Politik neu gedacht: Warum losen wir unsere Parlamente nicht aus, Hubertus Buchstein?

Politik neu gedacht: Warum losen wir unsere Parlamente nicht aus, Hubertus Buchstein?

von Janis Glück und Robert Wallenhauer

Wie kann der Zufall die Politik und unsere Gesellschaft gerechter machen? Dieser Frage hat sich Dr. Hubertus Buchstein, Inhaber des Lehrstuhls für Politische Theorie und Ideengeschichte, gewidmet und beantwortet im folgenden Interview Fragen des moritz.magazins.

Am 18. Mai 1848 versammelte sich in der Frankfurter Paulskirche der erste gesamtdeutsche Konvent, eine Versammlung, die das erste gleich gewählte Parlament in Deutschland sein wird. Diese deutsche Nationalversammlung stand als Symbol der Hoffnung für einen von Armut, wirtschaftlichen Krisen und politischer Unzufriedenheit geprägten deutschen Bund. 175 Jahre später herrscht zumindest wieder letzteres: Die Ergebnisse einer Umfrage der Europäischen Kommission zeigt, dass das Vertrauen in deutsche Parteien bei gerade einmal 27 Prozent liegt. Weiterhin schneidet die AfD, eine Partei, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft wird, bei den Sonntagsumfragen besser ab denn je. In Zeiten, in denen 34 Prozent der Bevölkerung sagen, sie seien wenig beziehungsweise überhaupt nicht zufrieden damit, wie die Demokratie im Moment funktioniere, stellt sich also die Frage: Steht unsere Demokratie vor dem Aus und wie können wir mehr Vertrauen in unsere parlamentarischen Vertreter*innen schaffen? 

Das Gespräch – geleitet von den moritz.magazin-Redakteuren Janis Glück und Robert Wallenhauer – erschien in gekürzter Version in der 164. Ausgabe des moritz.magazins.

Hubertus Buchstein ist deutscher Politologe und besetzt seit 1999 den Lehrstuhl für politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität Greifswald. Als Vertreter der aleatorischen Demokratietheorien legt er dar, »wie durch den konkreten Einsatz des […] Zufallsmechanismus das Vernunftpotential moderner Demokratien nicht dementiert, sondern im Gegenteil gestärkt werden kann.« Er plädierte 2009 unter anderem für die Erweiterung des Europäischen Parlaments durch eine zweite, geloste Kammer mit Initiativ- und Vetorecht.

moritz.magazin: Was fasziniert Sie so sehr am Zufall?

Hubertus Buchstein: Am Zufall fasziniert mich am meisten dessen völlige Unbeherrschbarkeit. Und was ist es überhaupt, der Zufall? Lässt er sich mathematisch nach Wahrscheinlichkeiten berechnen oder greift vielleicht die römische Göttin Fortuna ein?

Warum sollte ich dem Zufall überhaupt trauen? Wenn man darüber nachdenkt, dass der Mensch vernünftig ist, warum sollten sich nicht alle ihrer Vernunft anvertrauen und dann gemeinsam politische Entscheidungen treffen oder Menschen in politische Ämter wählen, warum sollte man das stattdessen dem Zufall überlassen?

Das Weltverständnis in unserer modernen Gesellschaft ist ein rationales. Häufig ist es aber auch ein hyperrationales, das heißt, es ist irrational rational. Was meine ich damit? Es gibt eine Reihe [von] (Änderung der Redaktion) Entscheidungen, bei denen es am Ende keine wirklich eindeutigen Gründe für dies oder das gibt. In solchen Fällen saugen wir uns gleichsam die Argumente für eine Entscheidung aus den Fingern. Ich nenne das eine Form der Hyperrationalität. Sie ist eine Hybris der Moderne. Stattdessen sollten wir in solchen Fällen lieber zugeben, dass es manchmal bei Personalentscheidungen oder Sachentscheidungen besser wäre, wir würden den Zufall entscheiden lassen. Zufallsentscheidungen sind zudem billiger.

Besonders schwierige Entscheidungen dem Zufall zu überlassen hat zudem den Vorteil, uns emotional zu entlasten. Klassische Beispiele dafür finden wir im medizinischen Bereich wie dem Problem der Verteilung einer Niere an eine Person, deren Leben davon abhängt. In solchen Fällen werden komplexe Punktesysteme kreiert, die Medizinerinnen und Mediziner mit schwierigen Gewissensfragen belasten. Um nicht missverstanden zu werden: Ich bin überhaupt nicht dagegen, dass man vor dem Entscheidungsprozess vorher Qualitäten quantifiziert; ab einer gewissen Stufe sollte man [aber] vielleicht den Zufall wirken lassen, um das verantwortliche Personal emotional zu entlasten.

Sie plädieren unter anderem für eine geloste Kammer im Europäischen Parlament, wie sollte man diese Kammer aufbauen?

Dieser Vorschlag stammt aus dem Jahr 2009, er ist also etwas älter. Zum Hintergrund:
Auf Ebene des Europäischen Parlaments und anderer Institutionen der EU sind wir offensichtlich mit dem Problem konfrontiert, dass sich in der Wahrnehmung eines großen Teils der Bürgerschaft eine politische Elite abgekoppelt hat. Diese Feststellung ist vor mir nicht als fundamentale Kritik am politischen System der EU gemeint, sondern sie basiert auf politikwissenschaftlichen Beobachtungen der subjektiven Wahrnehmungen in der Bürgerschaft. Wie lässt sich Abhilfe schaffen?

Nach dem damaligen Reformvorschlag würden Bürgerinnen und Bürger in eine zweite parlamentarische Kammer gelost. Die Lebensrealität der Ausgelosten würde sich massiv von der Lebensrealität professioneller Politiker unterscheidet. Als Michael Hein und ich 2009 diesen Vorschlag machten, waren wir uns relativ sicher: Bei einer Reihe an politischen Fragen, etwa in den Bereichen der Familien-, Sozial-, Agrar-, Umweltpolitik in der EU wäre die Präferenzen, die in dieser zweiten Kammer geäußert würden anders sein als die Entscheidungen, die das Europäische Parlament und die Europäische Kommission treffen. Die Loskammer – das ‚House of Lots‘ – so unsere Überlegung, sollte die Politik also näher an die Interessen einer Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger bringen. Ich bin mir heute, im Jahr 2023, nicht mehr ganz so sicher, ob dieser Vorschlag tatsächlich eine gute Idee ist. Damals stand dahinter die Vorstellung, dass die ausgelosten Bürgerinnen und Bürger nach Expertenanhörung und gemeinsamen Diskussionen zu mehrheitsfähigen Positionen gelangen.

In einer stark polarisierten politischen Kultur wie der heutigen funktioniert so etwas vermutlich nicht, sondern ein Teil der Menschen schreit lediglich herum und die politische Polarisierung verstärkt sich sogar noch. Nach Befunden der Sozialforschung gibt es in der Bundesrepublik einen Anteil von ca. 10 Prozent der Bevölkerung, die die Tendenz haben, sich aggressiv von anderen politischen Diskursen abzuspalten. Wenn ich also 100 ausgeloste Bürgerinnen und Bürger in einer solchen Loskammer hätte und es wären 10 Schreihälse dabei, die sich jeder sachlichen Debatte verweigern würden, wäre eine solche Kammer kein großer Gewinn.

