Castor-Transport im Zwischenlager angekommen

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Von Christine Fratzke

Der Bahnübergang bei Brünzow.

Nach zweitägiger Tour und etwa 1.800 Kilometer vom französischen Cadarache nach Lubmin ist der Castor in Mecklenburg-Vorpommern angekommen. Am 15. Dezember überquerte dieser die französisch-deutsche Grenze, er rollte über Saarbrücken, Erfurt, Magdeburg. Am heutigen Vormittag führte ihn sein Weg über Schwerin, Rostock und Stralsund. Die Strecke war zuvor nicht  durch die Behörden bekannt gegeben worden.

Vor Magdeburg Buckau stoppte der Castor um 5 Uhr heute morgen. Hier gab es eine Blockade mit 20 Aktivisten, die den Transport für eine halbe Stunde stoppten. In Magdeburg selbst gab es einen Personalwechsel, sowie technische Änderungen am Zug. Kurz vor acht Uhr setzte sich der Castor wieder in Bewegung.

Auf dem Weg von Greifswald nach Lubmin.

Auch in Ludwigslust gab es, laut castorticker.de, eine Zwangspause des Castortransports. Etwa 20 Gegner blockierten die Strecke am Morgen, der  Castor musste etwa eine halbe Stunde anhalten. Die Landeshauptstadt wurde kurz vor elf Uhr passiert. In Vierow, zwischen Lubmin und Greifswald, sowie in Brünzow befinden sich etwa 300 Gegner auf den Gleisen.

Der Zug fährt um Rostock und wird über den Greifswalder Hauptbahnhof fahren.  Von dort aus wird der Zug nach Lubmin weiterfahren.

An der Ecke Neunmorgenstraße Bleichstraße ist nun ein Treffpunkt für einen Schienenspaziergang eingerichtet worden.

*Update 12:47 Uhr*

Unsere webMoritz-Redakteure berichten, dass das Durchkommen nach Lubmin stark erschwert wird. In Lubmin selbst herrsche laut Polizeiangaben Verkehrschaos. Außerdem wurden mehrere Wasserwerfer in Lubmin, aber auch in Greifswald und in Brünzow gesehen.

Ab hier tickert Marco Wagner

12:58  Der Castor-Transport ist mittlerweile auf der Zielgeraden nach Lubmin. Er hat nach Informationen des Castor-Tickers hat der Zug 12:49 Ribnitz-Damgarten passiert. Die voraussichtliche Ankunftszeit des Castors ist 13:36 Uhr.

13:04 Es sind mittlerweile vier Gruppen a 20 Leute von Kräpelin auf den Weg zu den Schienen. Im Moment kommt man noch nach Kräpelin, die Mahnwache in Vierow ist zur Zeit wieder über Ludwigsburg und Gahlkow erreichbar.

13:18 Die Polizei droht mittlerweile den auf den Schienen sitzenden Demonstranten Gewalt an, wenn sie nicht freiwillig die Gleise verlassen. Lubmin-Nixda wirft der Polizei derweil vor, sich “nicht an die Spielregeln zu halten.” Die TAZ berichtet derweil, dass zur Zeit rund 4.000 Polizeibeamte im Einsatz seien. Greenpeace habe entlang der Strecke mehrere Protestbanner entrollt.

13:20 Der Castor ist durch den Stralsunder Hauptbahnhof gefahren. Bislang gab es keine weiteren Zwischenfälle entlang der Strecke.

Es tickert Thomas Grothe

13:55 Zwischen Kemnitz und Dietrichshagen findet eine Ankettaktion mit Beton statt.

Transport passiert Greifswald


NACHTRAG 19:30: Das obenstehende Video wurde am Abend veröffentlicht. Es stammt NICHT von Mitgliedern der webMoritz-Redaktion.

14:15 Der Castor passiert den Greifswalder Hauptbahnhof ohne jeglichen Widerstand. Nicht einmal Trillerpfeifen bekundeten den Unmut. Die HedonistInnen entrollten neben dem Haus der Markomania ein Atomkraft-wegbassen-Banner.

Der Castor durchfährt den Greifswalder Hauptbahnhof

Der Castor durchfährt den Greifswalder Hauptbahnhof (Foto: C. Fratzke)

14:20 Der Castor hält bis die Aktivisten von den Schienen geräumt werden.

14:35 Demonstranten haben sich nahe Friedrichshagen an einen Betonblock auf den Schienen gekettet.

14:45 Der Kessel in der Nähe von Brünzow wurde aufgelöst und die Aktivisten wurden in Verwahrung genommen.

14:57 Nach Schätzungen von Anwesenden wurden ca. 250 Aktivisten einzeln von den Schienen bei Vierow getragen und, soweit es die Kapazität zulässt, in Polizeibusse gesetzt.

15:03 Von und nach Lubmin sind alle Straßen unzugänglich bis der Castor sein Ziel erreicht hat.

Der Transport steht in Diedrichshagen

15:05 Die Blockade der Robin Woodler wurde gerade durch die Polizei um ihre Betreuer erleichtert. Die Blockierenden sind jedoch trotzdem noch aktiv.

16:01 Nach lubmin-niXda werden die in Gewahrsam genommenen Aktivisten in Bussen nach Greifswald gebracht.

16:04 Der Castor wurde bei Vierow gesehen. Daher muss er sich zwischen Brünzow und Lubmin befinden.

16:13 Die Redakteure des MoritzTV und Torsten Heil sind gegenwärtig aufgrund der Straßensperren in Lubmin gefangen.

16:16 Es wurde ein Schleichweg zwischen Kemnitz, Neuendorf und Vierow gefunden mit dem die Straßensperrungen umgangen werden können.

16:20 In Kräpelin hat sich eine kleine Spontan-Demo mit knapp 20 Leuten zusammengefunden.

16:31 Nach aktuellen Schätzungen eines Polizisten wird der Castor noch 4 bis 5 Stunden bis zum Lager brauchen.

Polizeikräfte räumen eine der Blockaden der Aktivistinnen

Polizeikräfte räumen eine der Blockaden der Aktivistinnen (Foto: Torsten Heil)

16:33 Auf Höhe Neuendorf-Kemnitz gibt es ein Verkehrschaos, welches das Durchkommen stark behindert.

16:43 Die Information von 16:04 hat sich als falsch herausgestellt. Der Castor steht noch still, weil der Betonblock noch nicht beseitigt werden konnte.

17:00 Die Polizei beginnt mit der Beseitigung des Betonblocks. Nach inoffiziellen Polizeiangaben, kann dies 10-11 Stunden dauern.

