von Lilli Lipka | 11.02.2022
Eine nachhaltige Lebensweise und privates Engagement für das Klima reichen nicht mehr, haben die Begründer*innen der Initiative Greifswald Zero gemerkt. Daher haben es sich die Greifswalder*innen zur Aufgabe gemacht, einen Klimaentscheid in unserer Stadt durchzusetzen. Seit dem 14. Januar haben Bürger*innen die Möglichkeit, ihre Unterschrift für das Klimabegehren „Stadt Greifswald klimaneutral bis 2030!“ zu setzen.
Wenn ein nachhaltiger Lifestyle nicht mehr reicht
Etwas in der Stadt verändern und nicht tatenlos zusehen. Aktiver Einsatz für die klimapolitische Verantwortung Greifswalds. Und vor allem eines: eine lebenswerte, bessere Zukunft für sich und die eigenen Kinder. Das wünschen sich Fanny, Anne, Uwe, Maren und Tiemo, die sich neben Studium, Beruf und Alltag für die Initiative Greifswald Zero engagieren.
Besonders motiviert mich, dass ich drei Töchter habe, und für diese wünsche ich mir ein Leben, das nicht durch Klimakatastrophen bestimmt wird. Und ich möchte ihnen später in die Augen schauen können, wenn sie mich fragen: „Was hast du eigentlich getan?“
Uwe, Greifswald Zero
Alleine für das Klima aktiv zu werden reicht allerdings nicht, machen Fanny und Maren deutlich, und das frustriert sie. Fanny hat oft das Gefühl, dass die Verantwortung an Einzelpersonen weitergereicht werde, ohne auf Bundes- oder Länderebene Entscheidungen zu treffen. Doch nicht zu fliegen oder vegan zu essen brächte vergleichsweise wenig, betont Maren, wenn große Sektoren wie Industrie und Energiewirtschaft beinahe 60 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland ausmachen.
Daher stehe ich als Individualperson dem Klimawandel erstmal fast machtlos gegenüber. Mit dem Klimaentscheid kann ich aber auf eben diese Faktoren, auf die ich als Einzelperson keinen Einfluss habe, einwirken und hoffe, da mit vielen Menschen gemeinsam etwas verändern zu können.
Maren, Greifswald Zero
Gamechanger für den Klimaschutz in Mecklenburg-Vorpommern
„Gemeinsam etwas verändern“ trifft das Anliegen des Klimaentscheids auf den Kopf. Greifswald Zero macht deutlich, dass das 1,5-Grad-Ziel eingehalten werden muss, um eine lebenswerte Zukunft für kommende Generationen zu gewährleisten. Mit dem Entschluss der Uni, bis 2030 klimaneutral zu werden, seien in Greifswald schon die ersten Schritte gemacht worden. „Wenn wir erreichen, dass sich nach der Universität auch die Stadt Greifswald zur Klimaneutralität bis 2030 bekennt, dann kann das ein ‚Gamechanger‘ für den Klimaschutz in M-V werden!“, erklärt Tiemo. Doch der Weg, der Greifswald bis zur Klimaneutralität bevorsteht, ist noch lang. Bisher hätte Greifswald einen Handlungsplan für die Klimaneutralität bis 2050, doch die 1,5-Grad-Marke wird voraussichtlich bereits mit den 2030er Jahren geknackt.
Das bedeutet, dass das Ziel des Pariser Abkommens verfehlt wird, denn bis 2050 werden wir mit durchschnittlichen Emissionen 2,0 Grad Erderwärmung erreicht haben. Um die Stadt zum Handeln zu bewegen, ist der Klimaentscheid notwendig. Wir sehen als Bürger*innen der Stadt momentan keinen anderen Weg, um dies zu erreichen.
Greifswald Zero
Mit ihrem Bürger*innenbegehren setzt sich die Initiative für ein Planungsbüro ein, das einen Klimaaktionsplan erstellen soll. Dieser Klimaplan soll deutlich machen, wie und ob das Ziel der Klimaneutralität bis 2030 möglich ist und welche Maßnahmen wann ergriffen werden müssen. So könnte der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs betroffen sein oder die Sektoren Bauen und Sanieren, Landwirtschaft und Energie. Doch nicht nur konkrete Maßnahmen könnte der Klimaentscheid von Greifswald Zero erreichen. Man erhofft sich neben einem Beschluss der Stadt, „dass Klimaneutralität zum Stadtgespräch wird“ und „Druck ’nach oben‘ auf die Landes- und Bundespolitik“ ausgeübt werden kann.
