Mimimi-Mittwoch: Gegenwind

Mimimi-Mittwoch: Gegenwind

Wut, Hass, Zorn: All diese Gefühle verbindet man so manches Mal mit seinen Mitmenschen. Genau für solche Momente ist diese Kolumne da. Wann immer wir uns mal gepflegt über Leute auslassen wollen oder uns auch generell mal der Schuh drückt, lest ihr das hier.

Kommen sich zwei Radfahrer*innen in Greifswald entgegen. Beide haben Gegenwind.

Dieses Phänomen ist so subjektiv wie allgegenwärtig. Es ist immer windig; ein Tag, an dem ich sehe, dass sich die Bäume vor meinem Fenster nicht bewegen, ist jedes Mal bemerkenswert. Zugegeben, ich habe mich daran gewöhnt und finde es befremdlich, wenn ich meine Familie besuche und die Luft stillsteht. Insbesondere im Sommer.
Dennoch sollte Gegenwind doch nur für diejenigen existieren, die sich in eine bestimmte Richtung bewegen, oder nicht? Wie kann es sein, dass an windigen Tagen (also ca. 350 im Jahr) gefühlt jede*r Gegenwind hat? Bewegen wir uns alle nur in eine Richtung? Wie kann es sein, dass ich persönlich immer Gegenwind habe, wenn ich mich an einem windigen Tag aufs Fahrrad setze? Was ist dieser Rückenwind, von dem ich immer höre?

Anfang Mai unternahm ich mit einem Freund eine Radtour nach Loissin, um die Schlafenden Bäume zu besichtigen. Wunderschön, aber nicht das Thema. Wir kamen auf dem Hinweg ganz gut voran, bis auf die zahlreichen Stopps, die wir einlegen mussten, weil ich Rapsfelder fotografieren musste. Der Rückweg lief allerdings trotz fehlender Pausen weniger glatt, weil ich vergessen hatte, Snacks einzupacken, und der Wind nicht in dieselbe Richtung wollte wie wir. Die ermutigenden Zurufe wurden in ebendiesem verweht.

An einem anderen Tag war ich an der Brücke in Wieck verabredet. Das war noch nicht das Problem, auf magische Weise kam der Gegenwind erst in den letzten fünf Minuten. Was meinen Lebenswillen ordentlich herausforterte, war der darauffolgende Weg zu einem Stückchen Strand, das “immer so schön leer” und “gar nicht weit weg” sein sollte. Der Gegenwind war hart, der holprige Weg war einfach gemein. Die Kombination? Spaß für die ganze Familie. Auf dem Rückweg stellte ich fest, dass meine Bremsen nicht mehr richtig funktionierten, aber war ja kein Problem, ich musste ja nur aufhören in die Pedale zu treten. Und mit einem etwas längeren Bremsweg rechnen.

Apropos Bremsweg. Immer wenn eine Konversation zum Wetter kommt, also ziemlich oft, und sich meine Gesprächspartner*innen die folgende Geschichte noch nicht anhören mussten, kommen sie nicht daran vorbei, also viel Spaß: Eines wunderschönen Tages musste ich aus Schönwalde I zur Uni, und trotz eines leichten Gefälles des Fahrradweges musste ich nicht bremsen, um an der Ampel zwei Meter später stehenzubleiben. Ein marginaler Vorteil der Wetterlage, sofort ausbalanciert von meiner verschwitzten Ankunft am Campus. War unglaublich motivierend und rückblickend hoffe ich, dass die Lehrveranstaltung nicht allzu interaktiv war.

