Wird der Film „Das Boot“ seinem Titel als einer der besten deutschen Filme gerecht?
Der Film „Das Boot“ von Wolfgang Petersen wird als einer der besten deutschen Filme bezeichnet und wurde 2008 sogar von Filmfans zum besten deutschen Film aller Zeiten gewählt.
Ein paar Hintergrundinformationen
„Das Boot“ ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Lothar-Günther Buchheim, in welchem er seine Erfahrungen als Kriegsberichterstatter auf unterschiedlichen U-Booten im Zweiten Weltkrieg verarbeitet. Der Film erzählt vor allem aus der Sicht des Kriegsberichterstatters Leutnant Werner (gespielt von Herbert Grönemeyer) von einem deutschen U-Boot, das während der Atlantikschlacht im Zweiten Weltkrieg Teil des U-Boot-Kriegs ist und Jagd auf feindliche Schiffe macht.
Der ursprüngliche Plan war, den Film von einem amerikanischen Regisseur mit amerikanischen Schauspieler drehen zu lassen, um internationalen Erfolg zu erzielen. Diese Idee wurde jedoch schnell wieder verworfen, da sie die Deutschen in dem Film als rein stereotype, brutale Nazis darstellen wollten: Laut dem Spiegel war der amerikanische Drehbuchautor Ronald M. Cohen der Überzeugung, „dass ein deutsches U-Boot […] ohne Nazi-Bestie so unverkäuflich [sei] wie Transsylvanien ohne Dracula“. Dagegen protestierte Buchheim vehement: „Man hat aus meinem Buch einen japanischen Remmidemmi-Film gemacht und die Deutschen als Blutsäufer hingestellt“. Die tatsächliche Verfilmung unter Petersen weicht deutlich von solchen Vorstellungen ab.
Alle, die den Film schon gesehen haben, wissen wahrscheinlich, dass es mehrere Fassungen gibt. Der erste in den Kinos gezeigte Film ist von 1981 und dauert 149 Minuten, wobei hier die Kommentare von Werner fehlen. Diese Fassung wurde von der deutschen Presse kritisiert, von der ausländischen Presse jedoch gefeiert. Dies mag einen vielleicht überraschen, da der Film aus der Sicht von deutschen Soldaten englische U-Boote angreift. Nicht nur die Presse, sondern auch der Autor des Romans hielt sich mit Kritik an dem Film nicht zurück. Selbst die Nominierung des Films für 6 Oscars, was bis heute noch Rekord für einen deutschen Film ist, änderte die Kritik nicht. Auch die Schauspieler waren mit der ersten Fassung nicht zufrieden; für sie war das nicht ihr Film, den sie gedreht hatten, sondern ein ganz anderer, da so viel Material weggelassen wurde und damit die Handlung und die Charaktere teilweise anders dargestellt wurden.
1985 kam eine sechsteilige Fernsehfassung heraus, die 309 Minuten dauert und somit deutlich länger ist als der Kinofilm. Erst diese Fassung zeigt den wahren Charakter des Films und gewann als erste deutsche Fernsehserie einen Emmy. Sowohl die Presse als auch Buchheim verfassten zu der Fernsehserie positive Kritiken. Zudem erschien 1997 noch der Director’s Cut, welcher 200 Minuten lang ist. Laut Petersen sollte eigentlich diese Fassung 1981 in den Kinos erscheinen, kommerzielle Gründe hätten dies aber verhindert. Wenn ich in diesem Artikel von dem Film „Das Boot“ rede, meine ich die Fernsehserie, welche von den Schauspielern selbst auch als einzig wahre Fassung bezeichnet wird.
Der Film „Das Boot“
Der Film spielt im Jahr 1941, der Zweite Weltkrieg ist in vollem Gange und die U-Boot-Kämpfe werden für die Deutschen immer schwieriger: Die Handelsschiffe, die Großbritannien mit wichtigen Kriegsgütern beliefern, welche die Deutschen angreifen sollen, werden nun von Zerstörern begleitet. Die Zerstörer machen einen Angriff auf diese Geleitzüge aus deutscher Sicht gefährlicher, weswegen die Offensiven der Deutschen auch weniger erfolgreich sind.