Unterstützung mit einer Unterschrift
„Bürgerbegehren und daran anschließende Bürgerentscheide sind bewährte Bausteine der direkten Demokratie“, erklärt uns Greifswald Zero. Der erste Schritt, das Bürger*innenbegehren, ist mit der Unterschriftensammlung im vollen Gange – nun müssen mindestens 4.000 Einwohner*innen ab dem 16. Lebensjahr ihre Unterschrift für das Begehren setzen. Ist die nötige Anzahl an Unterschriften erreicht, kann die Stadt die Forderung des Bürger*innenbegehrens selbst umsetzen. Ginge die Stadt nicht auf dieses Bürger*innenbegehren ein, würde daraus automatisch ein Bürger*innenentscheid werden, und Greifswald müsste den Einwohner*innen ermöglichen, über die gestellten Forderungen abzustimmen.
Bisher ist die Aktion gut angekommen, finden die Aktivist*innen. Sie hatten schon Gespräche mit dem Oberbürgermeister und der Umweltabteilung der Stadt.
Dass mehr in Sachen Klimaschutz getan werden muss, ist allen Beteiligten bereits klar, aber die Mühlen mahlen langsam. Es gab auch Bedenken, ob der Bürgerentscheid zu unseren Gunsten entschieden werden würde. Im Gespräch wurde uns jedoch vermittelt, dass die Stadt unseren Forderungen positiv gegenübersteht und wir weiterhin in Kontakt bleiben wollen.
Greifswald Zero
Auch der Eindruck auf der Straße und in Einzelgesprächen sei bisher sehr positiv, berichten die Organisator*innen. Um die 1000 Unterschriften konnten in den ersten zwei Wochen schon gesammelt werden. Doch sie möchten noch mehr Menschen erreichen.
Vor allem Bürger*innen, die sich selbst noch nicht eingehend mit klimapolitischen Fragen beschäftigt haben, sind teilweise noch skeptisch, wie ein solcher Klimaentscheid ihr Leben beeinflussen könnte. Wir möchten den Bürger*innen von Greifswald vermitteln, dass wirksame Klimapolitik nicht hauptsächlich Verlust oder Verzicht, sondern einen Gewinn an Lebensqualität für uns und unsere Stadt bedeutet.
Greifswald Zero
Noch mehr Infos für euch:
Beitragsbild: Greifswald Zero
von Maret Becker | 04.02.2022
Bis 2024 soll ein neues Hotel am Hafen entstehen. Diesem Projekt könnte man zum Beispiel in Anbetracht des fehlendem Wohnraums in Greifswald kritisch gegenüber stehen. Mich konnte das Projekt „Hotel“ bisher auch nicht wirklich überzeugen. Aber meine Kenntnisse, was Städtebau und die Integration von Gebäuden in das Stadtbild angeht, sind auch nicht die besten. Daher habe ich die Bürgerinitiative „Steinbeckervorstadt“ interviewt. Sie kennen sich mit solchen Sachen besser aus als ich.
Noch im Frühjahr dieses Jahres, nach der Frostperiode im März/April, soll der Bau des Hotels der AMEDIA-Group beginnen. Das neue Hotel wird auf dem Areal des A9-Quartiers am Hansering neben der Knopfstraße errichtet. Auf der vorgesehenen Fläche befindet sich derzeit noch ein Bewohnerparkplatz mit rund 30 Stellplätzen.
Die Pläne für ein Hotel am Hansering reichen bereits viele Jahre zurück. Ein konkretes Bauvorhaben wurde bereits 2017 der Greifswalder Öffentlichkeit vorgestellt. 2020 kam es zur Baugenehmigung. Im Dezember 2021 hat das Land Mecklenburg-Vorpommern schließlich den Fördermittelbescheid für das Hotel erteilt, um die Gesamtfinanzierung zu sichern. Das Hotel soll mit rund 120 Zimmern, zwei Restaurants, drei Tagungsräumen, Lobby, Lounge, Shops, Eisdiele sowie Wellness- und Fitnessbereich ausgestattet werden.
