Warum Vögel nicht betrunken werden sollten

Warum Vögel nicht betrunken werden sollten

Diese Redaktion besteht aus Studierenden. Und Studierende studieren. Oder besuchen Seminare. Oder schreiben Hausarbeiten. Und ab und zu kommt dabei auch etwas Sinnvolles zustande. Damit diese Perlen der wissenschaftlichen Hochkultur mit der Abgabe nicht im Nirvana verschwinden, werden wir hier ausgewählte Ergebnisse aus unserem eigenen Studium teilen.

Diese gekürzte Zusammenfassung basiert auf dem Vortrag und der Ausarbeitung zum Thema “Zufallswege” aus dem Seminar “Simulation von Zufallszahlen des MSc. Biomathematik im SoSe 2021”.

Der Begriff “Zufallsweg” (Irrfahrt, Irrweg, engl.: random walk) stammt aus einer im Jahr 1905 im Journal Nature geführten Konversation zwischen Karl Pearson und Lord Rayleigh. Pearson fragte nach einer Lösung für ein statistisches Problem: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand nach n Wegstrecken, mit bestimmter Länge und beliebigen Winkeln zwischen diesen Strecken, wieder in der Nähe des Ausgangspunktes erscheint?
Lord Rayleigh konnte ihm bereits eine Woche später antworten, Pearson bedankte sich in der darauffolgenden Woche und resümierte:

Wir können aus der Lösung von Lord Rayleigh die folgende Lehre ziehen: In offenem Gelände ist der wahrscheinlichste Ort, an dem man einen Betrunkenen antrifft, der überhaupt noch auf seinen Beinen stehen kann, irgendwo in der Nähe seines Ausgangspunktes.

Ein Zufallsweg ist grundsätzlich ein mathematisches Modell, das die zufälligen Wege eines Teilchens im ein- oder mehrdimensionalen Raum beobachtet und verknüpft. Dieser stochastische Prozess besitzt unabhängig und identisch verteilte Zuwächse in diskreter Zeit. Das bedeutet, dass einzelne, gleich große Zeitschritte beobachtet werden und die Bewegungen des Teilchens nur vom aktuellen Zeitschritt abhängen.

Zur Veranschaulichung des Konzepts kann man sich einen betrunkenen Studenten, nennen wir ihn Moritz, vorstellen, der in der Innenstadt herumläuft. Im eindimensionalen Fall bewegt er sich nur auf der Langen Straße. Da Moritz so betrunken ist, weiß er nach jedem Schritt nicht mehr, in welche Richtung er gerade gelaufen ist und geht mal vor und mal zurück. Wir bleiben an dem Punkt, wo wir ihn getroffen haben, stehen und beobachten seinen Weg.

Um die Sache zu vereinfachen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Moritz einen Schritt nach vorne macht, genau so groß wie die Wahrscheinlichkeit eines Schrittes nach hinten. Damit können wir den beobachten Zufallsweg symmetrisch nennen. In diesem Fall kann man zeigen, dass Moritz nach einer gewissen Zeitspanne wieder zu seinem Ausgangspunkt zurückkehrt. Tatsächlich kommt er unendlich oft zurück, wenn eine unendliche Zeitspanne betrachtet wird. Aber da am nächsten Tag Vorlesungen sind, können wir ihn nicht so lange beobachten und wollen ihn irgendwann daran erinnern, dass er nach Hause gehen sollte, um wenigstens etwas Schlaf zu bekommen. Doch wann kommt Moritz das nächste Mal zu uns an seinen Ausgangspunkt zurück? Die Wahrscheinlichkeit, dass er in 100 Schritten mindestens einmal bei uns vorbeikommt, liegt bei 92%. Also wird das hoffentlich noch rechtzeitig klappen.

In einem zweiten Szenario treffen wir Moritz nicht auf der Langen Straße, sondern auf dem Marktplatz. Somit liegt ein zweidimensionaler Fall vor. Auch hier nehmen wir etwas vereinfachte Bedingungen an. Zusätzlich zu dem gleichmäßigen Laufen kann Moritz nur geradeaus, zurück oder im rechten Winkel nach links bzw. rechts abbiegen.

