CaMeTa-Staffellauf: Rezension: When They See Us

CaMeTa-Staffellauf: Rezension: When They See Us

Von vermeintlich ungesehenen Mitgliedern einer Gesellschaft und von einem Justizsystem, das die Augen verschließt, erzählt die Netflix-Miniserie »When They See Us« aus dem Jahr 2019. Um welches erschreckendes Fehlverhalten des US-amerikanischen Rechtswesens sich die Serie dreht und wie bewegend die Geschichte der »Central Park Five« wirklich ist, erfahrt ihr hier.

Zum CaMeTa-Staffellauf:

Dieser Artikel ist Teil des kollaborativen CaMeTa-Staffellaufs. Hintergrund sind die namensgebenden Campusmedientage, ein jährliches Treffen studentischer Medien aus ganz Deutschland. Aus dem Treffen heraus entstand dann auch der »Staffellauf«, eine Artikelreihe unter einem gemeinsamen Oberthema (dieses Mal: (Un-)Sichtbar). Die Reihe ist das Ergebnis der Zusammenarbeit aller teilnehmenden Redaktionen und der Weitergabe des »Staffelstabs«, die alle zwei Tage erfolgt. Bleibt auf dem neusten Stand und verfolgt das Projekt auf Instagram!

Wenn man die auf wahren Begebenheiten beruhende Serie zu schauen beginnt, wird man förmlich hineingeworfen in das New York dieser Zeit: belebt, ausgefallen, offen. Der Retro-Vibe der späten Achtzigerjahre ist ein schöner Moment der Ästhetik – der aber schnell verfliegt. Nachdem man die fünf jugendlichen Protagonist*innen der Geschichte kurz vorgestellt bekommt, hat man eine ungefähre Ahnung davon, wen man in den nächsten vier Folgen so begleiten wird. Antron liebt die Yankees, Kevin spielt Trompete, Korey glänzt in der Schule durch Abwesenheit und Raymond und Yusef sind mit ihren Freund*innen unterwegs. Fünf ganz normale Kids und fünf Leben, die sich nun zum ersten Mal kreuzen werden. Eine verhängnisvolle Nacht im April 1989 ist die Startszene der Handlung.

Zum Zeitpunkt des Beginns der Geschichte ist Spring Break, die New Yorker Schüler*innen haben also Ferien und das merkt man an der ausgelassenen Stimmung. Was die fünf Hauptfiguren gemeinsam haben, ist, dass sie an jenem Abend des 19. Aprils gemeinsam mit vielen anderen Jugendlichen im Central Park unterwegs sind. Wildin, wie sie es nennen. Also einfach raus, mal schauen, was so geht, und einfach eine gute Zeit zusammen haben. Ein paar der Kids pöbeln dann zum Teil auch Passant*innen an oder geraten in Raufereien, es wird jedoch schnell klar, dass die fünf, die man kennengelernt hat, sich in dieser Situation eher unwohl fühlen und sich ihr lieber entziehen. Sie alle waren an diesem Abend zufällig im Park. Trotzdem wird ihnen ihr Involvement ungerechterweise zum Verhängnis werden.

Am 19. April 1989 wird die damals 28-jährige Patricia Meili beim Joggen überfallen. Sie wird brutal angegriffen, sexuell missbraucht und so stark verprügelt, dass es einem Wunder gleicht, dass sie diese Nacht überlebt. Patricia war im Dunkeln unterwegs, in einer abgelegenen Ecke des Central Parks. Genau wie die fünf Jungs.

Nachdem die Schwerverletzte von der Polizei gefunden wurde, beginnen prompt die Ermittlungen. An dieser Stelle tritt eine weitere Figur in den Fokus der Serie: Staatsanwältin Linda Fairstein. Fairstein, sichtlich ambitioniert und erbarmungslos, fasst das Ziel, die oder den Verantwortliche*n für die schreckliche Tat so schnell wie möglich zu finden und so einen wichtigen Schritt gegen die wachsende New Yorker Kriminalität zu gehen. Da sich neben dem Verbrechen an der Joggerin zur gleichen Zeit auch die anderen Überfälle und Raufereien der Jugendlichen im Central Park ereigneten, gerieten diese (vor-)schnell ins Visier der Staatsanwältin. So landen die fünf Hauptfiguren in engen Verhörräumen und werden ohne die Anwesenheit eines*r Anwält*in und teils auch ohne ihre Eltern von skrupellosen Ermittler*innen in Gespräche verwickelt. Und nicht nur das, in der Folge dieser Verhöre entstehen auch falsche Geständnisse und Zeug*innenaussagen, weshalb gegen die fünf Jungs schließlich Anklage erhoben wird. Anschließend werden auch der Prozess und das Leben der »Central Park Five«, also der Angeklagten, nach dem Verfahren beleuchtet.