Wenn man im Geografie- oder Sachkundeunterricht aufgepasst hat und sich grob orientieren kann, könnte man sich eigentlich denken, wo der Wind herkommt. Manchmal stimmt sogar die Wetterangabe bei Google. Aber wer macht sich tatsächlich Gedanken, bevor sich aufs Rad gesetzt wird, in welche Himmelsrichtung man nun unterwegs ist? Was wäre die Konsequenz? Oh nein, der Wind kommt von Osten und ich muss ins Ostseeviertel! Das wird mit dem Bus zu umständlich und zu Fuß ist es mir zu weit, lass mal nicht machen. Ja nee.
Bei einem so nervigen Erlebnis geht mir direkt das rationale Denken flöten. Natürlich habe ich nicht immer Gegenwind, das ist nur die Bestätigungsverzerrung (sprich: ein unterbewusster Fokus auf Wahrnehmungen, die eine bestimmte Erwartung erfüllen). Manchmal habe ich Rückenwind, in solchen Momenten denke ich allerdings nicht länger darüber nach, weil warum sollte ich? Läuft doch alles gut.
Manchmal fahre ich in meinem Heimatort mit dem Fahrrad meiner Mutter und freue mich, dass es sich so reibungslos und leicht fährt. Mir fällt selten auf, dass es möglicherweise an der Windstille liegen könnte. Immerhin ist Wind sonst überall, fällt gar nicht mehr groß auf, wie der Geruch des eigenen Deos nach ein paar Minuten. Dann komme ich zurück. Einerseits fühlt es sich richtig an, wenn sich die Luft bewegt. Andererseits rieche ich wieder das Deo.

Radfahren mit Gegenwind erinnert mich immer ans Kraulen im Schwimmunterricht. Du kannst dich abmühen wie du willst, kommst aber nicht voran. So sieht es zumindest aus. Der Aufwand entspricht ganz und gar nicht dem Resultat. Und wenn die Bahn nicht frei ist, sind definitiv die anderen schuld, was bewegen die sich mir völlig beabsichtigt und locker vermeidbar in den Weg? Der Gegenverkehr weiß natürlich auch nicht, wie schwer ich es gerade habe. Wir können ja nicht beide Gegenwind haben.

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Mimimi-Mittwoch: Ins Kino gehen

Mimimi-Mittwoch: Ins Kino gehen

Wut, Hass, Zorn: All diese Gefühle verbindet man so manches Mal mit seinen Mitmenschen. Genau für solche Momente ist diese Kolumne da. Wann immer wir uns mal gepflegt über Leute auslassen wollen oder uns auch generell mal der Schuh drückt, lest ihr das hier.

Ins Kino gehen – wenn 200 Leute dabei zusehen, wie Kate Winslet einfach keinen Platz auf ihrer Tür machen möchte und die Romantik trotzdem nicht versinkt. Das Kino ist wohl der Ort, an dem die meisten menschlichen Zustände parallel nebeneinander auftreten können. Manche schauen den Film und lieben es, manche schauen den Film und hassen es, manche schauen den Film und empfinden gar nichts, manche schauen den Film nicht und schlafen, manche schauen Schindlers Liste nicht und machen drei Stunden lang dabei rum und manche wollen den Film eigentlich schauen und sind dann so abgelenkt von der wilden Haarfarbe der Person drei Reihen weiter vorne leicht links (ist das rot, ist das grün, was soll das sein?). Das Kino ist also ein Ort, an dem man sich gerne etwas stoßen kann. Daher ist es an der Zeit aufzuzeigen, wo die Probleme des Kinos liegen und welche cleveren Ideen es geben kann, damit die Unterhaltung auf 21 mal 12 Metern trotzdem für die Zukunft gesichert ist.

Aber fangen wir ganz vorne an. Denn bereits an der Kinokasse treten die ersten elementaren Probleme auf. Man muss es einfach mal so drastisch formulieren: Wer hat damit angefangen, die Snacktheke zum extremsten Ausläufer des Kapitalismus zu machen? Denn für ein kleines Popcorn soll es wohl zum guten Umgang gehören, sein Erstgeborenes an den*die 15-jährige*n Aushelfende*n zu opfern. Der Materialwert eines Produktes, welches aus Zucker (dazu kommen wir gleich noch) und Maiskörnern besteht, kann sich wohl nicht darauf belaufen, dass Snackfreund*innen dafür Teile des Bernsteinzimmers eintauschen müssen. So wird sich das Kino in seinem Überlegenheitskomplex bestimmt in sein vergoldetes Fäustchen lachen.
Über die Kinopreise selbst muss wohl nicht mehr viel gesagt werden, wenn man sich für einen Film mit Überlänge auch einen Monat eines beliebigen Streaminganbieters leisten kann, bei dem mitunter die Filme schon während der Kinolaufzeit verfügbar sind. Es lässt sich jedoch darüber streiten, ob Zuhause schauen und ins Kino gehen das gleiche Erlebnis bietet.

