Wird man ja wohl noch sagen dürfen – Das Phänomen Sarrazin

Unwillige Einwanderer, dumme Unterschichtler und “Judengene”: Thilo Sarrazin nimmt alle mit  in seinem Debatten-Rundumschlag. Er liebt die Provokation – vor allem, wenn alle mitmachen.

Schafft Deutschland sich selbst ab?

Der „Spalter der Nation“ (Der Spiegel) hat geniest. Laut und sehr unhöflich – wie immer. Keiner ist bereit, ihm ein Taschentuch zu geben. Angeekelte Gesichter meiden ihn, Unverständnis, erstes kritisches Gemurmel macht sich breit. So etwas macht man einfach nicht in der Öffentlichkeit. Nicht vor den Kindern. Nicht so – das hat Konsequenzen. Der Mann muss weg.

Sarrazin – Biologe, Bildungspolitiker, Eugeniker? Ernährungsberater, Bundesbanker, Sozialdarwinist, Rassist? Ausländerbeauftragter? Auf jeden Fall: Sarrazin gegen den Rest der Welt.

Der 65-jährige hält nicht still, muss andauernd Zustände kommentieren – ob aus fundierter Sachkenntnis, egozentrischer Überzeugung oder vielleicht sogar einer gewissen Erheiterung gegen vorhandene und scheinbare Tabus vorzugehen. Warum also nicht aus jemanden mit großer Klappe Profit schlagen?
Denn neben dem Autor kann sich auch der Bertelsmann-Konzern über den erfolgreichen Bestseller freuen. Eine Auflage von über 650 000 Exemplaren ist erreicht. Unkommentierte Auszüge im Spiegel und eine voreilige oberflächliche Kritik durch die Politik helfen gerne. Kanzlerin, Bundespräsident und der SPD-Parteivorsitzende reihten sich schnell in die immer größer werdende Kritikerschar ein. Die Pressewelt kann sich durch Sarrazin über starke Auflagen freuen. Eine Medienkampagne hat erfolgreich funktioniert.  (mehr …)

TITEL Die Herren des Atommülls – Das Zwischenlager in Lubmin

Das Zwischenlager Nord nahe Lubmin erwartet in den nächsten Monaten radioaktiven Müll aus Südfrankreich und Karlsruhe

Das stillgelegte Atomkraftwerk Greifswald in der Nähe von Lubmin aus der Luft

Laute Sirenen tönen und fiepen bis in jede Synapse der Ohren. Mit viel Druck ertönt während des Störgeräusches eine undeutliche dröhnende Frauenstimme: „Bitte verlassen Sie sofort das Gelände“ oder ähnliches ist noch knapp verständlich in der 28000 Quadratmeter großen Halle, die von grauen, ungeheuerlich wirkenden – zehn Meter großen – Betonwänden umgeben ist. Blaue Riesenquader sind bis zu Vierer-Reihen aufeinander gestapelt. Gelbe Tonnen mit dem radioaktiven Warnsymbol stehen geordnet in Reih und Glied. Steriles grelles Licht beleuchtet das Innere der überdimensionalen Halle, welche am Rand des Naturschutzgebiets Lubminer Heide liegt. In direkter Nachbarschaft ragen die großen tristen Quaderblöcke des abgeschalteten Kernkraftwerks bei Lubmin in den Himmel. Von dort werden abgebrannte Brennelemente und andere – mit Strahlung kontaminierte – Maschinenteile in das eigens dafür angelegte Zwischenlager Nord (ZLN) transportiert, damit sie dort abgeschottet von der Außenwelt ausstrahlen können und einen Großteil ihrer Strahlung verlieren.

Während alle, die sich im ZLN befinden, eine ebenso grau in grau wirkende Tür öffnen und sich vor dem grollenden Warnsignal im Umkleideraum sichern, verbietet das Feueralarmgeräusch jegliche Konversationen. Am Kontrollpunkt zum ZLN wirkt die Situation entspannt, es scheint offensichtlich, dass Begebenheiten wie diese Routine sind bei den Mitarbeitenden. Es wird gelacht, sich ausgetauscht, eine Zigarette geraucht, bis der Alarm vorbei ist. Es käme öfter vor, dass Probealarme stattfinden, erfahren wir während des gemeinsamen Abwartens. Allerdings nur Fehlalarm, wie Marlies Phillip, Pressesprecherin der Energiewerke Nord GmbH (EWN) uns später mitteilen wird. (mehr …)

Die Kleinen mal ganz groß – Greifswald an der Spitze

Eine Studie aus Nordrhein-Westfalen ermittelte Greifswald zur kreativsten Stadt in Mecklenburg-Vorpommern