Ein neues Hotel könnte eine große Chance für die Stadt sein, schließlich würde unter anderem die lokale Wirtschaft davon profitieren. Ein neues Hotel könnte aber auch das Stadtbild zerstören und die Anwohner*innen belästigen. Die Fragen, die sich daraus ergeben, habe ich mit der Bürgerinitiative „Steinbeckervorstadt“ besprochen.
Stellen Sie sich kurz vor. Wofür setzt sich Ihre Organisation ein?
Silke Schnabel: Wir sind keine Organisation, sondern nur eine ganz lose Bürgerinitiative. Das heißt, dass wir keine echte Verwaltungsorganisation haben, uns aber trotzdem für viele zivilgesellschaftliche und politische Themen interessieren, die vor allen Dingen hier im Stadtteil Steinbeckervorstadt und in der Stadt passieren.
Der konkrete Anlass, warum die Bürgerinitiative gegründet wurde, war der Masterplan für die Steinbeckervorstadt. Wir wollten uns als Bürger*innen dieses Stadtteils besser aufstellen und unsere Wünsche und Anliegen mit einbringen. Vor vielen Jahren gab es schon mal eine Bürgerinitiative mit vielen Menschen, die auch jetzt in der BI sind. Damals ging es um den Bebauungsplan für die Steinbeckervorstadt. Wir wollen die Stimme der Bürger*innen mehr aufs Tableau bringen und mehr organisierte Mitbestimmung ermöglichen. Seitdem hangeln wir uns von Aktion zu Aktion und sind mal mehr und mal weniger Leute. Wir sprechen auch Menschen an, die nicht in unserem Stadtteil wohnen, weil es eben um ganz grundsätzliche Geschichten geht, die alle betreffen, die in der Stadt wohnen und die sich für ihre Prozesse interessieren.
Tiemo Timmermann: Ich bin spontan zu der Bürgerinitiative dazu gestoßen, als ich von dem Bauvorhaben Straße 47 erfuhr, weil ich das für einen großen Planungsfehler halte und weil ich da eine zukunftsgerichtete Vision für eine lebenswerte Stadt vermisse. Das beobachtete ich auch bei anderen Bauten, vor allem in zentraler Lage entlang des Rycks.
Klaus Marsiske: Ich bin früher in meinem Leben Architekt gewesen und jetzt interessiere ich mich für den Stadtteil direkt vor der Stadt. Ich selbst wohne in der Innenstadt und sympathisiere einfach mit Bewegungen, die sich mit der Gleichmacherei nicht abfinden können.
Was halten Sie von dem Bau des Hotels der AMEDIA-Gruppe am Hansering?
Tiemo Timmermann: Grundsätzlich finde ich ein größeres Hotel an diesem attraktiven, zentralen Ort sinnvoll. Es zieht Menschen an und schafft Bewegung. Ich finde den Bau selbst nicht umwerfend gut, aber nicht so schlecht wie andere Sachen.
Ich habe eigentlich das Gefühl, dass bei öffentlichen Diskussionen, zum Beispiel ausgelöst durch Zeitungspublikationen, die Würfel schon gefallen sind und man vielleicht noch an Details dieser Entwürfe abarbeiten kann. Ich will hier aber jetzt keine Schuldzuweisung betreiben. Eigentlich geht es doch darum, dass man ein gemeinsames Interesse hat. Man muss sich zu einem viel früheren Zeitpunkt über grundsätzliche Dinge verständigen: Was wäre dort eine geeignete Bebauung, welche anderen Funktionen, außer vielleicht ein maximierter Baukörper, sind für diese Stelle sinnvoll? Wir sind eine Hanse- und Universitätsstadt, da geht es um Begegnung. Und wir haben Orte mit einer hoher Lebens- und Aufenthaltsqualität, zum Beispiel ein neues Zentrum im Bereich des Hafens, wo eine Promenadensituation entwickelt wird. Will man das fördern oder nicht? Man hat den Campus daneben, man hat den Ryck und die Entwicklung rund um die STRAZE. Da ist unheimlich viel Dynamik und das muss die Stadtplanung in ihrem Leitbild und ihren Leitlinien stärker berücksichtigen. Wenn ich das Hotel so betrachte, finde ich, da fehlt einfach ein bisschen Platz, wo noch andere Funktionen außer die eines Innenraums für Hotelgäste erfüllt werden.