Als nächstes folgt unvermeidbar auch die Frage, warum die Kinospaßunterdrückenden ihren lieben Bürger*innen die Ideologie aufzwingen müssen, dass Popcorn süß zu sein hat. Wozu haben Menschen Jahrhunderte lang Kriege um Salz geführt, um dann nicht dessen volles Potenzial auszuschöpfen? Daher würde ich es mir von ganzem Herzen wünschen, rein salziges oder gemischtes Popcorn nicht nur in wenigen Ausläufern der großen Ketten zu sehen, sondern in jedem Kino des Landes. Zudem ist es langsam mal an der Zeit, neue Snackideen einzuführen, um die verstaubte Tüte M&M’s aus dem Regal zu vertreiben. Mein Vorschlag dazu wäre, die Modern Bowl noch einmal umzudenken und eine umso postmodernere Snackbowl daraus zu machen. Die gemischte Tüte in Zeiten von Metaspace.

Angekommen im viel zu weichen Sitz beginnt das Leinwanderlebnis mit einer angenehmen halben Stunde Werbung. Das wäre auch absolut in Ordnung, würde sich das Kino über die Werbung ausreichend finanzieren, sodass Ticket- und Snackpreise verträglich wären. Ist aber — wie besprochen — wohl nicht so. Daher ich gehe nicht ins Kino um einen Film zu sehen, der kommt natürlich auch, aber später, viel später. Nein, ich gehe ins Kino um Werbung zu schauen. Und so sehe ich: “Ooh der neue Lambogotti Fasterossa, ooh der neue Keili, das ist ja toll, uuuund Eispause.”

Auf den Film selbst hat das Kino natürlich keinen Einfluss. Dennoch schaffen sie es, mit der Erfindung der sogenannten Sneak Previews oder Sneak Peaks, bei denen man nie weiß, welchen Film es zu sehen gibt, künstlich Spannung zu erzeugen. An diesem Konzept kann trotzdem noch weitergearbeitet werden. So wäre es beispielsweise möglich, den Anfang von einem Film und dann das Ende von einem anderen Film zu zeigen. Dann könnten Zuschauer*innen erst den Anfang von Sinn und Sinnlichkeit sehen und dann das Ende von Saw. So hat wirklich niemand Spaß.

Zudem hat das Kino leider auch die Eigenschaft, dass dort von Zeit zu Zeit andere Menschen anzutreffen sind. Über Menschen braucht man eigentlich nicht mehr viel zu sagen. Aber wer ins Kino geht, um ein Gespräch zu führen, der ist fehl am Platz. Man geht doch auch nicht ins Schwimmbad, um Tennis zu spielen, oder auf ein KIZ Konzert, um gute Musik zu hören.

Zum Schluss muss noch einmal eine Frage gestellt werden: 3D ist doch wirklich nicht so das Ding, oder? Dabei meine ich, es hat gut angefangen und man konnte fliegende Gummibärchen im All fangen. Doch im Film war es schon immer eine Enttäuschung, die niemand wirklich vermissen würde. Dabei ist das Potenzial von mehr Dimensionen durchaus da. Aber wo sind die versprochenen Dimensionen 4 bis 17? Wo sind sie? Obwohl es doch so viele Ideen für ein immersiveres Erlebnis geben würde: Geruch, Wasser tropft von der Decke, bunte Lichteffekte oder deine Versagensangst schreit dich an, weil du alles falsch machst.