Mit anderen Worten: Ich fürchte, dass aufgrund der Zunahme des Anteils an [Personen], die eine stark aggressive Haltung haben, ein solches House of Lots völlig dysfunktional wäre. Das ist auch mein Einwand gegen die von der Letzten Generation geforderten Klimapolitik-Bürgerräten.

Wie würden Sie den Vorschlag heute gestalten?

Ich würde heute zunächst noch einmal viel genauer über die Kriterien nachdenken, die für eine Eignung von Loskammern sprechen.  Im Ergebnis sehe ich zwei gute Einbaupunkte für ausgeloste Bürgergremien.

Zum einen im lokalen Bereich als kommunale ausgeloste Bürgerräte. Sie widmen sich Themen, die, wie die Verkehrspolitik, kommunal breit diskutiert werden. In Greifswald denke ich dabei an die Konflikte zwischen Fahrradfahrern, Autofahrern und Fußgängern um den öffentlichen Raum. Auch solche Themen [sind] zwar konfliktiv aufgeheizt, die empirische politikwissenschaftliche Begleitforschung von kommunalen Bürgerräten in anderen Städten und Gemeinden zeigt aber, dass es möglich ist, dass die Beteiligten miteinander argumentieren und zu Kompromisslösungen kommen.

Eine zweite Einbauebene sehe ich auf höherer parlamentarischer Ebene für solche Fälle, bei denen bei den gewählten Amtsträgern ein echtes Befangenheitsproblem vorliegt. Das sind beim Bundestag Fragen, die sich um Reformen des Wahlrechts und um die angemessene Höhe der Diäten für Parlamentarier drehen.

Beim Thema Diäten gibt es bei vielen Bürgern den von einigen Medien gefütterten Eindruck, „Die Politiker bereichern sich ja nur.“ Vor diesem Hintergrund wurde in den USA im Staat Washington die folgende Regelung getroffen: Es wurde ein Gremium gebildet, dass gemischt aus ausgelosten Bürgerinnen und Bürgern sowie gewählten Politiker besteht, bei einem Übergewicht der Gelosten. Dieses Gremium befragt Experten, diskutiert untereinander und legt dann die Entlohnungen aller politischen Amtsträger fest. Im Ergebnis eines solchen Verfahrens lassen sich zwei Dinge beobachten: Zum [einen] sind die festgelegten Entlohnungen gar nicht so anders, als in anderen US-Staaten. Zum anderen aber ist die Akzeptanz der Diätenhöhe, also deren politische Legitimation deutlich höher und es gibt weniger populistisches Gehetze gegen gewählte Politiker.

Ein zweites, vielleicht noch wichtigeres Befangenheitsproblem, sind Reformen des Wahlrechts, wie wir es aktuell gerade wieder erleben. Hier könnte eine Loskammer einen Ausweg aus der derzeitigen politischen Sackgasse gegenseitiger Beschuldigungen der politischen Parteien bieten. Das ‚House of Lots‘ fungiert auch hier als ein Instrument des Outsourcens von Entscheidungen mit Befangenheitsproblemen.

Sie gehen davon aus, dass die Gesellschaft zu polarisiert ist und andere Themen zu komplex für Loskammern auf Bundesebene sind?

Ja, da bin ich in der Tat skeptisch, wenn auch noch aus einem anderen Grund. Nehmen wir ein aktuelles Beispiel:

Im Juli 2023 hat der Deutsche Bundestag zum ersten Mal einen solchen ausgelosten Bürgerrat eingesetzt, und zwar zum Themenbereich gesunde Ernährung und Ernährung in der Zukunft. Es sind 160 Bürgerinnen und Bürger ausgelost worden, die vom Bundestag beauftragt worden sind, sich über das Thema Gedanken zu machen. Das Verfahren bei der Auslosung der Personen ist übrigens nicht rein zufällig, sondern nach Quotierungen für Altersgruppen, Geschlecht, Region sowie Ernährungsgewohnheiten erfolgt um sicher zu stellen, dass auch Veganer, Vegetarier und passionierte Schnitzelesser dabei sind. Dieses Gremium soll bis Anfang nächsten Jahres in mehreren Sitzungen Eckpunkte, sogenannte Leitplanken für eine zukünftige gute Ernährungspolitik ausarbeiten und dem Bundestag vorlegen. Ich bin sehr gespannt darauf, wie dieser Prozess ablaufen laufen wird, und was der Bundestag mit diesen Vorschlägen machen wird.

Wenn man solche Mittel anwenden möchte, dann sollte sich der Bundestag natürlich auch an die Vorschläge des Bürgerrates halten – mit Blick auf die jüngsten Erfahrungen in Frankreich, wo erst unter großem Trara ein solcher Bürgerrat zum Thema Klimapolitik eingerichtet wurde und dessen radikale Reformvorschläge dann einfach in den Wind geschlagen wurden, bin ich auch für Deutschland skeptisch.

Um es mir konkret vorstellen zu können: Ich werde also ausgelost und muss in den Bundestag, um dort zu arbeiten. Warum sollte ich mein Studium pausieren oder beenden, warum sollte ich mein jetziges Leben vorerst hinter mir lassen und mich der Politik verschreiben? Kann ich mich nach Ihren Vorstellungen auch einfach daraus entziehen?

Die Warum-Frage wird natürlich nicht dadurch beantwortet, dass man sagt, der Zufall hat es entschieden. Die Frage an jeden Einzelnen ausgelosten ist, ob ich diese Chance wahrnehmen will oder nicht. Klar ist, dass Personen, die so etwas machen, anständig entlohnt werden müssen, ansonsten partizipieren weder Menschen mit wenig Einkommen, weil sie es sich nicht leisten können, noch Menschen, die sehr viel Einkommen haben. Wer dennoch keine Lust hat, darf natürlich verzichten und ein anderer Ausgeloster rückt nach. Die Freiheit, sich nicht für Politik interessieren zu müssen, ist ein hohes Gut. Dabei sein werde solche Bürgerinnen und Bürger, die sich für ihr politisches Gemeinwesen interessieren. Es sind Personen, die sich darüber freuen, per Zufall ausgelost worden zu sein und jetzt wichtig werden, weil sie mitentscheiden können und nicht lediglich von den Zuschauerplätzen [Meinungen] zu etwas haben.

Wenn wir die Idee des Zufalls auf die Spitze treiben – warum sollten wir dann nicht einfach auch alle öffentlichen Stellen in der Verwaltung zufällig losen?

