Mimimi-Mittwoch: Lifehacks – Lösungen für Probleme die keiner hat

Mimimi-Mittwoch: Lifehacks – Lösungen für Probleme die keiner hat

Stell dir vor, du hast ein minderes Problem. Du bekommst zum Beispiel eine Dose köstlicher Dosenravioli nicht auf, weil du keinen Dosenöffner besitzt und die Kraft deiner Pranke nicht ausreicht, die Oberfläche einfach aufzureißen. Was also tun? Achtung Lifehack! Du brauchst: Gabel, Akkuschrauber, Heißklebepistole, Dosenöffner, Plastikschirmchen. Anleitung: Bohre zwei Löcher in die Enden der Gabel, klebe das Plastikschirmchen für den Style an die Zinkenseite der Gabel, kauf dir einen Dosenöffner, öffne mit dem Dosenöffner die Dose. Dank mir später.

Lifehacks können kleine Lebenshilfen sein, das ist vermutlich nicht abzustreiten. Aber um diese zu finden, muss man durch eine Menge von absurdem Blödsinn durch. Ein beliebtes Mittel für jede Art von Tipp ist der Einsatz von Klebemitteln. So ist die Heißklebepistole des Lifehackers heiliger Gral. Genauso, nämlich mit dem altbewerten Outside-the-Box-Denken, müssen in einer modernen Gesellschaft Probleme angegangen werden. Die Lösung ist ganz klar, wenn man beispielsweise zwei Striche in einem bestimmten konstanten Abstand nebeneinander zeichnen möchte. Einfach zwei Stifte aneinandergeklebt und tada! Warum man so etwas tun sollte? Na weil es möglich und es angeblich so einfach ist. Brandblasen beim Benutzen von Heißklebepistole gehen aufs Haus.
Vielleicht liegt es an der medialen Darstellung, dass Lifehacks bei mir nicht auf den intendierten Erfolg treffen. Das ist aber auch einfach zu erklären, denn niemand sucht wirklich nach diesen Tipps. Sie werden einfach in die Timeline irgendeiner Plattform gespült und prompt kann ich sehen, wie ich hippe Löcher in meine Hose bekomme (Ja, die Antwort ist, wie es wohl zu erwarten war, eine Schere zu nehmen und Löcher einzuschneiden. WOW).
Clickbait is coming home, wie auch sonst sollte man Aufmerksamkeit generieren. Sinnvolle Inhalte sind ja wirklich das Letze. Stattdessen lieber die Zuschauer*innen auffordern, die Inhalte nicht selbst Zuhause nachzumachen, obwohl das eigentlich genau der Sinn von Lifehacks ist. Egal, lieber noch ein paar crazy Emoticons daneben und fertig ist ein schickes Lifehackvideo mit Tipps für niemanden. Das Pacing dabei ist, wie überall in der modernen Gesellschaft, eines der wichtigsten Elemente. Ein richtiges Lifehackvideo möchte möglichst unpassend schnell die Tipps geben. Das bedeutet, dass beispielsweise ganze Einrichtungen von Wohnzimmern durch den Teilchenbeschleuniger geschossen werden, sodass der*die Zuschauer*in absurde Mengen an Bildern ohne zu erkennenden Zusammenhang präsentiert bekommt und daher gar nicht mehr versteht, was passiert.

Gehen wir aber von dem wirklich seltenen Fall aus, dass jemand einen Lifehack sieht und sich denkt: Das sieht doch cool aus! Dann kann ich nur versichern, dass es einen einfacheren Weg für die Lösung des Problems gibt. Du möchtest dein Popcorn nicht aus der gleichen Schüssel snacken wie dein Geschwisterchen? Dann kannst du entweder die eine Schüssel nehmen, sie in Folie einwickeln, mit Klebestreifen abkleben und dann bügeln, sodass eine neue sau hässliche Plastikschüssel entsteht. Oder, und auf die Idee muss man doch wirklich erst einmal kommen, man nehme sich eine zweite Schüssel aus dem Schrank. Der aufmerksame Lifehack-Kenner würde darauf vermutlich antworten, dass es genau darum geht, keine zweite Schüssel zu haben, sondern sich Alternativen zu suchen. Na dann isst der eine halt aus der Schüssel und der andere aus der Tüte! So schwer kann das doch nicht sein, denn der Aufwand der hier künstlich erschaffen wird, ist wohl um einiges größer.

Kommen wir aber zum Schluss, zu der eigentlichen Kernaufgabe von Lifehacks: den Menschen zu helfen. Leider versagen die kleinen süßen Tipps und Tricks auch darin, sodass man wohl eher Omas Küchenratgeber folgen sollte, in dem jeder Tipp nur aus irgendwas mit Natron besteht. In den meisten Fällen ergeben sich nach dem Konsum der lustigen Videos sowieso mehr Fragen, als man vorher hatte. Meistens lauten diese: Warum? Weshalb? Wieso denn bloß?
Also ist letztendlich wirklich nur ein einziger Lifehack wichtig: schaut keine Lifehacks.

Beitragsbild: Jo Szczepanska auf unsplash.com 
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Mimimi-Mittwoch: Denglisch, das Wingdings des Redens

Mimimi-Mittwoch: Denglisch, das Wingdings des Redens

Anger, Hass, Zorn: All diese Feelings verbindet man so manches Mal mit hippen Denglisch-Speakern. Therefore ist diese Kolumne da. Wann immer wir uns gepflegt über Sprache auslassen, lest ihr das hier.