Und auch hier kann gezeigt werden, dass Moritz nach endlicher, aber möglicherweise sehr langer Zeit, wieder bei uns am Ausgangspunkt erscheint. Georg Pólya konnte 1921 zeigen, dass diese Eigenschaft des garantierten Zurückkehrens zum Ausgangspunkt nur für ein- und zweidimensionale symmetrische Zufallswege zutrifft. Ab der dritten Dimension gibt es Zufallswege, die für immer im Nirgendwo verschwinden.

Ein betrunkener Mensch findet nach Hause, aber ein betrunkener Vogel kann für immer verloren gehen.

Shizuo Kakutani

Beitragsbild by Aylin Çobanoğlu on Unsplash

Heimathafen Review – Ein Jahr danach

Heimathafen Review – Ein Jahr danach

Seit über einem Jahr lebe ich nun schon in Greifswald. Ich bin keine frisch Zugezogene mehr. Die Großstadt, die ich für Greifswald verlassen habe, kommt mir sehr weit entfernt vor. Heute weiß ich, dass in Greifswald alles kleiner, ruhiger und nahbarer ist. Die Stadt ist eine kleine Idylle. Aber gefällt mir diese Idylle, wo alles so perfekt zu sein scheint?

Vor genau einem Jahr schrieb ich den Artikel “Eine kleine Review zu meinem neuen Heimathafen Greifswald”. Das scheint so lange her, aber auch gerade erst wie gestern. Nun schreibe ich auch schon seit einem Jahr für den webmoritz.. Wie erging es mir in diesem einen Jahr? Konnte sich Greifswald als mein neuer Heimathafen bewähren? Blieben meine Freundschaften erhalten? Und wie lief das digitale Semester für mich? Was bedeutet mir heute die Stadt, die mir vor einem Jahr noch fremd war?

Die Erstiwoche der anderen

Sehnsüchtig beobachte ich das Treiben am Hafen und auf dem Markt. Dort sind so viele (vor allem junge) Menschen. Menschen, die jetzt ihr Studium beginnen werden. Menschen, die eine ,,richtige” Erstiwoche erleben dürfen. Ganz ehrlich, ich bin schon etwas (sehr) neidisch. Sie scheinen alle so aufgeregt und glücklich zu sein, dass sie ein neues Kapitel ihres Lebens aufschlagen können. Okay, vielleicht liegt das auch an dem bereits getrunkenen Alkohol, dass alle so glücklich wirken. Der Schein trügt oft.

Aber warum bin ich eigentlich so neidisch auf die Neuankömmlinge?! Vor einem Jahr schrieb ich in meinem Artikel:

,,Sie wurde ganz verantwortungsvoll an die Corona-Maßnahmen angepasst: Alkoholverbot, Masken tragen bei den Veranstaltungen, sich für diese vorher anmelden oder sie online wahrnehmen.”

Das hat die Stimmung damals etwas gedämpft. Aber der eigentliche Grund, warum ich neidisch bin, ist, dass alle so viele Kontakte knüpfen können. Klar, das konnte ich auch. Aber halt in einer abgeschwächten Form. Die Erstis scheinen alle so freudig erregt und das beneide ich.

Dort studieren, wo andere Urlaub machen

Diesen Spruch lese ich so oft. Sowohl in der Stadt, als auch in der Uni. Und jedes Mal stolpere ich darüber. Denn ich verstehe nicht, warum Leute hier Urlaub machen wollen?! Die Innenstadt ist wunderschön, das Fischerdorf Wieck und die Klosterruine Eldena auch. Einen Tages- oder Wochenendtrip würde ich auch vorschlagen, aber war es das nicht im Grunde schon?! Vor einem Jahr schrieb ich:

Die Universität formt die Stadt. Die Stadt formt wiederum das Leben der Studierenden. Ein ewiger Kreislauf, den niemand durchbrechen kann. (…) Die Gebäude der Universität und die Stadt bilden eine wunderschöne Symbiose.

Dem würde ich auch heute noch zustimmen. Aber genau das stört mich manchmal. Es ist meistens sehr voll in der Innenstadt. Ältere Menschen, die die Cafés besetzen, Studierende, die von dem einen zum nächsten Seminar hetzen, Kinder, die von der Schule kommen und Tourist*innen, die große Gruppen bilden. Na ja, ich lebe dort, wo andere Urlaub machen.