Somit bleibt uns nichts anderes übrig, als begeistert festzustellen, dass ein Film ins Kino kommt, den man unbedingt sehen muss, es dann zu vergessen und drei Wochen später festzustellen, dass es den Film schon bei Disney+ gibt.

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Mimimi-Mittwoch: Kranksein

Mimimi-Mittwoch: Kranksein

Wut, Hass, Zorn: All diese Gefühle verbindet man so manches Mal mit dem Kranksein. Genau für solche Momente ist diese Kolumne da. Wann immer wir uns mal gepflegt über das Kranksein auslassen oder uns auch generell mal der Schuh drückt, lest ihr das hier. 

Hatschi und guten Morgen!
Es ist November und wer bislang kein Corona hatte, wird vermutlich jetzt krank mit Erkältung oder Grippe. Ich spreche aus Erfahrung, denn so ergeht es auch mir.

Es ist Montagmorgen, halb 7, ich stehe nach einer weniger erholsamen Nacht auf und merke: Mist, ich fühl mich mal so gar nicht gut. Nach dem Frühstück entscheide ich mich jedoch dazu, mich als richtig krank zu deklarieren, also als SO RICHTIG krank. Folglich gebe ich kurz auf der Arbeit Bescheid, dass mich heute keiner zu Gesicht bekommt.

Seit letztem Jahr ist an Tagen wie diesem natürlich die erste Handlung, einen Coronaselbsttest zu machen. Diese Angst, trotz Impfung zu erkranken und im schlimmsten Fall andere anzustecken, sitzt einem nun seit fast 2 Jahren im Nacken. Während ich vor meinem Test sitze, gehe ich gedanklich bereits durch, wen ich die letzten 2 Wochen so gesehen und wo ich mich selbst vielleicht angesteckt haben könnte. Schweißgebadet warte ich auf das Ergebnis, wobei ich nicht weiß, ob der Schweiß meiner Erkältung zu verdanken ist oder meiner der Paranoia geschuldeten Angespanntheit.

Endlich ist der Selbsttest soweit und siehe da: Negativ. Puh, Glück gehabt.

Nach meinem Frühstück und der Krankmeldung auf der Arbeit krieche ich zurück ins Bett. Mit zwei Decken und einer Kuscheldecke eingemummelt liege ich nun neben meinem Raumdiffuser, der einen seichten Dampf von japanischem Heilöl im Raum verteilt. Schon bald riecht es bis auf den Flur nach Minze und Aromatherapie. Na ja, immerhin riech’ ich noch was.

Hier liege ich also und tue das, was vermutlich alle tun würden: Ich öffne den Streaminganbieter meines Vertrauens. Schnell ist ein kinderfreundlicher Film ausgewählt, zu welchem ich getrost nebenbei einschlafen kann.

Gegen 11 Uhr wache ich wieder auf, jedoch bin ich immer noch krank. Wäre ja auch auch zu schön gewesen, wenn 3 Stunden Schlaf meine Nebenhöhlen wieder freizaubern könnten.

Den Rest des Tages liege ich nun also danieder und verfasse vor meinem innerlichen Auge schon einen Abschiedsbrief, für den Fall, dass mich diese Erkältung doch dahinrafft. Ich gehe durch, wer was aus meinen Besitztümern bekommt, wer sich um den Hund kümmern muss und dass meine kleine Schwester im Falle meines Todes definitiv nicht meine Plattensammlung erben wird.

Kranksein ist Mist. Nichts kann man machen, weil alles zu anstrengend ist oder Bewegungen beinhaltet, bei denen man fürchtet, dass einem gleich der Kopf vor lauter Druck platzt. Selbst Essen zubereiten ist blöd, weil auch das zu anstrengend ist. Bis auf eine schnöde Buchstabensuppe aus der Tüte werde ich wohl heute kaum was essen.

Man liegt nur rum und leidet vor sich hin. Ab und zu bekommt man einen halb mitleidigen Blick von Familienmitgliedern oder Mitbewohner*innen, die aber alle eher wenig bereit sind, einem ein Süppchen zu kochen. Verräter*innen!

