Buchrezension – „Schlechtes Vorbild, gute Vibes“ von Pati Valpati

Buchrezension – „Schlechtes Vorbild, gute Vibes“ von Pati Valpati

Ratschläge wie „Sei vernünftig!“, „Verfolge deine Träume!“ oder „Lass dich nicht von Social Media beeinflussen!“ haben wir wohl alle schon einmal gehört. Solche Ratschläge sind meistens unnütz und nervig. Das findet auch die Autorin und Influencerin Pati Valpati und schreibt in ihrem ersten Buch „Schlechtes Vorbild, gute Vibes – Ratgeber gegen Ratschläge“ darüber. Ob sich ein längerer Blick in das Buch lohnt, erfährst du in diesem Artikel.

Überblick Wozu schreibt man ein Ratgeberbuch über Ratschläge?

Die Autorin Pati Valpati gibt in den Kapiteln des Buches private Einblicke und Meinungen zu einer Auswahl an Ratschlägen, die sie sich sehr oft in ihrem Leben anhören durfte. Diese Ratschläge hat sie nicht nur oft bekommen, sondern auch selbst gegeben – was sie nun bereut. Die Autorin nimmt die Lesenden mit auf eine Reise in ihre Vergangenheit, indem sie Ratschläge analysiert und mit Beispielen aus ihrem eigenen Leben widerlegt. Ihren persönlichen Schreibstil machen vor allem Ironie und die persönlichen Anekdoten aus, die dafür sorgen, dass wir die Autorin besser kennenlernen. Dabei helfen auch ihre extra angefertigten Listen, die sich in jedem Kapitel wiederfinden.

Versteckte Gesellschaftskritik

Ein ganzes Buch zu dem Thema „ungewollt Ratschläge bekommen“ scheint auf den ersten Blick nicht wirklich notwendig zu sein. Schließlich handelt es sich um kein hochbrisantes politisches Thema. Neben leichter Kost und persönlichen Anekdoten versteckt sich jedoch auch Kapitalismus- und Gesellschaftskritik in dem Buch.

Bemerkbar macht sich das zum Beispiel im Kapitel „Sei vernünftig“.

Die Vernünftigkeit einer Entscheidung wird rein an ihrer Rationalität und somit (häufig) auch an ihrer Wirtschaftlichkeit und ihrem Potenzial zur Gewinnmaximierung gemessen. […] Sich um das eigene Wohlbefinden zu kümmern wird nur dann als vernünftig angesehen, wenn eine Steigerung der eigenen Leistungsfähigkeit als Resultat wahrscheinlich ist.

S. 101/102

Was kann falsch gemacht werden bei einem Ratgeber?

Auch wenn die Autorin Gesellschaftskritik in ihrem Buch äußert – was mich überraschte – langweilte mich das Buch allzu oft. Das lag vor allem daran, dass man selbst viele Geschichten um Ratschläge erlebt hat und dadurch selten etwas Neues lernte. Das hat mich sehr enttäuscht. Dazu kommen ihre Listen, die in nahezu jedem Kapitel auftauchen. Das ist zu oft und wirkte unnötig. Mir kam die Frage auf, ob die Autorin damit versucht hat ihr Buch vollzubekommen.

Fazit

Das Buch las sich wie ein Tagebucheintrag oder wie ein mehr oder weniger gutes tiefgehendes Gespräch mit einer Freundin. Was perfekt ist, wenn man leichte Kost lesen möchte oder die Autorin sehr mag. Allerdings war mir dieses Buch etwas zu „leicht“. Hätte sie nicht ab und zu die gesellschaftlichen Zwänge, die hinter diesen Ratschlägen stecken, genannt, hätte ich dem Buch eigentlich nichts Gutes abgewinnen können. Ich wäre gerne anderer Meinung, aber mir hat dieses Buch leider keinen Mehrwert gegeben. Tatsächlich hätte ich auch gerne eine längere Rezension geschrieben. Aber auch das ließ das Buch nicht zu – es hatte leider nicht mehr zu bieten.

Das Buch ist überall, wo es Bücher gibt, zu einem Preis von 18,99 Euro erhältlich.

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Lesbarkeit

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Nicht mehr weglegen wollen

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Spannung

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Buchumschlag

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Weiterempfehlung

Hier sei erwähnt, dass der riva Verlag so freundlich war, uns ein Exemplar zu Rezensionszwecken zur Verfügung zu stellen.