»The mother left, voluntarily?« – » Is it snowing? […] It suddenly feels like christmas.«

Detectives, über die Aussicht, die Minderjährigen ohne Aufsicht zu verhören (Folge 1)

Mein Eindruck

Wer mal wieder so richtig sauer sein möchte, schaut am besten diese Serie. Nicht, weil sie schlecht gemacht ist, sondern weil die unfassbare Ungerechtigkeit in diesem Fall zum Haareraufen ist. Dass die Minderjährigen in den Verdacht der Ermittlungen geraten, ist schwer nachvollziehbar, aber wie dann auch noch mit ihnen umgegangen wird, kann man wirklich nicht akzeptieren. Es entfalten sich Machtgefälle der übelsten Art und die Geschichte ist geprägt von Rassismus, unfairen Verhältnissen und unfähigen Detectives und Ankläger*innen.

Aus heutiger Perspektive ist die Serie, aufgrund dieser Missstände, fast körperlich schmerzhaft anzusehen, dieses Unrecht kaum vorstellbar. Aber das war das echte Leben von Antron McCray, Kevin Richardson, Korey Wise, Raymond Santana und Yusef Salaam. Für die fünf POC wurde dieses Fehlverhalten der Justiz folgenschwer und so verbrachten sie zwischen sechs und 14 Jahren in (Jugend-)Gefängnissen. Ohne Beweislast, nur ermöglicht durch die rassistische Willkür der Staatsanwaltschaft, wurde fünf jungen Menschen das Leben entzogen. Erst 2002 wurden sie aus der Haft entlassen und der Fall neu aufgerollt.

»You’ve been spoon-fed a story and you’re eating it up!«

Aktivist*in in Harlem (Folge 2)

In der Serie wird noch viel mehr betrachtet als dieser kurze Abriss der Geschichte und sie ist definitiv sehenswert. Die Besetzung der Figuren ist meiner Meinung nach sehr gut gelungen und die Umsetzung der Story geht unter die Haut. Auch wenn es zeitweise wirklich schwer ist, das Unrecht mitanzublicken, und die über eine Stunde langen Folgen keine leichten Happen sind, bin ich der Ansicht, dass jede*r diese Serie gesehen haben sollte. Ich denke, dass sie einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung rund um den Fall leisten kann. Auf Netflix gibt es auch die ergänzende Dokumentation »When They See Us Now« zu sehen, die einen Talk Show-Auftritt mit Oprah Winfrey abbildet. In dieser Sendung sind sowohl die echten »Central Park Five« vor Ort als auch die Schauspieler*innen, die sie in der Miniserie verkörperten, sowie andere Funktionär*innen der Produktion. Auch diese Sendung ist ein berührender Beitrag zu den Ereignissen und reflektiert über die Leben der Justizopfer.

»When They See Us« ist genau das Richtige für alle, die sich für wahre Verbrechen interessieren und auf hohem Level unterhalten werden wollen. Wer sowohl über die historischen Verhältnisse des Falls lernen möchte als auch erfahren will, wie die fünf zu Unrecht Verurteilten mit dieser Ungerechtigkeit umgehen, sollte die beiden Produktionen sehen. Die Geschichte der »Central Park Five« ist eine Geschichte über Wahrheit, Macht, das Kämpfen und die Bedeutung von Familie und Freund*innen in Zeiten, in denen man nicht aufgeben darf.

Beitragsbild: Tingey Injury Law Firm auf Unsplash

Spiel-Rezension: Legenden von Andor – Die Ewige Kälte

Spiel-Rezension: Legenden von Andor – Die Ewige Kälte

Der Winter kann etwas Schönes sein – gemütlich am Kamin sitzen, durch den Schnee stapfen, Schlitten fahren… Noch schöner ist es allerdings, wenn er endlich vorbei ist und es wieder warm und grün wird. Aber was, wenn das nicht passiert? Was, wenn der Winter einfach zu keinem Ende kommen will? Dann macht der Winter irgendwann nicht nur keinen Spaß mehr, nein, es gibt echte Versorgungsprobleme. Das ist die Situation, in der sich das Land Andor in Michael Menzels neuem Spiel befindet – werden die Held*innen es schaffen, die Kälte zu besiegen?

Das hängt im vierten großen Andorspiel nicht nur von Würfelglück, sondern auch von Teamfähigkeit und guter Planung ab. Denn es gibt wieder einmal einiges zu tun: Die Spielenden müssen nicht nur herausfinden, was es mit dem geheimnisvollen Winterstein auf sich hat, sondern auch einen Weg finden, die Kälte zu beenden und nebenbei die Burg beziehungsweise die Zeltstadt vor den Angriffen der Kreaturen schützen. Und dann sind da noch die Schneestürme, die einem leicht einen Strich durch die Rechnung machen können…

So funktioniert das Spiel

Doch erst einmal ganz von vorn: was ist überhaupt dieses Andor?
Andor ist eine Spielreihe, bei der kooperativ Fantasy-Abenteuer an unterschiedlichen Orten bestanden werden müssen. Der erste Teil spielt im Land Andor, das auch die Heimat der Held*innen ist, in deren Rollen man schlüpfen kann. Die Figuren unterscheiden sich in ihrer Kampfstärke und ihren Fähigkeiten. In “Die Ewige Kälte” stehen zum Beispiel eine Wächterin des Feuers, ein Zwerg, eine Zauberin und ein Krieger zur Auswahl. Das Spiel geht über mehrere Runden, die Legenden, die jeweils eine andere Geschichte erzählen und in denen unterschiedliche Aufgaben gemeistert werden müssen.