Und mit das Schlimmste ist der Mangel an Entertainment. Nach fast 2 Jahren Pandemie hat man einfach jede interessante Serie und jeden Film bereits geguckt, teilweise sogar mehrmals. Kaum irgendwo kommen derzeitig neue Staffeln von guten Serien raus. Also sitze ich hier und bin fast geneigt, dem Tipp meiner kleinen Schwester nachzugeben und AstroTV einzuschalten, aber so tief bin ich noch nicht gesunken. Noch nicht….

Und so endet der Tag, so wie er angefangen hat: krank. Die darauffolgenden Tage sind ähnlich nervtötend und gleichzeitig todeslangweilig. Viel im Bett gammeln, Tee saufen bis zum Abwinken und alle möglichen Medikamente zusammenraffen, die auch nur ein wenig Linderung versprechen. Und leider muss ich mir eingestehen, auch alle weiteren Termine und Verabredungen bis mindestens Ende dieser Woche müssen abgesagt oder verlegt werden. Na toll… Nun liege ich hier in meiner Lache an benutzen Taschentüchern und grüble, ob ein solches Leben überhaupt noch Sinn macht.

Zu allem Überfluss kann ich nun auch nichts mehr riechen. Alles Essbare unterscheidet sich nun nur noch durch die Konsistenz beim Kauen. Von hier an geht es nur noch weiter bergab. So langsam schleichen sich auch die anderen üblichen Erkältungsleiden ein, wie die klassische wunde Nase vom Nase putzen. Ich leide.

Und keiner ist da, um einen zu umsorgen. Den Tee muss man sich selbst kochen, die Tütensuppe alleine aufbrühen und das Erkältungsbad selbstständig einlassen. Das Leben ist schon hart genug, da muss mich so eine Erkältung nicht noch weiter geißeln.

Aber immerhin gibt es einen kleinen Schimmer am Horizont und das ist natürlich Weihnachten und die Adventszeit. Dafür, so sage ich mir, lohnt es sich jetzt zu leiden, um dann nicht unterm Weihnachtsbaum flachzuliegen. Und vielleicht ist ja meine Stimme demnächst wieder so geschmeidig, dass ich, sobald das erste Mal “Last Christmas” laufen wird, wieder mit ganzer Seele mitschmettern kann. Na ja, aber auch nur vielleicht. 

Nun reicht es wirklich mit meinem Selbstmitleid und ich mimimie für mich selbst weiter. Ich und meine angeschlagenen Bronchien verabschieden uns.

Bleibt gesund!

Titelbild: Elisa Schwertner
Opra Meme; Cat Meme: Instagram @ocboardroom

Mimimi-Mittwoch: Hosentaschen und wo man sie findet

Mimimi-Mittwoch: Hosentaschen und wo man sie findet

Spoiler: NIRGENDS!!

Wut, Hass, Zorn: All diese Gefühle verbindet man so manches Mal mit Mode. Genau für solche Momente ist diese Kolumne da. Wann immer wir uns mal gepflegt über viel zu enge T-Shirts auslassen oder uns auch generell mal der Schuh drückt, lest ihr das hier.

Es ist Sommer und schon lange trägt man nicht mehr den schönen Wintermantel mit den herrlich großen Taschen, wo neben Schlüssel und Portemonnaie auch noch der halbe Wocheneinkauf reinpasst. Es ist Sommer und wir sind auf unsere Hosentaschen und deren Fassungsvermögen angewiesen, sofern man nicht eine unnötig kleine Tasche mit sich führen möchte, um seine 3€ für die Frühstücksbrötchen nicht permanent in der Hand tragen zu müssen.

Hosen und vor allem Hosentaschen lösen in mir eine unbeschreibliche Wut aus, wenn ich an sie denke. Der Grund ist, dass ich als Person, die in der Frauenabteilung ihre Klamotten kauft, keine Kleidung erwerben kann, die Taschen besitzt. Es fängt bei Jeans an und zieht sich durch meinen gesamten Kleiderschrank. Ein grassierender Mangel an Hosentaschen plagt mich, seit ich meine Hosen selbst kaufe.