Randanekdote:

Pati Valpati studierte in Greifswald, brach ihr Studium aber nach sechs Monaten ab. Sie begründete den Abbruch so:

[…] nachdem ich 1. herausgefunden hatte, dass wirklich alle Geschäfte in dieser Stadt um 19:00 Uhr schlossen, und 2. meinem Professor beim Kondomkauf im DM begegnet war.

S. 136

Beitragsbild: Maret Becker

Buchrezension – (Fast) alles einfach erklärt von Niklas Kolorz

Buchrezension – (Fast) alles einfach erklärt von Niklas Kolorz

In seinem ersten Buch nimmt sich der Berliner Wissenschaftsjournalist vor, uns (fast) alles zu erklären und das auch noch einfach. Wie soll das denn gehen? Mit einem Titel, den sich am liebsten jedes Schullehrbuch aufs Cover schreiben würde, ist die Erwartungshaltung natürlich hoch. Ob ich aber enttäuscht oder überrascht wurde, erfahrt ihr jetzt.

“Das Leben ist zu kurz, um lange Vorworte zu lesen.” So beginnt… nun ja, das Vorwort. Schnell wird klar – Kolorz ist sich der Mammutaufgabe, die er sich auferlegt hat, bewusst. Um so viele Infos auf den knapp 240 Seiten unterzubringen, müssen irgendwo Abstriche gemacht werden – auch wenn es nur das Vorwort ist. Über 10 Kapitel befasst sich das Buch mit (fast) allen Entdeckungen und Erkenntnissen, die in der Geschichte das ein oder andere Weltbild auf den Kopf gestellt haben. Geschichte ist hierbei genau das richtige Stichwort. Denn nicht nur der wissenschaftliche Aspekt wird einfach erklärt – sonst wäre es ja nur ein einfaches Lehrbuch. Ein (fast) noch größeres Augenmerk liegt auf den vielen kleinen Geschichten und Anekdoten, die erzählen, wie diese bahnbrechenden Erfindungen und Ideen überhaupt zustande kamen. Einige hätte man sich wirklich nicht ausdenken können, von vor der Nase weggeschnappten Nobelpreisen, über zufällige Funde von antiken Blechplatten und den sonderbaren Leben der größten Wissenschaftler*innen der Geschichte. Aber was heißt jetzt genau “(fast) alles”?

Anfangen tut das Buch ganz am Anfang. Also ganz, ganz am Anfang – um etwas genauer zu sein, vor (fast) 13,8 Milliarden Jahren (so alt schätzt die moderne Wissenschaft zumindest unser Universum). Vom Urknall aus geht es dann in die ersten holprigen Schritte der Astronomie, zu den ersten Weltbildern und dazu, wie Galileo, Kopernikus und Konsorten die mächtige Kirche in Frage stellten. Ob Newton wirklich ein Apfel auf den Kopf gefallen ist, wie Einstein und Marie Curie eine komplett neue Welt entdeckten und schließlich über Quantenphysik in die Wissenschaft der Gegenwart. Aber auch einen Ausblick in die Zukunft möchte uns Niklas Kolorz nicht verwehren. So drehen sich die letzten Kapitel um die Aussichten der Menschheit und die Klimakrise.

Hier eine Abbildung, die das Gedankenexperiment “Schrödingers Katze” darstellen soll.

Abgerundet wird diese kleine Zeitreise durch schöne
Illustrationen, die mal besondere Objekte oder Instrumente
zeigen, mal eine experimentelle Anordnung oder
eine Darstellung der Mondphasen oder des Sonnensystems.
Diese sind sehr niedlich und stilsicher gestaltet und untermalen
den Inhalt fantastisch.

Kann ich das Buch empfehlen, und wenn ja, an wen?