Das wäre doch noch kein wirkliches auf die Spitze treiben, das ist von Ihnen noch viel zu vorsichtig gedacht! Auf die Spitze treiben heißt, sich vorzustellen, in einem totalen Losland zu leben. Also: einmal im Jahr wird neu ausgelost, wer in welcher Wohnung leben darf; einmal im Jahr wird ausgelost, wie viel Geld jemand verdient, ob Sie reicher Erbe sind oder nicht, ob sie in einem Haus mit Seegrundstück wohnen oder gar im Obdachlosenheim. Eine Gesellschaft, in der die totale Lotterie herrschte, ist als Gedankenspiel ungemein spannend. Stellen Sie sich vor: Sie wissen nicht, ob sie im nächsten Jahr Müllmann bzw. Müllfrau sind, oder ob Sie weiter lesend in der Bibliothek herumlungern oder für das moritz.magazin Interviews führen dürfen. In Losland würden Sie ganz anders auf Ihre Lebenswirklichkeit und die der anderen Menschen schauen. Wer nicht weiß, in welcher sozialen Lage er zukünftig sein wird, wird sich vermutlich für eine egalitärer Gesellschaft einsetzen, auf jeden Fall aber z.B. für angemessene Bezahlung von Pflegekräften. Global gedacht, würden wir vermutlich auch in der Migrationsfrage barmherziger sein, als momentan.

Nun leben wir in einer arbeitsteiligen Gesellschaft und es benötigt für alle Tätigkeiten gewisse Qualifikationen. Aber auch für den Zugang zu diesen Qualifikationen können Losverfahren einen Platz haben. Ein klassisches Beispiel ist die Vergabe von Studienplätzen. Bislang geschieht sie primär nach Schulnoten und dieses Verteilungsverfahren gilt als rational und gerecht. Aus meiner Sicht ist diese Sichtweise ein klassischer Fall der oben erwähnten Hyperrationalität, also der modernen Hybris. Denn bis heute hat mir niemand erklären können, warum jemand, der eine herausragende Abiturnote hat, automatisch ein besserer Chirurg sein soll als jemand, dessen Abiturnote schlechter ist. Anderseits wissen wir, dass die Abiturnote ein wichtiger Indikator für den Studienerfolg ist.

Hier gäbe es deshalb m. E. die Möglichkeit des hybriden Systems einer gewichteten Lotterie: Wir könnten alle Bewerberinnen und Bewerber in einen grossen (Computer generierten) Lostopf werfen – allerdings bekommen diejenigen, die ein besonders gutes Abitur haben, sieben oder zehn Lose, andere mit schlechtere Noten entsprechend weniger Lose. Und dann den Zufall entscheiden lassen. Ein solches Verfahren würde den Arztberuf zwar nicht vollständig, aber etwas stärker vom Dogma der Abiturnote entkoppeln. Selbst der Zufall lässt sich also planvoll einsetzen.

Beitragsbild: Laura Schirrmeister

morit.uncut: Der wiedergewählte Bürgermeister

morit.uncut: Der wiedergewählte Bürgermeister

Gut ein Jahr nach seiner Wiederwahl interviewt moritz.magazin-Redakteurin Jule Greifswalds Oberbürgermeister Stefan Fassbender.

Themen des Interviews sind unter anderem: Wie ist Stefan Fassbinder überhaupt in die Politik gekommen? Was macht ein Bürgermeister eigentlich genau? Inwiefern muss als Oberbürgermeister Parteipolitik zurückgestellt werden? Wie schwer trifft ihn die Niederlage des Ja-Bündnisses beim Greifswalder Bürger*innenentscheid zur Unterbringung von Geflüchteten?

All das und noch viel mehr in der neunten Episode von moritz.uncut.

Wie immer findet ihr moritz.uncut überall wo ihr Podcasts hört. Oder hier direkt auf Apple Podcasts…

…und hier auf Spotify:

Der Notruf feiert Geburtstag!

Der Notruf feiert Geburtstag!

Die 112 feiert heute, am 20. September 2023, ihren 50. Geburtstag. Vor exakt 50 Jahren wurde in der BRD beschlossen, eine einheitliche Notrufnummer zu verwenden. Das Notrufsystem 73 trat in Kraft und brachte eine Vereinheitlichung, die für uns heute selbstverständlich ist. Der Weg dahin ist jedoch durch eine tragische Geschichte geprägt.

Bereits seit 1948 konnte man durchaus Feuerwehr und Polizei unter den bekannten Nummern 112 und 110 erreichen – allerdings nicht überall. Die Nummern galten nur Regional und nicht verbindlich. Zusätzlich bestanden zu dieser Zeit noch keine Leitstellensysteme, wie wir sie kennen. In den meisten Regionen war es somit vollkommen normal, die nächste Wache anzurufen, wenn man einen Notfall hat. Das jedoch bedeutet auch, dass es notwenig war, diese Telefonnummer bei sich zu tragen.

Ein failendes System

Am 3. Mai 1969 kam es in der BRD zu einem tragischen Unfall: Der Achtjährige Björn Steiger wurde auf dem Nachhauseweg auf seinem Fahrrad von einem Auto angefahren. Der Rettungsdienst benötigte damals über eine Stunde, um entsprechende Hilfe vor Ort zur Verfügung zu stellen. Der Achtjährige starb noch während des Transports in Richtung Krankenhaus.

Seine Eltern gründeten in Folge des Todes ihres Sohnes die Björn Steiger Stiftung und setzten sich fortan für einen Ausbau der Notfallrettung in der BRD ein. Dinge, die für uns im Jahr 2023 vollkommen selbstverständlich sind, wurden durch die Stiftung erst forciert an die Politik herangetragen und teilweise durch die eigene Verschuldung der Eheleute erst ermöglicht.

Die Steigers legten im November 1969 den Innenministern der Länder einen offenen Brief mit einem 15-Punkte-Plan vor, um die Notfallrettung zu verbessern. Die 15 Forderungen kann man sich auf der Stiftungsseite durchlesen und staunen, wie viel Recherche hineingeflossen ist. Der Politik wurden da keine unmöglichen Forderungen gestellt, sondern bereits Lösungswege an die Hand gegeben.

Einheitlicher Notruf

Die Einführung von einheitlichen Notrufnummern wurde von Seiten der Politk mit “zu teuer” abgelehnt. Siegfried Steiger fragte daraufhin selbst bei der Deutschen Bundespost an, wie teuer solch eine Einrichtung sei und hatte bereits nach einer Stunde ein Antwort.

Im September 1973 ist es dann endlich soweit: Bund und Länder beschließen das Notfallsystem 73. Dieses beinhaltet neben den einheitlichen Notrufnummern 112 und 110 auch wegfallende Telefongebühren. Denn bis dahin hat man noch für einen Anruf bei den Rettungsdiensten gezahlt. Aber auch Standorterkennung – sofern der Notruf über ein entsprechendes Notruftelefon bzw. einen Notrufmelder abgesetzt wurde – sind möglich, genauso die bekannte Fangschaltung, also eine Rückverfolgung der Verbindung.

Europaweite Notrufnummer und Ortung

Bisher haben wir nur von der BRD gesprochen. Doch auch in der DDR gab es einheitliche Notrufnummern. Ab 1976 erreichte man unter der Nummer 115 die Schnelle Medizinische Hilfe (SMH). Mittels 110 erreichte man dort jedoch schon zuvor die Polizei und über die 112 die Feuerwehr. Mit der Wiedervereinigung wurden auch hier die Systeme vereinheitlicht und angepasst.