Der Anfang des Films nimmt die Zuschauer*innen zu dem letzten Abend der Besatzung an Land mit, bei der diese und andere Marine-Offiziere ausgelassen feiern und trinken; ein Soldat hingegen nimmt nur schweren Herzens Abschied von seiner französischen Freundin. Am nächsten Tag läuft das U-Boot am französischen Atlantikhafen La Rochelle mit fröhlicher Musik aus. Bei der Abfahrt wirken die meisten Besatzungsmitglieder noch positiv gestimmt und fahren frohen Mutes los, vor allem Werner unterschätzt die Gefahr total. Schnell macht sich jedoch Lagerkoller breit, der sich auch teilweise in Aggression zeigt, da nichts passiert; sie treffen zunächst auf kein feindliches Schiff, das sie angreifen können. Als die Meldung kommt, dass sie Fahrt auf einen Geleitzug aufnehmen sollen, ist der Jubel groß, denn endlich passiert etwas. Jedoch schlägt die Freude schnell in Angst um, als sie von dem Feind mit Wasserbomben attackiert werden. Hier, wie auch bei anderen spannenden Stellen des Films, kann man sich als Zuschauer*in gut in die Lage der Besatzung versetzen, man fühlt ihre Anspannung. Dies liegt zum einen an der sehr guten schauspielerischen Leistung und zum anderen auch an der hervorragenden Kameraführung, die den Zuschauer*innen das Gefühl gibt, selbst Teil der U-Boot-Mannschaft zu sein.
Nachdem das U-Boot dem Zerstörer entkommen konnte, jubeln die Männer erleichtert auf. Auch diese Freude wird bald durch einen wochenlang andauernden Sturm erstickt, weshalb sie nur schwer auf ihrem Kurs bleiben können, was das Aufeinandertreffen mit einem anderen deutschen U-Boot auch verdeutlicht. Auch in dieser Zeit wird die Besatzung wieder von Lagerkoller und Aggressionen heimgesucht. Anschließend folgen noch weitere spannende Szenen, in denen das U-Boot in Bedrängnis kommt, die ich hier jedoch nicht vorweg nehmen möchte, wenn manch einer oder eine den Film selbst noch anschauen möchte. Aktuell ist die sechsteilige Version auf Netflix verfügbar.
Wird der Film zu Recht so gelobt?
Schon alleine die Starbesetzung an Schauspielern, die mit diesem Film ihren Durchbruch hatten, macht ihn sehenswert. Einzig Jürgen Prochnow war davor schon bekannt, alle anderen waren noch unbekannt. Ich konnte mir Herbert Grönemeyer davor nicht als Schauspieler vorstellen, für mich war er der bekannte Sänger, jedoch erlangte er seinen künstlerischen Durchbruch mit dem Film „Das Boot“. Aus meiner Perspektive hat er seine Rolle exzellent gespielt, was gar nicht so einfach ist, wenn er zwar eine der Hauptrollen verkörpert, aber neben seinen erzählerischen Kommentaren nicht viele Dialoge an Bord hat. Darüber hat er sich anfangs laut eigenen Angaben selbst auch gewundert, als er das Drehbuch bekam. Daneben spielen unter anderem noch Uwe Ochsenknecht, Jan Fedder, Heinz Hönig und Martin Semmelrogge als bekannte Schauspieler mit.
Außerdem sind die Charaktere der Besatzungsmitglieder sehr vielfältig und meiner Meinung nach gut getroffen. Individuelle Schicksale werden gezeigt, wie zum Beispiel der „LI“ (leitende Ingenieur), der um seine kranke Frau bangt oder ein deutscher Soldat, der mit einer Französin zusammen ist, welche von ihm ein Kind erwartet. Es befindet sich mit dem „1. WO“ (1. Wachoffizier) auch ein regimetreuer Nazi an Bord. Der „Kaleu“ (Kapitänleutnant = der Kommandant des U-Boots) macht immer wieder regierungskritische Aussagen, mit denen er bei dem 1. WO aneckt. Zudem ist seine Beziehung zu Leutnant Werner ambivalent: Mal ist er freundlicher zu ihm, dann stichelt er wieder gegen ihn, da ihm bewusst ist, dass Werner mit seinem Bericht der NS-Propaganda zuarbeitet.