Zuerst sei gesagt: Ich hatte eine wirklich unterhaltsame Zeit mit dem Buch. Wenn ich es in einem Wort beschreiben müsste, dann ist es “kurzweilig”. Die einzelnen Kapitel haben eine fantastische Länge (ca. 20-30 Seiten), um häppchenweise vertilgt zu werden.
Entsprechend möchte ich das Buch gerne ausnahmslos weiterempfehlen, allerdings tue ich mich aus verschiedenen, kleineren Gründen etwas schwer dabei: Wer sich nicht für Naturwissenschaften begeistern kann, wird das höchstwahrscheinlich auch mit diesem Buch nicht ändern können. Das Buch richtet sich in seinem Stil ganz klar an eine jüngere Zielgruppe, ähnlich wie der TikTok-Content von Niklas Kolorz. Gleichzeitig setzt es dabei aber zumindest physikalisches Grundwissen der Oberstufe voraus – wobei auch diese Sachverhalte oft unkompliziert vermittelt werden.

Zusammenfassend: Wenn ihr Fans von Niklas Kolorz und seinem Content seid, werdet ihr auf keinen Fall enttäuscht werden. Und wenn euch – wie mir – Niklas Kolorz zuvor noch kein Begriff war, lohnt sich sicherlich ein Blick auf seinen TikTok-Kanal oder in einen seiner diversen Auftritte vor der Kamera beim ARD oder SWR. Dann könnt ihr ein Gefühl dafür bekommen, was euch erwartet oder ihr lasst euch einfach überraschen.

Das Buch ist, überall wo es Bücher gibt, zu einem Preis von 16,99€ erhältlich.

Hier sei erwähnt, dass der Droemer-Knaur-Verlag so freundlich war, uns ein Exemplar zu Rezensionszwecken zur Verfügung zu stellen.

Beitragsbild: Verlagsgruppe Droemer Knaur

Rezension: Die Crew – Rückkehr zum 9. Planeten von Andreas Ulich

Rezension: Die Crew – Rückkehr zum 9. Planeten von Andreas Ulich

Darmstadt, 2059. Zwölf Jahre ist es her, seit die erste Crew den 9. Planeten erreicht hat – ein Abenteuer, das es in einem kooperativen Kartenspiel zu bestehen hieß. Jetzt gilt es in einer neuen Mission, dorthin zurückzukehren und ihn weiter zu erforschen – wieder gemeinsam, doch diesmal ganz ohne Spielkarten. Stattdessen begibt man sich in Buchform auf die Reise ins All.

Genau gesagt, in Form zweier Bücher. Eines erzählt aus der Perspektive von Cim, der ersten Kommandantin des Raumschiffs GALATHEA, das andere aus der Sicht von Prosper, ihrem Co-Kommandanten. Zu zweit kann man in deren Rollen schlüpfen, indem man sich abwechselnd vorliest – und Entscheidungen für die eigene Figur trifft, von denen Gelingen und Scheitern der Mission abhängt.

Die Geschichte

Seit die erste Crew aus dem Spiel “Die Crew – reist gemeinsam zum 9. Planeten” von ihrer Mission zurückgekehrt ist, ist klar, dass es am Rande unseres Sonnensystems noch einen bis dahin unentdeckten Planeten gibt. Dieser birgt aber noch einige Rätsel, denen die Mannschaft der GALATHEA jetzt auf den Grund gehen will – was hat es zum Beispiel mit dem Wurmloch auf sich, durch das das letzte Forschungsteam in die Nähe der Venus transportiert wurde? Nach jahrelanger Vorbereitung will die Crew unter Cim Immortels Kommando dieser und weiteren Fragen endlich auf den Grund gehen. Mehr als sieben Jahre werden sie dorthin unterwegs sein – kein Wunder, dass auf dieser langen Reise nicht alles so läuft wie geplant…

Das Spielsystem

Jedes Buch besteht aus vielen kleinen Abschnitten, die wild durcheinander über die Seiten verteilt sind und zwischen denen man hin und herspringt – wie bei “1000 Gefahren” und ähnlichen Büchern. Um festzulegen, wer vorliest, sind alle Einträge mit Datum und Uhrzeit versehen und werden chronologisch gelesen. Dabei sind die Zeitsprünge sehr unterschiedlich: Mal erzählt die Person im anderen Buch zehn Minuten später das Gleiche aus ihrer Perspektive, mal erfährt man, wie sich die Situation auf der GALATHEA Jahre später entwickelt hat. Meist wird man eine ganze Weile von Abschnitt zu Abschnitt geschickt, bis jemand vor eine Entscheidung gestellt wird, die sich auf den weiteren Verlauf auswirkt. Es gibt auch die Möglichkeit, das Abenteuer alleine mit nur einem Buch zu bestreiten. Dann muss man natürlich die Entscheidungen für die andere Seite mittreffen. Vor allem hat das aber zur Folge, dass es immer wieder grau gedruckte Abschnitte gibt, die in beiden Büchern mehr oder weniger identisch sind. Abschnitte, die auf jeden Fall auftauchen sollen, auch wenn man nur mit einem Buch spielt, die aber nicht doppelt gelesen werden brauchen.

