vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuften Jugendorganisation der AfD, der Jungen Alternative MV. Die Partei traut ihm also die Nachwuchsarbeit und ein Mandat im Bundestag zu – interne Führungsämter jedoch nicht. Ein Umstand, welcher Fragen aufwirft.
Die moritz.medien richteten deswegen eine Presseanfrage an die AfD Mecklenburg-Vorpommern. Darin fragten wir unter anderem, ob die Ämtersperre gegen Seifert weiterhin gilt, ob die Partei darin einen Widerspruch sieht und welche Gründe sie dennoch veranlassten, seine Kandidatur zu unterstützen.
Eine Antwort blieb bis heute aus.
Rechter Rand in bürgerlichem Gewand?
Dario Seifert inszeniert sich als bodenständiger Heimatverbundener, der sich für Vorpommern einsetzen will. Er spricht von Gemeinschaft, Tradition und Zukunftsperspektiven – doch seine Vergangenheit gibt dieser Erzählung einen besorgniserregenden Anstrich. Verbindungen zur extremen Rechten, geschichtsrevisionistische Aussagen und eine Vergangenheit bei den Jungen Nationalisten (JN) werfen Zweifel an seiner demokratischen Glaubwürdigkeit auf.
Die AfD selbst scheint sich dieser Widersprüche bewusst zu sein. Während sie Seifert als Bundestagskandidaten aufstellt, hält sie ihn gleichzeitig von innerparteilichen Führungsämtern fern. Die Partei überträgt ihm Verantwortung für die Jugend und eine potenziell breite Wählerschaft – doch für einen Vorstandsposten scheint das Vertrauen zu fehlen.
Seifert steht damit möglicherweise exemplarisch für einen innerparteilichen Spagat: Die AfD präsentiert sich als wählbare Alternative zum politischen Mainstream. Gleichzeitig treten in ihren Reihen immer wieder Kandidaten mit umstrittener Vergangenheit und fragwürdigen Verbindungen auf – Dario Seifert ist dabei kein Einzelfall.
So stellt sich Dario Seifert selbst vor:
moritz.medien: Wer bist du?
Dario Seifert: Mein Name ist Dario Seifert, ich bin 30 Jahre alt und ein heimatverbundener Mensch, der die Herausforderungen und Chancen unserer Region aus eigener Erfahrung kennt. Aufgewachsen zwischen Bodden und Ostsee, habe ich gelernt, wie wichtig starke Gemeinschaften und faire Perspektiven sind, damit Vorpommern ein Ort bleibt, an dem Familien, Studenten und junge Berufstätige gern leben. Deshalb möchte ich unsere Heimat aktiv mitgestalten und dafür sorgen, dass wir das Potenzial dieser einzigartigen Landschaft, unserer Kultur und unserer Menschen besser ausschöpfen. Mein Ziel ist es, das Miteinander zu stärken und Zukunft zu sichern.
Was sind deine konkreten Ziele für Greifswald?
Ich setze mich dafür ein, Greifswald zukunftsfest aufzustellen: Die lokale Infrastruktur muss ausgebaut, der öffentliche Nahverkehr gestärkt und der Wohnungsmarkt entschärft werden, damit junge Menschen hier nicht nur studieren, sondern auch bleiben können. Um dies zu erreichen, werde ich mich im Bundestag für gezielte Förderprogramme einsetzen, damit Investitionen aus Berlin in unsere Region fließen. Gleichzeitig möchte ich die Digitalisierung vorantreiben und Start-ups fördern, um innovative Arbeitsplätze zu schaffen. Greifswald soll so eine starke, lebenswerte Stadt für alle werden.
Warum sollten Greifswalder Studis dich wählen?
Studenten sind der Herzschlag der Stadt und prägen Greifswalds kulturelles und soziales Leben. Deshalb liegt mir besonders am Herzen, dass jede und jeder trotz begrenzter Mittel während des Studiums gut wohnen kann. Ich setze mich für die Schaffung neuer Wohnprojekte, den Ausbau bezahlbarer WGs und bezahlbare Mieten ein. Darüber hinaus möchte ich die Qualität und Vielfalt an Ausbildungs- und Arbeitsplätzen stärken, damit Absolventen in Vorpommern bleiben können. Wer mich wählt, entscheidet sich für eine gerechte Bildungspolitik und nachhaltige Zukunftsperspektiven vor Ort.
Beitragsbild: Dario Seifert / Collage: Konstantin Ochsenreiter
Zur Person des Autors
moritz.Millennium ist das kleine, aber engagierte Rechercheteam der moritz.medien. Es setzt sich sowohl aus moritz.-Mitgliedern als auch aus Nicht-Mitgliedern zusammen. Derzeit besteht das Team unteranderem aus Leoni Gau, Robert Wallenhauer, Lina Goldschmidt und federführend Konstantin Ochsenreiter.
Vergangene Bundestagswahl verpasste Georg Günther knapp den Wahlsieg in Wahlkreis 15. Dieses Jahr tritt seine SPD-Konkurrentin wieder an und die AfD führt in den Umfragen. Mit welchen Themen will der CDU-Mann bei der Wählerschaft punkten?
Der Nachfolger einer 16-jährigen Kanzlerschaft zu werden, ist kein leichtes Unterfangen. Das gilt nicht nur für die Bundespolitik, sondern auch für den Wahlkreis 15. Das ist der Wahlkreis Vorpommern-Rügen – Vorpommern-Greifswald I. Hier hat Angela Merkel seit der Wende mit meist haushohem Vorsprung das Direktmandat errungen. Zur Bundestagswahl 2021 trat der damals 33-jährige Georg Günther die Herausforderung an, den Stammplatz der CDU zu verteidigen. Es gab sogar Telefonate mit Merkel persönlich, die klarmachte, dass ihr Wahlkreis ein schwarzer Wahlkreis bleiben sollte. Günther scheiterte jedoch an dieser Mission. Vier Prozent fehlten dem Finanzbeamten im Vergleich zur Sozialdemokratin Anna Kassautzki. Anscheinend lässt sich Günther davon jedoch nicht entmutigen, denn: Auch bei der anstehenden Bundestagswahl steht er für die Christdemokraten auf dem Wahlzettel.
Aber wer ist der Mann, der den äußersten Nordosten im Bundestag vertreten möchte?
Günthers Politikkarriere begann früh
Günther hat sein ganzes Leben in eben dieser Region verbracht. Auch seinen politischen Werdegang startete er hier. Seit 2007 war er Teil der Jungen Union, der Jugendorganisation der CDU, und wurde dort Kreis- und Landesvorsitzender in Greifswald und MV. In dieser Funktion machte er sich unter anderem für ein Semesterticket für alle Studenten in Mecklenburg-Vorpommern stark. Ein Thema, das auch im letzten Jahr an der Universität Greifswald vielfach diskutiert wurde. Grundlage dafür sollte laut Günther das Modell aus Schleswig-Holstein sein. Das damalige Modell sah einen Vertrag zwischen Studierendenwerken und Verkehrsbetrieben vor, bei dem Interessierte sich das Semesterticket individuell vergünstigt hinzubuchen konnten. Das Modell existiert in dieser Form heute nicht mehr. Ein Ausbau des Nahverkehrs ist ihm ebenso ein Anliegen wie der Ausbau der Fernverkehrsanbindung Vorpommerns. Günther fordert die Umsetzung der sogenannten Vorpommern-Magistrale, was den Ausbau der Zugstrecke zwischen Berlin und Rügen bedeuten würde. Dieser Ausbau würde etwa für Studierende aus Berlin bedeuten, dass sie schneller aus Greifswald in ihrer Heimat wären.
Dieser Ausbau war als Kompensation für das Errichten des LNG-Terminals auf Rügen von der Bundesregierung versprochen worden. Das Terminal bezeichnet Günther als „sinnlos“. Es wurde unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und der Befürchtung eines Engpasses der deutschen Gasversorgung gebaut. Tatsächlich ist die Notlage nie eingetreten. Landespolitiker*innen und Umweltverbände zweifeln daher ebenfalls die weitere Sinnhaftigkeit des Projektes an.