Klaus Marsiske: Als ehemaliger Stadtplaner finde ich, dass es richtig ist, dass man da ein Hotel baut. Große Hotels stehen überall an großen Straßen, nicht nur in New York, und belasten auf der einen Seite zwar den, der im Hotel ist, aber andererseits ist er eben nur kurz drin. Wohnungsbau an der Stelle ist nicht gut geeignet, man sieht es auf der anderen Seite, wo neu gebaut worden ist. Da wohnen die Leute im Erdgeschoss zur Straße hin, weil die Straße zum Wohnungsbau hingezogen ist. Das ist keine Wohnqualität mehr. Es ist aber ärgerlich, dass dieser Hotelneubau so etwas wie ein Bunker geworden ist.
Silke Schnabel: Ich würde noch ergänzen, dass wir auch immer schon versucht haben, klarzumachen, dass wir nicht grundsätzlich gegen Bebauung im Stadtteilbereich sind, sondern dass wir es eigentlich gut finden, wenn Baulücken bebaut werden und nicht noch mehr Fläche versiegelt wird. Ja, wir sind nicht grundsätzlich dagegen, aber ich finde vor allem den Aspekt, dass man immer erst über die OZ informiert wird, komisch. Man hat tatsächlich als Bürger*in das Gefühl, dass jetzt noch entschieden werden kann, auf welche Etage das Fitnessstudio darf, aber mehr eigentlich auch nicht. Man kriegt bestimmte Informationen zu bestimmten Zeiten. Aber es gibt eigentlich kein Interesse an einem gemeinsamen gestalterischen Prozess.
Klaus Marsiske: Ich würde das nicht als Nichtinteresse bezeichnen, sondern es sind einfach keine fähigen Leute da, die das machen. Daran mangelt es und das macht das ganze Problem aus. Die müssten zum Beispiel die Fähigkeit besitzen, über Stadtstruktur, Lage von Funktionen, Höhe von Gebäuden und so weiter ganz klar nachzudenken und die städtebaulichen Vorgaben in der Stadt zu bestätigen und nicht nur einfach zu sagen: Ja, die Innenstadt ist ein denkmalpflegerisches Gebiet und da sind die Höhen einzuhalten. Für solche Restflächen kann man von vornherein sagen, was dort stehen kann und in welcher Wirkung das dort steht. Da hat man Vorgaben zu machen. Das kann man nicht den Investor*innen überlassen. Dafür sind diese Flächen viel zu prekär.
Tiemo Timmermann: Ich denke, es geht dann um die Werte der Stadtgesellschaft und die Werte der Stadt. Also das sind historisch orientierte Werte, vielleicht Denkmalschutz, aber auch die zukunftsgerichteten Werte, die vom Bestehenden ausgehen, von dem, was dort eben möglich ist. Das Leben hat sich in den letzten Jahrzehnten stärker in den öffentlichen Raum verlagert. Da, denke ich, muss man als Stadtgesellschaft eben eine Prioritätenliste haben, welche Werte zu schützen und zu entwickeln sind und die dann auch konsequent umsetzen. Aus meiner Sicht kann man sich das in anderen Städten gut abschauen. Man kann zum Beispiel an Stralsund sehen, dass dort vieles richtig gemacht worden ist. Dort ist es gelungen, den Erhalt der sehr interessanten Altbausubstanz mit qualitativ hochwertigem, interessantem Neubau zu kombinieren und dabei die Attraktivität insgesamt zu steigern.
Was denken Sie wird auf die Bewohner*innen der Stadt Greifswald mit dem Beginn der Bauarbeiten des Hotels in diesem Frühjahr zukommen?
Klaus Marsiske: Wenn man in einer dicht besiedelten Stadt wohnt, dann kommt es manchmal vor, dass Flächen, die gerade nicht bebaut sind, wieder bebaut werden. Das ist ein natürlicher Prozess und ganz normaler Städtebau. Darüber gibt es auch nichts zu jammern. Eine Stadt ist sinnvollerweise zu komplettieren. Wenn wir uns die Innenstadtquartiere anschauen, sind sie im Grunde alle rundherum verschlossene Gebiete. Da gibt es in der Regel im Inneren gar nicht viel Grün. Heute ist die Innenstadt grüner denn je. Und wir können nicht davon ausgehen, dass wir das, was wir gerade mal zufällig haben, nämlich einen schönen Blick, für alle Zeiten haben werden. Das ist in einer Stadt nicht normal, dass Restflächen ewig bestehen bleiben, das muss man aushalten.