Kritik

Die Idee hinter dem dritten Teil von Die Crew ist wirklich gut. Ich fand es schön, dadurch einen Grund zu haben, gemütlich zusammenzusitzen und sich vorzulesen. Lässt einen wirklich hinterfragen, warum man in einem gewissen Alter mit dem Vorlesen aufgehört hat. Gemeinsam der Geschichte zu folgen macht auch Spaß, obwohl ich persönlich mit Raumfahrt normalerweise nichts anfangen kann. Aber die Story ist einfach gut erzählt und beschäftigt sich auch viel mit dem Leben im Weltall im Allgemeinen. Dafür kann man insgesamt eher wenig Einfluss auf den Verlauf der Geschichte nehmen. Der Fokus liegt darauf, die Geschichte zu erzählen, besonders viele Entscheidungen müssen gar nicht getroffen werden. Laut Buchrücken ergeben sich trotzdem 150 Möglichkeiten. Diejenigen, die zum erfolgreichen Abschluss der Mission führen, dürften dennoch nur geringfügig voneinander abweichen. Die meisten Entscheidungen bestimmen nämlich entweder darüber, ob die Mission vorzeitig beendet wird, oder haben kaum Auswirkungen. Es gibt mehrfach Stellen, an denen man, falls man sich für eine bestimmte Route oder Mission entscheidet, letzlich doch überredet oder von äußeren Umständen dazu gezwungen wird, die andere Option zu wählen.

Teilweise ist es auch schwer, sich in den Büchern zurecht zu finden. Kommt die Mission vorzeitig zum Ende, kann es schwierig sein, wieder den Einstieg in die Geschichte zu finden, da man nicht immer auf die richtigen Seiten verwiesen wird. Wie man mit den grauen Abschnitten umgehen soll, ist auch nicht immer ganz klar. Manchmal wechseln sich in einem Text schwarze und graue Absätze ab, was es erschwert, eine sinnvolle Reihenfolge zum Vorlesen zu finden. Ich hätte es besser gefunden, auf diese Doppelungen zu verzichten. Bücher, in denen man allein über den Verlauf der Geschichte entscheidet, gibt es bereits mehr als genug. Die gesamte Idee hinter dieser Story ist es, dieses Prinzip auf zwei Leute zu übertragen. Dann sollte der Fokus auch darauf liegen, es für das Spiel zu zweit möglichst intuitiv zu gestalten, nicht darauf, noch irgendwie eine Version für eine Person zu ermöglichen.

Insgesamt also eine schöne Geschichte, der zu folgen ich nur empfehlen kann. Das Spielsystem ist noch nicht ganz ausgereift, aber vielleicht sollte man diesen Teil von “Die Crew” einfach als Buch mit etwas Spiel sehen und nicht als Spiel in Buchform, dann kann man viel Spaß damit haben.

Beitragsbild: Nora Stoll

Buchrezension: “Arc of a Scythe – Vermächtnis der Ältesten”

Buchrezension: “Arc of a Scythe – Vermächtnis der Ältesten”

Neal Shusterman verführt Leser*innen in einer fantastischen Science-Fiction-Welt, die einer Utopie so nah kommt, wie kaum eine andere in seiner „Arc of a Scythe“ Reihe. „Das Vermächtnis der Ältesten“ schließt die Reihe ab und wurde von uns kritisch unter die Lupe genommen.

Die Reihe erzählt die Geschichte von Citra Terranova und Rowan Scythe Luzifer, die in unserer zukünftigen Welt leben und die von einer künstlichen Intelligenz, dem Thunderhead, regiert wird. Wer jetzt denkt, dass dieser den Konflikt auslöst, befindet sich auf dem Holzweg. Der Thunderhead handelt so perfekt, dass der Tod ausgelöscht wurde. Stattdessen wurde das Scythetum eingeführt, die Bürger*innen „nachlesen“ sollen, um eine Überbevölkerung zu vermeiden. Citra und Rowan werden beide ausgewählt, Scythes zu werden. Dabei finden sie sich auf unterschiedlichen Seiten wieder, da Rowan von Scythe Robert Goddard ausgebildet wird, der das Scythetum an sich reißen will.