Studierende leichter ans Lenkrad?
Georg Günther möchte jedoch nicht nur den Bahnverkehr, sondern auch das Auto als Verkehrsmittel für Studierende in Greifswald fördern. Damit ist er auf einer Linie mit der Greifswalder CDU, die ebenfalls eine Wende hin zu weniger Autoverkehr in der Stadt ablehnt. Der Vorschlag, junge Menschen beim Erwerb des immer teurer werdenden Führerscheins finanziell zu unterstützen, ist jedoch auch im Wahlprogramm der SPD und den Grünen zu finden.
Dass Günther die Clubszene in Greifswald fördern will, lässt sich zumindest mit Blick auf seine Vergangenheit als ein ernst gemeintes Anliegen charakterisieren. In seiner Gemeinde Süderholz bemühte sich Günther in jungen Jahren bereits für den Erhalt des dortigen Jugendclubs. Tatsächlich gibt es den Jugendclub auch bis heute noch, das Engagement scheint also erfolgreich gewesen zu sein.
Bei anderem Freizeitvergnügen versteht Günther jedoch keinen Spaß. Er setzt sich für die Rücknahme der Cannabis-Legalisierung ein. Damit ist er programmatisch auf Parteilinie. Das war auch der Fall beim umstrittenen Zustrombegrenzungsgesetz, dass Ende Januar von Friedrich Merz in den Bundestag eingebracht wurde. Auf seinen Social-Media-Kanälen verteidigte Günther das Gesetz zur Einschränkung illegaler Migration.
Günther sieht sich in der Mitte
Günther ist jedoch gewiss kein Hardliner unter den Konservativen. Er selbst sieht sich im liberalen Spektrum der Christdemokraten. Ebenso lehnt er eine Zusammenarbeit mit Rechtsaußen sowie Linksaußen kategorisch ab. Der Mann mit der etwas wilden Frisur passt mit seiner Programmatik (sowie mit seinem Namen) in die Mitte der CDU im Jahr 2025. Arbeitsplätze, Landwirtschaft und Familie: wer klassische CDU will, der bekommt sie bei Günther auch. Es wird jedoch nicht gerade einfacher für Günther in den Bundestag einzuziehen, da zum einen seine Widersacherin Anna Kassautzki wieder antritt. Zum anderen sind die Auswirkungen des Merz’schen Migrationsgesetzes auf die Wahlentscheidungen der Bürgerinnenen und Bürger noch ungewiss.
Wer Günther auf seinen Wahlveranstaltungen beobachtet, sieht definitiv einen engagierten Kommunalpolitiker. Die Bandbreite der Themen, die der Süderholzer dabei bespielt, ist weit. Man wird sehen, ob er diese Bandbreite auch mit ausreichend inhaltlicher Stärke füllen kann, sollte er in den Bundestag einziehen dürfen. Seine Erfahrung als JU-Landesvorsitzender kann ihm parteipolitisch dabei helfen. Das Image eines bodenständigen Finanzbeamten und Familienvaters spricht eher die ältere als die jüngere Wählerschaft an. Da die ältere Generation aber bekanntermaßen immer größer wird, könnte es für Georg Günther bald durchaus von Greifswald nach Berlin gehen. Vielleicht gibt es dann wieder ein Telefonat mit Angela Merkel.
So stellt sich Georg Günther selbst vor:
moritz.medien: Wer bist du?
Georg Günther: Ich bin Georg Günther, 35 Jahre alt, und wurde in der Universitäts- und Hansestadt Greifswald geboren. Aufgewachsen bin ich hier und in Griebenow, und meiner Heimatgemeinde Süderholz bin ich immer treu geblieben. Heute lebe ich dort mit meiner Frau und meinem Sohn. Nach meinem dualen Studium zum Diplom-Finanzwirt an der Fachhochschule in Güstrow habe ich mich entschieden, mich politisch für die Menschen in unserer Region einzusetzen.
Was sind deine konkreten Ziele für Greifswald?
Greifswald ist eine junge, lebendige und dynamische Stadt, und ich möchte, dass das auch so bleibt und noch besser wird! Mein Ziel ist es, Greifswald als Forschungs-, Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort weiter zu stärken. Gleichzeitig ist es wichtig, die Lebensqualität in der Stadt zu verbessern: ein sauberes, lebenswertes Stadtbild ohne Graffitis und vor allem mehr Wohnraum für alle Generationen – denn Wohnen muss bezahlbar bleiben.
Warum sollten Greifswalder Studis dich wählen?
Ich möchte mich dafür einsetzen, dass das Studium für euch attraktiver und bezahlbarer wird. Konkret plane ich:
Zuschüsse zum Führerschein, um Mobilität zu fördern
niedrigere Zinsen für Studienkredite, damit finanzielle Sorgen nicht im Weg stehen
einen neuen Digitalpakt des Bundes, der die Ausstattung und Attraktivität von Universitätsstandorten wie Greifswald verbessert.
Außerdem finde ich, dass Greifswald dringend wieder mehr Clubs und Orte für das Nachtleben braucht. Die Stadt soll nicht nur ein Ort zum Lernen, sondern auch zum Leben und Feiern sein.
Beitragsbild: moritz.tv / Collage: Konstantin Ochsenreiter
Zur Person des Autors
Mit 21 Jahren ist der Autor 2022 aus der niedersächsischen Kleinstadt in unsere Kleinstadt am Meer gezogen. Beflügelt vom Wissen der Politik- und Kommunikationswissenschaft möchte er die Medienwelt betreten. Beflügelt ist auch sein Lieblingstier, der Weißkopfseeadler.
2021 holte die SPD-Kandidatin überraschend das Direktmandat für Greifswald. Bei dieser Wahl wird es schwer, den Erfolg zu wiederholen. Doch für welche Themen setzt sich Kassautzki im Bundestag eigentlich ein?
Von Lara Sitzmann und Meryem Kocabas
Anna Kassautzki wurde 1993 in Heidelberg geboren und wuchs bei Alsfeld im Vogelsbergkreis in Hessen auf. Nach ihrem Abitur in Alsfeld studierte sie Staatswissenschaften in Passau und begann anschließend ein Masterstudium in Greifswald. Bereits mit 13 Jahren war sie in der Antifaschistischen Bildungsinitiative e.V. tätig und mit 20 Jahren trat sie der SPD bei. Vor ihrem Mandat leitete sie den Familienservice der Universität Greifswald.
Bei der Bundestagswahl 2021 gewann sie den Wahlkreis 15 und steht seitdem im Bundestag vor allem für zwei große Themen:
Digitalisierung und Daten
Das klingt zunächst natürlich etwas trocken, doch Kassautzki, die auch als stellvertretende Vorsitzende des Digitalausschusses im Bundestag tätig ist, betont die Relevanz des Themas immer wieder. Laut ihr ist das Internet und seine Infrastruktur nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken. Deswegen fordert sie konkrete Regeln. Auch eine Sicherung der Chancengleichheit, damit auch alle im digitalen Umschwung mitgenommen werden, soll gesichert sein, denn nur das wäre laut Kassautzki auch demokratisch.
In Reden im Bundestag wird auch der Schutz kritischer digitaler Infrastruktur immer wieder erwähnt, insbesondere Ereignisse der letzten Jahre, wie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, resultieren in immer mehr Angriffe auf Daten und Strukturen in Deutschland. Genau das soll unter anderem eine starke Digitalpolitik verhindern.
Doch was fordert die SPD Kandidatin konkret in diesem Themengebiet? Ihre Webseite erklärt ihre Position zu folgenden Themen:
Daten: Hier soll eine starke Unterscheidung zwischen allgemein nutzbaren und schützenswerten privaten Daten existieren. Im Internet herrscht oftmals keine Transparenz über die gespeicherten Daten und genau deswegen setzt sich Kassautzki für mehr Datenschutz ein.
Algorithmen: Diese basieren meist auf nicht komplett nachzuverfolgenden Daten und werden in vielen Branchen benutzt, um Entscheidungen zu treffen. Oftmals sind die Programmierungen dieser jedoch sehr intransparent und auf Optimierung ausgerichtet. Anna Kassautzki problematisiert dies in mehreren Aussagen und Reden stark.