Die Hipster-Welt ist eine gut durchdachte: Ihr Kaffee ist fair gehandelt, ihr Gemüse aus lokalem Anbau, eine digitale Lösung jagt die nächste. Nur ihre Sätze sehen aus wie im Schulbus abgeschrieben. Wer früher im Verkauf arbeitete, ist heute Sales Manager. Was gestern toll war, wird jetzt appreciated. Und der Zeitgeist heißt Cringe. Honestly?

„Sprache formt das Denken“, tweeten Befürworter*innen des Genderns. Sie haben Recht. Denn schon der Gelehrte Samuel Johnson wusste, dass Sprache die Kleidung der Gedanken ist. Wenn das stimmt, tragen viele jedoch ihren geistigen Schlüpfer über der Hose. Oder habt ihr noch nie gestruggelt, wenn eure Crowd awkward performt?

Wir alle tun es. Wir mischen Deutsch und Englisch, als wäre es ein Cocktail aus der Hölle von Chefkoch.de. Dabei geht es nicht um Anglizismen oder ihre Pseudogeschwister. Sprache gibt – und wenn sie nichts hat, dann nimmt sie. Doch Denglisch nimmt nicht, es zersägt und klebt wie Dr. Frankenstein. Denglisch ist das Wingdings des Redens.

“Total unusual zu Weihnachten nicht am Beach zu sein“ – Lisa (19) war letztes Jahr noch in Australien.
Irgendjemand auf Jodel

The reason for that ist eigentlich klar: Unsere Welt ist zweisprachig. Englisch ist kein Marktvorteil, sondern ein Muss. Wir haben internationale Freund*innen und schauen Netflix in OmU, „weil ich mir die Synchronisation einfach nicht anhören kann“. Ein Jahr in Australien ist heute so ungewöhnlich wie Zelturlaub in Dessau-Roßlau.

Auf Dauer zerschrammt dieses Durcheinander unsere Festplatte. Was rauskommt, klingt wie der Google-Übersetzer in der Beta-Version. Aber die Denglisch-Jünger*innen schwören drauf, denn das sei hip und international. Aber lasst uns ehrlich sein: Auch ein Flat White Caramell Flavour macht aus Ückeritz nicht Soho.

Das Pseudo-Internationale begräbt die Teilhabe, denn wer nur Englisch oder Deutsch kann oder erst lernt, kann mit Denglisch nichts anfangen. Alle anderen übrigens auch nicht. Wenn Mutti falsch gendert, rollen wir die Augen. Aber was ein Outcome ist, soll sie mal selbst rausfinden. Boomer Cringe und so.

This is my mom. Ich hab‘ in Englisch zwar ‘ne fünf, but this is my mom.“
Caroline Kebekus

Warum du trotzdem Denglisch sprichst? Weil es Zeit spart – allerdings nur dir. Du oder die anderen, eine*r muss sich plagen, denn verständlich zu sprechen ist Arbeit. In Stellenanzeigen steht schließlich nie, man brauche „Gutes German in Word und Shrift“. Ergo: Sprich bitte, als hätten alle einen Job für dich. Das darf von Stammhirn bis Stimmlippen auch gerne mal länger dauern.

„Die Deutsche Sprache schafft sich ab“, murmelt so mancher (meist männlicher) Zeitungsredakteur – und hätte mit diesem Text wohl seine Freude gehabt. Bevor also die Purismus-Blase jubelt, kommt hier ein Gruß in eigener Sache:

Lieber Verein Deutsche Sprache, das ist kein Mimimi für dich. Die deutsche Sprache ist toll – das ist unbestritten. Sie kann sich biegen, winden und drehen. Sie kennt mehr Wörter, als J. R. R. Tolkien auf Ritalin je eingefallen wären. Doch wer vom Sprachterror spricht, hat von Sprache so viel verstanden wie Attila Hildmann von Virologie.

An alle, die Sprache wirklich lieben, dieser Text ist für euch. Pimpt eure Sätze genauso auf wie eure Kleidung. Wenn’s mal sein muss, nehmt halt das Brainstorming. Diversity kannst du aber dalassen, wir haben noch Vielfalt zuhause. Vorschlag zur Güte: Die Sprach-Querdenker*innen lassen die Untergangsmetaphern in der Schublade. Wir anderen überlegen uns, wann es Denglisch wirklich braucht. Cringe over.

Beitragsbild: Marcel Knorn

Hi there, hier ist Annica trotz wirklicher Belustigung beim Lesen mit einem kleinen Konter-Vibe aus dem Lektorat, der einfach nicht unsaid bleiben kann: Wenn es erstmal established ist, dann ist da no way back. Man muss einfach mehr appreciaten, dass sich Sprachen auch da mischen – Von daher go with the flow!

Mimimi-Mittwoch: Warum sehen alle gleich aus?

Mimimi-Mittwoch: Warum sehen alle gleich aus?

Wut, Hass, Zorn: All diese Gefühle verbindet man so manches Mal mit Mode. Genau für solche Momente ist diese Kolumne da. Wann immer wir uns mal gepflegt über viel zu enge T-Shirts auslassen oder uns auch generell mal der Schuh drückt, lest ihr das hier.

Doch bevor ich mit dem Artikel starten möchte, zuerst etwas in eigener Sache: Ich suche seit Tagen nach meinem guten Freund Jens. Er geht nicht an sein Telefon und ich kann ihn nicht erreichen. Lasst ihn mich beschreiben. Er sieht eigentlich sehr außergewöhnlich aus und man sollte ihn gut erkennen können. Er ist Anfang 20, circa 1,85m groß und hat kurze, lockige Haare. Er trägt in der Regel eine zu enge Cargo-Hose, Nike Airs, einen Hoodie oder eine Daunenjacke von seiner Lieblings-Modemarke mit dem Logo als All-Over Print und auf dem Kopf trägt er oft eine einfache Cap der gleichen Marke.