Citra Terranova nimmt ihre neue Rolle als Scythe Anastasia an. Rowan stellt sich als Scythe Luzifer gegen das System. Die beiden entwickeln sich zu Schlüsselfiguren in dem Kampf darum, die augenscheinlich perfekte Welt zu verändern.

Nachdem der Autor völlig vergessen hat, dass Scythe Anastasia und Scythe Luzifer die Protagonist*innen der Reihe sind, fällt es ihm schließlich nach 100 Seiten doch wieder ein. Dabei konnte ich noch nie so gut die Anmerkung des Lektors hören, diese auf Seite 100 vorzuziehen. Genauso wie man den Protest des Autors hören konnte, dass es die ganze zeitliche Abfolge durcheinander bringt. Das ist definitiv ein Versuch, die Leser*innen zu verwirren.

Denn das tut es. Sehr.

Am schlimmsten trifft es die erste Hälfte des Buches, in der man wild durch die Zeiten springt, sodass man als Leser*in nur hoffen kann, die richtige Reihenfolge der Ereignisse erraten zu können. Genauso wie man hofft, sich zwischen all den Charakteren wieder zurechtzufinden.

Kann man sich überhaupt einen ordentlichen Autor nennen, wenn man nicht mindestens 25 verschiedene Perspektiven beschreibt?

Für alle, die das Buch noch nicht gelesen haben: Nein, diese Zahl ist nicht übertrieben. Das webmoritz. Team hat natürlich keinerlei Kosten und Mühen gescheut, aufzulisten, durch wessen Augen man sehen darf:

  1. Citra Terranova/ Scythe Anastasia
  2. Rowan /Scythe Luzifer
  3. Scythe Robert Goddard
  4. Scythe Faraday
  5. Scythe Rand
  6. Scythe Constantine
  7. Scythe Jim Morrison
  8. Greyson Tollinger
  9. Thunderhead
  10. Kurat Mendoza
  11. Jerico Soberanis
  12. Scythe Possuelo,
  13. Scythe Tenkamenin
  14. Scythe Alighieri
  15. Loriana Barchok
  16. Cirrus
  17. Tyger
  18. Munira
  19. Astrid
  20. Ezra Van Otterloo

Selbstverständlich kommen noch ein paar random Hafenmeister, Feuerwehrleute, Schweißer, Tonisten, Zischer, Techniker und Bauarbeiter dazu. Wo würden wir denn sonst hinkommen?

Das Buch erzählt nun den finalen Kampf gegen Robert Goddard, der seine Schreckensherrschaft nach dem Untergang Eduras begann. Neal Shusterman ist dabei der erste Autor, der es schafft, den gewaltfreiesten, gewaltigsten Kampf ohne eigentlichen Kampf zu haben, aber irgendwie doch. Es ist hochgradig faszinierend.

Die meiste Zeit befinden sich alle Protagonist*innen auf der Flucht, in Verstecken oder versuchen sogar, Leute davon abzuhalten, Robert Goddard zu bekämpfen. Dieser spaltet in der Abwesenheit von Scythe Anastasia und Sycthe Luzifer die Gesellschaft, indem er Wörterbücher umschreibt. Nein, das ist kein Witz. Das passiert. Wirklich. Dies erlaubt es ihm, religiöse Gruppen zu jagen, wobei besonders schöne Menschen als geschützte Gruppe zählen. Und da sag noch einmal einer pretty privilege existiert nicht…

Sycthe Luzifer hingegen macht nichts anderes, als zu existieren. Es beginnt damit, dass er gerettet, von A nach B gebracht, eingesperrt und gerettet wird – in einer Endlosschleife. Solange er nicht mit seiner Mutter sprechen muss, ist ihm dies sehr recht.

Knapp die Hälfte der wichtigen Personen beschließt, dass sie keine Lust auf Massenmorde haben. Urlaub auf einer tropischen Insel klingt doch viel besser. Dafür lassen sie sich vom Thunderhead auch extra ein Resort und ein paar andere Gebäude bauen.