Eine Mission haben jedoch alle Legenden gemeinsam: Die Kreaturen müssen in Schach gehalten werden. Nachts bewegen sie sich über das Spielfeld, in Richtung von Orten, an denen Menschen Schutz suchen, in Andor etwa der Burg. Wenn dort zu viele Kreaturen einfallen, ist das Spiel verloren. Daher müssen die Held*innen, wenn sie tagsüber am Zug sind, über Würfelwürfe gegen diese Bedrohung kämpfen. Für erfolgreiche Kämpfe gibt es Belohnungen, allerdings kostet das Kämpfen auch wertvolle Zeit – Zeit, die auch gebraucht wird, um auf anderen Missionen durch die Lande zu ziehen, es gilt also immer abzuwägen, was wer am Besten tun sollte. Das mag so alles erstmal ein bisschen kompliziert klingen, wird aber auch in “Die Ewige Kälte” im Laufe der ersten Legende einsteiger*innenfreundlich erklärt.

Der neue Teil spielt zeitlich zwischen der zweiten und dritten Legende des Grundspiels. Startpunkt ist daher auch das verschneite Land Andor, von wo aus es auf der Suche nach einem Weg, die Kälte zu beenden, weiter nach Osten geht. Auch die bislang unbekannte Gegend, die dort liegt, hat der Winter fest im Griff. Und er macht es den Held*innen nicht leicht:

Neben den Kämpfen und Missionen noch der Kälte trotzen zu müssen, ist nicht unanstrengend. Dadurch geschwächt halten die Andori jeden Tag eine Stunde weniger durch, bevor sie sich ausruhen müssen. Doch selbst im Schlaf sind sie nicht vor Einwirkungen sicher: Unter den großzügig verteilten Schnee- und Eisplättchen, die aufgedeckt werden, sobald jemand seinen Zug auf einem entsprechenden Feld beendet, verbergen sich oftmals Schneestürme. Der aufkommende Wind weht alle Figuren der Gruppe entlang der Pfeile, in deren Richtung sich normalerweise die Kreaturen bewegen, ein Feld weiter. Befindet sich dort ein neues Plättchen, kann eine Kettenreaktion ausgelöst werden. Das kann unglaublich ärgerlich sein, oft spielt einem der Wind aber auch in die Karten. Die langen Wege, die die Spielenden zurücklegen müssen, wären in der kurzen Zeit nicht machbar, wenn es nicht den ein oder anderen Luftstoß gäbe.

Wer dennoch nicht verweht werden will, muss in die Zeltstadt oder über den großen, gefrorenen See in der Mitte des Spielplans laufen. Dort gibt es keine Pfeile. Doch Vorsicht: Jedes Feld des Sees kann nur einmal betreten werden, danach bricht das Eis. Daher heißt es: gut überlegen, zu welchem Zeitpunkt man über das Wasser abkürzen will. Beliebig oft können dafür Feuer entzündet werden. Das braucht zwar den nötigen Willen, aber danach spendet die Wärme den Spielenden Kraft für Kämpfe und einen stärkeren Willen für den nächsten Tag, wenn die nächsten Herausforderungen warten.

Auf dem winterlichen Spielplan müssen verschieden Orte erkundet und Kreaturen (rote Figuren) besiegt werden.

Und so schneidet es ab

Insgesamt ist “Die Ewige Kälte” ein Spiel, das sich lohnt, ganz gleich, ob man die vorherigen Andor-Teile bereits kennt oder nicht. Es wurde wirklich gut darauf geachtet, alles noch einmal Stück für Stück zu erklären. Wie bei den anderen Spielen steht auch hier wenig in der Anleitung, dafür mehr auf den Legendenkarten, sobald etwas relevant wird. So gelingt ein Einstieg besonders leicht, nur hat es für bereits erfahrene Personen den Nachteil, dass man praktisch alles noch einmal lesen muss. Hier wäre es vielleicht gut gewesen zu kennzeichnen, welche Regeln neu und welche alt sind. Das spielt aber höchstens in der ersten Legende eine Rolle, danach sind ohnehin alle auf dem gleichen Stand. Im Vergleich zu anderen Spielen sind die Legenden hier eher einfacher, es gibt aber zusätzliche Karten, um den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen, so dass alle auf ihre Kosten kommen.

Gegenüber den anderen Spielen wurde etwas abgespeckt. Es wird mit vier Legenden weniger erzählt, allerdings gehört “Die Ewige Kälte” ja auch nicht zur Andor-Trilogie, sondern ist eine Art Bonus-Teil (Der aber genauso viel kostet wie längere Teile). Das Spielmaterial ist auch deutlich weniger umfangreich, was es leichter macht, den Überblick zu behalten. Statt in kleine Plastiktüten wird es jetzt in einen Pappaufsteller sortiert. Das ist nachhaltiger und übersichtlicher, funktioniert aber natürlich nur, wenn man das Spiel nur ins Regal stellt und nirgends hintransportiert. Eine Kleinigkeit zum Material, die positiv auffällt, sind die Held*innentafeln. Jede Rolle lässt sich als männliche oder weibliche Figur spielen. Auf den Tafeln im ersten Teil waren noch alle männlichen Rollen auf der Vorderseite und die weiblichen auf der Rückseite. Hier ist das Verhältnis hingegen ausgeglichen.