Wissen Sie was mit der großen Fläche passiert, auf der der Speicher stand? War nicht auch hier ursprünglich ein Hotel in Planung?
Klaus Marsiske: Also was ich zuletzt mitgekriegt habe, war eine Projektvorstellung vor ein oder zwei Jahren, eine Art Hochhaus oder ein Hotel. Aber beides war nicht so ganz sicher. Der Investor war sich selbst nicht klar darüber. Beides würde ich aber an der Stelle bedauern, jedenfalls in der Höhe, weil schon der ehemalige Speicher eine Bausünde war. Er war viel zu hoch und was hinter der Marienkirche war, zumindest vom Ryck aus, so stark beeinflusst und auch städtebaulich von der Gesamtansicht beschädigt. Man muss das unbedingt verhindern, weil das eine Katastrophe wäre, die mit der kleinen Katastrophe, dem Hotelbau in der Innenstadt, gar nicht vergleichbar ist.
Wird sich das Hotel gut mit der Hafenkultur vertragen? Oder läuft es Gefahr, diesen Teil der Greifswalder Kultur zu verbieten, wenn der Lärmpegel die Gäste stört?
Klaus Marsiske: Wir wissen, dass in der verlängerten Hafenstraße ein großes Wohngebiet entsteht. Dieses Wohngebiet soll eigentlich dazu beitragen, dass das Hafengebiet verlängert wird, das heißt, dass die Hafenatmosphäre auch verlängert wird. Wenn man eine Befürchtung hätte, dass durch den Lärm vonseiten des Hafens und der Schiffe das Wohnen beeinträchtigt werden würde, was ich nicht denke, dann würde dieses neue Wohngebiet regelrecht gefährdet sein. Das halte ich für falsch. Es ist eine schöne Bereicherung, dass Wohnen und Maritimes dort zusammenwachsen können. Das würde ich mir eben auch in dem Bereich wünschen, wo ehemals der Speicher war. Das würde, wenn man dort auch Wohnungsbau machte, der nicht so hoch wäre, einen harmonischen Übergang bis in das neue Wohngebiet ergeben. Und dass wir davor maritim Schiffe herumliegen haben, ist bereichernd für jede Stadt und für das Wohnen sowieso. Ich sehe da keinen Widerspruch.
Silke Schnabel: Wir denken auch nicht, dass das problematisch ist. Ich würde da eher noch Klaus vom Anfang zustimmen, dass Leute, die im Hotel ein paar Nächte übernachten, ja eh nicht so einen Anspruch haben, dass es dann extrem ruhig sein muss. Spätestens bei der dritten Google-Bewertung wird dann auch stehen, dass es am Wochenende nachts lauter werden kann. Das ist, glaube ich, aus unserer Sicht kein Problem. Andererseits ist die Lautstärke mit dem Neubau am Hansering, wo jetzt so viele neue Menschen wohnen, ein Problem. Hier gibt es schon viele Konflikte zwischen der Museumswerft und den Anwohner*innen. Das darf man nicht unterschätzen.
„Auf der vorgesehenen Fläche befindet sich derzeit noch ein Bewohnerparkplatz mit rund 30 Stellplätzen. Diese werden mit Einrichtung der Baustelle voraussichtlich ab Mitte Januar wegfallen“, heißt es in der Pressemitteilung. Dieter Schick, Leiter des Tiefbau- und Grünflächenamtes, kündigte an: „Zeitgleich mit der Sperrung werden auf dem angrenzenden öffentlichen Parkplatz die Parkscheinautomaten abgebaut. Die rund 50 Stellplätze können dann ausschließlich von den Bewohnerinnen und Bewohnern genutzt werden.“ Bereits 2018 hatte die Stadt zudem den Parkplatz am Museumshafen Nord um insgesamt 70 zusätzliche Stellplätze erweitert. Denken Sie, das reicht?
Silke Schnabel: Und was wir uns noch gefragt haben, ist: Wo parken die Leute aus dem Hotel? Weil der Parkplatz hier am Hafen im Sommer immer voll ist.