Man verstehe mich nicht falsch, eine herkömmliche Jeans für Frauen sieht vielleicht so aus, als hätte sie Hosentaschen, aber es ist alles eine Lüge! Die vermeintlichen „Taschen“, die man zu sehen glaubt, sind oft nur Attrappen und man könnte selbst mit aller Liebesmühe nicht einmal eine 1 Euro Münze darin verstauen. They are all fake!

Und nun kommen wir zu der eigentlichen Frage, die uns an diesem Punkt alle beschäftigt: WELCHER MENSCH BRINGT WILLENTLICH SO VIELE QUALEN ÜBER DIE MENSCHHEIT?!

Leidensgenoss*innen werden jetzt schon wild mit dem Kopf nicken und mir zustimmen. Während Personen, die für Männer konzipierte Kleidung tragen, von unzähligen Möglichkeiten profitieren, Handy, Schlüssel und vermutlich auch ihre fertig gebundene Masterarbeit am Körper mit sich tragen zu können, müssen andere permanent kleine Taschen mitnehmen.

Und das ist der Punkt, an dem ich sage „Her mit der Reißverschluss-Cargohose!“. So blöd und Alman diese Hosen auch aussehen mögen, müssen wir ehrlich mit uns sein und uns eingestehen, dass es das einzige Kleidungsstück ist, welches uns von unseren Leiden befreien kann.

Darum plädiere ich für Reißverschluss-Cargohosen als nächsten Modetrend!

Beitragsbild: Elisa Schwertner
Comic: Cassandra Calin

Mimimi-Mittwoch: Lifehacks – Lösungen für Probleme die keiner hat

Mimimi-Mittwoch: Lifehacks – Lösungen für Probleme die keiner hat

Stell dir vor, du hast ein minderes Problem. Du bekommst zum Beispiel eine Dose köstlicher Dosenravioli nicht auf, weil du keinen Dosenöffner besitzt und die Kraft deiner Pranke nicht ausreicht, die Oberfläche einfach aufzureißen. Was also tun? Achtung Lifehack! Du brauchst: Gabel, Akkuschrauber, Heißklebepistole, Dosenöffner, Plastikschirmchen. Anleitung: Bohre zwei Löcher in die Enden der Gabel, klebe das Plastikschirmchen für den Style an die Zinkenseite der Gabel, kauf dir einen Dosenöffner, öffne mit dem Dosenöffner die Dose. Dank mir später.

Lifehacks können kleine Lebenshilfen sein, das ist vermutlich nicht abzustreiten. Aber um diese zu finden, muss man durch eine Menge von absurdem Blödsinn durch. Ein beliebtes Mittel für jede Art von Tipp ist der Einsatz von Klebemitteln. So ist die Heißklebepistole des Lifehackers heiliger Gral. Genauso, nämlich mit dem altbewerten Outside-the-Box-Denken, müssen in einer modernen Gesellschaft Probleme angegangen werden. Die Lösung ist ganz klar, wenn man beispielsweise zwei Striche in einem bestimmten konstanten Abstand nebeneinander zeichnen möchte. Einfach zwei Stifte aneinandergeklebt und tada! Warum man so etwas tun sollte? Na weil es möglich und es angeblich so einfach ist. Brandblasen beim Benutzen von Heißklebepistole gehen aufs Haus.
Vielleicht liegt es an der medialen Darstellung, dass Lifehacks bei mir nicht auf den intendierten Erfolg treffen. Das ist aber auch einfach zu erklären, denn niemand sucht wirklich nach diesen Tipps. Sie werden einfach in die Timeline irgendeiner Plattform gespült und prompt kann ich sehen, wie ich hippe Löcher in meine Hose bekomme (Ja, die Antwort ist, wie es wohl zu erwarten war, eine Schere zu nehmen und Löcher einzuschneiden. WOW).
Clickbait is coming home, wie auch sonst sollte man Aufmerksamkeit generieren. Sinnvolle Inhalte sind ja wirklich das Letze. Stattdessen lieber die Zuschauer*innen auffordern, die Inhalte nicht selbst Zuhause nachzumachen, obwohl das eigentlich genau der Sinn von Lifehacks ist. Egal, lieber noch ein paar crazy Emoticons daneben und fertig ist ein schickes Lifehackvideo mit Tipps für niemanden. Das Pacing dabei ist, wie überall in der modernen Gesellschaft, eines der wichtigsten Elemente. Ein richtiges Lifehackvideo möchte möglichst unpassend schnell die Tipps geben. Das bedeutet, dass beispielsweise ganze Einrichtungen von Wohnzimmern durch den Teilchenbeschleuniger geschossen werden, sodass der*die Zuschauer*in absurde Mengen an Bildern ohne zu erkennenden Zusammenhang präsentiert bekommt und daher gar nicht mehr versteht, was passiert.