Die neuen Elemente, die durch den Wintereinbruch dazu kommen, machen das Spiel abwechslungsreicher. Gerade die Schneestürme sind dadurch interessant, dass sie unvorhersehbar sind und es sich im Spielverlauf jederzeit ändern kann, ob sie wünschenswert sind oder nicht. Gleichzeitig sorgt die Kälte aber auch für weniger Abwechslung – nämlich auf dem Spielplan. Der ist immer noch schön gestaltet, aber dadurch, dass alles so trist ist, gibt es natürlich weniger zu entdecken als auf anderen Plänen. Vielleicht aber auch eine zusätzliche Motivation, den Winter zu beenden, er soll ja nicht als etwas Schönes empfunden werden.

Die Beendigung des Winters als gesamtes Ziel für das Spiel ist als Idee erst einmal schön, so stehen die Legenden nicht so getrennt voneinander, sondern man kann wirklich eine Geschichte erleben. An der Geschichte hätte man aber noch etwas feilen können, die Missionen der ersten Legenden fühlen sich eher nach Fehlversuchen an als nach einem wichtigen Schritt auf dem Weg ans Ziel. Es würde sich befriedigender anfühlen, wenn geradliniger auf ein Ziel hingearbeitet würde, statt Wege auszuschließen, die Kälte zu besiegen. Denn, so viel kann über die Geschichte verraten werden, das klappt natürlich erst nach der vierten und damit letzten Legende. Bei den vorherigen Versuchen ist also von vornherein klar, dass sie zum Scheitern verurteilt sind.

Nichtsdestotrotz macht es Spaß, zusammen zu scheitern – sei es an den Legenden als solche oder beim Kampf gegen den Winter. Es ist einfach schön, für ein paar Stunden in die Welt von Andor einzutauchen und dort Abenteuer zu bestehen. Da kann es ruhig ein bisschen dauern, bis die Kälte besiegt ist und in der echten Welt “Die Ewige Hitze” auf uns wartet…

Bilder: Nora Stoll

Das Theater nach draußen verlagert: Der Diener zweier Herren

Das Theater nach draußen verlagert: Der Diener zweier Herren

Das Theater Vorpommern in Greifswald befindet sich momentan im Umbau. Das hindert das Theater jedoch nicht daran, Ausweichmöglichkeiten zu finden, um uns in Greifswald Stücke zu präsentieren. Die Premiere der Komödie Der Diener zweier Herren war etwas ganz Besonderes. Am 10. Juni fand die Premiere nämlich im Innenhof des alten Universitätscampus statt. Theater unter freiem Himmel hatte ein ganz besonderes Flair. Ob das Stück mit der Location mithalten konnte?

Ein Beitrag von Maret Becker und Adrian Siegler

Am Freitagabend wurde die Premiere des Theaterstücks Der Diener zweier Herren von Carlo Goldoni aufgeführt. Mittendrin zwei Redakteur*innen des webmoritz. Wir – Maret und Adrian – haben es uns nicht nehmen lassen uns die Neufassung von Roberto Ciulli und Jürgen Fabritius zu Gemüte zu führen. Begrüßt wurden wir mit einer Pressemappe und einem ersten Blick auf die stattliche Tribüne im Innenhof der Universität. Diese war bereits gut gefüllt mit Golden Agern, aber auch einige Kommiliton*innen konnten wir in den Menschenmengen ausfindig machen. Platz genommen, kurz gewartet, um die Spannung aufzubauen, und schon ging es los.

Worum es geht

Truffaldino ist ein unglaublich hungriger Mann. Um an genug Essen zu kommen, wird er gleich der Diener zweier Herren, was unter Strafe steht. Zuerst trat er in den Dienst der als Mann verkleideten Beatrice, die auf der Suche nach ihrem Verlobten ist. Kurz darauf nimmt er durch einen Zufall auch noch den Dienst bei dem unter Mordverdacht stehenden Florindo an – der eigentlich der Verlobte von Beatrice ist. Truffaldino arbeitet gleichzeitig für ein Paar, das einander sucht und nicht findet, obwohl sie in der gleichen Unterkunft residieren. Truffaldino, immer auf der Suche nach Essen, weiß nichts von den einander Liebenden und versucht stattdessen beiden gleichzeitig zu dienen – was sich als schwieriger herausstellt als erwartet.

Die als Mann verkeidete Beatrice hält den leidenschaftlichen Silvio in Schach

Lob und Kritik

Es hat wundervoll viel Spaß gemacht, sich das Stück anzuschauen. Darüber sind wir uns beide einig. So ganz wussten wir nicht, was wir von dem Theaterbesuch erwarten konnten – Adrian zumindest war das letzte Mal vor über zehn Jahren im Theater und auch für Maret war es das erste Mal Theater im Freien.