Klaus Marsiske: Was das Parken angeht, so denke ich, ist dieser Parkplatz auf der anderen Seite der Brücke sicherlich jetzt schon fast ausgelastet. Aber man könnte ihn aufstocken. Diese Fläche vergrößern und damit auch das Problem, was jetzt durch die Überbauung der Quartiere herrscht, lösen. Abgesehen von der Tendenz, dass wir versuchen das Parken aus der Altstadt herauszukriegen, kann dies nur unser aller Interesse sein. Wir müssen diesen Lärm auch selbst aus den Städten für die Anwohner*innen herauskriegen, auch wenn diese zunächst glauben, sie brauchen weiter ihr Auto vor dem Haus. Aber das ist so eine Denkweise aus den 50er Jahren, das wird irgendwann in den nächsten Jahren vergessen sein. Dann werden die Leute selbstverständlich ihr Auto hundert Meter weit wegstellen.
Tiemo Timmermann: Die Zahl der Autos soll sich, schon aus Klimaschutzgründen, in den nächsten 10 bis 15 Jahren halbieren. Das sind anspruchsvolle Ziele. Das ist vielleicht noch nicht genau festgelegt für MV oder Greifswald, aber das wäre eine sinnvolle Zielmarke. Das kann man auch erreichen. Man muss dann erst sehen, wo die Autos, die wir dann trotzdem haben, parken.
Ich bin dafür, dass man die 30 wegfallenden Parkplätze in dem Bereich, wo jetzt zum Beispiel der Parkplatz ist, vorsieht. Ich bin nicht dafür, dass man dort fünfstöckige Parkhäuser baut, aber vielleicht kann man da ein weiteres Stockwerk tolerieren und man würde die Zahl der Parkplätze verdoppeln. Man könnte eine entsprechend große Zahl von Parkplätzen anderswo zugunsten von Radwegen und Fußgänger*innen öffnen und so lärmfreie Aufenthaltszonen dazu gewinnen.
Klaus Marsiske: Aber der Parkplatz muss nicht 20 Meter voraus sein, er kann auch 200 Meter entfernt, 500 Meter entfernt sein, daran wird man sich gewöhnen müssen und das werden die Leute auch akzeptieren, weil der Druck eines Tages so hoch sein wird, dass man es nicht mehr in der Innenstadt machen kann. Einfach weil man die Wohnqualität in der Innenstadt steigern muss, damit wir alle das Gefühl haben, dass es wirklich noch wohnenswert ist, sonst machen wir uns die ganze Stadt kaputt. Mit Autos darf das in der Zukunft nicht mehr gehen. Es werden auch sicherlich der öffentliche Nahverkehr und zum Beispiel Carsharing verbessert werden müssen.
Unser Greifswalder Bürgermeister gab in der Pressemitteilung zu dem Hotel folgendes Statement ab: „Greifswald benötigt dringend ein weiteres Hotel. Daher sind wir sehr froh, dass das Bauvorhaben nun endlich starten kann und im 250. Jubiläumsjahr von Caspar David Friedrich fertig gestellt werden soll. Ich bin überzeugt, dass durch die Hotelansiedlung Greifswald als Ganzes gestärkt wird. Denn mehr Touristen und Tagungsteilnehmende werden nicht nur den Einzelhandel und die Gastronomie beleben, unsere Kulturangebote nutzen, sondern auch die Greifswalderinnen und Greifswalder selbst werden davon profitieren.“ Können Sie dem zustimmen?
Klaus Marsiske: Ich glaube, dass das Hotel sinnvoll ist. Ob es so viel Effekt haben wird, wie der Oberbürgermeister vermutet, das wissen wir nicht. Aber viele Dinge stellen sich erst nach längerer Zeit als sinnvoll oder nicht sinnvoll heraus. Es ist leider auch so eine Krux bei der Stadtplanung. Man kann vieles planen und man kann sich vieles wünschen. Oftmals reagieren Menschen und Zeiten ganz anders. Aber dass die Uni ein Tagungshotel braucht, da besteht meiner Ansicht nach kein Zweifel. Das Krupp-Kolleg reicht dafür nicht aus und viele Tagungen konnten in der Vergangenheit nicht in Greifswald absolviert werden, obwohl es Greifswalder Fakultäten waren, die da maßgeblich dran beteiligt waren; sie mussten beispielsweise nach Rostock abwandern. Das ist ein Missstand. Die Universität muss gestärkt werden. Sie ist das wichtigste Standbein Greifswalds.