17:04 Nach Angaben von lubmin-niXda wird Presse an der Blockade zugelassen.

17:30 Erste Studierende der EMAU sind in Wolgast in Polizeigewahrsam. Nach ihren Angaben sollen sie nach dem Castortransport wieder auf freien Fuss gesetzt werden. Zu rechtlichen Konsequnzen konnten noch keine Angaben gemacht werden.

17:36 Redakteure des webMoritz haben gesehen wie ein Traktor den Bahnübergang in Kemnitz passiert hat. Es wird vermutet, dass mit diesem Traktor das Betonblockproblem in kürze gelöst wird.

17:38 Die Pferdestaffel der Polizei verlässt den Schauplatz.

17:40 Nach Angaben einer erfahrenen Demonstrantin wird der Castor in ungefähr einer halben Stunde weiterfahren können.

17:47 Ulrike Berger, Sebastian Jabusch und Florian Geyder befinden sich nach Angaben verschiedener Redakteure in Güstrow in Polizeigewahrsam.

Ab hier tickert Kilian Dorner

18:26 Die TAZ berichtet in ihrem Ticker über Ulrike Berger und anonyme Polizisten ()

Zwischenticker von Carsten Schönebeck

18:44 In Wolgast werden die ersten Gefangenen wieder freigelassen und müssen dort abgeholt werden. Abholpunkt: Am Fuchsberg 4. Derweil wird die Blockade um Lubmin gelockert. Die webMoritz-Redakteure können, wie auch viele andere, die Stadt wieder verlassen.

18:48 Die erste webMoritz-Galerie des Tages: (mit Fotos von K. Dorner, C. Fratzke mit freundlicher Unterstützung von Martin Hackbarth und Julien Radloff, T. Heil)

Ab hier tickert Gabriel Kords

Die Polizei versucht, Robin-Wood-Aktivistin Sarah Ann loszuschneiden. (T. Heil)

18:58 Der Castor-Transport steht jetzt bereits seit über vier Stunden bei Diedrichshagen.

19:01 Unser Redakteur Torsten Heil versucht schon seit längerem, zu den einbetonierten Aktivisten vorzudringen. Nach seinen Angaben ist einer von ihnen soeben befreit worden.

19:03 Die männliche Person ist befreit worden und wurde mit dem Krankenwagen abtransportiert. Torsten Heil befindet sich mit einigen anderen Medienvertretern und Aktivisten in unmittelbarer Nähe des Geschehens, muss aber gehörigen Abstand halten. Fotos von Ort und Stelle können wir wegen überlasteter Mobilfunknetze und Technik-Problemen derzeit nicht zur Verfügung stellen.

19:05 Torsten Heil zur Lage an der Blockade: “Sehr viele Sanitäter, der Zug steht knapp 100 Meter entfernt. Die Polizisten sind unzählbar. Der Ort ist voll ausgleuchtet, die Stelle mit den Aktivisten ist mit einem Zelt überdacht. Es sind sehr wenige Aktivisten und Medienvertreter anwesend. Die Polizisten vermitteln rege Betriebsamkeit”.

Sprecher Daniel Häfner. (T. Heil)

Im Gespräch mit Robin-Wood-Aktivisten19:14 Daniel Häfner von Robin Wood sagt im Gespräch mit dem webMoritz, er sei froh, dass es dem ersten Aktivisten “den Umständen entsprechend halbwegs gutgeht.” Das Verhalten der Polizei sei “weitestgehend sehr professionell gewesen.” Über die ‘Technik’ der Aktion sagt er: “Wir haben einen Tipp bekommen, dass es hier an der Strecke einen Betonblock gibt, an dem sich zwei Aktivisten festgemacht haben. Der Block befand sich im Bahnbett und unsere Aktivisten konnten sich mit den Armen in den Block ketten.”

19:23 Die zweite Aktivistin steht kurz vor der Befreiung. Der so genannte “Schienenstopfzug” der Bahn zur Reparatur der Gleise steht in Position und wird das Teilstück reparieren, bevor der Zug rollt.

19:26 Torsten Heil konnte kurz mit der zweiten Aktivistin, die noch festgekettet ist, gesprochen. Sie sagte ihm, sie sei wohlauf, könne ihren Körper aber nicht mehr richtig spüren. Von der Polizei werde sie gut behandelt. Leider können wir euch keine Fotos von der Stelle zur Verfügung stellen.

Zug wird wohl noch für Stunden stehen

Das Bahngleis wurde vollständig unterhöhlt. (T. Heil)

19:30 Nach Angaben der Polizei wird der Zug noch mehrere Stunden an der Stelle stehen. Torsten Heil sagt, es sei ein “Riesenloch” in der Strecke.

19:33 Ex-webMoritz-Chefredakteur Sebastian Jabbusch twittert dieweil rege aus der Gefangenensammelstelle in Wolgast, die er offenbar – im Gegensatz zu vielen anderen – noch nicht verlassen darf. Seine Tweets kann man hier lesen.

Ab hier tickert Christine Fratzke

19:52 Derweil sind wieder unsere Redakteure aus Lubmin wiedergekommen. Dreieinhalb Stunden dauerte die Fahrt aus dem Seebad. Dort seien etwa 300 Demonstrierende gewesen. Bis auf das EWN-Gelände sind sie aber nicht vorgedrungen. Fotos aus Lubmin sind in der Bildergalerie (Simon Voigt, Tjorven Hinzke) zu sehen:

19:55 In Stilow ist, laut Claudia Sprengel,von den Gegnern keiner mehr vor Ort – was der Castorticker derzeit anders darstellt.

19:56 In Lubmin haben die drei webMoritz-Redakteure einen Polizisten aus Lübeck getroffen, der den Einsatz befürwortet, aber schade findet, dass der Einsatz so viel Geld kostet. Mit diesem hätte man anderes anstellen können, beispielsweise in Bildungsprojekte stecken, meinte der Beamte.

20:02 Torsten Heil sprach in der Zwischenzeit mit Reiner Urban, Polizeihauptmeister in der Bundespolizei. Der 59-jährige Beamte berichtete, dass die Polizei seit dem frühen Nachmittag in Friedrichshagen/Diedrichshagen vor Ort war. Die Betonröhre, die von den Aktivisten genutzt wurde, sei zuvor nicht aufgefallen. Die speziell ausgebildeten Polizisten, die sich im Zug befanden, arbeiteten sich stückchenweise mit Spezialwerkzeug vor. Die verbleibende Aktivistin werde demnächst frei kommen. Ein Video, von Torsten Heil mit Handy aufgenommen, zeigt die Aktion.