Falls ihr in den letzten Tagen das Haus verlassen haben solltet und euch jetzt die Befürchtung überkommt, „Verdammt, ich habe Jens gestern bestimmt achtmal gesehen“, dann spricht dieser Artikel euch hoffentlich aus der Seele.

Wieso so oberflächlich?

Mode ist ein ziemlich heikles Thema, bei dem die Meinungen schnell auseinander gehen können. Auch interessiert sich gar nicht jede*r für Mode, obwohl sie doch jede*r trägt. Ich persönlich sehe in unseren Klamotten eine weitere Möglichkeit seinem Inneren Ausdruck zu verleihen. Ähnlich wie mit der Frisur, Körperschmuck oder Tattoos. Der einzige Unterschied besteht darin, dass Hosen und Pullover schneller zu wechseln sind als ein Haarschnitt, meist billiger als ein Tattoo sind und je nach Jahreszeit euren ganzen Körper schmücken können.

„…anytime you’re putting barriers up in your own life, you’re just limiting yourself. There’s so much joy to be had in playing with clothes.“ – Harry Styles 2020

Der Wunsch nach Individualität ist mit der stetig wachsenden und sich ständig innovierenden Modebranche größer als je zuvor. Es gibt heute nicht mehr nur den einen Trend, dem jede*r hinterherlaufen muss. Die generelle Perspektive hat sich stark geändert, sodass es nun sehr viele parallele Styles und Ästhetiken gibt, an denen sich die Allgemeinheit bedienen kann. Mode ist irgendwo ein Drahtseilakt zwischen Aussehen und Komfort. Wenn meine Klamotten so gemütlich sind wie ein Kängurubeutel, ich aber auch damit aussehe wie ein Känguru, fühl ich mich am Ende des Tages tendenziell trotzdem nicht wohl. Auf der anderen Seite sind die Fetzen, die wir uns täglich überwerfen, für genau den Zweck gemacht, unsere Körper zu bedecken, warm zu halten und vor Witterung zu schützen.

Hot Take:

Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“ – Karl Lagerfeld 2012

Aus einer Hose, welche für Tragekomfort und sportliche Aktivitäten entwickelt wurde, machen viele Menschen heutzutage einen festen Teil ihrer Alltagsgarderobe. Ein Trend, der Diversität in die Modewelt bringt, mich aber nach wie vor abschreckt. Ich selbst trage fast nie Jogginghosen und wenn doch, stelle ich sicher, dass ich in ihnen nicht das Haus verlasse. Die Jogginghose gibt mir einfach das Gefühl noch etwas träger und langsamer zu sein, als es ich es im Lockdown sowieso schon bin. Ich fühl mich einfach nicht wohl und kann auch nur bedingt nachvollziehen, wie sich andere darin wohlfühlen.

Wie viel ist dein Outfit wert?“

Ich habe keine Ahnung und es ist mir auch absolut egal. Natürlich bin ich mir im Klaren darüber wie teuer meine Klamotten waren und der Preis spielt natürlich immer eine Rolle. Jedoch ist dieses Zitat in meinen Augen sehr aussagekräftig für eine höchst unangenehme und unsympathische Subkultur, die sich in den letzten Jahren vorwiegend über Social Media ausgebreitet hat. Hierbei steht im Vordergrund, wie teuer das Outfit ist, während das eigentliche Aussehen, der Komfort oder die allgemeine Kohärenz Zuhause bleiben (wie es auch die Jogginghose tun sollte). Es gilt möglichst aufzufallen. Dass das Ergebnis dabei aussieht wie eine missglückte Fusion aus Lil-Wayne und meinem ersten Schultag bleibt zweitrangig.

Angst?

Trends kommen und gehen, heißt es immer. Aber warum gibt es sie überhaupt? Meist kommt ein*e Modedesigner*in mit einer guten, neuen, innovativen Idee um die Ecke, die bei der Masse auf Anklang stößt. Und zirka eine Kollektion später haben so ziemlich alle Modehäuser und Designer eine sehr, sehr ähnliche, innovative, neue, gute Idee. Und weil die Idee so gut, neu und innovativ ist, möchte natürlich niemand der Trottel sein, der nicht auch von der Idee überzeugt ist.

Als Beispiel möchte ich nochmal den anfangs angeschnittenen Trend der Cargo-Hosen anführen. Vor noch nicht mal 10 Jahren galt es schon fast als Fashion-Sünde mit einer solchen Hose rumzulaufen und heute möge man mir eine namhafte Marke nennen, die im Jahr 2020 keine Cargo-Hose in ihrer Kollektion hatte.

Ich möchte damit nicht sagen, dass die Cargo-Hose nicht modisch ist oder sie niemand tragen sollte. Ich möchte vielmehr sagen, dass nicht jede*r eine tragen sollte. Ihr solltet vielmehr kaufen und tragen, was euch glücklich macht. Männer dürfen Röcke und Frauen dürfen Sackos tragen. Der Wert an Kleidung, die man mit dieser Einstellung haben kann, ist unendlich. Nie wieder werdet ihr nicht wissen, was ihr anziehen sollt, sondern ihr freut euch schon am Vorabend darauf, was ihr am nächsten Tag anziehen dürft.

Der Trend der Cargo-Hosen ist jetzt schon auf dem absteigenden Ast und wird sicherlich so schnell nicht wiederkommen. Doch was mach‘ ich jetzt mit meinen fünf neuen Hosen, die ich letztes Jahr auf Rat eines guten Freundes gekauft habe? Verschenken? Zu schade. Ich hab sie ja erst drei mal getragen. Verkaufen? Wer kauft im Jahr 2021 noch Cargo-Hosen? Tragen? Ich möchte mich doch nicht zum Obst der Woche machen.