Greifswald ist die kreativste Stadt in Mecklenburg-Vorpommern. Das zumindest behauptete die Greifswalder Ostsee-Zeitung Ende August auf ihrer Internetplattform sowie der NDR 1 in seinen Nachrichten. Sie stützen sich damit auf eine Studie der Beratungsfirma „agiplan“ (Nordrhein-Westfalen), die das kreative Potenzial von kreisfreien Städten in ganz Deutschland untersuchte. Gemessen wurde dieser Ideenreichtum anhand der Theorie der „Kreativen Klasse“ von Richard Florida (USA), bei der es sich um eine Wirtschaftstheorie handelt. Kreativität und Innovation werden hier als Standortsfaktor für Unternehmen und das ökonomische Wachstum einer Region festgelegt. (mehr …)

„Viele Mängel können wir nicht beseitigen“ – Rektor Rainer Westermann im Gespräch

moritz Herr Westermann, als Rektor, Lehrstuhlinhaber und Professor haben Sie immer allerhand zu tun, wie entspannen Sie sich am liebsten nach der Arbeit?
Prof. Westermann Am liebsten in unserem Garten.

moritz Der Entwurf des Gesetzes zur Novellierung des Landeshochschulgesetzes sieht eine Stärkung Ihres Amtes vor. Begrüßen Sie das oder ist Ihrer Meinung nach eine Stärkung der Demokratie an unserer Universität von Nöten?
Westermann Ehrlich gesagt, sehe ich im Regierungsentwurf gar keine gravierende Stärkung des Rektors. Er soll zwar einerseits gewisse Entscheidungsrechte innerhalb der Geschäftsbereiche der anderen Rektoratsmitglieder bekommen, die gibt es aber bisher auch schon auf Grund der Richtlinienkompetenz. Man sollte davon aber sowieso nur im äußersten Konfliktfall Gebrauch machen. Auf der anderen Seite soll die Stellung des Rektors nach dem Regierungsentwurf dadurch geschwächt werden, dass nicht er, sondern der Kanzler Dienstvorgesetzter des Verwaltungspersonals ist. Ansonsten sind meiner Meinung nach sowohl die demokratische Legitimation als auch die demokratische Kontrolle des Rektorats vernünftig geregelt. (mehr …)

„Es gefällt mir nicht, wenn Studenten zu viel Mitbestimmungsrecht haben“

Rektoren außer Dienst – in dieser Ausgabe mit Dieter Birnbaum

Altrektor Dieter Birnbaum leitete die Universität Greifswald von 1979 bis 1985.

Das Graben in der Rektoren-Geschichte der Universität hat uns an einem schönen sonnigen Nachmittag im Frühherbst nach Karlsburg geführt. Dort trafen wir Prof. em. Dieter Birnbaum. Sein Jagd-Hobby hatte er an diesem Tag bereits ausgelebt. In seinem Wohnzimmer unterhielten wir uns mit ihm, umringt von seinen Jagdtrophäen, einem ausgestopftem Wildschweinkopf, Marder und Fuchsfell. Geboren 1931, studierte er in Greifswald und war dort bis 1990 Professor für Biologie. Von 1979 bis 1985 war er Rektor der Greifswalder Universität.

moritz Sie waren von 1979 bis 1985 Rektor. Wir können uns vorstellen, dass es in der DDR schwierig gewesen ist, die eigenen Ideen durchzusetzen. Wie war das damals?
Dieter Birnbaum Ja, mit der Frage habe ich schon gerechnet. Es ist so, dass ich ja ein überzeugter Anhänger des DDR-Regimes, beziehungsweise des Sozialismus war. So, dass ich nie große Konflikte gehabt habe. Es gab einige Dinge – sicher – mit denen ich nicht einverstanden war, aber in der Regel habe ich damals die Politik vertreten, die Gang und Gebe war. Die Partei hat alles bestimmt. Ich war selbst viele Jahre Mitglied der Universitätsparteileitung –schon als Student und nach dem Studium auch. Und als Rektor habe ich natürlich das umgesetzt, was dort beschlossen wurde. Ich stand hinter der Partei.

