moritz Herr Westermann, als Rektor, Lehrstuhlinhaber und Professor haben Sie immer allerhand zu tun, wie entspannen Sie sich am liebsten nach der Arbeit?
Prof. Westermann Am liebsten in unserem Garten.

moritz Der Entwurf des Gesetzes zur Novellierung des Landeshochschulgesetzes sieht eine Stärkung Ihres Amtes vor. Begrüßen Sie das oder ist Ihrer Meinung nach eine Stärkung der Demokratie an unserer Universität von Nöten?
Westermann Ehrlich gesagt, sehe ich im Regierungsentwurf gar keine gravierende Stärkung des Rektors. Er soll zwar einerseits gewisse Entscheidungsrechte innerhalb der Geschäftsbereiche der anderen Rektoratsmitglieder bekommen, die gibt es aber bisher auch schon auf Grund der Richtlinienkompetenz. Man sollte davon aber sowieso nur im äußersten Konfliktfall Gebrauch machen. Auf der anderen Seite soll die Stellung des Rektors nach dem Regierungsentwurf dadurch geschwächt werden, dass nicht er, sondern der Kanzler Dienstvorgesetzter des Verwaltungspersonals ist. Ansonsten sind meiner Meinung nach sowohl die demokratische Legitimation als auch die demokratische Kontrolle des Rektorats vernünftig geregelt.

moritz Die Landesregierung hat Ende August beschlossen, dass die Lehramtsausbildung inklusive des Institutes für Bildungswissenschaft in Greifswald verbleiben soll. Ist damit das Ziel erreicht?
Westermann Die Ziele der Universität insbesondere für den jetzt laufenden Zielvereinbarungsprozess sind durch den Hochschulentwicklungsplan 2009 definiert, der vom Rektorat erarbeitet und vom Senat diskutiert und verabschiedet worden ist. Wir wollten danach die bisherigen Lehramtsstudiengänge erhalten, waren aber gegebenenfalls bereit, die Kapazitäten bedarfsorientiert zu reduzieren. Wenn die Beschlüsse der Landesregierung umgesetzt werden, haben wir dieses Ziel voll erreicht. Dabei waren erhebliche Widerstände zu überwinden, denn nicht nur das Bildungsministerium wollte, dass die Lehramtsstudiengänge in Greifswald weitgehend aufgegeben werden. Auch von Vertretern und Unterstützern der Universität Rostock wurde dies wiederholt gefordert.

moritz Während der Debatte um die Lehramtsausbildung haben Sie sich als Rektor auffallend zurückgehalten. Woran lag das?
Westermann Meine Hauptaufgabe habe ich immer darin gesehen, unsere Positionen nachdrücklich gegenüber Landtag und Landesregierung zu vertreten. Dabei war ich sicher nicht zu zurückhaltend. Sonst wäre ein positiver Abschluss des Diskussionsprozesses nicht möglich gewesen. Noch im Mai habe ich eine gehörige Skepsis wahrgenommen, als ich – im Übrigen öffentlich! – meine Zuversicht geäußert habe, dass wir unser Ziel erreichen werden, die Lehramtsstudiengänge zu erhalten. Dass die Studierenden in der Endphase des Gesamtprozesses die Öffentlichkeit aktiviert haben, war ohne Zweifel richtig und hilfreich.

moritz Was halten Sie von der Forderung des Positionspapiers der Studierendenschaft, dass neue Lehramtsstudiengänge, wie zum Beispiel Informatik, Mathematik oder Latein, eingeführt oder wieder etabliert werden?
Westermann Grundsätzlich begrüßt das Rektorat jede sinnvolle Initiative zur Erweiterung des Studienangebots. Wir müssen aber jeden Antrag einer Fakultät auf Eröffnung eines weiteren Studiengangs sorgfältig prüfen. Die entscheidende Frage ist, ob die Fakultät zeigen kann, dass sie die notwendigen personellen Kapazitäten für diesen Studiengang bereitstellen kann, ohne die ordnungsgemäße Durchführung anderer Studiengänge zu gefährden. Da die Personalausstattung unserer Fächer durchgängig viel zu gering ist, bezweifele ich, dass sich die Lehramtsstudiengänge wesentlich ausweiten lassen. Hinzu kommt, dass die Universität auf Grund der Beschlüsse des Landes aus dem Jahre 2005 in den nächsten Jahren weitere Stellen und Personalmittel abgeben muss.