Open Source: Anders als Algorithmen sind die Codes von Open-Source-Software (Bspw. Wikipedia oder Linux) frei und transparent einsehbar. Für die Förderung dieser Software, dieses „Ökosystems“, setzt sich die Kandidatin ein.
Games (-Förderung) und E-Sport: Als leidenschaftliche “Gamerin” setzt sie sich für die Förderung von Videospielen als Möglichkeit zur Bildung und Sozialisierung ein. Auch will sie das negative Bild, das viele Deutsche von Videospielen haben, verändern. Hierfür saß Anna Kassautzki 2022 zum ersten Mal in der Jury des Deutschen Computerspielpreises!
Landwirtschaft und Ernährung
Neben ihrer Arbeit in der Partei und am Thema Digitalisierung sitzt Anna Kassautzki auch im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft. Sie macht sich vor allem für Moore und die Fischerei in Mecklenburg-Vorpommern stark. Hier also eine kleine Übersicht ihrer Forderungen:
mo(o)re für Moore
Trockengelegte Moore machen in Deutschland einen beachtlichen Teil des jährlichen CO₂ Ausschusses aus und werden auch in der Landwirtschaft in MV viel genutzt. Dieses CO₂ soll aber am liebsten im Boden bleiben und da hilft es, die Böden zu nässen. Um die Landwirtschaft nicht zu überfordern, aber trotzdem etwas für den Klimaschutz zu tun, will Kassautzki eine nachhaltige Bewirtschaftung der Moore. Dabei macht sie klar, dass dies nicht ohne Zusammenarbeit mit den Landwirt*innen funktionieren könne.
Nicht ohne Fischerei!
Der gesamte Fischereisektor, nicht nur in der Ostsee, steht unter Bedrohung aufgrund der Klimakatastrophe und Überfischung. Neben Folgen für die Umwelt und das Ökosystem bringt es auch Probleme für die Fischer*innen von MV. Die Abgeordnete betont die Relevanz der Fischerei für die kulturelle Identität der Küstengebiete und für die Ernährung in Deutschland. Sie will den Fischer*innen neue Perspektiven schaffen und auf EU-Ebene an Lösungen für das Problem arbeiten.
So stellt sich Anna Kassautzki selbst vor:
moritz.medien: Wer bist du?
Anna Kassautzki: Ich bin Anna Kassautzki, seit 2021 direkt gewählte Abgeordnete des Wahlkreis 15 im Deutschen Bundestag für die SPD. Ich habe Staatswissenschaften studiert und vor dem Mandat den Familienservice hier an der Universität Greifswald geleitet. Als Abgeordnete möchte ich weiter unsere Region aktiv mitgestalten und moderne Politikansätze in Berlin vertreten. Ich sehe mich als Brückenbauerin zwischen den Bedürfnissen vor Ort und den Entscheidungsprozessen im Bundestag, um Greifswald nachhaltig voranzubringen.
Was sind deine konkreten Ziele für Greifswald?
Ich setze mich für den Ausbau der Vorpommern-Magistrale ein, um Greifswald besser mit dem Zug anzubinden und die Reisezeiten zu verkürzen. Greifswald soll Vorreiter für Bildung, Forschung und nachhaltige Wirtschaft werden. Dazu gehören bessere Studienbedingungen und digitale Infrastruktur. Mit erneuerbaren Energien haben wir ideale Voraussetzungen für grüne Industrien und die Umwälzung der Netzentgelte haben wir bereits erreicht. Zudem setze ich mich für die Wiedervernässung der Niedermoore rund um Greifswald (und überall anders) ein, um CO₂ nachhaltig zu speichern und die Klimakrise zu bekämpfen.
Warum sollten Greifswalder Studis dich wählen?
Als ehemalige Greifswalder Studentin setze ich mich für bessere Studienbedingungen ein. Bereits erreicht: BAföG-Erhöhungen, 1.000€ Studienstarthilfe für vulnerable Gruppen und erweiterter Wohngeldanspruch. Künftig will ich die Mietpreisbremse entfristen, den Mindestlohn auf 15€ erhöhen und das BAföG reformieren, damit Studierende nicht zum Arbeiten neben dem Vollzeitstudium gezwungen werden. Dafür kämpfe ich für ein elternunabhängiges BAföG als Vollzuschuss. Beim Deutschlandticket befürworte ich eine faire, freiwillige Lösung, um bundesweite Mobilität zu ermöglichen, ohne Studis finanziell zu überlasten.
Lokalpolitische Errungenschaften und Niederlagen des Jahres, die Zukunft des ÖPNV in unserer Hansestadt und die angespannte Haushaltslage. All das und noch viel mehr im Interview mit Oberbürgermeister Stefan Fassbinder.
Das Interview führten Carlotta Jarchow, Jette Boeck und Robert Wallenhauer
Mitte Dezember – der Wind bläst kalt durch die Innenstadt, durch das Fenster des Konferenzraums im Rathaus erkennt man noch die Spitze des Weihnachtsbaums auf dem Marktplatz. Oberbürgermeister Stefan Fassbinder (Grüne) wurde im Jahr 2023 wiedergewählt und erhielt dieses Jahr den Ehrentitel „Weltbürgermeister“. Im Gespräch mit den moritz.medien blickt Fassbinder zurück auf das vergangene Jahr und gibt einen Ausblick, was uns lokalpolitisch 2025 erwartet.
Greifswalds OB Stefan Fassbinder im moritz.medien-Interview
moritz.medien: Was war dieses Jahr Ihre größte lokalpolitische Errungenschaft?
Stefan Fassbinder: Das kann man nicht so pauschal beantworten. Was sicher herausragend war für die ganze Stadt, ist unser Caspar-David-Friedrich-Jubiläum, das alle Erwartungen übertroffen und alle Zahlen gesprengt hat. Es gab bisher schon 580 Veranstaltungen, in allen Einrichtungen wurden Besucherrekorde gebrochen, und wir hatten dieses wirklich grandiose Fest am Caspar-David-Friedrich-Geburtstag, wo 5000 Menschen auf dem Markt gefeiert haben. Zudem haben wir dieses Jahr die neue Sporthalle III eröffnet, zahlreiche Straßen saniert und viele Beteiligungsprojekte mit Bürgerinnen und Bürgern umgesetzt. In Summe ist dieses Jahr unheimlich viel passiert.
Woran haben Sie sich dieses Jahr die Zähne ausgebissen?
Am Dauerthema Bauvorhaben. Vor allem der geplante Neubau des Inklusiven Schulzentrums und die Sanierung des Theaters sind nicht so schnell vorangekommen, wie wir uns das wünschen. Schwierig gestalten sich auch die neuen politischen Mehrheiten in der Bürgerschaft, wenn sie mit Beschlüssen in laufende Projekte eingreifen. Denn das hat Folgen: Umplanungen kosten Geld und Zeit und verzögern die Projekte. Zudem könnte im Fall des gestoppten Verkehrsversuchs für die Innenstadt der Ausstieg aus diesem EU-Projekt langfristig zu einem Vertrauensverlust bei unseren Partnern führen.
Gehen wir nochmal an den Anfang des Jahres zurück. Da startete die Kampagne Gesicht zeigen gegen Rassismus mit einigen Demos. Greifswalder*innen mit Migrationsgeschichte beklagten sich über häufende Anfeindungen. Was haben Sie seitdem dafür getan, dass Greifswald für Migrant*innen, die hier leben, studieren und arbeiten, ein attraktiverer Ort wird?
Das gesellschaftliche Klima entwickelt sich in keine gute Richtung – fast auf der ganzen Welt. Wir sind aber immer noch eine Stadt, in der es sehr starke Gegenbewegungen gibt. Wenn solche Vorfälle gegen Migrant*innen passieren, kommen aus der Zivilgesellschaft, der Politik und auch aus der Stadtverwaltung Initiativen, die versuchen, gegenzusteuern. Das ist nicht überall in Deutschland so.