Beginnen tut das Stück mit einem Gondolier, der durch die Kanäle von Venedig steuert. Da sich jedoch im Innenhof der Uni kein Kanal befindet und kosteneffizient keiner auf die schnelle ausgehoben werden konnten, wurden wir von einem ulkigen Anblick eines Mannes in rot-weiß-gestreiftem Hemd, eingespannt in ein gondelförmiges Konstrukt, welcher vor der Tribüne entlangpaddelt, begrüßt. Damit war die humoristische Stimmung für den Rest des Stückes gesetzt. Auf der Bühne selbst wurden unterschiedliche Bereiche suggeriert, welche unterschiedliche Räume und Orte darstellen. Mitunter die besten Szenen waren die, welche das Bühnenbild voll ausgenutzt haben und mehrere Situationen gleichzeitig gezeigt haben. Beispielsweise die Szene des Abendessens, wo Truffaldino seine beide Herren gleichzeitig bedienen muss. Dazu kommt der Kampf mit dem eigenen Hunger und der Versuchung sich beim Essen seiner Herren zu bedienen. Die Zwiegespräche der Figuren und die musikalischen Einheiten auf Italienisch waren unglaublich amüsant und unterhaltsam. Wir haben unglaublich viel gelacht.

Selbstverständlich fangen die Figuren typische Stereotypen und Prämissen klassischer Dramaturgie ein – der reiche, geizige alte Mann; seine verwöhnte Tochter; die Liebenden, welche sich aufgrund dilemmatischer Umstände nicht lieben können usw. Das tut dem Stück jedoch keinen Abriss. Im Gegenteil. Solche Charaktere machen in einem komödiantischen Stück wie diesem einen Großteil des Humors und der Stimmung aus. Besonders wenn sie gut und überzeugend gespielt werden. Das wortwörtliche Schauspiel im Theater zu beobachten hat großen Spaß gemacht. Es ist ein anderes Gefühl die Schauspieler quasi während ihrer Arbeit beobachten zu können, anstatt, wie bei einem Film, ein “Best-of” aller gedrehten Szenen.

Über das Bühnenbild selbst können wir nur gute Wort verlieren, dabei können wir uns vorstellen, dass hier eine der größten Herausforderungen für die Aufführung besteht. Das Theater musste hier wirklich mit dem arbeiten, was da war. Trotz eines, den Umständen geschuldeten, vergleichsweise rudimentären Bühnenbild wurde dieses trotzdem sehr stimmig umgesetzt. Dazu kam die Einbeziehung des Universitätsgebäudes. Die Schauspielenden gingen hinaus aus der Szene in das Audimax-Gebäude und kamen im nächsten Akt wieder aus ihm heraus. Die Vorstellungen laufen immer abends und trotz der langen Tage im Sommer konnten die Lichtinstallationen gerade gegen Ende des Stücks ihre Wirkung entfalten. In einer lauen Sommernacht, mit vereinzelten, bunten Lichtern und samtigen Klängen romantischer Zupfinstrumente kam für knapp zwei Stunden ein bisschen Italien in das nördliche Greifswald.

Truffaldino wrid abgelenkt durch Smeraldina, in die er unsterblich verliebt ist

Da wir beide anscheinend nicht die richtigen Worte finden, um unsere Erfahrungen und Eindrücke zu beschreiben, haben wir das Ganze ausgelagert:


Im Innenhof des Unigebäudes, unter freiem Himmel,
Erlebten wir gemeinsam dieses Theatergewimmel.
Die Atmosphäre fesselte uns, zog uns in ihren Bann,
Als ob die Zeit stillstand, für einen Moment nur dann.

Der Applaus erklang am Ende der Aufführung laut,
Ein Dankeschön für das Ensemble, stolz und vertraut.
Unser Besuch im Theater Vorpommern war ein Geschenk,
Eine Reise in eine Welt, die uns alle verrenkt.

– ChatGPT

Wann kann ich mir das Stück im Innenhof der Universität ansehen?

  • 23.06., 20 Uhr
  • 30.06., 20 Uhr
  • 01.07., 20 Uhr
  • 02.07., 18 Uhr
  • 07.07., 20 Uhr
  • 08.07., 20 Uhr
  • 15.07., 20 Uhr
  • 16.07., 18 Uhr

Karten sind auf der Seite des Theater Vorpommern erhältlich. Außerdem in diversen Läden und Geschäften in ganz Vorpommern. Hier lohnt sich ein Blick in die Liste mit Vorverkaufsstellen.

An dieser Stelle sei noch einmal angemerkt, dass das Theater Vorpommern uns zwei Karten zur Verfügung gestellt hat.

Beitragsbilder: Theater Vorpommern

Rezension: “Noch wach?” von Benjamin von Stuckrad-Barre

Rezension: “Noch wach?” von Benjamin von Stuckrad-Barre

Es ist egal, wie viel Realität in der Fiktion steckt. Es ist alles wahr. “Noch wach?” von Benjamin von Stuckrad-Barre erzählt eine kleine Geschichte der Macht. Fernab der Gossip-Gier rund um die Verbindungen zum Fall Julian Reichelt steht der Roman beispielhaft für einen unveränderten Status-Quo männlicher Hegemonie.