Seit 1991 gilt die 112 europaweit als Notrufnummer. Die Nummer ist aus diesem Grund auch als Euronotruf bekannt. Doch mit der 112 kommt man nicht nur in Europa sehr weit: auch andere Staaten setzen diese Nummer für den Notruf ein. In einigen Ländern, in denen der Euronotruf nicht gilt, ist zudem eine Umleitung in das entsprechende geltende Notrufsystem eingerichtet.

Bereits seit 2012 sind die Mobilfunkbetreiber verpflichtet, Ortungsdaten an die Leitstellen zu übertragen. Dass eine automatische Anrufortung stattfinden muss, wurde jedoch erst 2018 durch das Europaparlament beschlossen. Dadurch sind zumindest die Mitgliedstaaten gezwungen, ein solches System aufzubauen und die Ortung zu ermöglichen. Direkt im Anschluss wurde das sogenannte Advanced Mobile Location (AML) System eingeführt. Google hat das System bereits 2016 als Emergency Mobile Location in seinen Betriebssystemen integriert, Apple hat 2018 nachgezogen. Das System wird aktuell in 223 von 234 Leitstellen in Deutschland genutzt. Problematisch ist, dass AML nur funktioniert, wenn auch Netz verfügbar ist. Solltet ihr also in einem Funkloch sein und den Notruf brauchen, kommt ihr um eine detaillierte Umschreibung leider nicht herum.

Notfallortung durch die Steiger Stiftung

Bereits im Jahr 2006 nutzten einige Leitstellen eine Ortungsfunktion. Diese wurde von der Björn Steiger Stiftung zur Verfügung gestellt. 2016 wurde diese Plattform eingestellt, da Änderungen im Telekommunikationsgesetz bevorstanden, die die Ortung von staatlicher Seite voranbrachten.

All we need is gute Notfallreform

Aktuell steckt das gesamte System durchaus in einer Krise. In den Großstädten sind immerhin noch 95% der Rettungswagen innerhalb der Frist am Einsatzort. Doch für den ländlichen Raum sieht das Ganze schlechter aus. Dennoch sieht es in der Bundeshauptstadt Berlin nicht besonders gut aus: Vielleicht erinnert sich jemand an den Abend als bei der Berliner Feuerwehr kein Rettungswagen mehr zur Verfügung stand? Dort gehen in den Leitstellen schlichtweg zu viele Notrufe ein. Auch Notrufe, die eigentlich gar keine sind. Unser gesamtes Gesundheitssystem ist an der Belastungsgrenze angekommen. Die Politik versucht nun mittels Krankenhausreform sowie Notfallversorgungsreform dagegen vorzugehen.

Die Probleme sind vielschichtig und komplex: steigende Einsatzzahlen, Personalmangel, zunehmende Gewalt gegen Rettungskräfte, Notrufmissbrauch – um nur ein paar zu nennen. Besonders hervorheben muss man hier jedoch die Nutzung des Notrufs für Krankheitsbilder, die definitiv keine Notfallrettung benötigen. Hierfür gibt es die Nummer des ärztlichen Notdienstes: 116 117.

Was mache ich, wenn es dann doch passiert:

Wo befindet ihr euch?
Was ist geschehen?
Wie viele Verletzte?
Welche Art der Verletzungen?
Warten auf Rückfragen!

Keine Sorge: Falls ihr etwas vergesst oder unklar ist, kommen Rückfragen. Aus diesem Grund ist das Warten auf (potentielle) Rückfragen auch essentiell. Für den Fall, dass nach dem Auflegen noch Fragen kommen oder dem Personal etwas unklar ist, erhaltet ihr einen Rückruf von der Leitstelle.

Beitragsbild: Laura Schirrmeister

Bürger*innengespräch mit dem Ostbeauftragten der Bundesregierung in der Straze

Bürger*innengespräch mit dem Ostbeauftragten der Bundesregierung in der Straze

Am 26. Juni 2023 fand ein Bürger*innengespräch mit dem Ostbeauftragten der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), in der Straze statt. Auf dem Podium waren außerdem die Leiterin des Kulturzentrums St. Spiritus, ein Mitgründer des Greifswalder Vereins “Gründungswerft”, der Start-ups in Mecklenburg-Vorpommern untersützt, die Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Vorpommern-Rügen-Vorpommern-Greifswald, Anna Kassautzki (SPD), und eine Moderatorin.

Die Veranstaltung begann mit einer kurzen Vorstellung dieser Personen, bei der Schneider betonte, es sei sein Ziel, Eindrücke von den Meinungen der Bürger*innen zu erhalten und dazu zu animieren, Kontroversen zu ertragen. Die Leiterin des Kulturzentrums St. Spiritus gab einen kurzen Überblick über die Kulturszene in Mecklenburg-Vorpommern, die relativ umfangreich sei und den Anspruch habe, Teilhabe, Engagement und Demokratie zu fördern. Das größte Problem sei momentan die Sorge vor dem wirtschaftlichen Ruin durch Sparmaßnahmen der Regierung. Vor allem die freie Kultursezene sei gefährdet.

Anschließend stellte der Mitgründer des Vereins “Gründungswerft” sich selbst und den Verein vor. Dieser sei ein Zusammenschluss innovativer Unternehmer*innen, die Start-ups gründen wollen würden und dazu risikobereit seien. Das Ziel des Vereins sei es, ihnen zu Erfolg zu verhelfen. Er sei daher von einer massiven Aufbruchs- und Fortschrittsstimmung geprägt.

Fragen aus dem Publikum

Nach diesen Vorstellungen begann das eigentliche Bürger*innengespräch, bei dem möglichst viele Personen aus dem Publikum Schneider ihre Fragen stellen sollten.

Die erste Person wollte wissen, ob Schneider, der momentan etliche Bürger*innengespräche an verschiedenen Orten der neuen Bundesländer führt, hierbei Wiederholungen bestimmter Fragen festselle. Dieser antwortete darauf zunächst mit der Erklärung, dass ökonomische Perspektiven durch Vernetzung entstünden, dazu also keine Zentren notwendig seien und, dass für ein angenehmes Lebensumfeld Kultur unabdingbar sei. Da dies der Person, die die Frage gestellt hatte, als Antwort nicht ausreichte, wiederholt sie diese. Schneider erklärte nun, dass Vergleiche schwierig seien. Die Gespräche seien verschieden, weil auch die Regionen, die er besuche, verschieden seien.

Die zweite Frage war, wie das Ziel des Aufbruchs, das der Verein “Gründungswerft” verfolge, gelingen könne. Dazu sei, laut Schneider, eine Kombination aus kurzen Wegen und effektiver Kommunikation zwischen innovativen Personen, die dies ermöglich könnten, die Voraussetzung.