Was mir an dem Film auch besonders gut gefällt: die Besatzung von U-Booten stammte damals aus unterschiedlichen Teilen Deutschlands, was auch in diesem Film berücksichtigt wurde, denn die Schauspieler sind auch aus verschiedenen Ecken Deutschlands und sogar Österreichs. Das zeigt, dass beim Dreh auf Authentizität geachtet wurde.
Ziel sei es gewesen, alles so authentisch wie möglich darzustellen und die Zuschauer*innen hautnah am Geschehen teilhaben zu lassen. Das ist meiner Meinung nach geglückt, denn man fühlt sich so, als wäre man tatsächlich Teil der Besatzung und kann sich richtig gut in die Charaktere hineinversetzen. Für mich wirkt der Film so, als hätten sie dargestellt, wie das Leben auf einem U-Boot damals wirklich abgelaufen sein könnte. Dazu trägt unter anderem die hervorragende Kameraführung bei. Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass diese auch für einen Oscar nominiert wurde. Außerdem passt die Filmmusik optimal zu dem Film. Wenn man sie einmal gehört hat, vergisst man sie nicht mehr. Sie wurde ebenfalls für einen Oscar nominiert.
Man könnte als kleinen Kritikpunkt anmerken, dass diese Fassung schon wirklich sehr lang ist und man manches vielleicht auch hätte kürzen oder weglassen können (ich habe das natürlich nicht alles an einem Stück angeschaut, sondern in kleinen Teilen). Jedoch bin ich der Meinung, dass man den Film nur dann wirklich versteht und seine wahre Größe erst in diesen 309 Minuten begreifen kann.
Dass er einer der besten deutschen Filme und für mich auch einer der besten Filme überhaupt ist, steht für mich außer Frage. Gerade auch in der Sparte Kriegsfilme über den Zweiten Weltkrieg, vor allem aus deutscher Sicht, ist er für mich unübertroffen, denn die U-Boot-Besatzung wird hier nicht als ein Haufen fanatischer Nazis dargestellt. Stattdessen werden einzelne Schicksale gezeigt und auch Kritik am Regime wird geäußert, selbst wenn ein Nazi der 1. Wachoffizier ist. Ganz ohne einen durch und durch überzeugten Nazi würde der Film wahrscheinlich auch die Wirklichkeit verzerren, schließlich gab es davon einige. Zudem macht der Film von Beginn an auf die Schrecken des U-Boot-Kriegs aufmerksam, indem erzählt wird, dass von den 40.000 U-Boot-Männern nur 10.000 lebend zurückkehrten. Damit wird deutlich, dass es sich klar um einen Anti-Kriegsfilm handelt. Auch in der Bar am Vorabend des Auslaufens des U-Boots wird diese Antikriegshaltung deutlich: In einer Szene bekommt ein Kapitän zwar das Ritterkreuz verliehen, er ist jedoch dem Alkohol verfallen und leidet zudem sichtlich unter posttraumatischer Belastungsstörung. Das Ende des Films unterstreicht noch einmal, dass der Film ein Anti-Kriegsfilm ist. Da aber manche Leser*innen des Buches den Film vielleicht noch nicht kennen und jetzt Lust darauf bekommen haben, möchte ich den Ausgang nicht verraten. Nur so viel sei gesagt: damit hätte ich nicht gerechnet!
Wer sich noch mehr über die Dreharbeiten und Hintergründe zu dem Film interessiert, dem würde ich eine Dokumentation von Arte empfehlen. Die Originalversion habe ich auf YouTube leider nicht gefunden, diese hat englische Untertitel, ist sonst aber genau so wie das Original. Auch dieser Artikel von Wilhelm Bittorf 1980 im Spiegel gibt einen guten Einblick in die Hintergründe zum Filmdreh.
Titelbild: scholty1970 auf Pixabay