moritz Die Universität Greifswald wurde diesen Sommer in der Öffentlichkeit in Zusammenhang mit dem Verdacht rechtsradikaler Äußerungen eines Mitglieds der Universität gebracht. Wie kam es, dass die Universitätsleitung erst von der Landesregierung dazu aufgefordert werden musste, ein Disziplinarverfahren im Fall Weber einzuleiten?
Westermann Rektorat und Verwaltung wissen sehr genau, was sie in entsprechenden Fällen zu tun und zu lassen haben. Auf jeden Fall dürfen Personalangelegenheiten nicht in der Öffentlichkeit behandelt werden. An diese rechtlich zwingende Verpflichtung werde ich mich halten, auch wenn Andere der Presse bereitwillig Informationen gegeben haben.

moritz Inwieweit ist es legitim oder problematisch, einem Professor vorzuschreiben, welche politische Einstellung er haben darf, beziehungsweise welche nicht?
Westermann Selbstverständlich kann, darf und will die Universitätsleitung keinem Mitglied der Universität seine politische Einstellung vorschreiben. Ebenso selbstverständlich müssen sich Beamte und Angestellte innerhalb des Rahmens der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewegen. Ich habe keinen Anlass zu zweifeln, dass das bei allen unseren Kolleginnen und Kollegen der Fall ist.

moritz In rechtsextremen Kreisen ist die Tendenz zu erkennen, das extreme Gedankengut mit Hilfe akademisch gebildeter Führungskader mehr und mehr in der Gesellschaft zu etablieren und auch an den Universitäten zu verbreiten. Kann die Universitätsleitung dem entgegenwirken? Wenn ja, wie?
Westermann Die Universitätsleitung hat gerade kürzlich wieder auf der Homepage der Universität betont, wie wichtig für unsere Universität Demokratie, Menschenwürde und Toleranz sind. Die Universität ist darauf angewiesen, dass alle ihre Mitglieder sich aktiv für diese Werte einsetzen. Das erfolgt in ganz unterschiedlicher Weise. Beispielsweise haben wir jedes Jahr im Januar eine universitäre Festveranstaltung zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus. In diesem Jahr wurde an die Deportation jüdischer Mitbürger aus dieser Region erinnert. Die Organisatoren der Veranstaltung haben mit Unterstützung der Presse- und Informationsstelle die Vorträge und die bewegenden und bisher unbekannten Dokumente eines Opfers gerade veröffentlicht.

moritz Im Juli hat die schwarz-gelbe Bundesregierung ihr bildungspolitisches Prestigeprojekt, das „Nationale Stipendienprogramm“, durch den Bundesrat gebracht. Danach sollen die zehn leistungsstärksten Prozent der Studierenden mit 300 Euro im Monat gefördert werden. Von diesen sollen die Universitäten einen 50-prozentigen Anteil mittels Sponsoren auftreiben. Wo könnten Sie diese Sponsoren hier in Mecklenburg-Vorpommern finden?
Westermann Wir haben in Mecklenburg-Vorpommern und anderen ostdeutschen Landstrichen einen gravierenden Nachteil dadurch, dass wir sehr viel weniger erfolgreiche Firmen und vermögende Privatpersonen haben als in den westdeutschen Ballungsgebieten. Deshalb habe ich mich auch zusammen mit anderen Hochschulen vehement gegen diese Stipendienkonzeption gewehrt. Leider ohne Erfolg. Mir erschiene eine Verwendung des Geldes für eine BAföG-Erhöhung wesentlich sinnvoller. Wir können nur versuchen, unsere Nachteile dadurch auszugleichen, dass alle Mitglieder der Universität Kontakte zu möglichen Spendern suchen. Gerade die Studierendenschaft sollte sich in eigenem Interesse an der Werbung von Stipendiengebern aktiv beteiligen.