moritz Wie war die Zeit nach Ihrer Funktion als Rektor? Mussten Sie sich zuerst einmal erholen und haben Sie sie eventuell vermisst?
Birnbaum Nein, nein. Ich bin danach ganz normal in die Sektion der Biologie zurückgekehrt. Irgendwann war ich dann etliche Jahre Sektionsdirektor, außerdem hatte ich die Leitung des Bereiches Molekularbiologie – Biochemie und Genetik inne. Nach meiner zweiten Amtszeit habe ich keine Pause gemacht. Ich habe während meiner Zeit als Rektor trotzdem die Biochemie-Vorlesungen gehalten. Für die Studenten war das nicht so angenehm, weil ich die Vorlesungen immer um 7:15 Uhr gehalten habe, damit ich danach Zeit für meine Rektortätigkeit hatte (lacht). Ansonsten – nachdem ich drei Jahre Rektor war – habe ich für mich selbst sichergestellt, die Funktion noch eine Periode auszuüben und dann sollte Schluss sein. Also Ende ist Ende, dann laufe ich auch nicht alle 14 Tage ins Rektorat. Mit anderen Funktionen habe ich das immer genauso gemacht. Nicht mehr Aufdrängen und vor allem nicht mehr reinhängen – das darf man nicht. Aber der Kontakt mit der Universität ist bis heute noch vorhanden. Die ehemaligen Rektoren werden immer wieder zu manchen Veranstaltungen und verschiedenen Anlässe eingeladen.

moritz Wann sind sie aus dem Lehrbetrieb von der Uni ausgeschieden?
Birnbaum Ausgeschieden bin ich gleich nach der Wende – 1990. Ich war nicht mehr weit vom Pensionsalter entfernt und dann, wie schon erwähnt, bin ich auf eigenen Wunsch ausgeschieden. Ich war praktisch vom Studium bis zum Ende nur in Greifswald, mit einer halbjährigen Unterbrechung, wo ich dann in Moskau am biochemischen Institut war. (mehr …)

Die Suche nach schwarzen Löchern auf dem Campus – Das Prüfungsamt

Immer wieder ist von ärgerlichen Zwischenfällen mit dem Prüfungsamt zu hören

Notenlisten gehen verloren, Gutachten und Anträge kommen im Prüfungsamt gar nicht erst an. In den vergangenen Monaten wurden der moritz-Redaktion immer wieder Ärgernisse aus dem Prüfungsamt zugetragen. Zeit, einmal nachzuhaken.

Die meisten Probleme zielen auf fehlerhafte Abschlusszeugnisse und Dokumente, die zwischen Instituten und dem Zentralen Prüfungsamt scheinbar verschwinden. „Durch die wahrscheinlich zu geringe Mitarbeiterzahl werden wichtige Dokumente verschlampt und man muss deshalb oft hinterher sein, um Prüfungsnoten eingetragen zu bekommen“, berichtet uns Petra*.

Sebastian Franz, ein mittlerweile ehemaliger Sachbearbeiter des Prüfungsamtes, fiel besonders durch Unfreundlichkeit auf. „Herrn Franz fand ich vom Service nicht besonders nett, seine Unfreundlichkeit war, wie ich finde, unangemessen“, erzählt uns Monika*. Zudem hätten auch bei ihm Anträge wochenlang unbearbeitet im Ordner gelegen. Sind dies alles nur unglückliche Einzelfälle?

Wir horchen uns weiter um und befragen Studierende vor dem Prüfungsamt. Die meisten sind sehr zufrieden mit der Arbeit ihrer Sachbearbeiter und loben deren Freundlichkeit und Schnelligkeit. Von anderen hören wir aber, dass auch bei ihnen Notenlisten zwischen dem Institut und dem Prüfungsamt verloren gegangen seien, oder dass Anträge auf Notenverbesserungen oder Praktikumsanrechnungen über Monate unbearbeitet auf den Tischen der Sachbearbeiter lägen. Also doch keine Ausnahmen?

Wir wollen im Prüfungsamt nachfragen. Ursula von der Gönne-Stübing, Geschäftsführerin des Zentralen Prüfungsamtes, scheint stets sehr beschäftigt. Telefonisch ist sie für uns nicht zu fassen und auf unsere E-Mail-Anfrage müssen wir auch gut zwei Wochen warten. Dann erhalten wir eine kurze Antwort mit der Bitte, uns an Jan Meßerschmidt, den Pressesprecher der Universität, zu wenden. Von Herrn Meßerschmidt erfahren wir: „Das Prüfungsamt bemüht sich, ausreichend Personal einzustellen. Aufgrund der schwierigen Stellensituation an der gesamten Universität müssen wir mit befristeten Stellen leben. Trotzdem sind wir optimistisch, das wir den Anforderungen gerecht werden können.“ Zudem würden „die Arbeitsstrukturen und Arbeitsabläufe laufend den Erfordernissen angepasst werden. Das wurde bisher immer so gehandhabt. Wir haben jetzt auch eine Kollegin, die Routineabläufe mitbetreut und Sachbearbeiter entlastet“, so Meßerschmidt weiter. (mehr …)