Mein erstes Winter- und Sommersemester: Freizeit, Spaß und Spiel adé

Ich studiere jetzt. Das schon seit einem ganzen Jahr. Vor allem während des ersten Semesters war ich maßlos davon überfordert. Hobbys, die kamen viel zu kurz. Ich stand eine Zeit lang jeden Morgen um 5 Uhr auf, um all meine Aufgaben für die Uni zu schaffen.

Das Wintersemester begann noch ein wenig im Präsenz-Unterricht. Das Sommersemester endete rein digital. Und heute? Heute bin ich davon überfordert, so viele Menschen in einem Raum zu sehen. Am liebsten würde ich wegrennen. Manchmal habe ich ein wenig Angst vor den ganzen Leuten, die wieder Augenkontakt mit mir aufbauen können.

Sowohl mit dem Fahrrad, dem Domcenter als auch dem Küstenkind konnte ich mich noch nicht so recht anfreunden. Trotz meiner fehlenden Liebe zum Rad, bin ich nicht auf der Stelle stehengeblieben. Die erste eigene Wohnung, eine Beziehung, ein Jahr webmoritz. und einen Job mehr sind dazu gekommen.

Alte Freundschaften

,,Ich bin zufrieden und dankbar für diejenigen, die jetzt ein Teil meines Lebens sind, die ich hier durch die Universität gefunden habe oder auch Freund*innen, die ich aus der Heimat mitbringen konnte.”

Dem kann ich nur zustimmen. Um ehrlich zu sein, viele neue Freundschaften sind nach dem ersten Monat auch nicht mehr dazu gekommen. Manche Freundschaften sind enger geworden, andere sind auseinandergedriftet. Und wiederum andere könnten durch die Präsenz-Lehre wieder stärker werden.

Mein Fazit zu einem Jahr Heimathafen

Diese Review ist eindeutig kritischer und weniger positiv geworden als der Artikel von vor einem Jahr. Ich kann Greifswald und das Studium bloß nicht mehr durch die Rosa-Rote-Brille sehen. Heute fallen mir Fehler an der Stadt auf, die ich damals nicht sah. Jedoch finde ich das überhaupt nicht schlimm, denn mein Zuhause ist Greifswald. Manchmal ist mir hier alles zu eng und zu viel. An anderen Tag ist es mir zu weit und zu wenig. Und ab und zu ist einfach alles genau richtig, so wie es ist. Hier habe ich meine Freunde und die Universität. Vielleicht denke ich in ein paar Jahren, dass Greifswald nicht mehr der Ort ist, an dem ich mich angekommen fühle. Aber dann ziehe ich weiter. Und das fände ich okay. Denn heute bin ich hier, hier in Greifswald. Und diese kleine Idylle mag ich sehr gerne.

PS: Falls ihr den Artikel schon kritisch fandet, hört mich mal über meine Geburtsstadt lästern ;).

Beitragsbilder von Maret Becker

“Ich studiere KIL” – “Du studierst WAS???”

“Ich studiere KIL” – “Du studierst WAS???”

Der Masterstudiengang Kultur – Interkulturalität – Literatur ist deutschlandweit einzigartig.

Man hat drei Module (drei Kurse) in Kulturwissenschaft, drei Module (sechs Seminare) in Interkulturalität, was eigentlich Deutsch als Fremdsprache ist, und je nach Schwerpunkt (Anglisitik/Amerikanistik, Germanistik, Skandinavistik und Slawistik) verschieden viele Kurse und Module. Da man den Studiengang mit insgesamt vier verschiedenen Schwerpunkten studieren kann, hatte ich gedacht, dass der Studiengang sehr beliebt sein würde. Denkste!

Bei nicht einmal 30 von über 10.000 Studierenden an der Universität Greifswald, haben nur die wenigsten Studierenden und Lehrenden eine Ahnung, was sich hinter dem Akronym KIL überhaupt verbirgt. Mir ist es auch schon oft vorgekommen, dass meine eigenen Dozenten nicht wussten, was ich studiere. Und so war ich zu Beginn meines Studiums erst mal überfordert, denn es gab keinen FSR (erst nach knapp einem Jahr habe ich bei den FSR-Wahlen mitbekommen, dass alle KIL-Studierenden zum FSR Nordistik gehören), der mich in der Erstiwoche begrüßte, es gab keine Infoveranstaltungen und zahlreiche Kurse haben sich bei der Stundenplanerstellung überschnitten.