 

Ein Beitrag von Anna Lisa Alsleben

“[E]s ist eine Art, auf die Welt zu gucken, sie besser zu ertragen. Und sie sich, auch das, vom Leib zu halten. Und hier kommt der Witz:
Und was nun ist es, das ‘Psycho’ so epochal spannend macht?
– Dass der Hai nicht gezeigt wird”

 

in Panikherz, S. 550

Wieder zurück im Chateau Marmont. Am Pool, dort unter dem Äther des Zitronenbaums, der uns aus Panikherz noch so bekannt ist. Dort also zwischen den Bungalows und dem Märchenschloss, nur ein Steinwurf entfernt vom Hollywood-Boulevard, treffen wir alte Bekannte und neue Geschichten.
Neben der Foucault-Forscherin ist da auch Rose – die irgendwie anstrengend geworden ist.
Wie wir später erfahren, ist Rose McGowan die erste einer Reihe von Schauspielerinnen, die gegen Harvey Weinstein aussagt und damit den #metoo-Skandal in Hollywood lostritt.

 

OBJECTS IN THE MIRROR ARE CLOSER THAN THEY APPEAR

 

Wir lernen den Freund und damit eine Männerfreundschaft kennen, bei der man sich fragt, wie viel Ambiguität Toleranz denn nun aushalten kann – und sollte. Dieser Freund ist Chef eines Boulevard-Sender-Imperiums, ein mächtiger Mann, der sich mit den mächtigen Männern dieser Welt umgibt. Ein Schöngeist ohne Meinung mit viel Haltung, in den besten Jahren einer Midlife-Crisis für Superreiche. Er träumt von Duschen über den Dächern Berlins, während der Turm unter ihm zu bröckeln beginnt. #metoo hat es auch in die deutsche Medienlandschaft geschafft.

 

“Und ich habe halt schon irgendwie Angst, keine Ahnung, dass es aufhört.”

 

Knapp ein Viertel des Romans ist vorüber, da treffen wir die eigentliche Heldin der Geschichte: Sophia. Sophia ist eine aufstrebende Reporterin bei genau jenem Medienimperium des Freundes unseres Erzählers. Durch sie erfahren wir Insights in die Redaktion des TV-Senders, der seinen Erfolg auf hetzerischen Kampagnen, Falscherzählungen und angstpropagierenden Alliterationsauswüchsen begründet. Vollständig assimiliert an Optik und Habitus des Senders steht ihr eine steile Karriere bevor: eine eigene Show, Prime Time.
„Entdeckt“ vom Chefredakteur, der nun immer weiter in den Fokus der Geschichte rückt, sieht er in ihr „das gewisse Etwas“. Dass dieses „gewisse Extra“ vor allem seinen persönlichen amourösen Präferenzen entspricht und dass sie bei weitem nicht die einzige ist, wird nach und nach auch Sophia klar.

 

“Wenn sie sich dir anvertraut, sei kein Arschloch.”

 

Und dann ist da noch der Erzähler. Als Vertreter einer linken, woken Bubble ist er scheinbar der strahlende Gegenentwurf zum Freund und dessen offensichtlich auf allen Linien moralisch verdorbenen, mephistotel’schem Chefredakteurs. Er ist ein “Ally”, dem sich Sophia anvertraut und der als Mittler zwischen ihr und der Macht steht. Er hat die goldene Eintrittskarte, um nicht zu sagen, das goldene Eintrittschromosom.

 

Noch wach?

 

Mit der Macht ist es so eine komische Sache. Es gibt Insignien der Macht: Duschen auf einem Sender-Hochhaus zum Beispiel. Aber das heikle an der Macht ist, dass man sie einfach oft gar nicht zu Gesicht bekommt. So auch der Chefredakteur. Er ist der Inbegriff der Macht: er macht Medien, er macht Meinung, und ja – er machts auch mit seinen Mitarbeiterinnen.

 

Im Vorhinein der Buchveröffentlichung war kaum etwas zu dessen Inhalt bekannt, umso mehr wird nun über die Verbindungen und Parallelen zu den Affären des Ex-Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt mit etlichen seiner Mitarbeiterinnen und der Rolle Matthias Döpfners (CEO des Springer-Konzerns) darin gemunkelt.
Doch dass es in dem Roman um mehr geht, als um eine irrlichternde Suche um vermeintliche Parallelen zu Julian Reichelt, wird in jeder einzelnen im Roman wiedergegebenen zwischengeschlechtlichen Beziehung deutlich und lässt sich schlicht als asymmetrische Machtverhältnisse in einer androzentristischen Organisation (und Gesellschaft!) subsumieren. Ausgeufert und durchexerziert an einem ekelhaften, aber doch wenig schockierenden Beispiel.

 

Angefangen vom US-amerikanischen Botschafter, der “NULL CREEPY” (S.11) ist, zu Tinder-Dates Marke Love-Island, bei denen man schon nach 20 Sekunden am liebsten Storno drücken würde, sich aber nicht traut. Zum Freund, der sich am Ende doch fragt, ob da nicht vielleicht etwas mehr als Freundschaft in der Luft liegt. Hin zum Chefredakteur, der die Angst vor dem übergriffigen Ex wittert und sie beschützt. Der strahlende Retter, der zum ersten Mal den Wert, das Potenzial in ihr sieht. All diese Männerfiguren drücken eines aus:
Du bist das Objekt. Sie sind Subjekte.