Die nächste Frage war von einer Angestellten in der Pflege der Universitätsmedizin Greifswald. Sie schilderte, dass ein Tochterunternehmen der Universitätsmedizin Greifswald zusammen mit anderen Uni-Kliniken in den alten und den neuen Bundesländern einen Tarif beschlossen habe, durch den die Angestellten in den neuen Bundesländern erheblich schlechter bezahlt werden würden. Die Frau wollte von Schneider wissen, wieso dies immer noch möglich sei, obwohl die deutsche Einheit mittlerweile schon über 30 Jahre zurückliege. Schneider gab hier die Antwort, dass die in Deutschland vorherrschende Tarifautonomie ein hohes Gut und zentrales sozialdemokratisches Ziel sei, weshalb die Politik sich in Tarifstreite nicht einmischen werde. Man könne nur moralische Unterstützung bei Protesten und Streiks leisten. Schneider riet den Gästen, den Mut zu haben, in Konfrontationen zu geraten und zu drohen. Kündigungen seien anders als in den 1990er und 2000er Jahren heute keine Gefahr mehr, da Fachkräftemangel herrsche. Er gab zu, dass Gewinne momentan zu keiner Lohn-Preis-Spirale führen würden, betonte aber erneut, dass Politiker im Tarifstreit nicht helfen könnten.

In Bezug darauf wurde eine weitere Frage gestellt. Jemand warf in ziemlich rauem Ton ein, dass der Staat in anderen Kontexten durchaus Tarifvorgaben erlassen hätte. Schneider erklärte erneut, ebenfalls gereizt, dass die Tarifautonomie einerseits gesetzlich festgelegt sei und sogar im Grundgesetz stehe und andererseits auch von Gewerkschaften und dementsprechend auch der SPD befürwortet werde.

Nach einer Ermahnung der Moderaterin an beide zu einem freundlicheren Tonfall konnte die Person eine weitere Frage stellen. Der Mann war Auszubildender und wollte wissen, was die Bundesregierung für diese Gruppe tut. Er erhalte nur Schüler-BAföG und könne keiner Gewerkschaft beitreten, da es für Mediengestalter*innen, seinen Ausbildungsbereich, keine gebe. Da seine Ausbildung kostenpflichtig sei, komme er so in finanzielle Probleme. Es gebe aber keine Hilfen, die mit denen für Studierende vergleichbar wären. Hierauf antwortete Schneider, dass es wichtig sei, kostenpflichtige Ausbildungen abzuschaffen.

Später wurde die Frage gestellt, wie mit der hohen gesellschaftlichen Fluktuation in Greifswald, teuren Wohnungen und Parallelwelten zwischen verschiedenen Stadtteilen mit sehr verschiedenen sozialen Milieus umgegangen werden könne. Schneider erklärte zunächst, dass diese Probleme zwar sehr wichtig, aber schon Luxusprobleme seien. Schließlich würden sie bedeuten, dass Menschen in der Stadt wohnen möchten. Um ausreichend Wohnungsangebot zu ermöglichen, müssten 30 Prozent Sozialwohnungen gebaut werden. Jemand erklärte, das sei der Fall. Er sagte zudem, dass die Vermischung sozialer Milieus Mittel für sozialen Wohnungsbau schaffe. Abschließend erklärte er, er fände Wachstum, also auch demographisches, positiv, trotz teilweise stark steigender Preise.

Eine weitere Frage war, wie es Schneider möglich sei, Lösungen für ihm berichtete Probleme politisch umzusetzen. Er machte deutlich, dass er Mitglied des Bundeskabinetts sei und sich so im Haushaltsausschuss für finanzielle Mittel für bestimmte Forderungen einsetzen könne. Das habe er beispielsweise beim Aufbau einer Raffinerie im Rostocker Hafen getan. Die Bundesregierung habe ein Interesse an den neuen Bundesländern, da hier Enegie produziert werde, was Grundvoraussetzung für eine funktionierende Wirtschaft sei. Als Mitgleid des Bundeskabinetts könne Schneider außerdem schon während der Entwicklung eines Gesetzesentwurfs, bevor dieser in den Bundestag eingebracht werde, Hinweise geben und in den Text einfließen lassen. Zudem werde sich in Zukunft die Lage wirtschaftlich starker Standorte in Deutschland ändern, da dazu zunehmend Fläche notwendig werde, die in den neuen Bundesländern vorhanden sei.

Als nächstes wurde die Frage gestellt, wie das Problem der Spaltung der Gesellschaft behoben werden könne. Rassistische und rechtsextreme Gruppen würden zunehmend Einfluss gewinnen, beispielsweise beim Bürgerentscheid. Zudem stelle der Klimawandel eine zunehmende Bedrohung besonders für die Küste dar, auch wegen des sich erwärmenden Atlantiks. Zugleich entstünden Verschwörungstheorien, die den Klimawandel leugnen würden, um Klimaschutzmaßnahmen zu verhindern. Die Person sei froh über den Einsatz von Kassautzki für die mecklenburg-vorpommerschen Moore, aber es seien auch Flächen zur Ökologisierung der Landwirtschaft notwendig. Schneider erklärte zunächst, das Waldsterben sei beispielsweise im Freistaat Thüringen offen sichtbar. Sein Ziel sei es, den “Kulturkampf” zu beenden. Die gesamte Gesellschaft stünde vor Herausforderungen; daher sei Zusammenhalt notwendig.

Eine Person wollte dazu mitteilen, dass die Gesellschaft auch insofern gespalten sei, als dass manche Personen Probleme hätten, Kulturveranstaltungen oder sogar das eigene Leben grundsätzlich zu finanzieren. Sie forderte, dass Politiker*innen, die Personen erreichen müssten, die sich abgehängt fühlen würden. Schneider erklärte darauf, die Spaltung sei eher kulturell als sozioökonomisch. So würden beispielsweise in seinem Wahlkreis Eigenheimbesitzer*innen die AfD wählen und sozial schwächere Personen, die in Plattenbauten leben, die SPD.

Hierzu kam ein Einwand eines Mannes, der bei dem Greifswalder Bürgerentscheid über die Verpachtung städtischer Flächen für Geflüchtetenunterkünfte in Containern intensiv für die “ja-Seite” geworben hatte. Er erklärte, ihm falle die politische Diskussion zunehmend schwer, seitdem sein Auto im Zuge des Bürgerentscheids von Gegnern seiner Position angezündet worden sei. Er erklärte, dass er zwar zu Diskussionen bereit sei, aber nicht mit “Nazis”.

Die nächste Frage bezog sich ebenfalls auf Geflüchtete. Eine Unterbringung in Containerdörfern hielt der*die Fragende für inhuman. Außerdem erklärte er*sie, es sei unzureichend, sich nur mit Unterkünften für Geflüchtete zu beschäftigen. Integration sei ebenfalls notwendig, wozu Migrant*innen Teil des deutschen Arbeitsmarktes werden müssten. Hierbei seien sprachliche Barrieren ein Problem. Politiker*innen müssten sich auch darum bemühen.

Hierauf wurde erklärt, dass Kultur eine Aufgabe des Landkreises sei, aber momentan keine Lösung vorliege. Im Anschluss entstand eine kürzere Diskussion über den Bürgerentscheid. Hiebei erklärte der Greifswalder Kommunalpolitiker Daniel Seiffert (DIE LINKE), die “ja-Seite” sei im Wahlkampf daran gescheitert, der Bevölkerung deutlich zu machen, dass auch sie Gemeinschaftsunterkünfte nur als letztes Mittel ansehe. Ihre Informationskampagnen hätten die Bürger*innen nicht erreicht.