Beitragsbild: Adrian Sieger

Mimimi-Mittwoch: Sterne zum Greifen nahe – Horoskope

Mimimi-Mittwoch: Sterne zum Greifen nahe – Horoskope

Was sagen wohl die Sterne, was flüstert der Fisch dem Steinbock zu und welche Energie durchströmt wohl diese Woche deine innere Aura? Das möchtest du erfahren? Dann hol die Klangschale heraus, zünde die Räucherstäbchen an und lasse dich fallen. Horoskope, der Weg zur Spiritualität für den kleinen Mann. Was für manche nur ein Lückenfüller in der Tageszeitung ist, bietet anderen den täglichen Weg zur Erleuchtung. Kleine süße Sprüche, die aus den Sternen und der Natur lesen, was für die einzelnen Sternzeichen bevorsteht und was diese am besten verfolgen oder lassen sollten – das sind Horoskope.

Ich persönlich betrachte sie als geniale komödiantische Erfindung. Lustig in jeder ihrer Wendungen und von unausschöpfbarer Kreativität. Die Verbindung des Unbefahrbaren mit leeren Sinnsprüchen ist wohl so überzeugend, wie die Erzähltechnik der Bibel (vier Mal dieselbe Geschichte hintereinander ist gewagt, aber wem es gefällt). Wie sonst, als durch Horoskope, kann man Menschen vage Informationen mitteilen, um sie in ihrer Verhaltensweise zu verunsichern? Aber kommen wir erst einmal zu den Basics. Wie ist ein Horoskop überhaupt aufgebaut?

Ein Horoskop ist immer einem Sternzeichen zugehörig und widmet sich damit einem bestimmten Zeitabstand. Das kann ein Tag sein, eine Woche, ein Jahr oder jedes andere erdenkliche Zeitintervall. Völlig egal. Das ist sowieso das Motto jedes Horoskopes. Völlig egal wann, warum und welche Bedeutung. Die Sterne werden schon wissen, wie ich mich fühlen muss.
Es gibt außerdem noch Regeln, die generelle Eigenschaften der Sternzeichen widerspiegeln. So lieben alle Krebse beispielsweise den Mond, alle Zwillinge sind gerne alleine und alle Fische suchen Nemo. Diese Bestimmungen können natürlich immer auch hintergründige Bedeutungsweisen haben. Demnach kann das Motto des Schützen: „Ich will wachsen“, auch als Traumkarriere als Kerzenzieher*in oder Intimhaarentferner*in gewertet werden. Allgemein kann jedes Wort als jeder andere, attraktiver erscheinende Begriff aufgenommen werden. Wie auch immer. 

Zu Beginn wird die astrologische oder astronomische Gegebenheit beschrieben. Dazu gehört meist ein Planet, eines der klassischen Elemente, sowie ein Sternenbild, nahe oder entfernt des Gürtel des Orion. Anschließend werden aus diesen Bildern die aktuelle Gemütslage und eine vorgeschlagene Verhaltensweise gelesen. Das aber leider in kryptischer Weise, sodass die Leser*innen, wie bereits erkannt, einen ganzen Raum voller Interpretationsspielraum vor sich haben. Daher kommt nun auch die große Schwäche der Horoskope immer mehr zum Vorschein: Die Menschen brauchen konkrete Anweisungen von den Sternen und nicht ein vieldeutiges Geschwader. Was genau soll ich tun, oh Saturn, Herr der Ringe, sag es mir?

Menschen ziehen aber trotzdem Erkenntnis aus den lustigen Sprüchlein, sodass sich ein regelrechter Horoskop-Fetischismus, besonders angesichts Liebespartner*innen, ergeben hat. Jedes Sternzeichen ist nämlich nur mit manchen anderen Sternzeichen kompatibel, sodass nach dem guten alten Schlüssel-Schloss-Prinzip manche zusammenpassen und andere nicht. Schade. Daher muss in der modernen Gesellschaft das Geburtssymbol von jedem klar sichtbar am Körper getragen werden. Nicht dass sich unnötigerweise Hoffnung gemacht wird, und dann die große Überraschung ins Haus steht: Oh nein, er ist Waage!! Das geht leider nicht. Sorry. Da kann man nix machen. 

Die Idee von Horoskopen, sollte aber trotzdem nicht klein geredet werden. Denn sie strotzen nur so von humoristischem Potenzial. Daher werden im Folgenden Horoskope präsentiert, die für jedes Sternzeichen genau das bieten, was sie brauchen: aus den Sternen handverlesene Weisheiten, Tipps, Tricks und Lifehacks. Diese sind auch nicht auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt, sondern gehören digital ausgeschnitten und an die Pinnwand gehängt, als wichtiger Begleiter des Lebens und für brenzlige Situationen.

Widder:

Für den Widder ist alles ein steiniger Weg.
So auch die Reise zu deinem Ziel. Der Mars ist dem Widder die Heimat, die schon so lange gesucht wird. Also befreie dich von deinem Dickschädel. Werde Astronaut. Auf dem Weg dahin kannst du aber ruhig mal den Müll mit nach unten nehmen.

Stier:

Der Stier packt seine Probleme und seine Konkurrenz an den Hörnern. Stierkampf ist aber verboten, sodass sich nach Alternativen umgeschaut werden muss. Die Venus empfiehlt dir, deine sinnliche Seite zu entdecken. Mach mal wieder einen Wellnessurlaub. Du hast es dir verdient.