 

Da müssen sich die Frauen auch nicht wundern

 

Und um ehrlich zu sein, mich wundert das alles gar nicht. Mich wundert allenfalls, dass sich Leute TATSÄCHLICH noch fragen, wozu man denn immer noch gleichstellungsfördernde Maßnahmen braucht oder warum es wichtig ist, über sexualisierte Diskriminierung in Organisationsstrukturen zu sprechen oder warum in Gottes Namen denn Betroffene nicht aussagen wollen (lügen die vielleicht etwa doch!?!). Ob nun Fiktion oder Realität, in Wahrheit ist es doch so: Wenn du als FINTA-Person belästigt wirst, kannst du dir aber sowas von sicher sein, dass du am Ende vor einem riesig großen Scherbenhaufen stehst, der dein Leben ist. Ganz egal, ob man dir glaubt oder nicht. Da muss sich nun wirklich gar keiner mehr wundern.

 

Mein Eindruck:

 

Ich habe lange auf das Buch gewartet, ohne konkret zu wissen, auf was ich da eigentliche warte. Am Erscheinungstag stand ich pünktlich um 9 Uhr bei meiner Buchhandlung des Vertrauens (Buchhandlung Scharfe) auf der Matte und habe es dann im Ganzen innerhalb von drei Tagen ohne großartiges Verdauen, einfach gleich rein, kurzes Hinterherspülen, ganz klar, gute alte Binge-eating Strategie, verschlungen.

 

Deshalb möchte ich gar nicht mehr groß auf den Inhalt und meine ganz privat-persönlichen Analysen der Figuren und gesellschaftlichen Fragen eingehen. Denn – und jetzt ist es raus – was mich zum Stucki-Fangirl macht, ist seine hemmungslose Liebe für Sprache. Und zwar nicht die verbissene, klinisch reine Sprache, sondern jene mit vielerlei Windungen, Neuerfindungen, Härte und ästhetischer Grausamkeit. Allein die schreienden CAPITAL LETTERS bringen mich so nah an emotionale Belastungsmomente, dass ich mich kurz von dem ganzen Lärm ausruhen muss, um dann doch wieder weiterzulesen.

 

“Noch wach?” ist ein brillanter Roman, den man ruhig einmal, aber sicherheitshalber gleich zwei-drei Mal Kapitelweise lesen und vor allem bitte-bitte im Freund*innen- und Bekannten- und Familienkreis diskutieren sollte.

 

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Lesbarkeit

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Nicht mehr weglegen wollen

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Layout

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Weiterempfehlung

 

“Noch wach?” erschien beim Verlag Kiepenheuer und Witsch und ist überall erhältlich, wo es Bücher gibt, für 25 € (Taschenbuch), 19,99 € (eBook) oder 22,99 € (Hörbuch). Es umfasst 373 Seiten.

 

Buchrezension: Kirmes im Kopf von Angelina Boerger

Buchrezension: Kirmes im Kopf von Angelina Boerger

Angelina Boerger ist freie Journalistin. Sie arbeitet unter anderem für das Format Mädelsabende von funk. Sie hatte schon lange das Gefühl, dass irgendetwas in ihrem Gehirn anders funktioniert als bei anderen Menschen. Mit Ende zwanzig erhielt sie dann die – für sie sehr befreiende – Diagnose: ADHS.

In ihrem Buch “Kirmes im Kopf – Wie ich als Erwachsene herausfand, dass ich AD(H)S habe” beschreibt Angelina Boerger den Weg zu ihrer Diagnose und vor allem die Probleme, die es auch in unserer Gesellschaft noch gibt. Es geht um Stigmata, den aktuellen Forschungsstand, Schwierigkeiten bei der Diagnosefindung (besonders bei Erwachsenen) und auch Komorbiditäten. Kurz: Man erhält einen kompletten Überblick über das Thema ADHS. Boerger hat dabei den Anspruch, mit ihrem Buch sowohl betroffenen ADHS-Gehirnen als auch Interessierten einen guten Überblick zu geben.

Sie beleuchtet die oben genannten Aspekte dabei nicht nur oberflächlich, sondern teilweise wirklich tiefgründig und bringt Anekdoten aus ihrem eigenen Leben ein. Eine Stelle, die wohl immer in meinem Kopf bleiben wird, ist die Beschreibung von einer Unterhaltung zwischen Personen mit ADHS:

“Interessant zu beobachten ist aber die Kommunikation zwischen zwei Menschen mit ADHS, die ähnliche Kommunikationsmuster haben: Hier wirkt es manchmal so, als befände man sich in einem olympischen Pingpongturnier. Die Gedanken sprudeln, Sätze springen hin und her, die Themen wechseln in Sekundenschnelle und trotzdem liegt die Konzentration oft bei 110 Prozent, denn es fällt ihnen unglaublich leicht, den Worten des anderen zu folgen und gleichzeitig die eigenen Gedanken zu formen.”