20:15 Die Tagesschau berichtete ebenfalls über den Castortransport und spricht von 3.000 Polizeieinsatzkräften. Ex-webMoritz-Chefredakteur Jabbusch ist nun auch wieder frei.

Die Aktivistin wird in den Krankenwagen abtransportiert. (T. Heil)

20:37 Wie Torsten Heil eben berichtete, wurde nun nach dem Robin Wood Aktivisten Peter, 28, auch die 27-jährige Sarah aus dem Beton befreit. Es wird jetzt allerdings noch etwa eine Stunde dauern, bis der Castor-Transport sich wieder in Bewegung setzt.

21:14 Das Loch unter den Schienen wird gerade gestopft, der Castorzug wird sich vermutlich bald in Bewegung setzen. Torsten Heil tritt indes den Rückzug an.

21:16 Nur zwei Minuten später setzt sich der Zug nach der sechsstündigen Zwangspause wieder in Bewegung.

21:53 Nach TAZ hat der Castortransport den Bahnübergang Lubmin passiert. Er dürfte damit in Kürze sein Ziel, das Zentrallager Nord bei Lubmin, erreichen.

22:54 Nach einigen Rangiermanövern haben die Castoren nun die Halle des Zwischenlager Nord erreicht.

Artikel-Fotos: Christopher Denda (Brünzow, Lubmin), Torsten Heil (Aufmacher, Blockade, Video_2), Christine Fratzke (Castor im Bahnhof)

Der Castor rollt, die Gegner sind bereit

Zwei Aktivisten besetzten mit einem Strandkorb die Gleise nach Lubmin.

Von Christine Fratzke und Marco Wagner

Der Castor ist am Abend des 14. Dezember im französischen Cadarache gestartet. An diesem Tag gab es mehrere Aktionen: Ein Strandkorb wurde auf die Gleise nach Lubmin gelegt, eine Lichterkette zog sich bis Eldena und am Abend fand eine Demonstration statt.  Unter dem Motto “Atomkraft raus, Nazis abschaffen” versammelten sich etwa 100 Aktivisten am Greifswalder Bahnhof.

Trotz des massiven Polizeiaufgebots in und um Greifswald ist es einigen Castorgegnern gelungen, sich mit einem Strandkorb auf den Schienen nach Lubmin zu platzieren. Dies geht aus einer Pressemitteilung des Anti-Atombündnisses Nordost hervor. Die Castorgegner wollen mit der Aktion auf den möglichen Imageschaden für die Region Vorpommern aufmerksam machen, der durch den Castortransport in das Zwischenlager Nord entsteht.

Dabei haben die Demonstranten vor allem die beiden großen Tourismusschwerpunkte Mecklenburg-Vorpommerns im Blick: Die Inseln Rügen und Usedom. Es wird allerdings auch auf einen der letzten Fischereihäfen im Nachbarort Freest verwiesen. “Die Folgen eines Zwischenfalls für Mensch und Natur wären katastrophal. Die Kosten (auch für Strommonopolisten und Politiker) unbezahlbar”, heißt es in der Pressemitteilung weiter.

Grund für die Sorgen um einen möglichen Zwischenfall ist die fehlende “heiße Zelle” im Zwischenlager Nord bei Lubmin. Dabei handelt es sich um einen Isolationsraum für undichte Castoren, in dem Brennstäbe ohne radioaktive Emissionen umverpackt werden können. Aufgrund der Tatsache, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus Sicht der Aktivisten immer noch kein Endlager für hochradioaktiv strahlendes Material gefunden wurde, besteht die Sorge, dass Lubmin langfristig ein Endlager für Atommüll wird.

Nazis schottern, Castor raus

Etwa 100 Demonstrierenden versammelten sich auf dem Bahnhofsvorplatz.

300 Polizeibeamte waren dann am Abend am Greifswalder Bahnhof. Ursprünglich waren von Seiten der Organisatoren, der Antifa Greifswald, ebenfalls 300 Demonstranten angemeldet.  Aber 200 weniger waren trotz eisiger Kälte vor Ort: Gekleidet mit Strahlenschutzanzügen und gewappnet mit zahlreichen Flaggen trafen sie sich um acht Uhr vor dem Bahnhof. Ihre Route verlief vom Bahnhof über die Rubenowstraße und Lange Straße, dem Markt bis zum Museumshafen. Auf der ersten Kundgebung am Bahnhof sagten die Veranstalter: “Wir begrüßen es nicht, wenn Nazis auf Atomprotesten demonstrieren.” Darüber hinaus wurde gefordert: “Nazis schottern, Castor raus!”

Der Castor wird voraussichtlich am 15.  Dezember die französisch-deutsche Grenze erreichen. Der weitere Weg werde, laut Ostsee Zeitung, über Rostock und Stralsund führen. Voraussichtlich erreicht der Castor am Donnerstag Vormittag Lubmin. Weitere Aktionen sind geplant: Vom 15. bis 16. Dezember wird es unter anderem eine Sitzblockade geben.

Foto: Anti-Atom Nordost, Christine Fratzke (Demonstration, Aufmacher Europakreuzung)

Jugend im Landtag 2010 – So funktioniert unsere Demokratie

Ein Gastbeitrag von Christopher Denda

Schweriner Plenarsaal: Jugend im Landtag.

Wie funktioniert unsere Demokratie? – Diese und viele weitere Fragen haben sich die etwa 80 Teilnehmer des Beteiligungsprojektes “Jugend im Landtag 2010”, welches in Kooperation des Landesjugendringes Mecklenburg-Vorpommern und des Landtages Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt wurde, gestellt. Zum insgesamt elften Mal fand „Jugend im Landtag“ mittlerweile statt. In den fünf Tagen kam man mit Fachpolitikern ins Gespräch und formulierte Forderungen an die demokratischen Fraktionen des Landtages.

Mit 20 Jahren gehörte ich schon zu den ältesten Teilnehmern bei „JiL10“. Die meisten waren zwischen 16 und 18 Jahre alt und gingen noch zur Schule. Ein Großteil kam erwartungsgemäß aus dem Raum Schwerin, Rostock und Wismar, da es für Vorpommern ziemlich umständlich ist nach Schwerin zu kommen, immerhin liegt eine etwa zweistündige Autofahrt dazwischen.