Gehen wir aber von dem wirklich seltenen Fall aus, dass jemand einen Lifehack sieht und sich denkt: Das sieht doch cool aus! Dann kann ich nur versichern, dass es einen einfacheren Weg für die Lösung des Problems gibt. Du möchtest dein Popcorn nicht aus der gleichen Schüssel snacken wie dein Geschwisterchen? Dann kannst du entweder die eine Schüssel nehmen, sie in Folie einwickeln, mit Klebestreifen abkleben und dann bügeln, sodass eine neue sau hässliche Plastikschüssel entsteht. Oder, und auf die Idee muss man doch wirklich erst einmal kommen, man nehme sich eine zweite Schüssel aus dem Schrank. Der aufmerksame Lifehack-Kenner würde darauf vermutlich antworten, dass es genau darum geht, keine zweite Schüssel zu haben, sondern sich Alternativen zu suchen. Na dann isst der eine halt aus der Schüssel und der andere aus der Tüte! So schwer kann das doch nicht sein, denn der Aufwand der hier künstlich erschaffen wird, ist wohl um einiges größer.

Kommen wir aber zum Schluss, zu der eigentlichen Kernaufgabe von Lifehacks: den Menschen zu helfen. Leider versagen die kleinen süßen Tipps und Tricks auch darin, sodass man wohl eher Omas Küchenratgeber folgen sollte, in dem jeder Tipp nur aus irgendwas mit Natron besteht. In den meisten Fällen ergeben sich nach dem Konsum der lustigen Videos sowieso mehr Fragen, als man vorher hatte. Meistens lauten diese: Warum? Weshalb? Wieso denn bloß?
Also ist letztendlich wirklich nur ein einziger Lifehack wichtig: schaut keine Lifehacks.

Beitragsbild: Jo Szczepanska auf unsplash.com 
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Mimimi-Mittwoch: Denglisch, das Wingdings des Redens

Mimimi-Mittwoch: Denglisch, das Wingdings des Redens

Anger, Hass, Zorn: All diese Feelings verbindet man so manches Mal mit hippen Denglisch-Speakern. Therefore ist diese Kolumne da. Wann immer wir uns gepflegt über Sprache auslassen, lest ihr das hier.

Die Hipster-Welt ist eine gut durchdachte: Ihr Kaffee ist fair gehandelt, ihr Gemüse aus lokalem Anbau, eine digitale Lösung jagt die nächste. Nur ihre Sätze sehen aus wie im Schulbus abgeschrieben. Wer früher im Verkauf arbeitete, ist heute Sales Manager. Was gestern toll war, wird jetzt appreciated. Und der Zeitgeist heißt Cringe. Honestly?

„Sprache formt das Denken“, tweeten Befürworter*innen des Genderns. Sie haben Recht. Denn schon der Gelehrte Samuel Johnson wusste, dass Sprache die Kleidung der Gedanken ist. Wenn das stimmt, tragen viele jedoch ihren geistigen Schlüpfer über der Hose. Oder habt ihr noch nie gestruggelt, wenn eure Crowd awkward performt?