Zwillinge:

Der Merkur spürt in dir, dass du dich nie richtig allein fühlst. Immer schaut dir jemand aus dem Schatten über die Schulter. Du hast es auch erkannt. Es ist deine Arbeit. Kündige. Zieh zurück zu deinen Eltern aufs Land. Stecke deine Eltern in ein Altersheim und besuche sie nie. Jetzt hast du das Haus für dich allein. Allein! Das ist Erfüllung!

Krebs:

Der Krebs steht unter dem Bild der knusprigen, ja fast schon krossen Krabbe. Burgerbraten, du musst Burgerbraten um dir deinen Unterhalt zu verdienen. Dabei verspürst du deine ausgeprägte Geizigkeit. Du verlierst alle deine Freund*innen. Aber hey, dafür hast du Geld. Geld macht doch auch glücklich, oder?

Löwe:

Brüll! Die Sonne erkennt, wie wild du bist. Dein edles Herz leuchtet dir den Weg. Werde Teil eines Theaterensembles für Fabeln. Du spielst immer den Löwen. Du spielst in jedem Stück mit. Jackpot. Du wirst reich!

Jungfrau:

Der Gürtel des Orion steht quer. Doch die Jungfrau analysiert die Situation und bleibt ruhig. Du weißt, was du möchtest: Einen zu speziellen Blumenladen. Nur Pinselblumen.

Waage:

Was hält die Welt in der Waage? Das bist du. Auf deinen Schultern lastet unendlich viel Welt. Wirf alles ab. Weg mit der ganzen Welt. Erfreue dich an den kleinen Dingen. Kauf dir ein Schloss.

Skorpion:

Stich! Stich! Der Mond wird hell angestrahlt von der Sonne und versetzt den Skorpion in Angriffsstimmung. Du verspürst einen starken Drang nach alkoholhaltigen Süßigkeiten. Yammie!

Schütze:

Der Schütze hat Angst, sein Ziel zu verfehlen. Doch er hat Glück: Der Uranus geleitet ihn zurück auf seinen Weg. Nutze deine Zielgenauigkeit. Werde Darts-Profi. Verdiene viel Geld in zu großen Shirts.

Steinbock:

‚Was ist nun der Unterschied zwischen Widder und Steinbock?‘, könnte man sich fragen. Der Steinbock hat den Durchblick. Komplizierte Situationen sind für dich eine Leichtigkeit. Schach wäre doch was. Naja, das ist schon ziemlich schwierig. Du wirst professionelle*r Dame-Spieler*in.

Wassermann:

Der Wassermann folgt seinem großen Gebieter Aquaman. Ein Fisch ist dein Begehren der Liebe. Du schreibst dem Fisch ein Liebeslied. Es hat den Titel ‚Den Fisch um das Stäbchen wickeln‘. Keine Antwort.

Fische:

Immer schwimmen, schwimmen, schwimmen. Damit ist jetzt Schluss! Finde Land und reise auf eine tropische Insel. Lebe deinen Traum als Robinson Crusoe. Vermisse die Strömung. Du möchtest zurück. Du kannst nicht mehr schwimmen.
Dam Dam Dam Dam!!!

Beitragsbild von Elisa Schwertner
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Mimimi-Mittwoch: Lebensgefahr auf dem Fahrrad

Mimimi-Mittwoch: Lebensgefahr auf dem Fahrrad

Wut, Hass, Zorn: All diese Gefühle verbindet man so manches Mal mit seinem Fahrrad. Genau für solche Momente ist diese Kolumne da. Wann immer wir uns mal gepflegt über Fahrräder auslassen oder uns auch generell mal der Sattel drückt, lest ihr das hier.

Beim webmoritz. wurde sich schon oft mit dem guten alten Rad beschäftigt: z.B. beim Mimimi-Mittwoch über Radfahrende oder bei der aktuell erscheinenden Reihe „Gutes Rad ist teuer„.

Fahrrad während der Verkehrshauptzeit zu fahren bedeutet in der Großstadt: Wenn du nicht aufpasst, zwei Helme, vier Knieschützer (pro Knie) und drei Armschützer (pro Arm) trägst und dazu ganz viel Glück hast, kommst du (eventuell) unverletzt zuhause an. Und mit dieser Einstellung bin ich aufgewachsen. Das wurde sogar in den abendlichen Lokal-Nachrichten propagandiert, als von dem neusten Rad-Unfall berichtet wurde. Ergo: Es ist eine große Abneigung (vielleicht sogar eine gewisse Angst) gegenüber dem Fahrradfahren entstanden. Aber hier geht es nicht um das Fahren. Hier geht es um meine Abneigung zur bloßen Existenz des Gerätes.

„Guter Rad ist teuer. – Eddy Merckx, Radsportler

Während meiner Schulzeit konnte ich den Bus nehmen oder zur Not auch (45 Minuten) laufen. Das stellte im Winter kein Hindernis dar, weil all meine Freund*innen den Bus genommen haben, doch dann kam der Sommer: „Nimm doch das Fahrrad! Das geht viel schneller.“ Verhärmt schüttelte ich den Kopf. Es wurde weiterhin versucht, mich zu überzeugen. Doch dann kam der Schock für meine Freund*innen „Wie, du hast kein Fahrrad?!“ Sie taten so, als ob ein Fahrrad in der Großstadt überlebensnotwendig wäre. Zu ihrer Verteidigung gebe ich zu: Wir wohnen schon eher am Rand der Stadt. Viele meiner Freund*innen lebten in eher dörflichen Verhältnissen und für sie ist das Fahrrad manchmal schon notwendig gewesen. Für mich allerdings nicht! Genauso wenig wie ein Auto. Also waren meinen liebsten Kumpan*innen der Bus, die U-Bahn und die S-Bahn, um mich von A nach B zu kutschieren. Die Monatsfahrkarte war mein ständiger Begleiter – bis ich sie (über einen kurzen Zeitraum) verloren habe. Da fühlte ich mich gleich ganz nackig und hilflos. „Warum leihst du dir nicht das Fahrrad von deiner Familie aus? Dann kannst du damit zur Schule fahren, solange du die Fahrkarten extra für den Bus kaufen musst.“ – Meine Antwort: ,,Vergiss es! Niemals! Fahrrad = Tod“, schrie ich auf.