Jugend im Landtag: Politik zum Anfassen

Am Sonntag stand das gegenseitige Kennenlernen dann im Vordergrund. In verschiedenen Spielen sollte man möglichst viele der anderen Teilnehmer kennenlernen. Montags ging es dann das erste Mal zum Landtag. Um sich dann in den kommenden Tagen nicht ständig in dem Schloss zu verlaufen, starteten wir nach der offiziellen Eröffnung durch die Landtagspräsidentin Sylvia Brettschneider (SPD) und Katharina Bluhm für den Vorstand des Landesjugendringes in eine Landtagsrallye, die neben den Fraktionsräumen der demokratischen Parteien auch beispielsweise das Büro der Landtagspräsidentin, den Plenarsaal und die Aussichtkuppel des Schlosses enthielt. Nachmittags stand dann ein Planspiel „Landtag“ auf dem Programm. Dabei ging es darum, anhand eines von der FDP-Fraktion im Landtag gestellten Antrages den Weg eines Gesetzes nachzuvollziehen. Dazu wurden die vier an die real existierenden Parteien angelehnten Wählergruppen gebildet; LiPa (Liberale Partei), PUC (Partei Unabhängiger Christen), SoPi (Sozialdemokratische Parteiinitiative) und PaMoS (Partei des modernen Sozialismus). Außerdem gab es mit den Fischern und den Anglern jeweils eine Umweltorganisation sowie die „Bürgerinitiative der Anwohner“.

Im Fokus der Debatte.

Dann wurde in den Fraktionen diskutiert, um zuerst eine eigene Position und einen Lösungsansatz zu dem Thema zu finden. Im Anschluss fand dann die öffentliche Anhörung im simulierten Ausschuss statt, woraufhin die verschiedenen Gruppen Kompromisse zu finden versuchten, um sich so parlamentarische Mehrheiten zu sichern. Nach gut zwei Stunden war es dann so weit. Die Debatte im Plenarsaal des Landtages begann. Aus jeder der vier „Fraktionen“ durfte jemand zum Antrag reden und so die Meinung der Fraktion deutlich machen. Für PaMoS durfte ich diese Aufgabe übernehmen, wobei es spannend war, da ich aufgrund der knappen Zeit keine Rede im Vorfeld mehr vorbereiten konnte, sondern lediglich während der Debatte mir einige Punkte aufgeschrieben hatte. Für die Rede bekam ich viel Lob aus den Reihen der Sozialdemokraten und Sozialisten.

November: „Schicksalstag der Deutschen“

Die Debatte war auf jeden Fall ziemlich gut und die von meiner Fraktion eingebrachten Änderungsanträge wurden größtenteils übernommen. So das dem Entwurf letztlich zu gestimmt werden konnte. Der Dienstag begann mit einem spielerischen Einstieg, bei dem ein Ball durch die Reihen geworfen wurde und jeder der ihn gefangen hatte, musste einen Fakt wiedergeben, der ihm zum 9. November, der auch als „Schicksalstag der Deutschen“ bekannt ist, einfällt. Nach dieser Einführung und der Vorstellung des Projektes „Zeitensprünge“ des Landesjugendringes stand die Arbeit in den verschiedenen Gruppen auf dem Plan. Ich selbst hatte mich für den Workshop „Freizeit“ entschieden. Dort beschäftigten wir uns zuerst mit dem Thema „Was ist Freizeit überhaupt?“ und versuchten eine Definition zu finden. Im Anschluss hatten wir dann verschiedenste Fachreferentinnen eingeladen; so stellt Katja Stephan von der camino-werkstatt aus Berlin ein Projekt vor, bei dem das Freizeitverhalten von Jugendlichen in den Landkreisen Parchim und Müritz untersucht wurde um im Anschluss konkrete Punkte benennen zu können um die Situation vor Ort zu verbessern. Wobei es zahlreiche spannende Nachfragen vor allem zu den konkreten Projekten, wie Jugendforen und Beteiligungswerkstätten die initiiert wurden, gab.

Sozialministerin MV: Manuela Schwesig (SPD).

Im Spiegel der Politik

Nach der Mittagspause kam dann die Sozialministerin und stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende, Manuela Schwesig, um sich den Fragen und Vorschlägen der Teilnehmer zu stellen. Wir bemerkten schnell, dass die eingeplante halbe Stunde im Prinzip viel zu wenig war. Schwesig äußerte sich unter anderem zu Hartz-IV, der finanziellen Förderung von Jugendarbeit und zur Struktur der Jugendclubs und wollte von den Teilnehmern selbst auch Verbesserungsvorschläge hören. Als letzte Referentin an diesem Tag war Susanne Kortas vom Institut für Bildungswissenschaften der Universität Greifswald da. Sie stellte die Shell-Jugendstudie vor. Leider war auch hier die Zeit viel zu knapp, so dass sie ihren Vortrag stark kürzen musste. Und wiederum gab es zahlreiche Nachfragen aus dem Plenum.

Zwischen 17 und 18 Uhr war dann noch eine Gesprächsrunde mit Fachpolitikern angesetzt. Daran teil nahmen Martina Tegtmeier, Sprecherin der SPD Landtagsfraktion für Kinder- und Jugendpolitik, Frank Grabow, Sprecher für Soziales der FDP Landtagsfraktion, Beate Schlupp, Mitglied im Vorstand der CDU Fraktion und zuständig für den Bereich Frauen und Gleichstellung, sowie die Landessozialministerin a.D., Marianne Linke, welche bei der Fraktion der Linken für Kinder- und Jugendpolitik zuständig ist. Nach dem Abendessen im Rathaus gab es anschließend noch verschiedene Stadtführungen, wobei ich mich für die konsumkritische Stadtführung entschied. Diese wollte uns unter Anleitung zweier Mitarbeiterinnen der BUNDjugend M-V dazu anregen zukünftig kritisch zu hinterfragen, woher alltägliche Produkte wie Kaffee oder Schuhe und T-Shirts kommen und wie die Arbeitsbedingungen vor Ort sind.

Die Fraktionen stellten sich den Nachwuchspolitikern.

Forderung der Jugendlichen an die Landespolitiker

Der Mittwoch stand dann im Zeichen der Ausarbeitung unser Forderungen sowie einem Treffen mit Politikern der verschiedenen Fachausschüsse. Ich selbst entschied mich dem Verkehrsausschuss einen Besuch abzustatten, da aus meiner Sicht beim Thema Freizeit die Mobilitätsproblematik zentral ist. Da unsere Treffen mit den Ausschüssen jedoch vor den eigentlichen Ausschusssitzungen lagen waren nicht alle Politiker der verschiedenen Fraktionen anwesend. Für die SPD war Norbert Baunach anwesend, für die CDU der Ausschussvorsitzende Egbert Liskow, für die FDP der Fraktionsvorsitzende Michael Roolf und für die Linke Birgit Schwebs. Die NPD verzichtete auf ihr Recht ebenfalls an dem Gespräch teilzunehmen. Am Nachmittag ging es nun darum die Forderungen an die demokratischen Fraktionen im Landtag auszuarbeiten. Wir im Workshop Freizeit haben zusätzlich zu den Forderungen noch verschiedene Projekte erarbeitet mit welchen man die Forderungen zumindest teilweise umsetzten kann.