Ich habe in diesem Jahr das Greifswalder Bündnis für Demokratie ins Leben gerufen. Zu meiner Freude haben sich nicht nur Parteien, sondern auch viele Kirchengemeinden, Firmen, Schulen, Vereine und andere Gruppen zusammengetan und klar gesagt: Es geht darum, die Werte unseres Grundgesetzes zu verteidigen. Denn sie werden deutschlandweit angegriffen.
Dass wir eine weltoffene Stadt sind, in der sich Menschen, die eine andere Hautfarbe oder Muttersprache haben, wohlfühlen, ist uns aus humanitären Gründen wichtig. Aber es hat auch ganz klar einen ökonomischen Aspekt. Wenn wir unseren Wohlstand, soziale Standards und das wirtschaftliche Wachstum in Greifswald aufrechterhalten wollen, brauchen wir für den Arbeitsmarkt Zuwanderung. Wenn Migrant*innen hier permanent angefeindet würden, wäre das ein deutlicher Standortnachteil.
Im Frühjahr dominierte noch ein anderes Thema die Lokalpolitik. Die schlechte Stimmung in der Bürgerschaft. Wie nehmen Sie gerade die Zusammenarbeit mit der neu gewählten Bürgerschaft wahr?
Die Entwicklung in den vergangenen anderthalb Jahren in der Bürgerschaft fand ich schon sehr besorgniserregend. Wir mussten das erste Mal eine Bürgerschaftssitzung unter Polizeischutz abhalten. Es gab Personen, die für demokratiefeindliche Stimmungen sorgten und das verurteile ich – auch, dass Mitglieder der Bürgerschaft sich damit solidarisierten.
Inzwischen habe ich das Gefühl, hat sich die Stimmung leicht verbessert. Die Bürgerschaft ist nach der Wahl im Juni 2024 zersplitterter und vielfältiger geworden.
Noch konkreter: Wie nehmen Sie gerade den Diskurs in der Bürgerschaft wahr?
Nach den Wahlen gab es zum Teil eine ungute Abbruchstimmung. Doch vor allem die Diskussion um den Haushalt und auch die restliche Debatte während der letzten Bürgerschaftssitzung waren überwiegend konstruktiv. Ich sehe deshalb erste Anzeichen dafür, dass sich die Gesprächskultur wieder verbessert.
Ihr wollt mehr über die Greifswalder Lokalpolitik aus Studi-Perspektive erfahren? Aktuell erscheint im moritz.magazin die Serie „Lokale Macht“, in der wir Lokalpoltiker*innen interviewen. In Ausgabe 170 sprach Madeleine Tolani (CDU), die Präsidentin der Bürgerschaft, über ihre Arbeit. In der aktuellen Ausgabe 171 erklärt Camille Damm, wie sie als Vorsitzende der Grünen-Fraktion in der Bürgerschaft mit den neuen Mehrheitsverhältnissen umgeht.
Machen wir mit einem Thema weiter, von dem viele Studierende betroffen sind. Die Wohnungsnot für neue Studis geht so weit, dass manche ihr Studium nicht antreten können. Was unternehmen Sie gegen den Wohnraummangel?
Das Thema Wohnungsmangel ist ein Dauerthema, das uns sicher noch weiter beschäftigen wird. In den letzten Jahren sind im gesamten Stadtgebiet rund 2500 neue Wohnungen in unterschiedlichen Mietpreiskategorien entstanden. Wir brauchen sowohl günstige Wohnungen als auch höherpreisige, weil diese ebenfalls nachgefragt werden. Ich freue mich jetzt auf die 700 neuen Wohnungen, die gerade am Ryck entstehen. Auch da wird es günstige und Sozialwohnungen geben. In den nächsten Jahren werden wir weitere Bebauungsgebiete entwickeln. Unzufrieden bin ich mit der Situation bei den Studierendenwohnheimen. Hier wünschte ich mir mehr Unterstützung für das Studierendenwerk durch die Regierungen in Schwerin und Berlin.
Inwiefern? Dass die bestehenden renoviert oder mehr gebaut werden?
Wir könnten locker ein, zwei neue Wohnheime gebrauchen. Dass einzelne auch saniert werden müssen, ist ebenfalls unstrittig – insbesondere in der Wilhelm-Holtz-Straße. Aber wenn das Studierendenwerk die Mittel nicht hat, ist das alles schwierig.
Die Studi-Zahlen in Greifswald gehen zurück – mittlerweile sind wir weniger als 10.000 Studierende in Greifswald. Die Uni ist aber ein Herzstück der Stadt. Wie wollen Sie Greifswald als Studienstandort generell beliebter machen?
Wir versuchen insgesamt, als Stadt attraktiv zu bleiben und noch attraktiver zu werden. Dazu gehören natürlich die Klassiker: ein vielfältiges und gutes Kulturangebot, das große Theater, aber auch andere Einrichtungen, wie die Straze, das Pommersche Landesmuseum, das Koeppenhaus oder das Caspar-David-Friedrich–Zentrum. Auch Sport spielt eine große Rolle. In den letzten Jahren haben wir immer mehr freie Sportangebote geschaffen, wie die Calisthenics-Anlage in Eldena. Damit wollen wir ein gutes Lebensumfeld schaffen. Andererseits arbeiten wir auch weiterhin daran, attraktive Arbeitsplätze in der Stadt zu schaffen. Dafür unterstützen wir beispielsweise die Start-up-Szene, in der mittlerweile zahlreiche Studierende aktiv sind.
Ein anderes Thema, was ab Herbst wieder heiß diskutiert wurde, war die Diagonalquerung an der Europakreuzung. Der geplante Ausbau wurde jetzt nach langen Diskussionen Anfang Oktober gestoppt. Was hätten Sie besser machen können, um das Projekt in der Zeit zum Laufen zu kriegen? Wie erklären Sie rückblickend, warum das Projekt unter Ihrer Führung nicht wie geplant vorankam?
Ich halte die Diagonalquerung immer noch für ein sinnvolles Projekt. Sie hat allerdings mit Blick auf die gesamtstädtische Entwicklung auch nicht die Bedeutung, die ihr manchmal zugeschrieben wird. Es ist bedauerlich, dass das Projekt nicht schneller umgesetzt werden konnte. Dann hätten wir die Diagonalquerung jetzt. Aber das hängt manchmal von vielen Faktoren ab.
An welchen Faktoren lag es in diesem Fall?
Vor allem an personellen Kapazitäten. Für die Beauftragung und Planung braucht man zum Beispiel Planungsbüros, die zuarbeiten. Denen fehlt auch das Personal. Das verzögert einfach viele Prozesse. Es gab jedoch ein Bündel an Gründen, die dazu geführt haben, dass sie nicht schon früher umgesetzt worden ist.
moritz.medien-Redakteur*innen im Interview mit Stefan Fassbinder. (Quelle:Janne Koch / moritz.tv)
Lassen Sie uns jetzt einmal kurz über den ÖPNV in Greifswald sprechen. Es gibt einen Vertrag, der regelt, mit wie viel Geld der Landkreis den ÖPNV der Stadt Greifswald bezuschusst. Dieser musste bis Ende des Jahres neu verhandelt werden. Die Bürgerschaft hat in ihrer letzten Sitzung jetzt kurz vor knapp einem Vertragsangebot zugestimmt. Warum hat es bis Mitte Dezember gedauert, bis dieses erste Angebot ausgehandelt wurde?
Es stimmt, dass seit Jahren feststand, dass wir den Vertrag bis Ende 2024 neu verhandeln müssen. Wir haben uns Anfang 2023 an den Landkreis gewandt. Aber die Gespräche liefen schwierig und haben auch gewisse Wendungen vollzogen, die für uns nicht immer vorhersehbar waren.
Warum waren die Gespräche so schwierig?