Scythe Anastasia lernt derweil, dass es mehr als nur Katzenvideos im Internet – ich meine natürlich Thunderhead – gibt und teilt diese bahnbrechende Erkenntnis mit der Menschheit. Die gesamte Welt ist so schockiert, dass sie diese am liebsten verlassen würde, begnügt sich aber mit einer Rebellion. Die Tatsache, dass Robert Goddard das Wörterbuch geändert hat und ein Leben vor seinem Amt als Scythe hatte, sind einfach zu viel. Gut, seine Verbrechen an der Menschheit und Massenmorde haben vielleicht auch etwas damit zu tun.

Nah, ausschlaggebend waren die Videobotschaften von Scythe Anastasia.

Die Reihe findet ein wundervolles und auch unerwartetes Ende, das die Vielschichtigkeit des Lebens sowie die Komplexität der Romane widerspiegelt.

Ganz besonders das letzte Buch der Reihe zeigt auf, wie viele Gedanken sich Neal Shusterman bereits vor dem Schreiben des ersten Teils gemacht haben muss. Alleine die Namen sind wahrlich auf die Geschichte maßgeschneidert. Auch fand ich Jerico Soberanis einen sehr interessanten neuen Charakter. Die Tatsache, dass Jerico Soberanis Geschlecht nie direkt genannt wurde, hat die Gender-Fluidität des Charakters besonders hervorgehoben. Ich hatte mich beim Lesen bereits darauf vorbereitet, sehr viele offene Fragen bezüglich des Konzeptes dahinter zu haben. Die Antworten dazu wurden allerdings vorbildlich in die Geschichte integriert. Obwohl es in dem Buch um religiöse Verfolgung und Massenmorde geht, ist es doch Jerico als Charakter, der den Stoff aus Albträumen erleben musste.

Allerdings das Buch besonders zu Beginn recht verwirrend aufgrund der hohen Anzahl an Charakteren und verschiedenen Zeitsträngen, die durcheinander laufen. Neal Shusterman hat versucht, diese Übergänge leichter für die Lesenden zu gestalten, indem ein Kapitelende oftmals mit der Erwähnung der Person, um die sich das folgende Kapitel dreht, endet. Man kann die Mühe und die Gedanken dahinter erkennen, aber dieser Trick funktioniert nur ein paar Mal und nicht 600 Seiten lang.

Der größte Kritikpunkt an dem Buch sind bedauerlicherweise die beiden Protagonist*innen: Scythe Anastasia und Scythe Luzifer. Die beiden fallen dem Indiana-Jones-Effekt zum Opfer.

Unglücklicherweise sind beide in diesem letzten Buch absolut unnötig. Die Story hätte genauso geendet, wenn die beiden nicht aus den Ruinen geborgen worden wären. Der Antagonist hatte bereits die halbe Welt gegen sich, bevor die beiden geborgen wurden. Die Tatsache, dass er Edura zerstört hat, hat keinen interessiert.

Ebenso hat Scythe Anastasia die Informationen innerhalb des Thunderheads nicht als erste gefunden. Sie waren bereits bekannt. Anastasia hat sie nur verbreitet. Wie jede*r andere es auch gekonnt hätte. Es ist prinzipiell verwunderlich, wie dies so lange geheim bleiben konnte. Ohne sie wäre der Höhepunkt des Buches weitaus friedlicher verlaufen. Ihre Kleidung trägt mehr zu der Geschichte bei als Scythe Anastasia.

Scythe Luzifer war das ganze Buch eigentlich nur da. Seine Fähigkeit, knapp 60 Kilo tragen zu können, stach positiv hervor.

Die Passivität der Charaktere zieht sich zwar durch das Buch, mit Ausnahme von dem Thunderhead und Robert Goddard, was anderen Charakteren die Möglichkeit gab zu strahlen.

Die „Arc of a Scythe” Reihe von Neal Shusterman ist dementsprechend durch die Komplexität der Handlung, Welt und Charaktere sehr empfehlenswert. Das Ende war unerwartet und durch seine Vielschichtigkeit positiv abweichend von einem Standardende.

Ohne schlechtes Gewissen kann „Arc of a Scythe“ weiterempfohlen werden.