Das war dann auch der entscheidende Punkt für den Donnerstag. Die verschiedenen Ergebnisse wurden von den Workshopgruppen vorgestellt. Im Anschluss überreichten die Teilnehmer die Forderungen in Form von Blumensträußen an die Landtagspräsidentin sowie an die Vertreter der verschiedenen demokratischen Fraktionen. Im Fazit waren es sehr spannende Tage und die von mir formulierte Ausgangsfrage “Wie funktioniert unsere Demokratie?” ist allen Teilnehmenden ein Stück weit klarer geworden.

Fotos: Marco Herzog via jugendfotos.de (Landtagssaal), Manos Radisoglou via jugendfoto.de (Fernsehkamera), Pressefoto Schwesig, Erik Jalowy via jugendfotos.de (Schloss)

3000 protestieren gegen Castor-Transport

Beitrag von Marco Wagner, Simon Voigt, Thomas Grothe und Torsten Heil

Die Greifswalder Innenstadt war an diesem Samstagmorgen von der Polizei umzingelt. Vor dem Bahnhof stellte die Polizei mehr als ein Dutzend Einsatzwagen ab. Greifswald glich einer Festung. 700 Landespolizisten und 200 Bundespolizisten waren nach Angaben Axel Falkenbergs von der Polizeidirektion Anklam im Einsatz. Protest lag in der Luft. Vom Wall aus war um 13 Uhr, zu Beginn der Demonstration, ein großes rotes und grünes Fahnenmeer auszumachen. SPD, Grüne, Die Linke., DKP und MLPD, dazu noch Flaggen der jeweiligen politischen Jugendverbände. Es schien zunächst, als würde die Internationale auf dem Greifswalder Busbahnhof abgehalten werden. Doch je mehr Züge und Busse ankamen, desto mehr traten die gelb-roten “Atomkraft? Nein Danke!”- Fähnchen und Banner in den Vordergrund.

“Castor schottern!”

Die Polizei musste ihre Zahlen im Laufe des Tages immer weiter nach oben korrigieren. Während sie am Vormittag noch davon sprach, dass es kaum mehr als 1.000 Teilnehmer werden würden, waren es nach eigenen Angaben zuletzt 2.800, die Veranstalter zählten nach eigenen Twitterangaben 3.600. Als sich der Demonstrationszug auf den Weg machte, schien er kein Ende nehmen zu wollen. Er schlängelte sich nahezu unendlich durch die Bahnhofstraße, Stephanistraße, den Hansering und schließlich über die Johann-Sebastian-Bach und Löfflerstraße zurück zum Bahnhof. Die Demonstration verlief ruhig, es wurde vor allem mit Trillerpfeifen, Bannern und Trommeln auf sich aufmerksam gemacht. Hin und wieder bildeten sich kleine Sprechchöre, die “Abschalten jetzt!” oder “Castor schottern! Castor schottern!” riefen.

Ein an der Spitze fahrender und mit einem Transparent ausgeschmückter Trabant machte auf die Gefahr radioaktiver Strahlung aufmerksam: “Frank (37) starb an den Strahlen von Lubmin. In Trauer Frau und Kinder.” Das Ende des mehrere Hundert Meter langen Zuges markierte ein auf einem LKW aufgebockter Castorbehälter. Die Stimmung war ausgelassen und entspannt. Peter Madjarov, welcher vom Arbeitskreis Kritischer Juristinnen (AKJ) als Beobachter an der Demonstration teilnahm, ist ebenfalls nichts besonderes aufgefallen und mit der Arbeit der Polizisten zufrieden. Er beobachtete zusammen mit anderen Mitgliedern des AKJ, wie mögliche Konflikte zwischen Polizei und Demonstranten gelöst werden.

“Erbe einer größenwahnsinnigen Machtpolitik”

Im Laufe der sich anschließenden Abschlusskundgebung bildeten sich derweil mehrere Schlangen um die Ausgabestelle der “Volxküche”, die Kartoffel- und Erbsensuppe kochte. Kinder trommelten gut gelaunt auf die gelben Castortonnen, ein Punker diskutierte hingebungsvoll mit einer Rentnerin über die gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse. Derweil wurden dort, wo sonst die Linie vier nach Schönwalde abfährt, kostenlos Ausgaben der linken Tageszeitung “Neues Deutschland” verschenkt. An einem weiteren Stand konnten diverse Demonstrationsutensilien käuflich erworben werden. Auf der Bühne meldeten sich während der Abschlusskundgebung mehrere Redner zu Wort. Zwischendurch wurde Musik, unter anderem vom Greifswalder Liedermacher Jan Degenhardt, gespielt. “Die Schwarz-Gelbe Regierung ist verstrahlt! Es wird nur noch an den Interessen der Bevölkerung vorbei regiert”, rief Ingo Schlüter von DGB-Nord während seiner Rede dem Publikum entgegen. Zur Atompolitik betonte er, dass sie “Erbe einer größenwahnsinnigen Machtpolitik” sei.

“2010 ist ein Katastrophenjahr! Vier Konzerne haben mit Hilfe der Regierung über die Bürger gesiegt”, kritisierte Oskar Gulla (SPD) von der Bürgerinitiative gegen das Steinkohlekraftwerk in Lubmin. “Der Kampf gegen das Steinkohlekraftwerk war umsonst, wenn der Kampf gegen das Zwischenlager verloren wird, weil es keine Garantie dafür gibt, dass aus dem Zwischenlager kein Endlager wird”, so Gulla weiter. “Das ist eure Zukunft! Es ist euer Kampf”, wendete sich der Sozialdemokrat abschließend an die zahlreich anwesenden Kinder und Jugendlichen.

“Widerstand bleibt Handarbeit”, legte Kerstin Rudeck von der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg dar. Woraufhin aus dem Publikum spontan “Schottern! Schottern! Schottern!” gerufen wurde. Professor Michael Succow, Träger des Alternativen Nobelpreises, betonte derweil: “Es reicht heute nicht mehr aus, zu Hause die Glühbirne auzuwechseln. In dieser Atomdebatte muss die ganze Führungsmannschaft ausgetauscht werden.”