Wir haben in diesen Verhandlungen einen Partner – den Landkreis. Und mit ihm ist es bis heute nicht einfach, auf eine gemeinsame Linie zu kommen. Wir haben beispielsweise damit gerechnet, dass am 03. Dezember im Kreistag eine Entscheidung fällt. Die entsprechende Vorlage wurde aber kurz vor knapp vom Landrat von der Tagesordnung gestrichen. Ich verstehe bis heute nicht, warum das passiert ist. Deswegen kommen wir jetzt in den Zeitstress, weil wir bis Ende des Jahres kündigen müssen, sollte es zu keiner Einigung kommen.
Ich bin jetzt erstmal froh, dass die Bürgerschaft das Vertragsangebot des Kreises angenommen hat. Auch, wenn es nicht ganz dem entspricht, was wir für notwendig halten. Jetzt hängt es am Kreistag und am Landrat, dass dieser Vertrag auch Realität wird.
Würde dieser Vertrag den Status quo sichern? Oder müssen ÖPNV-Nutzer*innen mit Einsparung bei Taktung oder Liniennetz rechnen?
Wir hatten bereits geplant und in der Bürgerschaft beschlossen, dass das Liniennetz ausgebaut werden sollte. Diese Änderung hätte eine Ausweitung der Fahrbahnkilometer um 25 Prozent bedeutet, was für die Nutzer*innen positiv gewesen wäre. Mit dem Geld, was uns nun durch den neuen Vertrag zur Verfügung stehen würde, können wir das in dem geplanten Umfang leider nicht umsetzen.
Nichtsdestotrotz müssen wir zeitnah das bestehende Liniennetz überarbeiten. Die Bürgerschaft hat bereits beschlossen, dass wir dieses überplanen. Wir wollen ein überarbeitetes Liniennetz anbieten, was den Status quo sichert und gewisse Verbesserungen bringt. Der genaue Umfang ist noch nicht absehbar. Weitere Unwägbarkeiten spielen da hinein. So wissen wir nicht, wie hoch die neuen Tarifabschlüsse für die Busfahrer*innen sein werden – das ist ein Riesenfaktor. Wir wissen auch nicht, wie sich die Energiepreise entwickeln.
Beim Thema ÖPNV haben Sie in der Bürgerschaft auf den Erfolg des neuen Shuttle-Service Friedrich verwiesen. Haben Sie diesbezüglich genaue Zahlen?
Wir hatten lange das Problem, Ladebow und Friedrichshagen an den ÖPNV anzubinden. Dort einen normalen Bus alle Stunde hinfahren zu lassen, der dann häufig leer ist, wäre keine gute Lösung. Deswegen bin ich sehr froh über Friedrich. Mittlerweile wurde die zugehörige App rund 8000 Mal heruntergeladen. Und die Nutzerzahlen steigen an. Im Moment haben wir zwischen 35 und 50 Fahrten mit insgesamt 50 bis 70 Personen pro Tag. Und auch da zeigen unsere Erhebungen, dass die Nachfrage weiterhin ansteigt. Inzwischen kann es sogar passieren, dass man zu Stoßzeiten eine Woche im Voraus buchen muss, weil die Nachfrage so hoch ist. Das ist übrigens auch einer der Gründe, warum ich dafür kämpfe, dass die Verantwortung für den ÖPNV bei der Stadt Greifswald bleibt. Ich bin mir nicht sicher, ob der Landkreis solche spezifischen Angebote weiterführt und entwickeln kann.
Ich bin sehr froh, dass die Bürgerschaft dem Doppelhaushalt für 2025/26 zugestimmt hat. Es sah zwischenzeitlich nicht so aus, dass die Bürgerschaft ihrer Aufgabe gerecht wird. Um kurz den Prozess zu erläutern: Es ist unsere Aufgabe als Stadtverwaltung, einen Vorschlag bezüglich des Haushalts zu unterbreiten. Natürlich ist es das Königsrecht der Bürgerschaft, über den Haushalt zu entscheiden – und damit andere Schwerpunkte zu setzen als die Verwaltung. Wir können jetzt mit dem verabschiedeten Haushaltsbeschluss weiterarbeiten und erstmal sehr gut damit leben.
Unter anderem wurde das Personalbudget der Verwaltung beschränkt…
Genau, das Budget für Personal wird jetzt nur noch um jährlich zwei Prozent steigen, wobei wir meistens Tarifabschlüsse haben, die deutlich höher liegen. Ich kann verstehen, dass die Bürgerschaft in dem Bereich sparen will. Mir ist es aber wichtig darauf hinzuweisen, dass das irgendwann auch zu Leistungskürzungen für die Bürger*innen und die Wirtschaft führt. Sei es die Bearbeitung von Bauanträgen, der Geigenunterricht in der Musikschule oder die Beantragung des Führerscheins. Wenn ich weniger Menschen habe, die diese Themen bearbeiten, werden die Wartezeiten länger. Ein anderer Klassiker dahingehend sind die Mülleimer. Es wird häufig gefordert, dass wir diese in der Stadt häufiger leeren. Das machen nun mal Menschen. Wenn ich diese Menschen nicht habe, dann werden die Mülleimer seltener gelehrt.
Ist das der größte Effekt, den die Bürger*innen direkt spüren werden?
Es wird nicht sofort direkt spürbar. Wir haben es mit keiner dramatischen Kürzung zu tun. Ich weise nur darauf hin, dass diese Folgen langfristig auftreten können. Wir versuchen natürlich, diese Effekte möglichst gering zu halten. Aber das Personal ist nicht irgendeine abstrakte Zahl – da stehen Leistungen für Bürger*innen und Wirtschaft dahinter.
Zum Abschluss noch kurz ein Ausblick auf nächstes Jahr: Wo sehen Sie die größten Herausforderungen, die da auf uns zukommen werden?
Das sind natürlich die sinkenden finanziellen Möglichkeiten. Wir haben fallende Einnahmen und steigende Ausgaben. Das wird sich die nächsten ein, zwei Jahre auch nicht ändern. Ich wünsche mir, dass wir unsere großen Bauprojekte trotzdem umsetzen können. Gleichzeitig sollen all die Punkte, die ich vorhin bei Lebensqualität erwähnt habe, aufrechterhalten werden. Ein weiteres Beispiel: Der Kinder- und Jugend-Sport soll kostenlos bleiben. Das ist in vielen Städten nicht der Fall und eine große soziale Leistung hier in Greifswald. Die zweite riesige Herausforderung wird mittelfristig der Arbeitskräftemangel sein, auf den wir rasant zusteuern.
Und worauf freuen Sie sich nächstes Jahr?
Auf viele Sachen. Das Caspar-David-Friedrich-Jubiläum wird uns noch bis zum Sommer begleiten. Im Mai feiert Greifswald 775 Jahre Stadtrecht, im Juni den MV-Tag. Wir werden auch dieses Jahr wieder wunderbare Festivals zelebrieren und hochkarätige Sportveranstaltungen erleben. Ich hoffe außerdem, dass die Sporthalle 2 eröffnet wird. Und ich hoffe eben auch, dass wir zusammen mit einer konstruktiven Mehrheit in der Bürgerschaft die schweren Aufgaben des kommenden Jahres lösen werden.
Ob im Landtag, der Greifswalder Lokalpolitik oder jetzt neu im Studierendenparlament: Die Burschenschaft Markomannia Aachen Greifswald will überall mitmischen. Wer steht dahinter?
Von Konstantin Ochsenreiter, Leoni Gau und Robert Wallenhauer
Die hochschulpolitische Landschaft in Greifswald verschiebt sich nach rechts. Heute wurde bekannt, dass eine neue Hochschulgruppe zu den kommenden Gremienwahlen im Januar antreten wird: die „Werte-Konservative Hochschulgruppe“ um den Greifswalder Burschenschafter Luis Weber. Noch ist unklar, wer genau sich für die neue Gruppe engagieren wird. Doch das weitverzweigte Netzwerk der Markomannia Aachen legt nahe, dass die Ambitionen der Burschenschafter inzwischen auch die Hochschulpolitik umfassen.