Die letzte Frage war, welche guten Ideen Schneider bei seinen bisherigen Gesprächen erfahren habe. Er erklärte, Diskussionen seien interessant. Positiv empfinde er eine größere Akzeptanz gegenüber der Ukraine. Er forderte dazu auf, wählen zu gehen, und erklärte, es brauche Mehrheiten für vorwärtsgewandte Politik. Ausländische Unternehmen würden nicht in Städte mit einer Mehrheit der AfD investieren wollen.

Atmosphäre

Die Diskussion wurde immer wieder sehr kontrovers. Trotz der zeitweisen Hitzigkeit der Debatte, konnte aber ein höflicher Umgangston überwiegend beibehalten werden. Dennoch war auch eine Emotionalität in der Diskussion immer wieder spürbar. In einigen Punkten wirkte das Publikum aber auch sehr einig in seinen Haltungen und Emotionen. Insgesamt sorgte die Veranstaltung für einen intensiven Austausch zwischen sehr verschiedenen politischen Lagern. Diese Diskussionen wurden teilweise auch auf dem Heimweg fortgesetzt. Zudem bestand im Anschluss an die Diskussionrunde die Möglichkeit, ein persönliches Abgeordnetengespräch mit Schneider oder Kassautzki zu führen, wozu sich so viele Gäste entschlossen, dass einige recht lange anstehen mussten.

Beitragsbild: Allan Kant

Reaktualisierung von John Rawls zivilem Ungehorsam am Beispiel der Letzten Generation

Reaktualisierung von John Rawls zivilem Ungehorsam am Beispiel der Letzten Generation

Von Maya Elinor Miller

Im Kontext der Klimakrise ist ziviler Ungehorsam wieder ins Zentrum der politischen Debatten geraten. Heute fragen wir uns, wie Proteste im Angesicht untragbarer Zustände aussehen dürfen und wie wir als Gesellschaft mit ihnen umgehen sollten. Wie diese aktuellen Fragen am Beispiel der Letzten Generation mit der berühmten Definition des Philosophen John Rawls vereinbar sind, erfahrt ihr in einer ausführlichen Version in diesem Artikel, der den gleichnamigen Artikel aus der Ausgabe 163 des moritz.magazins ergänzt.

In diesem Artikel werden wir die politische Theorie des zivilen Ungehorsams von John Rawls auf die Klimaproteste der Letzten Generation anwenden und sie so gesehen reaktualisieren. Das Ziel dabei ist es, zu schauen, ob die Proteste der Letzten Generation der Rawls’schen Definition des zivilen Ungehorsams entsprechen, wo sich Fragen oder Lücken ergeben.

Doch warum soll in diesem Artikel ausgerechnet Rawls‘ Definition des zivilen Ungehorsams auf aktuelle Klimaproteste angewandt werden und nicht Hannah Arendts, Howard Zinns oder Jürgen Habermas‘ Definition von zivilem Ungehorsam? Die Antwort lautet schlicht: Weil man an der Rawls’schen Definition des zivilen Ungehorsams nicht vorbeikommt. Sie ist besonders populär. So oder so werden sich daher die Proteste der Letzten Generation an dieser messen lassen müssen.

Die moritz.medien freuen sich auf eine Zusammenarbeit mit den Teilnehmer*innen des Seminars “Ziviler Ungehorsam”, bei der ausgewählte Inhalte gemeinsam aufbereitet und präsentiert werden. So wird es Studierenden der Politikwissenschaft beispielsweise möglich sein, selbst erarbeitete Texte oder Interviews zu veröffentlichen oder Podcastfolgen für moritz.uncut zu produzieren. Das Ziel der Zusammenarbeit ist es, dem Thema des zivilen Ungehorsams eine Plattform zu bieten und noch mehr Diskussionsraum zu schaffen.

Gerechtigkeit und ziviler Ungehorsam

John Rawls gilt als bedeutendster Philosoph des 20. Jahrhunderts und beschäftigt sich in seinem Denken mit Gerechtigkeit. Hierbei entwickelt er zwei fundamentale Gerechtigkeitsgrundsätze, die erfüllt werden müssen, um von einer gerechten Gesellschaft sprechen zu können. Der erste Grundsatz bezieht sich hierbei auf rechtlich-politische Freiheiten. Der zweite Grundsatz betrachtet hingegen die soziale und ökonomische Grundstruktur einer Gesellschaft. In seiner Theorie der Gerechtigkeit befasst sich Rawls aber auch mit zivilem Ungehorsam.

Hierbei definiert Rawls grundlegende Rahmenbedingungen, unter welchen er zivilen Ungehorsam überhaupt erst als mögliche, sinnvolle und legitime Protestform betrachtet. Außerdem entwickelt er konkrete Kriterien darüber, wie der Protest selbst konzipiert sein sollte beziehungsweise wie sich die Aktivist*innen, die zivilen Ungehorsam praktizieren, zu verhalten haben. Nach Rawls findet ziviler Ungehorsam in einer fast gerechten Gesellschaft statt: Für ihn meint das immer eine Demokratie. Die fast gerechte Gesellschaft beinhaltet, dass die Gesetze, die in dieser Gesellschaft gelten, ebenfalls fast gerecht sind. Rawls sieht vor, dass sich die Gesellschaftsmitglieder bis zu dem Punkt an die Gesetzte halten müssen, in dem eine Ungerechtigkeit so groß wird, dass nur der zivile Ungehorsam einen letzten Ausweg aus der Ungerechtigkeit darstellt. Durch die Aktionen des zivilen Ungehorsams soll dann die fast gerechte Gesellschaft erhalten oder noch gerechter werden. Dafür sollen für Rawls die legalen Mittel zur Bekämpfung der Ungerechtigkeit weitestgehend ausgeschöpft sein. Was ebenfalls deutlich wird ist, dass Rawls im zivilen Ungehorsam eine Stabilisierungsfunktion sieht, um gerechte Institutionen und Gesetze zu stärken.

Ganz konkret definiert Rawls zivilen Ungehorsam als öffentlichen, gewaltlosen, gewissensbestimmten, politischen Verstoß gegen Gesetze mit dem Ziel eine Veränderung der herrschenden Gesetze oder eine konsequente Umsetzung bereits herrschender Gesetze zu erwirken. Öffentlich, weil die Protestaktionen für alle sichtbar stattfinden und die Aktivist*innen sich zu ihren Aktionen bekennen und die Konsequenzen für den Gesetzesverstoß auf sich nehmen. Gewaltlos, da man erstens im Protest eine grundlegende Gesetzestreue ausdrücken will und zweitens, weil sich ein Widerspruch entwickeln würde, wenn man im Kampf für mehr Gerechtigkeit Ungerechtigkeit in Form von Gewalt praktizieren würde. Auffällig ist hier, dass Rawls ein sehr breites Verständnis von Gewalt hat, da auch Drohungen und Zwang für ihn indirekte Gewaltanwendung bedeuten. Gewissensbestimmt insofern, als dass man sich vom Sinn für Gerechtigkeit leiten lässt. Hierbei nimmt Rawls an, dass es in der Gesellschaft einen geteilten Gerechtigkeitssinn gibt. Und politisch insofern, als dass die Aktivist*innen mit einem politischen Anliegen oder Grundsätzen an den Gerechtigkeitssinn der Mehrheit appellieren.