Als ich bei anderen Studierenden Anschluss gefunden hatte, wurde schnell deutlich, dass viele Studierende mit dem Studiengang nicht zufrieden waren, und übers Abbrechen nachdachten. Auch viele Lehrende sind alles andere als begeistert. Besonders im DaF-Bereich darf ich mir seit mehreren Semestern wöchentlich anhören, dass die Seminare für uns ja nicht wirklich relevant sind, da wir ja eh nie unterrichten werden, wobei einige Studierende durchaus deutlich gemacht haben, dass sie schon Erfahrungen im Unterrichten haben und auch gerne als DaF-Lehrende arbeiten würden. So gut wie keiner der Studierenden hat vorher DaF studiert und da es keine aufeinander aufbauenden Module und keine Grundkurse gibt, haben nun einmal alle andere Voraussetzungen. Auch noch nach drei Semestern fällt es einigen schwer, grundlegende Dinge, wie den Unterschied zwischen DaF und DaZ zu erklären. Zudem gibt es auch DaF-Dozenten, die sich andauernd über uns lustig machen – mit einem Literaturstudium könne man später schließlich nichts anfangen. Pädagogisch wertvoll? Eher nicht.

Wie die meisten deutschen Masterstudiengänge ist auch der KIL-Master so angelegt, dass man ihn in zwei Jahren (also vier Semestern) abschließen kann. Doch nur die wenigsten machen ihren Abschluss in der Regelstudienzeit. Von rund 30 Studierenden sind über zehn Studierende im fünften, sechsten, achten oder neunten Semester. Doch wie kommt das? Zum einen ist das Konzept des Studienganges eher schlecht. Die DaF-Module finden nur jedes dritte Semester statt, kulturwissenschaftliche Module jedes zweite. Und auch in den Philologien werden Kurse nicht jedes Semester angeboten.

Viele Kurse überschneiden sich und der Arbeitsaufwand ist extrem hoch! Schon klar, es ist ein literaturwissenschaftlicher Masterstudiengang. Aber nur die wenigsten schaffen es, den Berg an Hausaufgaben zu bewältigen. Da es keine Anwesenheitspflicht gibt, fällt das nicht unbedingt auf. Das Angebot der Kurse ist teilweise auch sehr enttäuschend. Ich kam mit der Erwartung nach Greifswald, dass ich mich hier spezialisieren könnte, dass ich selbst die Wahl hätte, welche Kurse und Dozenten ich wählen würde. Aber nein; da die meisten Kurse nur versetzt angeboten werden, hat man keine Auswahl. Parallelkurse mit anderen Themen und Dozenten sind in der Kulturwissenschaft und Interkulturalität nicht vorgesehen. Lediglich in drei meiner Schwerpunkt-Module kann ich das Thema und den Dozenten frei wählen, vorausgesetzt, es überschneiden sich nicht zu viele Kurse mit meinen Pflichtkursen.

Ich hatte naiverweise auch angenommen, dass sich die Schwerpunkte nicht groß voneinander unterscheiden würden. Doch in der Germanistik darf/muss man ein vierwöchiges Pflichtpraktikum absolvieren, in der Skandinavistik hat man mehr Sprachpraxis-Module als in der Anglistik und in der Skandinavistik dürfen Haus- und Masterarbeiten auf Deutsch geschrieben werden – dass das viel leichter ist, ist ja wohl keine Frage.

Das einzig Positive an dem Studiengang ist, dass die verantwortlichen Lehrkräfte bemüht sind, den Studiengang zu optimieren. Es gab dazu Gespräche mit Studierenden und jedes Semester wird der Studiengang evaluiert. Dass wir von den Evaluationsergebnissen nichts mitbekommen und dass Änderungen oft erst nach Semestern bzw. Jahren vorgenommen werden, ist allerdings wieder suboptimal.

Wäre ich nicht von meinen BAföG-Auflagen abhängig gewesen (bei einem Studiengangswechsel im Master bekommt man keine weitere Förderung), dann hätte ich wohl auch abgebrochen.

Beitragsbild: archiv

Erasmus

Für diejenigen von euch, die neben ihrem Studium gerne Auslandserfahrungen sammeln möchten, gibt es im Vorfeld Vieles zu planen und zu organisieren. Wir stellen euch das Austauschprogramm Erasmus vor und zeigen, wie ihr euch dafür bewerben könnt.