Die Burschenschaft Markomannia Aachen Greifswald
Weber selbst ist Mitglied der Greifswalder Burschenschaft Markomannia Aachen. Burschenschaften gelten als national-konservative Studentenverbindungen. Sie nehmen ausschließlich Männer auf, vorzugsweise mit deutscher Staatsangehörigkeit, und sind bekannt für ihre strengen Aufnahmekriterien und ihre Verbundenheit zu den Grundsätzen „Ehre, Freiheit, Vaterland“.1
Laut der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) wahren Burschenschaften nicht immer Distanz zum Rechtsextremismus. So tauchen einige Burschenschaften in Verfassungsschutzberichten aufgrund von Verbindungen zu rechtsextremen Organisationen auf.2 Auch die Greifswalder Burschenschaften Rugia und Markomannia Aachen zogen 2019 den Blick des Landesamtes für Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern auf sich.3
Bereits 2011 geriet deren Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ (DB) wegen des sogenannten „Ariernachweises“ in die Kritik. Ein Mitglied sollte aufgrund seiner chinesischen Herkunft ausgeschlossen werden.4 Nach öffentlichem Druck zog man den Antrag zurück.
Seitdem ist die Greifswalder Burschenschaft Markomannia Aachen immer wieder durch ihre Verbindungen zu rechtsextremen Akteuren5 aufgefallen. So hielten in den vergangenen Jahren unter anderem Benedikt Kaiser (Autor des neurechten Magazins Sezession), Erik Lehnert (Mitgründer des 2024 formal aufgelösten neurechten Think Tanks Institut für Staatspolitik) sowie Martin Sellner (Identitäre Bewegung) Vorträge in der Burschenschaft.6
Luis Weber: Dein Vertreter in der Greifswalder Bürgerschaft
(Luis Weber am Mikrofon während der studentischen Vollversammlung WiSe 24/25 (Quelle: moritz.medien)
Bei der vergangenen Bürgerschaftswahl vom 9. Juni 2024 erhielt die AfD 16,2 Prozent der Stimmen. Damit zogen sie als zweitstärkste Kraft in die Bürgerschaft ein.7 Dieses Ergebnis nutzte die Partei, um junge Burschenschafter in wichtige Positionen zu bringen. Künftig werden diese nicht nur in den Gremien der Greifswalder Lokalpolitik vertreten sein, sondern könnten auch in das Studierendenparlament einziehen.
Womit wir wieder bei Luis Weber sind. Der Burschenschafter der Markomannia Aachen zog mit den wenigsten Stimmen für die AfD in die Greifswalder Bürgerschaft ein. Nach eigener Aussage sei er selbst jedoch kein AfD-Mitglied.8 Weber sitzt im Bildungsausschuss als Vollmitglied, im Wirtschafts- und Sozialausschuss ist er stellvertretendes Mitglied. Er engagiert sich zudem in den Ortsteilvertretungen Schönwalde II, Groß Schönwalde und der Innenstadt.9
Seine Mitgliedschaft in der Burschenschaft Markomannia Aachen Greifswald zeigt er offen. Dies wird in einem von der Burschenschaft selbst publizierten Werbeclip deutlich.10 Auch an der Universität sorgte Weber zuletzt für Diskussionen. Bei derdiesjährigen Vollversammlung enthielt er sich, nach Aussage mehrerer Zeugen, als eine von zwei Personen einem Antrag11, der die Rolle der Universität im Nationalsozialismus aufarbeiten will.Des Weiteren sieht der Antrag eine jährliche Gedenkveranstaltung vor, um gemeinsam gegen nationalistische, rassistische und reaktionäre Strömungen einzustehen.
Joseph Makowski: Dein Vertreter für die Innenstadt
Bild 1: Joseph Makowski (Mitte) auf dem Weihnachtsmarkt in Couleur der Greifswalder Burschenschaft Markomannia Aachen. (Quelle: moritz.medien)
Auf AfD-Listenplatz 5, direkt vor Luis Weber, stand ein weiterer Markomanne: Joseph Makowski. Dieser zog zwar nicht in die Greifswalder Bürgerschaft ein, sitzt seither jedoch für die AfD-Bürgerschaftsfraktion als stellvertretendes Mitglied im Bildungsausschuss. Darüber hinaus ist er Mitglied der Ortsteilvertretung Innenstadt.12 Auf einem Instagram-Post der Jungen Alternative Vorpommern-Greifswald (JA) ist außerdem mutmaßlich Makowski beim Verteilen von Flyern der AfD MV zu sehen. Die JA wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz seit vergangenem Jahr als gesichert rechtsextremistische Bestrebung beobachtet.13
Paul Fingerhut: Dein Stellvertreter für die Innenstadt
Bild 1: Paul Fingerhut (hinten) und Joseph Makowski (vorne) in der Greifswalder Studierendenkneipe „Falle“: Makowski trägt das Band der Greifswalder Burschenschaft Markomannia Aachen in den Farben schwarz-gelb-rot.14 (Quelle: moritz.medien) Bild 2: Paul Fingerhut (rechts) und Joseph Makowski (links) in der Greifswalder Studierendenkneipe „Falle“, beide unter anderem in Couleur der Burschenschaft Markomannia Aachen. (Quelle: moritz.medien)
Paul Fingerhut ist stellvertretendes Mitglied der Ortsteilvertretung Innenstadt für die AfD-Fraktion in der Greifswalder Bürgerschaft und ebenfalls Mitglied der Burschenschaft Markomannia Aachen.14
Auch wenn aktuell noch unklar ist, wer sich für die neue Greifswalder „Werte-Konservative Hochschulgruppe“ engagieren wird, Fingerhut dürfte jedenfalls als Experte gelten, wenn es um rechte Hochschulgruppen geht. Als Student in Bielefeld gehörte er der AfD-nahen Hochschulgruppe „Konservative Revolution“ an.15
Die sogenannte „Konservative Revolution“, auf die sich der Name der Gruppe bezieht, war eine von Armin Mohler, Vordenker der deutschen Neuen Rechten, konstruierten Denkschule rechtsnationaler Autoren in der Weimarer Republik. Sie richtete sich gegen die liberale Demokratie und den Parlamentarismus. Mit der „Konservativen Revolution“, der Mohler eine gemeinsame Distanz zum Nationalsozialismus nachweisen wollte, ist es ihm gelungen, der extremen Rechte der jungen Bundesrepublik die Möglichkeit eines Neubeginns zu schaffen (Weiß, Volker. Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes. Stuttgart: Klett-Cotta).
Der Mann, der die Fäden in der Hand hält? – Nikolaus Kramer: Dein Vertreter für den Landtag
Nikolaus Kramer ist Vorsitzender der AfD-Landtagsfraktion sowie der AfD-Fraktion in der Greifswalder Bürgerschaft. Zudem ist er Mitglied des Hauptausschusses, des Rechnungsprüfungsausschusses und der Ortsteilvertretung Schönwalde I/Südstadt.16
Seine Mitgliedschaften beschränken sich jedoch nicht auf politische Ämter. Kramer ist nicht nur Mitglied der Pennalen Burschenschaft Ernst Moritz Arndt Greifswald und der Berliner Burschenschaft Gothia, sondern auch der Greifswalder Burschenschaft Markomannia Aachen.17 Er zeigt außerdem besonders großes Engagement für den politischen Nachwuchs.
In seinem Podcast „Kramers Klare Kante“ verdeutlicht der AfD-Landesvorsitzende immer wieder seine Unterstützung der Jungen Alternative MV. In der zweiten Folge „Jugend in Bewegung” spricht Kramer mit den JA-Landesvorsitzenden Alexander Tschich aus Mecklenburg-Vorpommern und Severin Köhler aus Baden-Württemberg. Er berichtet von einer auf Bundesebene beschlossenen „Professionalisierungsoffensive” der AfD, um Mitglieder der JA für die Teilnahme an politischen Vorträgen, Workshops und Schulungsmaßnahmen durch Patenschaften mit AfD-Abgeordneten zu gewinnen.
So bezeichnet sich Kramer in der Podcast-Folge als Pate für Alexander Tschich und verkündet den Beginn von Veranstaltungen in MV für den Herbst dieses Jahres. Das bestätigte die Vortragsreihe in Schwerin, Greifswald, Güstrow und Stralsund von Daniel Fiß, neuerdings Referent von Kramer im Landtag18 sowie Aktivist der Identitären Bewegung und ehemaliger NPD-Funktionär.19
Und jetzt?