Angelina Boerger über die Kommunikation von ADHS-Gehirnen (S. 103)

 

Spannend zu betrachten sind auch die Kosten, die ADHS verursacht – von Medikamenten und Therapie zu Kosten, die die Gesellschaft trägt. Welche Angststörungen mit ADHS verbunden sein können, war mir zumindest auch so gar nicht klar. Boerger zeigt, wie wichtig es ist, dass Diagnosen mit Hilfe einheitlicher Diagnosekriterien gestellt werden. Außerdem auch, welche Probleme es mit dem DSM-5 und dem noch verwendeten ICD-10 gibt. Diese umschreiben Systeme zum Codieren von Krankheiten. Das ICD-11 wurde bereits freigegeben, befindet sich in Deutschland jedoch noch in der Prüfung. Bis dieses aktualisierte System verwendet werden wird, vergehen wahrscheinlich noch Jahre.

Boerger geht auf die (noch) lückenhafte Forschung ein und hofft sogar, dass ihr Buch früher oder später einmal veraltet ist. Für sie wäre dies der Beweis, dass die Forschung vorankommt. Als Leser*in kann man diesen Anspruch sehr nachempfinden.

Das Buch regt zum Nachdenken an. An einem Punkt im achten Kapitel stellte ich mir die Frage, wie fatal es eigentlich für betroffene Kinder sein kann, wenn die Erziehungsberechtigten sich gegen eine Diagnostik sowie eine Therapie aussprechen. Zumal dies nicht nur bedeutet, dass das Kind keinen Zugang zu entsprechender Hilfe erhält, sondern auch sein Leben lang stigmatisiert werden wird.

Persönlicher Eindruck

Ich habe wenig an dem Buch auszusetzen. Wirklich jetzt. Ganz im Gegenteil: Ich möchte es loben. Bevor ich Boergers Buch gelesen habe, hatte ich ein wenig über ADHS gelesen gehabt. Dennoch war ich neugierig, wollte mehr erfahren und mein Wissen ausbauen. Nicht zuletzt, weil ich mich oft gefragt habe, ob ich nicht auch Symptome zeige. Besonders in Kapitel sechs habe ich mich an einigen Stellen selbst erkannt.

Angelina Boerger schafft es mit ihrem Buch, die Thematik ADHS gut verständlich und dennoch wissenschaftlich belegt an den*die Leser*in zu bringen. Der Wechsel zwischen ihrer eigenen Geschichte und den Ergebnissen ihrer Recherche ist sehr angenehm zu lesen und zu verfolgen.

Was ich besonders hervorheben möchte: Kirmes im Kopf ist das erste Buch, das ich lese, welches durchgängig gegendert ist. Vielleicht liegt es an meinem Gehirn, welches diese Texte mittlerweile vollkommen gewohnt ist. Vielleicht ist es aber auch einfach ein Fakt, dass dieses Buch wirklich angenehm zu lesen ist. Auch wenn es zu komplizierteren Formulierungen kommt, wurde das sehr gut gelöst. Ein Beispiel hierfür befindet sich auf Seite 160, wo es heißt: “Jede*r sollte sich trauen dürfen, bei seinem*ihrem Arzt oder seiner*ihrer Ärztin bestimmte Behandlungsmethoden anzusprechen oder Medikamente im Rahmen einer ärztlichen Behandlung auszuprobieren (…)”. Damit ist die dreimal hintereinander gegenderte Textstelle wirklich logisch und einfach umgesetzt und der Text weiterhin lesbar gehalten.

Wichtig sind vor allem auch die letzten Seiten des Buches: Boerger gibt hier (Folge-)Empfehlungen für Instagram-Kanäle, die sich mit dem Thema ADHS, aber auch mit mentaler Gesundheit auseinandersetzen – sortiert nach den verschiedenen Themen. Außerdem folgen ihre verwendeten Quellen. Wer also noch mehr wissen will, bekommt Studien und (wissenschaftliche) Artikel direkt mitgeliefert.

Ich könnte diese Rezension noch ausweiten, weil es wirklich viele interessante Punkte und Inhalte gibt. Viele davon waren mir zuvor nicht klar. Wenn euch das Thema ADHS interessiert, dann lest dieses Buch. Ich habe es definitiv nicht zum letzten Mal in die Hand genommen.

 

“Das ist die einzige Antwort, die ich Menschen geben kann, wenn sie mich fragen, was eine Diagnose im Erwachsenenalter überhaupt bringt. Sie hilft mir dabei zu verstehen, wer ich wirklich bin, meine Maske abzulegen und endlich ICH zu sein.”

Angelina Boerger über ihre ADHS-Diagnose (auf S. 105)

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Lesbarkeit

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Nicht mehr weglegen wollen

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Layout

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Weiterempfehlung

Wir möchten uns an dieser Stelle beim KiWi-Verlag bedanken, der uns ein kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat. Das Buch gibt es überall, wo es Bücher gibt, für 18 € (Taschenbuch), 16,99 € (eBook) oder 5,99 € (Hörbuch).

Beitragsbild: Laura Schirrmeister