„Keine Gnade für die Wade. – Louis J. Halle, Naturforscher

Manche von euch mögen jetzt denken: „Vielleicht kann sie kein Fahrrad fahren oder hatte einen schlimmen Unfall.“ Natürlich kann ich Fahrrad fahren. Ich habe es behütet auf einem roten kleinen Fahrrad im Garten meiner Großeltern gelernt. Und als ich dann auch tatsächlich mal fuhr, schrie ich: „Ich fliege!“ Und das tat ich. Voll auf die Fresse. Also nicht am gleichen Tag. Irgendwann später. Drei Jahre später oder so, als ich mit meinem Opa unterwegs gewesen bin. Er konnte mich gerade so vor dem Fliegen in den Himmel bewahren. Ja, ich gebe es zu. Ich übertreibe gerade. So schlimm war es gar nicht. Aber es fühlte sich so an. Ich fasse zusammen, die erste Zeit in meinem Leben bin ich ganz behütet bei meinen Großeltern mit dem Rad gefahren oder in irgendeinen Park, in der Nähe meines Wohnortes. Damals war alles gut. Keine bösen Autos, keine bösen Straßen. Ergo kein Tod. Und dann kam die Fahrschule. Also die Rad-Fahr-Schule in einem Verkehrsgarten. Ich habe den Radführerschein mit 0 Fehlern bestanden. Meine großartige Leistung wurde mit einem Lolli und einem Lineal mit Verkehrszeichen belohnt. Ein Träumchen. Das Problem an einem Verkehrsgarten: Es ist keine richtige Straße. Dort kann mich keine*r umfahren, es sei denn Luise (die auch voll doof war) fährt mich mit ihrem roten Kinderroller an. Es gibt keine hupenden Autos oder einen LKW, zu dem ich im toten Winkel stehe.

„Wenn deine Beine dich anflehen, aufzuhören und deine Lunge zu explodieren droht, dann geht es erst richtig los. Das ist der Ozean der Schmerzen. Gewinner gehen richtig in ihm auf.“ – Chris McCormack

Wie man schlussfolgern kann, wurde ich nicht gut auf das Fahrradfahren in der freien Großstadt-Wildnis vorbereitet. Und dann zog ich nach Norditalien, wo sowohl das Fahrrad als auch das Auto typisch „italienisch“ gefahren wurden. Trotz (oder gerade wegen) eines gestellten Schrott-Fahrrads von der Arbeitsstelle bin ich schön zur Arbeit gelaufen oder habe den Bus genommen. Dennoch ließ ich mich zu einer Rad-“Tour“ mit einer Freundin hinreißen. Die „Tour“ ging bis zu ihrer Wohnung. Dann ist meine Fahrrad-Kette rausgesprungen. Unsere Tour haben wir dann mit der Bahn fortgesetzt.

Das Blatt schien sich zu wenden, als mich Verwandte in Italien besuchen gekommen sind – mit ihren Mountainbike-Rädern für eine Radtour. In voller Montur (inklusive einer wunderschönen, gepolsterten Fahrradhose) konnte ich das Fahrradfahren genießen. Ich mochte es sogar. Das Geniale: Der perfekte Radweg. Es ging Kilometer weit nur geradeaus, inmitten von Obstbaum-Plantagen. Hatte ich etwa unverhofft meine Liebe zum Rad entdeckt?

„Fahre, fahre, fahre.“ – Fausto Coppi, auf die Frage, wie man sich verbessern kann

Ich zog wieder um, in die Hansestadt Greifswald. Alles ist zu Fuß oder mit dem Rad zu erreichen. Sehr motiviert von meiner letzten positiven Rad-Erfahrung, war eine meiner ersten Handlungen vor Ort, ein Fahrrad von bekannten Kleinanzeigen zu kaufen. Es ist ein schönes Fahrrad. Der große Drahtesel schimmert in einem Anthrazitblau und Aschgrau. Vorne ist ein ausladender Korb drapiert, der viel Stauraum bietet. Aber ich hatte Angst damit zu fahren, weil ich mich in Greifswald noch nicht so gut auskannte. Doch ich traute mich, kleine Strecken zu fahren. Doch dann, es war zu schön, um wahr zu sein: Meine Lampe funktionierte nicht mehr und das Rad fuhr sich immer schwerer. Viel, viel, viel schwerer. Ich dachte mir wirklich, dass wir vielleicht eine Bindung aufgebaut hätten, aber da habe ich mich wohl getäuscht. Und jetzt? Jetzt nimmt das Rad zu viel Platz auf meiner Mini-Terrasse ein. Es wurde zugeschneit, jetzt ist der Schnee wieder geschmolzen. Und es steht einfach so da. Und rostet so vor sich hin.