Beitragsbild: Astrid Wiebke Pley

Spiele-Rezension: Die Abenteuer des Robin Hood

Spiele-Rezension: Die Abenteuer des Robin Hood

Wir schreiben das Jahr 1193. Düstere Zeiten für die Einwohner*innen Nottinghams. Little John steht kurz vor der Hinrichtung, Maid Marians Vater wurde der Ketzerei beschuldigt und Robin Hood plagen düstere Erinnerungen, während Will Scarlett kurz vor dem Verhungern steht. Zu allem Unglück tritt auch noch Prinz John auf den Plan, der die Bevölkerung schon längere Zeit mit überhöhten Steuern schikaniert. Wie soll man es da bloß schaffen, nicht die Hoffnung zu verlieren?

Das könnt ihr herausfinden, indem ihr im neuen Spiel von „Legenden von Andor“-Autor Michael Menzel in die Rollen der Vier schlüpft. Wir haben „Die Abenteuer des Robin Hood“ für euch getestet.

Das Spiel

Die Besonderheit bei diesem kooperativen Brettspiel ist das beiliegende Buch, in dem parallel zum Spielen gelesen wird. Über sieben Kapitel, die jeweils einer Spielrunde entsprechen, kann man die Geschichte der Geächteten verfolgen, während man auf dem Spielfeld ihre Abenteuer nachspielt. Sämtliche Anweisungen und Spielregeln befinden sich ebenfalls darin, sobald sie Anwendung finden, so dass man Kapitel für Kapitel immer mehr Aktionen ausführen kann oder auch muss.

Das Spielfeld ist sehr ungewöhnlich aufgebaut. Es zeigt in schönen Illustrationen Nottingham und den Sherwood Forest, vor allem besteht es aber aus einer Vielzahl herausnehmbarer Plättchen, deren Vorder- und Rückseite sich unterscheiden. Im Laufe des Spiels werden immer wieder Felder umgedreht, so dass der Spielplan in ständigem Wandel ist. Mal tauchen Wachen und Adelige auf, mal verschwinden sie wieder, mal steht die Kutsche im Wald, mal im Burghof, mal wachsen am Waldrand Pilze, mal sind sie abgeerntet.

Was es auf dem Plan allerdings nicht gibt, sind Spielfelder. Die Bewegung der Figuren läuft nämlich auch anders als normalerweise. Jede Person hat insgesamt fünf davon, bestehend aus zwei Standfiguren und drei Bewegungsfiguren, unter deren Füßen als Verlängerung der von ihnen zurückgelegte Weg klebt. Um sich von einem Ort zum anderen zu begeben, muss man mit den eigenen Bewegungsfiguren beginnend von der Standfigur auf dem Spielplan einen Weg legen, an dessen Ende die zweite Standfigur gestellt wird. Klingt kompliziert, ist es aber nicht.

Auf ihrem Weg durch Nottingham können die Gefährt*innen mit anderen Menschen sprechen, sich Wachen im Kampf stellen oder sich lieber im Schatten vor ihnen verstecken, die Gegend in großen Schritten erkunden oder lieber Kräfte sparen. Dabei ist es wichtig, die Missionen nicht aus dem Blick zu verlieren, während Zeit und Hoffnung zusehend schwinden.

Um von einem Ort zum anderen zu kommen braucht man Bewegungsfiguren – was Robin Hood wohl auf Feld 64 entdeckt?

Die Wertung

Wie man es von Michael Menzel kennt, ist das Spiel sehr liebevoll gestaltet. Mir gefällt auch der wandelnde Spielplan wirklich gut, da fühlt man sich gleich in die Kindheit mit den ganzen Klappbüchern zurückversetzt. Das Buch finde ich als Idee auch wirklich schön, allerdings hätte ich mir mehr Erzähltext darin gewünscht. Insgesamt wird die Geschichte recht wenig begleitet, wodurch man schlecht in sie eintauchen kann. Am Anfang eines Kapitels wird erzählt, was gerade los ist und eine Aufgabe gestellt, danach ist man ziemlich frei darin, was man tut. Das hat natürlich auch einen gewissen Reiz, aber manchmal fühlt es sich wenig befriedigend an, mehr oder weniger wahllos irgendwelche Aktionen durchzuführen. Auch die einzelnen Rollen hätte man noch weiter ausbauen können. Erst ab dem vierten Kapitel unterscheiden sich die Fähigkeiten der einzelnen Figuren, vorher spielt es kaum eine Rolle, für wen man sich entschieden hat, was es schwer macht, sich mit der Person zu identifizieren.