Hoffnung auf irreversible Abschaltung von Atomkraftwerken

Die Veranstalterin Ulrike Berger (Bündnis 90/ Die Grünen) zeigte sich mit der Demonstration zufrieden: “Es war ein friedlicher Protest: Bunt, laut, lebendig, erfolgreich.” Angesichts des schlechten Wetters war sie auch mit der Anreise von weit über 1.000 Teilnehmern sehr erfreut und mit der Arbeit der Polizei zufrieden. “Ich bin erfreut über die Leute, die den Weg hierher gefunden haben und das mit großen Ernst verfolgen”, teilte Ministerpräsident Erwin Sellering, der ebenfalls an der Demonstration teilnahm, dem webMoritz mit. Darüber hinaus drückte er sein Bedauern darüber aus, dass die Landesregierung keine juristische Möglichkeit habe, die Castortransporte zu unterbinden.

Professor Konrad Ott, Lehrstuhlinhaber für Umweltehtik in Greifswald, kommentierte auf der Bühne die Politik der Bundesregierung: “Die Laufzeitverlängerung war ein Geschenk für Stromkonzerne wie RWE. Ich halte die Entscheidung der Regierung für einen schweren Fehler.” Eine neue Anti-Atom-Politik solle nicht mehr mit Konzernen verhandeln, sondern sie mit Anti-Atom-Politik konfrontieren. In der Vergangenheit habe es dies bereits unter dem ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) und Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen), dem ehemaligen Bundesumweltminister, gegeben. Allerdings habe sich die gegenwärtige Regierung von diesem wieder abgewendet.

“Wie kommt nun die Anti-Atom-Bewegung wieder zur Anti-Atom-Politik?”, fragte der Philosoph seine Zuhörer und schlussfolgerte, dass andere Mehrheitsverhältnisse im Bundestag die Grundvoraussetzung sein müssten. Diese müsse wieder zur “Trittin-Linie” zurückkehren, könne aber “noch einen Zacken schärfer” sein. “Sofort abschalten! Das sagen sie so leicht”, griff der Philosoph eine Kernforderung der Anti-Atom-Bewegung auf und wies dabei auf ein Dilemma hin, mit dem zukünftige Grünen-Politiker zu kämpfen hätten: Mit dem Müll, der in der Zwischenzeit produziert wurde. “Es ist unser Atommüll und wir tragen die Verantwortung für diesen. Deswegen können wir ihn nicht nach Sibirien oder Australien schicken, wie es einige Politiker der FDP fordern”, ergänzte Ott. Und so ist aus seiner Sicht die Suche nach einem Endlager unausweichlich. Ungeachtet dessen hofft er, dass in naher Zukunft noch eine irreversible Abschaltung von Atomkraftwerken erfolgt.

Fotos: Torsten Heil und Marco Wagner.

Impressionen: Ein Tag gegen Atomkraft in Greifswald

Beitrag von Thomas Grothe, Torsten Heil, Simon Voigt und Marco Wagner

Zu Tausenden zogen heute Demonstranten um die Greifswalder Innenstadt. Tausende, die sich einen gesunden Planeten wünschen. Tausende, die sich nicht mit einer Atomkraftpolitik abfinden wollen, die nicht die ihre ist? Oder gibt es so viele verschiedene Gründe, wie Protestierende? Als alle Augen auf die Bühne gerichtet waren und alle Ohren den verschiedenen Rednern lauschten nutzte der webMoritz die Gelegenheit und fragte nach:

Protest-Familie Reul aus Greifswald.

Wir sprachen mit der Familie Reul aus dem Stadtteil Wieck in Greifswald. Thorsten und Kristina Reul kamen mit ihrem kleinen Sohn Peter: “Es geht doch auch um die Zukunft unseres Kindes.” Die junge Familie war von der Beteiligung an der Veranstaltung enttäuscht. Sie hätten sich gewünscht, dass mehr Leute für die Zukunft Peters und aller Anderen demonstrieren. Sogar an der deutlich kleineren Fahrraddemo von Greifswald nach Lubmin haben sie schon teilgenommen. Denn sie finden, dass “das Problem der Endlagerung” ein zu hoher Preis für Strom ist.

Ein anderer erfahrener Demo-Besucher ist Burghart Kleiner. Er besucht Veranstaltungen wie diese seit seinem achtzehnten Lebensjahr und dies war mit Sicherheit auch nicht die Letzte, so der mittlerweile 53-jährige. Trotz des großen Demo-Erfahrungsschatzes war der Wendländer über die Anzahl der Teilnehmer positiv überrascht. Beeindruckend: Kleiner hat ohne Internet, Fernseher und Telefon von der heutigen Anti-Castor-Demo erfahren.

Demo-Veteran Burghart Kleiner aus dem Wendland.

Dagegen ist Franziska Solbrig grade durch eine E-Mail auf den Massenumzug gestoßen. Als Mitarbeiterin der Universität Greifswald freute sie sich über die bunte Zusammensetzung der friedlichen Protestler, denn jede Altersklasse war vertreten. “Mein Problem mit der Atomkraft ist die Risikofrage”, sagte die 26-jährige. Was kann nicht alles passieren, fragte sich Solbrig weiter. Das Spektrum der möglichen Unfälle reiche von einem entgleisten Atommülltransport bis zum Unglück von Tschernobyl, die Uni-Mitarbeiterin.  Jeder hat seine eigene Motivation. Dennoch kämpfen alle Demonstranten für das gleiche Ziel: den Atomkraftausstieg für Deutschland.

Die Teilnehmer machten ihrem Ärger Luft. Mit Trommeln und Pfeifen protestierten die Aktivisten akustisch während des Umzugs. Der Protest verlief gewaltfrei und die Polizei blieb stiller Beobachter. Andere demonstrierten mit Witz: Sie verkleideten sich als Clowns oder offenbarten ihre Meinung mit lustigen selbstgemalten Schildern. Daraus bildete sich vor der Bühne ein buntes Plakat- und

Uni-Mitarbeiterin Franziska Solbrig am Rande der Demo.

Fahnenmeer. Auch das Interesse der Anwesenden an den Reden war durch ihr respektvolles Schweigen hörbar. Nur für zustimmenden Applaus wurde die Konzentration gelegentlich unterbrochen und die Hände gewärmt. Mit Kaffee, Bratwurst, Döner und vor allem warmer veganer Suppe wurde die Kälte bekämpft.