Die Verbindungen zwischen der AfD, der Burschenschaft Markomannia Aachen und politischen Akteuren wie Luis Weber, Joseph Makowski, Paul Fingerhut und Nikolaus Kramer sind in Hinblick auf die Greifswalder Lokal- und Hochschulpolitik besorgniserregend. Während ihre politischen Ziele zunehmend Gehör finden, stellen ihre ideologischen Vorstellungen eine Herausforderung für die demokratischen Werte dar, die Hochschulen und politische Institutionen sichern sollen.
Droht nun also die Gefahr, dass sich extremistische und antidemokratische Positionen noch erfolgreicher verbreiten und einen stärkeren Einfluss auf die politische Kultur der Universität und der Stadt nehmen? All das wird davon abhängig sein, wie diese Akteure zukünftig in den politischen Gremien akzeptiert werden.
moritz.Millennium ist das kleine, aber engagierte Rechercheteam der moritz.medien. Es setzt sich sowohl aus moritz.-Mitgliedern als auch aus Nicht-Mitgliedern zusammen. Derzeit besteht das Team unteranderem aus Leoni Gau, Robert Wallenhauer, Lina Goldschmidt und federführend Konstantin Ochsenreiter.
Lieber Leser*innen, liebe Kommentator*innen, diese Kommentarspalte wurde am 12.12.2024 um 18:55Uhr geschlossen, da es wiederholt zu Verstößen gegen die Netiquette und strafrechtlich relevanten Äußerungen gekommen ist. Wir bedanken uns bei allen Kommentarschreiber*innen, die sich anständig verhalten und mitdiskutiert haben. Mit freundlichen Grüßen Die Chefredaktion des webmoritz.
For over 1,000 days Russia’s war of aggression has raged on in Ukraine. An entire nation lives in a constant state of suffering and fear, coupled with remarkable courage in the face of this threat. Amid this uncertainty, focusing on their studies is no easy task for young people. Yet Liuda and Zlata are doing just that. The two 19-year-old students from Ukraine are spending a semester abroad in Greifswald. In an interview with webmoritz., they share insights into what studying in Ukraine is currently like, what has surprised them about Greifswald, and how planning the future works in times of uncertainty.
Editorial note: To make the subject accessible to more readers, the interview, which was held in English, is published in German and English.
Seit über 1000 Tagen tobt der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Ein ganzes Land lebt in einem Dauerzustand von Leid und Angst, gepaart mit hoher Tapferkeit im Angesicht der Bedrohung. Sich inmitten dieser Ungewissheit um ein Studium zu bemühen, ist für junge Menschen nicht einfach. Liuda und Zlata machen es trotzdem. Die beiden 19-Jährigen Studentinnen kommen aus der Ukraine und machen ein Auslandssemester in Greifswald. Im Gespräch mit dem webmoritz. erzählen sie, wie Studieren in der Ukraine derzeit abläuft, was sie an Greifswald überrascht hat und wie Zukunftsplanung in Zeiten großer Ungewissheit funktioniert.
Hinweis der Redaktion: Um möglichst vielen Leser*innen einen Einblick in die Thematik zu geben, wird das auf Englisch geführte Interview auf Deutsch und Englisch veröffentlicht.
webmoritz.:Ihr seid seit September in Greifswald. Wie waren eure bisherigen Erfahrungen?
Zlata: Es war bisher wirklich gut, sowohl was das Studium als auch das soziale Leben betrifft
Liuda: Es gibt hier viel mehr, als ich erwartet hatte, da es viele Veranstaltungen gibt, zu denen wir als internationale Studierende eingeladen werden. Die Leute sind wirklich offen, und wir haben bereits Freunde gefunden. Daher genieße ich es sehr. Meistens sind wir mit anderen internationalen Studierenden zusammen, aber der Austausch mit den Einheimischen aus Greifswald ist auch ein sehr schöner Teil.
Habt ihr andere Austauschstudierende aus der Ukraine in Greifswald getroffen?
Was hat euch an Greifswald und dem Studium in Deutschland überrascht?
Liuda: Der Studienprozess ist anders als in der Ukraine. Hier können wir die Fächer und Kurse, die wir belegen, tatsächlich selbst auswählen. In der Ukraine gibt es nur eine feste Liste, aus der man nicht wählen kann. Hier kann ich wirklich das auswählen, was mich interessiert.
Zlata: Was Liuda erwähnt hat, ist der wichtigste Unterschied. Es macht das alles viel interessanter. Für mich ist es deshalb in manchen Bereichen sogar einfacher als in der Ukraine.
Wie lange bleibt ihr in Greifswald?
Zlata: Bis März. Leider verpassen wir den Sommer hier.
Ihr kommt aus Lwiw und Drohobytsch. Der Krieg dauert nun schon über 1000 Tage. Wie ist die Situation zu Hause, und wie haltet ihr Kontakt zu euren Familien?
Liuda (oben) und Zlatas Unversitäten befinden sich im Westen der Ukraine, an der Grenze zu Polen. (Quelle: Google Maps)
Liuda: Es ist ein schwieriges Thema, denn obwohl wir weit weg von der Front leben, gibt es jeden Tag Raketenangriffe aus Russland. Erst gestern (21.11.) hat Russland erstmals eine Interkontinentalrakete in der Ukraine eingesetzt. Das war schrecklich. Ich glaube nicht, dass es besser wird, weil die russische Aggression weiterhin besteht und schon über 1000 Tage anhält. Menschen, Soldaten, Zivilisten und sogar Kinder sterben unter den Trümmern. Ich hoffe, dass die Europäische Union und Deutschland uns unterstützen werden, damit wir tatsächlich den Krieg gewinnen können.
Was hat euch trotz dieser Situation dazu bewogen, ein Austauschsemester zu machen? Gab es zusätzliche Herausforderungen oder hat euch die Situation eher ermutigt?
Liuda: Wegen des Krieges haben sich, auch wenn es schrecklich klingt, viele Türen für Ukrainer:innen geöffnet. Es gibt viel Unterstützung für uns, was großartig ist. Länder nehmen Austauschstudierende aus der Ukraine gerne auf. Jetzt sind sogar die Türen für männliche Studenten offen, was vorher nicht möglich war. Aber obwohl ich jetzt hier bin, vermisse ich die Ukraine und möchte definitiv zurückkehren und dort mein Leben leben. Meine Eltern sind froh, dass ich hier in Sicherheit bin, aber ich möchte trotzdem zurück.
Gibt es an eurer Heimatuniversität noch regulären Unterricht?
Zlata: Ja, unsere Region wird als "friedlich" angesehen, weil es keine aktive Kriegsführung gibt. Wir haben Präsenzunterricht. In den östlichen Teilen der Ukraine lernen die Studierenden online, wegen der Kriegsbedingungen. Aber wenn ein Luftalarm ist, gehen wir in den Schutzraum, und natürlich gibt es dann keinen Unterricht.
Liuda: Die meisten Universitäten in den zentralen und östlichen Teilen der Ukraine sind für den Präsenzunterricht geschlossen. Wir können uns nicht beschweren, denn wir verpassen das Studierendenleben nicht. Bei Alarm müssen wir aber in den Schutzraum und manchmal sogar dort lernen.
Gibt es für alle Studierenden Schutzräume?
Zlata: Ja, jede Fakultät hat einen. Ohne Schutzraum kann kein Unterricht stattfinden.
Also gab es keine zusätzlichen Herausforderungen für euch, am Austausch teilzunehmen?
Zlata: Für die internationale Abteilung unserer Universität ist es derzeit vielleicht sogar einfacher, Vereinbarungen mit anderen Universitäten zu treffen. Für uns Studierende gibt es trotzdem einen Konkurrenzkampf, bei dem man ein Interview machen muss. Wir müssen Dokumente vorbereiten und gute Noten haben. Aber das war auch vor dem Krieg so.