Bis mich die Frühlingsgefühle packten und ich mir dachte, dass ich mal eine Fahrradwerkstatt besuche, um zu schauen, was mit meinem Fahrrad denn los war. Wie bereits vermutet, war das Ventil kaputt. Doktor Fahrrad konnte das Problem schnell lösen und verlangte dafür keine hohe Entlohnung. Voller Vorfreude, dass mein Fahrrad wieder „normal“ fährt, stieg ich auf, trat in die Pedale, wurde dann jedoch umso herber enttäuscht. Es fuhr genau so scheiße wie vorher. Ich entschuldige mich für die Wortwahl, aber mittlerweile würde ich das Teil am liebsten einfach irgendwo stehen lassen und nie wieder sehen. ES REICHT! Und jetzt stellt es, zwar sichtbar, aber wieder nur ein zu großes Dekoelement auf meiner Terrasse dar. Das ist genau die Zweckentfremdung, die dieses Gerät eindeutig verdient hat.

Beitragsbilder: Florian Schmetz und Patrick Pahlke auf unsplash

Mimimi-Mittwoch: Sprachnachrichten

Mimimi-Mittwoch: Sprachnachrichten

Wut, Hass, Zorn: All diese Gefühle verbindet man so manches Mal mit seinen Mitmenschen. Genau für solche Momente ist diese Kolumne da. Wann immer wir uns mal gepflegt über Leute auslassen oder uns auch generell mal der Schuh drückt, lest ihr das hier. 

20:25 Uhr: “Joooo Moin Diggi! Wie geht’s dir so? Voll lange nichts mehr voneinander gehört und so! Hahaha…. Naja, ich weiß ja nicht, was bei dir gerade so geht und so, aber ich dachte ich melde mich mal wieder. Also ich bin jetzt jedenfalls in Berlin und mache hier meinen Master in Brauwesen und Getränketechnologie. Voll krass Alter, neulich hab ich hier zufällig deine Ex getroffen, also Larissa oder wie die noch hieß, die studiert jetzt auch hier, voll strange, oder, haha? Achja, ich soll dir noch was von ihr ausrichten… war glaube ich irgendwas Wichtiges, glaube ich… Was war denn das noch gleich? …Boah ey, mein Gehirn ist in letzter Zeit so dermaßen Matsche, scheiß Corona-Lockdown-Blues…hahaha…geht dir das auch so? Mega kacke. Alteeeeeeer, was war denn das noch gleich, was ich dir sagen sollte? … Ja, bitte komplett… Ja, bitte auch scharfe Soße… Sorry Bro, bin gerade beim Dönermann… Ah, jetzt weiß ich es wieder, was ich ausrichten sollte!… Halt! Doch nicht! Nee, doch nicht komplett, keine Zwiebeln und ohne Knoblauch-Soße, hab morgen einen Zahnarzttermin… Hahaha… Boah Alter, ich hab schon seit Wochen sooo krass Zahnschmerzen! Ich glaube, ich muss mir jetzt doch endlich mal die Weisheitszähne ziehen lassen. Aber ich hab so Schiss davor, Mann! … Naja, mal gucken, was der Zahnarzt morgen sagt… Der hat übrigens voll die süße Zahnarzthelferin, das ist auch ein ganz nicer Nebeneffekt zum Stempel im Bonusheft, also bei der würde ich auch gerne mal das Bonusheft stempeln, wenn du weißt, was ich meine, hahahahaha… aber trotzdem mega nervig, dass man da so oft hingehen muss… *im Hintergrund: Döner ist fertig, das macht dann 5 €* … Also Brudi, mein Döner ist fertig, muss dann mal los, aber lass mal wieder von dir hören, Diggah!”

Kommunikation ist ein komplexes Thema, gerade in Zeiten harter, mittelharter und der Lockdowns mit weichem Eigelb oder wie auch immer man den aktuellen deutschen Kurs bezeichnen möchte. Zwischenmenschliche Nähe herzustellen ist schwierig, wenn räumliche Nähe keine Option ist. Glücklicherweise bieten unsere Smartphones heute eine riesige Bandbreite an Möglichkeiten, um dennoch miteinander in Kontakt zu bleiben: Textnachrichten, Emojis, GIFs, klassische Anrufe, Videotelefonate,… und eben auch Sprachnachrichten. Doch so schön es auch sein mag, die Stimme einer anderen Person zu hören, so sehr stehen Sprachnachrichten symptomatisch für viele Dinge, die in unserer Welt aktuell nicht gut laufen. Daher hier das Manifest der kommunikativistischen Partei in 5 Punkten. Egal wie schlecht das Manifest ist, Karl Marx!

Punkt 1: Chaos, Chaos und nochmal Chaos

Für die Übermittlung komplexer Informationen sind Sprachnachrichten vollkommen ungeeignet. Unsere Gedankengänge sind im Normalfall nicht geradlinig genug, um weiterführende Zusammenhänge spontan und strukturiert auszudrücken. Das gilt besonders für einseitige Gespräche ohne direkte zwischenmenschliche Interaktion und vor allem ohne Möglichkeit für direkte Rückfragen. So kommt es, obwohl Sprachnachrichten grundsätzlich die Vermittlung von Emotionen besser ermöglichen könnten als Textnachrichten, oft dazu, dass leicht vermeidbare Missverständnisse entstehen. Wenn dann auch noch mehrere Gesprächsthemen innerhalb einer Sprachnachricht kommuniziert werden sollen, ist das Chaos absolut vorprogrammiert. Nachrichten ab 30 Sekunden Länge sind bereits vollkommen unbrauchbar und Nachrichten ab 5 Minuten Länge sollten meiner Meinung nach direkt an die Staatsanwaltschaft gehen – Anzeige ist raus. Und was viele vermutlich gar nicht wussten: Die deutsche Corona-Impfstrategie wurde komplett mittels Sprachnachrichten erarbeitet. Wirklich wahr!