Das tat vor allem den vielen Kindern gut, welche von ihren Eltern mit zur Demonstration genommen wurden. Auffallend viele Kinderwagen fügten sich in den Demonstrationszug mit ein, sodass dieser streckenweise einem gemütlichen Wochenendspaziergang glich. Auf bunten Schildern machte auch der Nachwuchs darauf aufmerksam, dass die Lagerung von Atommüll vor allem ein Problem für die zukünftigen Generationen ist.

Fotos: Simon Voigt, Marco Wagner und Torsten Heil

Anti-Castor-Demo mit Ministerpräsident Erwin Sellering *Update Podcast*

von Torsten Heil

Wer heute vor 13 Uhr in die Innenstadt gefahren oder gegangen ist, dem schien die Morgenruhe trügerisch zu sein. So, wie die Ruhe vor dem Sturm. An allen Ecken und Enden der Straßen positionierten sich dutzendweise Einsatzwagen der Bundespolizei sowie der Landespolizei. Mehrere Hundert Polizisten aus dem gesamten Bundesgebiet sind im Einsatz. Auch schweres Gerät ist aufgefallen: In der Schönwalder Landstraße wurde ein Wasserwerfer gesichtet. Am Bahnhof ist, abgesehen von dem massiven Polizeiaufgebot, nur wenige auf den Straßen.

Greifswald wird zur Festung. (Foto: T. Heil)

Die Polizeidirektion Anklam und die Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt haben sich offensichtlich umfassend auf den geplanten Einsatz vorbereitet. Mehrere hundert Polizisten sollen die Anti-Atom-Demonstration absichern. Nach Informationen des webMoritz stammen die Einsatzkräfte vorwiegend aus Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, der Hansestadt Hamburg und der Bundespolizei. „Wir halten starke Reserven aus dem gesamten Bundesgebiet bereit“, teilte der Einsatzleiter Polizeioberrat Gunnar Mächler mit. Insgesamt werden 4000 Demonstranten aus dem gesamten Bundesgebiet erwartet. Der Demonstrationszug beginnt um 13:30 Uhr am Busbahnhof und zieht einmal um die Innenstadt. Der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering (SPD), hat seine Teilnahme ebenfalls angekündigt.

Auf dem Hof der Polizei hat sich der Katastrophenschutz vorbereitet. (Foto: T. Heil)

Live-Ticker von der Demo:

von Marco Wagner, Torsten Heil, Gabriel Kords, Thomas Grothe und Simon Voigt

Informationen von der Demo im Ticker-Stil erhaltet ihr in Echtzeit auf dem webMoritz-Twitter-Feed. Die wichtigsten Infos gibt’s außerdem hier:

13:20 Zurzeit läuft ein Aufwärm-Konzert von Thomas Putensen. Danach wird es einige Ansprachen geben und dann geht’s los. Die Stimmung ist entspannt und gelöst. Die Polizeipräsenz ist allerdings nicht unerheblich.

13:30 Uhr: Die Kundgebung hat begonnen. Verschiedene Aktivisten halten kurze Wetzlar, Braunschweig, Wien, Hamburg, Rostock und vor allem aus der Greifswalder Umgebung. Es werden einige polizeiliche Auflagen (keine Glasflaschen, kein Laufschritt) kundgetan.

13:35 Uhr: Die Sprecher haben auch einige programmatische Forderungen : Abschaffung aller weltweiten AKWs, Subventionierung der erneuerbaren Energie durch Einnahmen der Kernkraft und keine Transporte ins verstrahlte russische Kernenergie-Zentrum Majak. Gesprochen haben unter anderem Ulrike Berger (Grüne) und Nadja Tegtmeyer.

Auftaktkundgebung am Bahnhof. (Foto: M. Wagner)

13:45 Uhr: Der Bischof der Pommerschen Evangelischen Kirche (PEK), Hans-Jürgen Abromeit, spricht über Verantwortung. Auch fossile Brennstoffe seien keine alleinige Alternative. Und: “Der Mensch ist nicht allein auf der Erde.” Jede Nation müsse globale Verantwortung übernehmen. Atomkraft sei “ein Verbrechen an den Kindern”.

13:48 Uhr: Die Veranstalter haben übrigens vorhin mit deutlichen Worten darauf hingewiesen, dass Neonazis bei der Demo unerwünscht seien. Die Teilnehmer haben das lautstark unterstrichen.

13:50 Uhr: Die offiziellen korrigieren die Zahlen deutlich nach oben: Die Polizei geht jetzt doch von 1500 Teilnehmern aus (vor einer halben Stunde hieß es noch, wesentlich mehr als 1000 würden es wohl nicht), die Veranstalter wollen bereits über 2000 gezählt haben. Von den von ihnen erhofften 4000 Teilnehmern ist das aber noch weit entfernt.

13:55 Uhr: Ministerpräsident Sellering (SPD) sagte dem webMoritz: “Bei diesem schlechten Wetter kann man nicht mit mehr Leuten rechnen, aber ich bin erfreut über die Leute, die den Weg hierhergefunden haben und das mit großem Ernst verfolgen. Wir können auf Demonstrationstouristen aus anderen Ländern verzichten.”  Er vertrete die Position des Landes, die unter den Parteien im Landtag Konsens sei: Atommüll, der nicht aus Lubmin oder Rheinsberg komme, habe in Lubmin nichts zu suchen. Weiterhin: “Es ist schade,  dass die Landesregierung keine rechtliche Handhabe gegen die Transporte hat.” Eine Ansprache wird der Landesvater nicht halten.

Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) auf der Demonstration in Greifswald.

14:05 Uhr: Unter den zahlreichen SPD-Mitgliedern, die an dem Protestzug teilnehmen, ist auch der Vize-Bürgerschaftspräsident, Jura-Professor und Landesverfassungsrichter Prof. Wolfgang Joecks. Er hält ein Pappschild mit den Worten “Hände weg vom Atomausstieg!” und sagte dem webMoritz, dass er betrübt sei über das schlechte Wetter. Da alle dieselbe Meinung hätten, solle die Auftaktkundgebung kürzer ausfallen und stattdessen nun der Demonstrationszug beginnen.

14:10 Uhr: Der Demo-Zug hat sich inzwischen in Bewegung gesetzt. Die Demonstranten ziehen nun über die Bahnhofstraße.

14:20 Uhr: Der Regen hat aufgehört. Die bunt gemischte Gruppe zieht über die Bahnhofstraße. Am Ende des Zuges ziehen zwei Traktoren mit. Man sieht viele originelle Protest-Plakate und -Motive.