Gesetzestreue und die Letzte Generation

Wendet man diese Rahmenbedingungen und Kriterien der Rawls’schen Definition des zivilen Ungehorsams auf die Proteste der Letzten Generation an, so zeichnet sich ein geteiltes Bild. Zuerst einmal kann man eine weite Übereinstimmung der Praxis des zivilen Ungehorsams durch die Letzte Generation mit der theoretischen Definition von John Rawls feststellen. Die Protestaktionen finden im Lichte der Öffentlichkeit statt und es wird, seitens der Aktivist*innen, Rechenschaft abgelegt. Man handelt gewissensbestimmt mit dem Ziel eine bereits herrschende und darüber hinaus zukünftige Ungerechtigkeit abzuwenden. Die Aktionen selbst sind häufig gesetzeswidrig und zielen auf die notwendige Einhaltung bereits herrschender nationaler und internationaler Gesetze und Abkommen, wie die Pariser Klimaziele, und auf notwendige Gesetzesänderungen ab. Nach Angaben der Aktivist*innen der Letzten Generation wird im Protest selbst durch besondere Höflichkeit und die Inkaufnahme der Strafe die grundlegende Gesetzestreue ausgedrückt, welche immer wieder auch durch den Bezug auf das Grundgesetz und das Verfassungsgerichtsurteil vom 29. April 2021 untermauert wird. Zuletzt schwingt in ihren Aktionen immer ein Appell an die Gesellschaft – an uns Bürger*innen – mit.

Eine Frage der Stabilisierung

Es gibt jedoch auch Rawls’sche Kriterien, die nur in Teilen zutreffen oder deren Übereinstimmung mit den Aktionen der Letzten Generation mindestens strittig sind. Ambivalent ist beispielsweise die Frage nach der Stabilisierungswirkung, die Rawls dem zivilen Ungehorsam zuschreibt. Man könnte argumentieren, dass diese im Fall der Letzten Generation eintritt, da etwas gegen die drohenden extremen Folgen der Klimakrise zu unternehmen, als ultimative Rettung vor daraus resultierenden politischen Folgen gewertet werden kann. Dagegen spricht, dass momentan im gesellschaftlichen Diskurs eher eine Polarisierung anhand der Klimaproteste sichtbar wird, also ein Instabilerwerden des gesellschaftlichen und politischen Zusammenhalts. Für mich schließt sich hier allerdings die Frage an, ob und inwieweit man dies der Letzten Generation vorhalten kann. Denn die stabilisierende Wirkung zeigt sich auch bei Rawls erst im letztendlichen Erfolg der zivilungehorsamen Proteste.

Auch die Gewaltlosigkeit ist in Teilen strittig. Nach Selbstaussagen ist die Letzte Generation komplett gewaltfrei. Nie werden Sicherheitskräfte oder Zivilisten angegriffen oder beschimpft. Jedoch liest die deutsche Justiz Aktionen, wie die Blockade von Straßen, als Nötigung, also gewissermaßen als Zwang, was nach Rawls ebenfalls eine Form von Gewalt darstellt. Hier tut sich, wie es scheint, eine fundamentale Frage auf: Denn baut nicht jede Form von Protest einen für das Anliegen meist notwendigen Druck auf, welchen man stets auch als Drohung, Zwang oder Nötigung lesen könnte?

Ein anderer Apell?

Was den Appellcharakter des zivilen Ungehorsams angeht, tut sich ein anderes Problem auf, nämlich die Frage, was zu tun ist, wenn der Appell der Aktivist*innen fehlschlägt.

Momentan scheint es der Letzten Generation nicht zu gelingen, den Gerechtigkeitssinn der Mehrheit und der Regierenden erfolgreich zu adressieren und auf die bereits herrschende und zukünftige Klimaungerechtigkeit, sowie für ungleiche Partizipationschancen der jungen Generation aufmerksam zu machen. Aus Sicht der Letzten Generation manifestieren die aus dem Klimawandel resultierenden Ungleichheiten daher auch ein Demokratieproblem. Der zielführende Charakter der Aktionen des zivilen Ungehorsams stellt auch für Rawls einen wichtigen Aspekt dar. Dieser Punkt könnte in Anbetracht der aktuellen Entwicklungen die Achillesverse des zivilen Ungehorsams der Letzten Generation darstellen, da es dieser, wie beschrieben, nicht gelingt die Mehrheit der Gesellschaft, den Gerechtigkeitssinn der Mehrheit und der Regierenden erfolgreich anzusprechen.

Vielleicht liegt an dieser Stelle das Problem in der Artikulation des Protestes der Letzten Generation, welche immer wieder auch mit einer Angst-Rhetorik arbeitet, statt nach dem Vorbild vorhergegangener Protestbewegungen die Debatte um ungleiche Freiheiten aufzunehmen. Es wäre folglich empfehlenswert, die Anliegen der Klimaproteste in die Sprache ungleicher Freiheiten zu überführen. Auch Rawls sieht zivilen Ungehorsam eigentlich nur in Verletzungen von individuellen Freiheitsrechten, d. h. in Verletzungen des ersten Gerechtigkeitsgrundsatzes und von fairer Chancengleichheit, als gerechtfertigt. Außerdem scheinen Protestbewegungen, die sich auf ein Freiheitsproblem bezogen, historisch gesehen erfolgreicher.

Buchrezension: Die letzte Generation – Das sind wir alle

Buchrezension: Die letzte Generation – Das sind wir alle

Kurzer Einschub vorneweg
Diese Rezension befasst sich ausschließlich mit den im Buch vorkommenden Inhalten und bewertet nicht die politischen Botschaften oder das Auftreten der „Letzten Generation“ oder einzelner genannten Personen. Dies beruht auf der aktuellen Dynamik in der Debatte um die „Letzte Generation“ aufgrund des bestehenden Anfangsverdacht wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ und der damit einhergehenden Komplexität der Thematik. Dies führt dazu, dass es keine Stellungnahme zu den oben genannten Punkten geben wird, da ich mich nicht im Stande sehe eine, meiner Meinung nach, der Diskussion förderliche Positionierung zu äußern, da mir gerade bei der rechtlichen Betrachtungsweise das hierzu nötige Wissen fehlt. Mehr zu den aktuellen Entwicklungen rund um die “Letzte Generation” findet ihr hier.

Vom einem Jesuitenpater, einer Schülerin und einem Studenten

Eins wird gleich zu Beginn deutlich, Klimaschutz verbindet die unterschiedlichsten Menschen. Aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten kommen Menschen zusammen, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. In dem Buch geht es um drei Personen, die sich und ihr Leben der “Letzten Generation” verschrieben haben. Es begleitet den Weg von Jörg Alt, Lina Eichler und Henning Jeschke hin zu den Klimaprotesten der „Letzten Generation“. Eingeleitet wird das Buch von den Vorstellungen der drei Protagonist*innen. Besonders hierbei ist die Konstellation in der die drei zueinander stehen. Während Jeschke und Eichler aktiv am Protest der „Letzten Generation“ teilnehmen ist Jörg Alt einer der Unterstützer*innen der „ Letzten Generation“. Besonders die Kontakte Alts in Politik und Welt sind es die später eine besondere Rolle spielen werden.