Sorry, es dir sagen zu müssen, aber etwa genau so viel Sinn ergeben auch deine Sprachnachrichten.

Punkt 2: Das richtige Setting

Wie so oft im Leben sind auch für den Sinn und Unsinn von Sprachnachrichten die äußeren Umstände extrem entscheidend. Du hast dir beide Arme gebrochen, kannst deshalb nicht schreiben und sitzt in einem ruhigen Zimmer? Alles klar, schick mir eine Sprachnachricht (oder ruf mich an)! Du sitzt in einem ruhigen Zimmer und kannst tippen? Dann schick mir keine Sprachnachricht! Du stehst in einem vollen Bus und schickst mir eine Sprachnachricht? Freundschaft beendet.
Und die gleichen Probleme, die beim Aufnehmen von Sprachnachrichten auftreten können, gelten natürlich auch für das Anhören. Ich weiß nicht, was du mir gleich erzählen wirst, also werde ich mir deine Nachricht garantiert nicht in der Öffentlichkeit anhören. Wahrscheinlich könnte ich dich mit all den Geräuschen um mich herum eh nicht verstehen und müsste den Mist dreimal abspielen.

Punkt 3: Schnelllebigkeit

Ja, das Leben ist manchmal wirklich stressig und ja, es mag sich so anfühlen, als ob du aktuell keine Zeit für irgendetwas hättest. Und ebenfalls ja, eine Sprachnachricht zu verschicken mag dir ein paar Sekunden deiner kostbaren Lebenszeit sparen. Aber ist es tatsächlich so viel verlangt, dass du dir die Zeit für unsere Freundschaft nimmst und mir eine Nachricht schreibst, die wirklich das ausdrückt, was du mir sagen möchtest? Zum Beispiel, dass du noch deine Jacke aus dem Keller holen möchtest??
Goethe sagte (dem Volksmund nach) einmal: “Ich schreibe dir einen langen Brief, weil ich keine Zeit habe, einen kurzen zu schreiben.” Möchtest du hingegen wirklich mit den (vermutlich in einer Sprachnachricht festgehaltenen) Worten “Ich schicke dir eine Sprachnachricht, weil ich keine Zeit habe, dir kurz zu schreiben.” in Erinnerung bleiben? Wann hast du dir das letzte Mal bewusst Zeit genommen, um Freundschaften zu pflegen, die dir am Herzen liegen?

Punkt 4: Rückschritt statt Fortschritt

Wir leben im 21. Jahrhundert und entsprechend sollte sich auch unsere Kommunikation weiterentwickelt haben. Aber, so beeindruckend die Speicherung und der Transport unserer Stimme über tausende Kilometer hinweg auch sein mag, so rückständig sind die sprachliche Form sowie die Inhalte von Sprachnachrichten oft. Um es etwas überspitzt auszudrücken: Dank Sprachnachrichten und Autokorrektur entwickeln wir uns sprachlich langsam aber stetig auf ein Niveau aus der Zeit vor der Erfindung des Buchdrucks zurück. Einer Zeit, in der der überwiegende Teil der Menschen nicht schreiben und viele nicht einmal lesen konnten. Schaut euch einmal unter euren Komilliton*innen um. Wie viele von ihnen könnten einen längeren Text fehlerfrei nur mit Stift und Papier, vollkommen ohne weitere Hilfsmittel, verfassen? Und wie vielen von ihnen ist aufgefallen, dass sie gar nicht eure Komilliton*innen sind, sondern eure Kommiliton*innen? Oder war es doch andersherum?

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Nur weil etwas grundsätzlich geht, sollte es nicht auch tatsächlich gemacht werden.

Punkt 5: Egozentrik und Schlusswort

Eigentlich ist Punkt 5 kein wirklich eigenständiger Aspekt, sondern mehr eine Zusammenschau der Punkte 1-4. Durch all die vorher genannten Unannehmlichkeiten, die den Empfänger*innen von Sprachnachrichten entstehen, ist die Kommunikationslast extrem einseitig. Das ist aber ziemlich dämlich, da die Person, die die Sprachnachricht versendet, in den meisten Fällen ein Interesse daran hat, dass die empfangende Person möglichst leicht an die zu vermittelnden Informationen gelangt. Sei es, weil noch Fragen zum Klausurstoff bestehen, eine Reise geplant wird, eine kleine Zutat zum Verfeinern des Abendbrotes mitgebracht werden soll oder auch einfach nur eine sinnvolle Antwort erwartet wird. Kommunikation auf Augenhöhe geht anders. Deshalb bin ich raus aus diesem Zirkus. Wenn die Information es nicht wert war, in geschriebene Worte verpackt zu werden, war sie wohl nicht so wichtig. Insofern höre ich mir Sprachnachrichten im Normalfall einfach gar nicht mehr an, sondern antworte einfach irgendetwas. Wer wirklich etwas von mir möchte, kann mir sehr gerne schreiben oder mich anrufen.

20:54 Uhr: “Achjaaa übrigens Diggi, keine Ahnung mehr, was ich dir noch von Larissa ausrichten sollte. Aber meld dich auf jeden Fall mal wieder bei ihr, sie wollte wie gesagt irgendwas Wichtiges mit dir besprechen und kann dich irgendwie nicht mehr erreichen… Die ist jetzt übrigens gerade Mama geworden, mega krass, Alter, das ging ja mega schnell! Habt ihr euch nicht erst vor einem halben Jahr oder so getrennt? Naja, bis bald Brudi, hab einen schönen Abend!”

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