14:32 Uhr: Der Tross von Protestlern befindet sich momentan in der Geothe- /Ecke Stephaniestraße. Aufgrund der engen Straßen kam der Demonstrationszug zwischen durch zum stehen, ist aber jetzt wieder in Bewegung.

Die Demonstraten haben sich zahlreiche Ideen für ihren Protest ausgedacht.

Die Demonstraten haben sich zahlreiche Ideen für ihren Protest ausgedacht.

14:41 Uhr: Die Spitze der Demo ist inzwischen auf dem Hansering, in Höhe der Bereichsbibliothek am Schießwall. Demo-Beobachter Peter Madjarov vom Arbeitskreis Kritischer Juristen, der die Demo beobachtet, sagt, dass es keine besonderen Vorkommnisse seitens der Polizisten gibt, was der AKJ überprüfen wollte. Ein Mitglied der Organisatoren will deutlich über 3000 Teilnehmer gezählt haben – die Polizei geht weiterhin von deutlich unter 2000 aus.

14:50 Uhr: Ein Hubschrauber im Tiefflug beobachtet den Protestzug, dessen Ende jetzt die Europakreuzung passiert. Die Organisatoren behaupten inzwischen, es nähmen 3600 Teilnehmer teil.

15:05 Uhr: Das Ende des Protestzugs befindet sich noch auf dem Hansering, während dessen Spitze schon in die Bachstraße einbiegt. Der Tross kommt stellenweise etwas ins Stocken.

Plakat: Caspar statt Castor.

15:12 Uhr: Der Protestzug erreicht in Greifswalds engen Straßen eine beträchtliche Länge: Derzeit zieht die Spitze an der webMoritz-Redaktion in der Wollweberstraße vorbei, das Ende ist indes noch in der Bachstraße. Die Demonstranten produzieren mit ihren Trillerpfeifen und Sirenen erheblichen Lärm, der von den “Häuserschluchten” in der Innenstadt nochmals verstärkt wird.

15:17 Uhr: Die Teilnehmer rufen “Abschalten, abschalten!”. Der Protestzug nähert sich mit seiner Spitze schon wieder dem Bahnhof.

15:25 Uhr: Das Ende des Protestzuges ist jetzt an der Wollweberstraße vorbei. Der Anfang hat bereits den Bahnhof erreicht.

15:39 Uhr: Alle Demo-Teilnehmer sind nun am Bahnhof angekommen. Nun beginnt dort in wenigen Minuten die Abschlusskundgebung. Derweil werden Spekulationen laut, dass die Anzahl von Teilnehmern aus der Region eher gering sein. Das ist aber ein unbestätigtes Gerücht.

15:44 Uhr: Wir zählen derzeit etwa drei Viertel der Teilnehmer, die zu Beginn der Demo auf dem Bahnhofsvorplatz waren. Ein Teil der Teilnehmer ist wohl  in die Innenstadt diffundiert oder schon abgereist. Kilian Dorner vom Allgemeinen Studierendenausschuss spricht von der größten Anti-Atom-Demo in Greifswald seit 18 Jahren.

15:46 Uhr: Ingo-Schlüter, stv. Vorsitzender des DGB Nord spricht programmatisch gegen Atomkraft. Die schwarz-gelbe Regierung sei “verstrahlt” und betreibe Klientelpolitik.

15:51 Uhr: Die Polizei geht inzwischen von circa 2500 Teilnehmern aus. Die Veranstalter bleiben bei einer Gesamtzahl von 3600.

Der Träger des Alternativen Nobelpreises Michael Succow.

15:53 Uhr: Die Veranstaltung werde noch ungefähr bis 16:30 Uhr gehen, sagt Mit-Organisator Michael Steiger.

16:05 Uhr: Oskar Gulla von der Klima-Initiative spricht. Anschließend sind noch drei weitere Redebeiträge geplant. Die Stimmung ist gut, die Teilnehmerzahl schrumpft allerdings.

16:13 Uhr: Einige Demonstranten werden derweil militanter und rufen: “Castor schottern, Castor schottern”.

16:16 Uhr: Die Foto-Galerie wurde aktualisiert. Der webMoritz-Ticker reduziert nun seine Frequenz ein wenig.

16:23 Uhr: Auf der Abschlusskundgebung spricht jetzt Kerstin Rudek, die Vorsitzende der Bürgerinitiative Lüchow- Dannenberg. Sie verwies in ihrer Rede auf den erfolgreichen Protest der Anti-Atombewegung und betont: “Kämpfen lohnt sich. Lasst nicht zu, dass Stromkonzerne ihren Dreck bei euch abladen. Lasst nicht zu, dass eure Kinder an Leukämie erkranken und euch dann erzählt wird, es gäbe keinen Zusammenhang.”

17:00 In der Zwischenzeit sprachen Professor Konrad Ott und Michael Succow. Letzterer betont, dass es heute nicht mehr ausreiche, “die Glühbirne auszuwechseln. In der Atomdebatte muss die Führungsmannschaft ausgetauscht werden.” Und weiter: “Als ich die Polizisten sah, wünschte ich mir, sie hätten heute zu Hause bei ihren Familien sitzen können. Denn in einer gut funktionierenden Demokratie müssten wir jetzt nicht hier demonstrieren.”

Der Umweltethiker und Uni-Professor Konrad Ott.

Konrad Ott verweist in seiner Rede auf den Weg von der Ani-Atombewegung zur Anti-Atompolitik, die vor 20 Jahren eingeleitet wurde. Allerdings habe sich die Regierung mittlerweile wieder von der Anti-Atompolitik entfernt. Um wieder zu einer solchen Politik zurück kehren zu können, müssten sich die Mehrheitsverhältnisse im Parlament ändern. Ott weiter: “Die Laufzeitverlängerung war ein Geschenk, eine ganz lange Brücke für Stromkonzerne wie RWE. Ich halte die Entscheidung der Regierung für einen schweren Fehler.”

17:07 Die Demonstration ist nun zu Ende. Die letzten Redebeiträge kamen von Ulrike Mehl, stellvertretende Vorsitzende des BUND sowie von Verina Speckin vom republikanischen Anwältinnen und Anwälteverband.

Update 20.00 Uhr: Die webMoritz-Redakteurin Christine Fratzke hat sich das Mikrofon geschnappt und die Demonstranten vor Ort befragt. Was dabei herausgekommen ist, ist im folgenden Podcast zu hören:

[podcast]http://webmoritz.de/wp-content/uploads/2010/12/anti-castor-demo-11-12-2010-christine-fratzke.mp3[/podcast]

Fotos: Torsten Heil, Simon Voigt, Marco Wagner und Thomas Grothe