Mit dem ersten Worten des Buches wird aber auch eins deutlich. Dieses Buch wird nicht nur einen Blick hinter die Kulissen der “Letzten Generation” geben, sondern soll auch den Leser überzeugen. Mit Sachargumenten. Nicht mit einer emotionalen Botschaft oder sonstigen Gefühlsduseleinen, sondern mit der Wissenschaft. Immer wieder finden sich Erklärboxen auf den Seiten oder gehen gleich über mehrere. Besonders ist auch, dass es für dieses Buch ein eigenes Quellenverzeichnis gibt. Es ist der Leserin oder dem Leser also möglich sich von jeder Quelle nicht nur einen eigenen Überblick zu verschaffen, sondern gegebenenfalls eigene andere Schlüsse zu ziehen.

Alle Wege führen zum Reichstag

So richtig Fahrt nimmt das Buch in der Mitte auf. Hat man am Anfang noch die drei Protagonist*innen kennengelernt, so erfährt man jetzt, wie der Hungerstreik vor dem Reichstag abläuft. Dieser hatte zum Ziel, dass es ein Gespräch vor der Bundestagswahl 2021 mit dem Kanzlerkandidaten geben sollte. Vor allem aber lernt man die Geschehnisse hinter den Kulissen genauer kennen. So bekommt man nicht nur aus erster Hand mit, wie stark das Leid der Hungerstreikenden ist, sondern auch, wie sehr der Hungerstreik die Gruppendynamik kaputtgemacht hat. Es gibt in der Gruppe selbst immer mehr Zweifel, ob der Hungerstreik über eine so lange Zeit nicht doch ein zu hohes Risiko für das Leben der Streikenden darstellt. Besonders krass finde ich in diesem Zusammenhang, dass gerade bei dieser Aktion Weitsicht eine große Rolle spielt. So wird sich auf diesen Hungerstreik vorbereitet durch Training oder Gespräche mit Fachleuten, wie Ärzt*innen. Aber auch die Schilderungen der Veränderungen werden sehr eindrucksstark übermittelt. So schildert Henning Jeschke zum Bespiel einen stark gebesserten Geruchsinn und teilt rückblickend auf seine Vorbereitung folgende Erfahrung.

„Schon nach drei, vier Tagen Hungern wird der Geruchssinn richtig stark. In der Zeit bin ich noch mal mit dem Fahrrad nach Hause gefahren, um etwas zu holen. Es war beeindruckend, in welcher Entfernung ich wie intensiv Essen roch, bei jeder Bäckerei aufs Neue.“

Seite 70 Mitte

Der Hungerstreik selbst wird aus den drei unterschiedlichen Perspektiven der Protagonist*innen geschildert. Hennig Jeschke und Lina Eichler, die sich im Hungerstreik befinden und Jörg Alt, der die Gespräche im Hintergrund führt, dabei seine Kontakte in die politische Welt nutzt und eher eine beobachtende Rolle einnimmt. Jeschke und Eichler schildern vor allem ihre Erfahrungen bezogen auf die physischen und psychischen Folgen des Hungerstreiks, aber auch und das ist besonders spannend, wie sich die Gruppe untereinander verhält. Welche Aufruhe herrscht, wenn das Telefon klingelt und die Gruppe hofft eins der erhofften Gespräche zu führen. Der Hungerstreik endet für die Gruppe zwiespältig. Zum einen gibt es Zusagen zu den Gesprächen und 300 neue Kontakte von Menschen, die sich der „Letzten Generation“ anschließen wollen, zum anderen stirbt Henning Jeschke beinahe. Auch der Gruppe als solche geht es nicht besonders gut. Lina Eichler selbst zieht folgendes Fazit über die Gruppe:

„Es ist so schade, dass wir da gemeinsam reingegangen sind, aber nicht als Gruppe rausgekommen sind.“

S. 79 Mitte

Besonders eins ringen mir diese Schilderungen beim Lesen ab. Respekt. Nicht dafür sein Leben zu riskieren, sondern an einer Überzeugung so lange festzuhalten unabhängig von den möglichen Konsequenzen. Das Buch schafft es hier nicht nur einen sehr guten Einblick in die einzelnen Akteure zu liefern, sondern auch einen besonders eindrucksvollen Blick hinter die Kulissen der “Letzten Generation” zu liefern. Vieles gab beim Lesen den Eindruck, dass man praktisch mit vor Ort war, da die Schilderung so voller Leben waren und mich persönlich auch sehr fesseln konnten.

Nach dem Hungerstreik

Nach den Schilderungen zum Hungerstreik verliert das Buch ein wenig den WOW- Faktor. Leider. Nachfolgend wird über verschiedene Sitzblockaden berichtet und auch darüber wie man Pipelines abdreht. Eine eher nicht so spannende Etappe in diesem Buch. Liegt aber hauptsächlich daran, dass man diese Ereignisse aus den Medien bereits kannte oder zumindest davon gehört hatte. Was aber besonders ab der zweiten Hälfte gut gelingt ist die Überzeugung selbst tätig zu werden. Es überwiegt hier für den*die Lesenden nicht mehr der Fokus auf einer großen Aktion der “Letzten Generation”, sondern es gibt viele kleine. Dafür wird aber besonders in der zweiten Hälfte deutlich, warum die drei Protagonist*innen handeln, wie sie handeln. Der Versuch die Lesenden von seinen Ansichten auf wissenschaftlichen Wege zu überzeugen wird besonders hier sehr deutlich.

Am Ende ist man immer schlauer

Besonders gegen Ende des Buches und besonders mit den Schlussworten von Angela Krumpen und von bene! Verlagsleiter Stefan Wiesner wird mir eins klar. Das Buch hat nicht an Spannung verloren. Ich habe nur nach den falschen Dingen gesucht. Dieses Buch gibt einem keinen “Blick hinter die Kulissen” und soll einen so überzeugen. Es bietet um überzeugen zu wollen einen “Blick hinter die Kulissen”. Besonders im Kopf geblieben ist sind mir folgende Worte von Stefan Wiesner:

“Es gibt Bücher, die geschrieben werden müssen. Dieses Buch gehört definitiv dazu.”

Seite 184 unten

Natürlich sind das Worte, die jede Verlagsleitung über Bücher sagen sollte, die im eigenen Verlag veröffentlicht werden, allerdings merkt man gerade in diesem Schlusswort eine bloße Überzeugung in den Worten. Eine Überzeugung, die sich von Anfang bis Ende in jedem geschriebenen Wort des Buches wiederfindet.

An dieser Stelle sei angemerkt, dass der bene! Verlag uns ein Exemplar kostenfrei zur Verfügung gestellt hat. Das Buch gibt es für einen Preis von 18€ überall zu kaufen, wo es Bücher gibt.

Beitragsbild: Jan-Niklas Heil