moritz Kann das beschlossene Stipendienprogramm überhaupt in vollem Umfang umgesetzt werden?
Westermann Die Erfahrungen mit dem Vorläuferprogramm in Nordrhein-Westfalen zeigen, dass es selbst in Köln und Bielefeld sehr schwierig ist, Stipendien für fast zehn Prozent der Studierenden zu finden. Die Erfolgsraten liegen noch weit unter einem Prozent.

moritz Werden die Stipendien brüderlich auf alle Fakultäten und Institute verteilt, oder besteht die Gefahr, dass die wirtschaftsstarken Fächer überfördert werden, während andere darben?
Westermann Die Stipendiengeber können zwar nicht den Stipendiaten bestimmen, aber die Fachrichtung. Dabei werden erwartungsgemäß fast ausschließlich wirtschafts- und naturwissenschaftliche bevorzugt.

moritz In den aktuellen Hochschulrankings schneidet die EMAU Greifswald häufig gut ab. Sicherlich gut für die Außenwahrnehmung? Doch wie sieht es mit den Minus-Faktoren aus? Inwiefern bilden diese einen Anstoß zu Nachbesserungen?
Westermann Auf die guten Ergebnisse beispielsweise in den Rankings des CHE oder dem Studienqualitätsmonitor des HIS können wir stolz sein, denn es sind ja unsere Lehrenden, die dafür sorgen, dass unsere Studierenden mit ihrem Studium überdurchschnittlich zufrieden sind. Trotzdem gibt es natürlich Verbesserungsmöglichkeiten. Um diese systematisch herausarbeiten zu können, bauen wir seit einigen Jahren ein System zur Qualitätssicherung auf. Außerdem bittet das Rektorat seit einiger Zeit regelmäßig den AStA, Mängellisten aufzustellen. Wir versuchen dann, diese Mängel so weit wir können zu beseitigen und setzen dafür jährlich mehrere hunderttausend Euro ein.

moritz In welchen Bereichen sehen Sie selbst noch Nachbesserungsbedarf?
Westermann Viele Mängel können wir nicht beseitigen. Beispielsweise können wir weder fehlende Professuren einrichten noch marode Gebäude sanieren. Beides liegt in der alleinigen Verantwortung des Landes.

moritz Ob bei den Verhandlungen um die Zielvereinbarungen 2006, der Arndt-Debatte, oder jetzt bei der Lehramtsausbildung, vom Rektor der Universität Greifswald hört man in der Öffentlichkeit nur in seltenen Fällen klare Stellungnahmen. Woran liegt das?
Westermann Nach meinem Eindruck habe ich bisher Kritiker eher durch meine eindeutigen Meinungen und Entscheidungen auf den Plan gerufen. Bei der Namensgebung hat allerdings das Rektorat tatsächlich ganz bewusst keine Stellungnahme abgegeben, weil dafür allein der Senat zuständig ist und er diese Verantwortung auch mit großer Ernsthaftigkeit übernommen hat. Die Diskussionen im Senat konnten unbeeinflusst von Vorabstellungnahmen aus dem Rektorat geführt werden.
Für den Erhalt der Lehramtsstudiengänge habe ich mich schon vor zwei Jahren in meiner Vorlage für den Hochschulentwicklungsplan ausgesprochen. Diese Position der Universität habe ich danach wiederholt im Senat und auch gegenüber der Presse vertreten.
Anders als einige andere Mitglieder dieser Universität verfolge ich aber nicht das Ziel, dass mein Name möglichst häufig in der Zeitung steht. Außerdem ist es für die Universität nicht vorteilhaft, wenn schon über die Prozesse der Meinungsbildung, Positionsabstimmung und Entscheidungsvorbereitung in der Öffentlichkeit berichtet wird. Wenn man damit rechnen muss, dass jede Äußerung auf einer Gremiensitzung am nächsten Tag in der Zeitung stehen kann, senkt das bei etlichen Universitätsmitgliedern die Bereitschaft, sich am inneruniversitären Diskurs um bestmögliche Problemlösungen zu beteiligen.

moritz Vielen Dank für das Gespräch

Die Fragen stellten Annegret Adam und Patrice Wangen.