Wir alle tun es. Wir mischen Deutsch und Englisch, als wäre es ein Cocktail aus der Hölle von Chefkoch.de. Dabei geht es nicht um Anglizismen oder ihre Pseudogeschwister. Sprache gibt – und wenn sie nichts hat, dann nimmt sie. Doch Denglisch nimmt nicht, es zersägt und klebt wie Dr. Frankenstein. Denglisch ist das Wingdings des Redens.

“Total unusual zu Weihnachten nicht am Beach zu sein“ – Lisa (19) war letztes Jahr noch in Australien.
Irgendjemand auf Jodel

The reason for that ist eigentlich klar: Unsere Welt ist zweisprachig. Englisch ist kein Marktvorteil, sondern ein Muss. Wir haben internationale Freund*innen und schauen Netflix in OmU, „weil ich mir die Synchronisation einfach nicht anhören kann“. Ein Jahr in Australien ist heute so ungewöhnlich wie Zelturlaub in Dessau-Roßlau.

Auf Dauer zerschrammt dieses Durcheinander unsere Festplatte. Was rauskommt, klingt wie der Google-Übersetzer in der Beta-Version. Aber die Denglisch-Jünger*innen schwören drauf, denn das sei hip und international. Aber lasst uns ehrlich sein: Auch ein Flat White Caramell Flavour macht aus Ückeritz nicht Soho.

Das Pseudo-Internationale begräbt die Teilhabe, denn wer nur Englisch oder Deutsch kann oder erst lernt, kann mit Denglisch nichts anfangen. Alle anderen übrigens auch nicht. Wenn Mutti falsch gendert, rollen wir die Augen. Aber was ein Outcome ist, soll sie mal selbst rausfinden. Boomer Cringe und so.

This is my mom. Ich hab‘ in Englisch zwar ‘ne fünf, but this is my mom.“
Caroline Kebekus

Warum du trotzdem Denglisch sprichst? Weil es Zeit spart – allerdings nur dir. Du oder die anderen, eine*r muss sich plagen, denn verständlich zu sprechen ist Arbeit. In Stellenanzeigen steht schließlich nie, man brauche „Gutes German in Word und Shrift“. Ergo: Sprich bitte, als hätten alle einen Job für dich. Das darf von Stammhirn bis Stimmlippen auch gerne mal länger dauern.

„Die Deutsche Sprache schafft sich ab“, murmelt so mancher (meist männlicher) Zeitungsredakteur – und hätte mit diesem Text wohl seine Freude gehabt. Bevor also die Purismus-Blase jubelt, kommt hier ein Gruß in eigener Sache:

Lieber Verein Deutsche Sprache, das ist kein Mimimi für dich. Die deutsche Sprache ist toll – das ist unbestritten. Sie kann sich biegen, winden und drehen. Sie kennt mehr Wörter, als J. R. R. Tolkien auf Ritalin je eingefallen wären. Doch wer vom Sprachterror spricht, hat von Sprache so viel verstanden wie Attila Hildmann von Virologie.

An alle, die Sprache wirklich lieben, dieser Text ist für euch. Pimpt eure Sätze genauso auf wie eure Kleidung. Wenn’s mal sein muss, nehmt halt das Brainstorming. Diversity kannst du aber dalassen, wir haben noch Vielfalt zuhause. Vorschlag zur Güte: Die Sprach-Querdenker*innen lassen die Untergangsmetaphern in der Schublade. Wir anderen überlegen uns, wann es Denglisch wirklich braucht. Cringe over.

Beitragsbild: Marcel Knorn

Hi there, hier ist Annica trotz wirklicher Belustigung beim Lesen mit einem kleinen Konter-Vibe aus dem Lektorat, der einfach nicht unsaid bleiben kann: Wenn es erstmal established ist, dann ist da no way back. Man muss einfach mehr appreciaten, dass sich Sprachen auch da mischen – Von daher go with the flow!