Warum habt ihr euch für Greifswald entschieden? Hattet ihr viele Universitäten zur Auswahl?
Zlata: Das hängt von der Heimatuniversität ab. Ich habe Greifswald gewählt, weil meine zweite Sprache in der Uni Deutsch ist. Aber wir haben viele Optionen in verschiedenen Ländern.
Liuda: Ich studiere Deutsch als erste Sprache und Englisch als zweite, also wollte ich nach Deutschland kommen, um meine Sprachkenntnisse in beiden Sprachen zu verbessern. Überraschenderweise sprechen die Leute hier wirklich gut Englisch, daher war es eine großartige Wahl. Eine Freundin von mir war schon in Greifswald und hat mir gutes Feedback gegeben, also dachte ich, warum nicht?
Was habt ihr außer Greifswald gesehen? Seid ihr gereist?
Liuda: Ich war in Dänemark und den Niederlanden, aber auch in deutschen Städten wie Hamburg, Berlin und Nürnberg. Es war wirklich schön. Auf meiner Wunschliste stehen noch Köln oder Düsseldorf, aber Greifswalds relativ isolierte Lage macht das häufige Reisen etwas schwierig.
Zlata: Ich war noch nicht im Ausland, aber wir haben eine Wanderung nach Rügen gemacht, die für Internationals organisiert wurde, sowie eine Reise nach Lübeck. Nächste Woche fahren wir nach Berlin, was auch eine organisierte Reise für Internationals ist.
Ein Blick in die Zukunft: Was sind eure Ziele in Bezug auf Uni oder Beruf? Wie arbeitet ihr daran, wenn die Lage in der Heimat so unsicher ist?
Zlata: Das ist eine schwierige Frage. Ich hatte nicht vor, einen Master zu machen, aber jetzt denke ich, dass ich das in Betracht ziehen werde. Vielleicht nicht in der Ukraine, sondern im Ausland. Beruflich möchte ich gerne als Übersetzerin arbeiten. Natürlich könnte das in der Ukraine wegen der Situation schwieriger sein, aber Übersetzer*innen sind dort gerade sehr gefragt. Ich hoffe einfach, dass es klappt.
Liuda: Es ist heutzutage wirklich schwer, Pläne zu machen. Vor dem Krieg habe ich für die nächsten Jahre geplant, aber jetzt plane ich nur noch für die nächsten fünf Monate. Da mein Hauptfach auch Übersetzen ist, möchte ich in diesem Bereich arbeiten, hoffentlich als Übersetzerin für Deutsch und Englisch. Für mich ist die Ukraine trotz allem der beste Ort, um zu arbeiten.
Gibt es etwas, das ihr den Leser*innen sagen möchtet?
Liuda: Habt keine Angst, Risiken einzugehen, auch wenn es nicht klappt. Macht etwas, verlasst eure Komfortzone und lernt neue Leute kennen.
Zlata: Dem habe ich nichts hinzuzufügen!
Wir danken Zlata und Liuda für das Gespräch.
webmoritz.: You two have been in Greifswald since September. How has the experience been so far?
Zlata: It was really good so far. Both in terms of studying and in terms of social life.
Liuda: There is much more than I expected, as there are a lot of events that we as Internationals are invited to. People are really open and we have made friends already, so I enjoy it so far. We are mostly with other Internationals, but the exchange with local people from Greifswald is also a very nice part.
Have you met other exchange students from Ukraine in Greifswald?
What surprised you about Greifswald and studying in Germany in general?
Liuda: The study process is not like it is in Ukraine. We can actually choose the subjects and courses we study here. In Ukraine you only have a fixed list. You can’t choose between courses. Here I can actually select what I am interested in.
Zlata: What Liuda mentioned is the most important difference. It just makes everything more interesting. For me it is easier than in Ukraine in some parts.
How long will you be in Greifswald?
Zlata: Until march. We will miss the Summer here sadly..
You are from Lviv and Drohobych. The war has been going on for over 1000 days now. How is the situation at home, how do you stay in contact with your families?
Liuda: It is a tough topic to talk about, because even though we live away from the front line, there are still missiles from Russia everyday. Just yesterday (21.11), Russia striked with an intercontinental missile for the first time in Ukraine. That was horrific. I don’t think it is gonna get any better, because the Russian aggression is still there and it has been there for over 1000 days. People, soldiers, civilians, and even children are dying under the rubble. I hope that the European Union and Germany will support us, so we can actually win the war.
Liuda’s (top) and Zlata’s universities are in the western Part of Ukraine, near the Polish border. (Source: Google Maps)
With this situation in mind, what made you still do an exchange semester? Were there any extra challenges or were you even more encouraged to do it?
Liuda: Because of the war, even though it sounds horrible, there are a lot of doors that were opened to Ukrainians. There is a lot of support for us, which is great. Countries are happy to accept exchange students from Ukraine. Now, the doors are even open for male students to do exchanges. That was not possible before. But I have to say, even though I am here now, I still miss Ukraine and I will definitely come back and live my life there. My parents are happy that I am here because I am in safety here, but I still want to come back.
Are there still regular lessons being held at your home university?
Zlata: Yes, it is considered „peaceful“ because we don’t have active warfare in the region. We have offline-studying. In the eastern part of Ukraine, they study online because of the war-conditions. But if we have an air alarm then we go to the shelter and then of course there is no lecture.
Liuda: Most universities in the central and eastern parts of Ukraine are closed. We can’t complain because we don’t miss any student life. When there is an alarm we have to go to the shelter or even study there.
So there is a shelter for all students?
Zlata: Yes, for every faculty there is one. If you don’t have a shelter, there can be no studying.
Were there no extra challenges for you to do the exchange?
Zlata: For the International Department of our university it may be easier to do the agreements with other universities. For us students there is still a contest, where you must do an interview. We have to prepare documents and have good grades. But that was the same before the war.
Why did you choose Greifswald? Could you choose between many universities?
Zlata: It depends on the university. For me I chose Greifswald because the second language I learn is German. But we do have a lot of options from multiple countries.
Liuda: I study German as my first language and English as my second, so I wanted to come to Germany to improve my skills in both languages. People here surprisingly talk really good English, so it was a great choice. A friend of mine was in Greifswald before and she gave me great feedback, so I decided, why should I not try it?
What did you see outside of Greifswald? Did you go an any trips?
Liuda: I traveled to Denmark and the Netherlands, but also German cities like Hamburg, Berlin, and Nürnberg. It was really beautiful. The other things on my wish list are far away, given Greifswald’s relatively isolated geography. Köln or Düsseldorf come to my mind there.
Zlata: I wasn’t abroad yet but we went on a hiking trip to Rügen which was organized for Internationals as well as a trip to Lübeck. Next week we will go to Berlin, which is also a trip organized for the Internationals.
Looking into your future: What are your goals regarding university or jobs? How do you work towards these goals if the situation at home is so unknown?
Zlata: It is a hard question. I didn’t think of getting a masters degree but now I think that I will do a masters degree. Maybe not in Ukraine but somewhere abroad. When talking about a job, I would like to work as a translator. Of course it could be harder to do that in Ukraine because of the situation, but the field of translating is in high demand there right now. I just really hope it works out.
Liuda: It is really hard to plan things out these days. Before the war I set plans for the next few years, but now I only plan things for like the next five months. But as my my major is also in the field of translating I will work in that field, hopefully as a German and English translator. For me, the best place to work is still in Ukraine.
Is there anything that you would like to say to the people reading?
Liuda: Don’t be afraid to take a risk, even if it doesn’t work out. Do something, leave your comfort zone and meet new people.
Zlata: Nothing to add to that!
We thank Zlata und Liuda for the interview.
Beitragsbild: Simon Fortmann
Zur Person des Autoren
Mit 21 Jahren ist der Autor 2022 aus der niedersächsischen Kleinstadt in unsere Kleinstadt am Meer gezogen. Beflügelt vom Wissen der Politik- und Kommunikationswissenschaft möchte er die Medienwelt betreten. Beflügelt ist auch sein Lieblingstier, der Weißkopfseeadler.
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