Gut fand ich, dass man im vierten Kapitel aktiv über den Verlauf der Geschichte entscheiden kann. Allerdings hatten wir mit dem Kapitel etwas Probleme. Die vorherigen Kapitel ließen sich leicht durchspielen, fast zu leicht. Auch hier ging es erstmal gut voran – bis zur letzten Aufgabe. Die durfte nämlich nur erfüllt werden, wenn von einer bestimmten Art Spielsteine, welche die vorhandene Zeit markieren, nur noch einer übrig war. Das hatten wir vorher nicht ahnen können und waren nun in der Situation, dass wir eine gerade Anzahl an Steinen hatten und immer zwei gleichzeitig abgeben mussten, ohne etwas daran ändern zu können. Wir hatten also jede Menge Zeit, mussten ihr aber tatenlos beim Verinnen zusehen, was ziemlich ärgerlich war. Meiner Meinung nach sollten kooperative Spiele so gestaltet sein, dass man auch mal verliert – aber dann sollten die Spielenden oder der Zufall schuld daran sein und nicht eine Spielmechanik.

Insgesamt handelt es sich um ein schön gestaltetes Spiel mit vielen interessanten Elementen und Spielmechaniken, was eine große Abwechslung zu anderen Spielen bietet. Etwas weniger Experimentierfreude hätte dem Spiel aber auch nicht geschadet, gerade zu Anfang ist es etwas viel auf einmal, auch wenn alles wirklich gut erklärt wird. Manchmal ist eben weniger mehr. Dem würde sicher auch Robin Hood zustimmen.

Zusatz für alle, die Legenden von Andor kennen

Es ist fast unmöglich, dieses Spiel nicht mit Andor zu vergleichen. Ich habe mir große Mühe gegeben, es getrennt davon zu betrachten, aber es nur bedingt geschafft. Mein Urteil wäre sicher besser ausgefallen, wenn ich Andor nicht so toll fände. Wie schneidet Robin Hood also im Vergleich zu Andor ab? Was sind Unterschiede, was haben die Spiele gemeinsam?

Die Geschichte baut bei Robin Hood mehr aufeinander auf als noch im ersten Andor-Spiel. Nicht umsonst handelt es sich um ein Buch mit mehreren Kapiteln anstatt mehrerer irgendwie aufeinanderfolgender Legenden. Dafür wird in den einzelnen Kapiteln viel weniger erzählt als in den Legenden. Insgesamt gibt es auch weniger zu erzählen, da weniger zu erledigen ist. Oft besteht ein Kapitel nur aus einer einzigen Aufgabe. Wer Andor gewohnt ist, kann sich da schon mal unterfordert fühlen. Insgesamt ist das Spiel deutlich einfacher als Legenden von Andor. Wer ungern verliert, dürfte damit gut klarkommen.

Es ist aber nicht nur einfacher gehalten, sondern auch minimalistischer. Hier gibt es kein langes Aufbauen. Einfach Figuren und Spielsteine verteilen, die richtigen Würfel und Holzscheiben in den Beutel werfen, ein paar Plättchen auf dem Spielplan umdrehen und schon kann es losgehen. Das spart eine Menge Zeit und Nerven. Dafür können sich die Figuren aber im Laufe einer Runde nicht weiterentwickeln und der Besitz von Gegenständen wird nur auf einer Tafel markiert. Darin liegt natürlich ein geringeres Konfliktpotential. Es müssen keine Diskussionen darüber geführt werden, wer jetzt am dringensten einen Stärkepunkt braucht oder wer zum Brunnen gehen darf. Auch sonst geht es friedlicher zu als in Andor. Hier gibt es keine Kreaturen zu bekämpfen, sondern nur Wachen, die man getrost in Ruhe lassen kann, solange sich niemand von ihnen fangen lässt. Wenn Andor ein packendes Fantasy-Abenteuer ist, dann ist Robin Hood ein liebevoll gestaltetes Wimmelbuch. Gerade für den Moment wirklich nett anzuschauen und mit vielem zu entdecken, aber auf Dauer gewinnt dann doch der Fantasy-Roman.

Beitragsbilder: Nora Stoll