Silke Schnabel: Ich würde ergänzen, dass wir uns auch gefragt haben, wie das wohl eigentlich die anderen Hotels in der Stadt sehen. Ich weiß auch, dass es Tagungen gab, für die nicht genug Schlafplätze gefunden wurden. Aber ich kann auch überhaupt nicht einschätzen, ob die Leute dann wirklich herkommen, um Kulturveranstaltungen in Anspruch zu nehmen. Ich bin nicht sicher, ob das Hotel wirklich so weitreichende Effekte hat.
Klaus Marsiske: Ich denke fast, die kleinen Hotels werden nicht darunter leiden. Die Plätze in den Hotels sind arg knapp. Wenn es gelingen würde, dass mit diesem Hotel auch noch andere Leute logiert werden können, dann wäre das ganz bestimmt entspannend und wäre für spontane Reisende eine große Hilfe. Das würde auch für Greifswald nützlich sein. Das Hotel wird nicht nur universitär sein, sondern auch für die Öffentlichkeit. Sonst kriegen sie das Hotel nicht voll, wenn sie es nur für Tagungen anbieten.
Abgesehen davon, dass es ein hässlicher Klotz ist, können wir positiv bewerten, dass es dort funktionell steht.
Haben Sie noch etwas hinzuzufügen?
Tiemo Timmermann: Wir unterstützen die Idee, dass die Stadt Greifswald einen Gestaltungsausschuss einberuft. So etwas hat es wohl auch in der Vergangenheit schon gegeben. Es soll ein unabhängiges Fachgremium sein. Es soll Menschen von außerhalb einbeziehen, die nicht durch eigene Interessen bestimmte Positionen vertreten und die einen neutralen Blick auf die Stadt werfen und ihr fachliches Urteil mit in den Entscheidungsprozess einbringen. Sowas gibt es zum Beispiel, wenn ich richtig informiert bin, im Moment noch in Stralsund und Rostock. Dort gibt es gute Erfahrungen. Das muss man ein bisschen finanzieren, man muss die Leute dann auch über die Zeit entschädigen und unterbringen. Aber das, denke ich, ist gut investiertes Geld, wenn man dann die wesentlichen Pflöcke, die an zentraler Stelle der Stadt eingeschlagen werden, in der Planung von vornherein hinreichend breit diskutiert und besser abwägen kann. Ein Gestaltungsausschuss ist, denke ich, auch in der Stadt Greifswald durchaus schon in der Diskussion und ich fände es richtig gut, wenn man da einen Neustart machen könnte.
Beitragsbild: MPP/Amedia
aus der Pressemitteilung der Universitäts- und Hansestadt Greifswald vom 10.01.2022
von Annica Brommann | 29.01.2022
Zu Beginn des Wintersemesters war die Aufregung um den Rechtsprofessor Weber in- und außerhalb der Universität groß: von bundesweiter Presse und formierten Initiativen aus der Studierendenschaft, über laute Proteste bis hin zu Forderungen nach Alternativveranstaltungen. Nun stehen aber trotzdem viele Jura-Studierende vor der Wahl: Die einzig angebotene Übung für Vorgerückte im Bürgerlichen Recht bei Prof. Dr. Weber im nächsten Semester zu besuchen – oder im schlimmsten Fall ein Semester länger zu studieren.
Was bisher geschah …
Im Oktober war der Aufschrei über die Rückkehr des ehemaligen AfD-Landtagsabgeordneten Prof. Dr. Ralph Weber an die Universität groß. Vor seiner ersten Vorlesung gab es aus der Studierendenschaft Proteste mit bis zu 1.000 Teilnehmenden. Als Reaktion der Universität begann Ende November parallel zu Prof. Dr. Webers Vorlesung die interdisziplinäre Ringvorlesung „Wissenschaft und demokratische Kultur“, welche sich mit dem Leitbild der Universität, einer freiheitlichen, zivilen und demokratischen Gesellschaft und dem vielschichtigen Verhältnis von Wissenschaft und demokratischer Kultur auseinandersetzt.
Aber vor allem auf hochschulpolitischer Ebene ist einiges passiert: Am 23. November 2021 wurde im Studierendenparlament (StuPa) folgender Antrag mit einigen Änderungen beschlossen, beispielsweise durch Hinzufügen des letzten Satzes. Die Initiative ging auf den Fachschaftsrat Rechtswissenschaft zurück:
„Wir fordern von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät, dass den Studierenden Ausweichmöglichkeiten für sämtliche Veranstaltungen von Prof. Ralph Weber ab dem kommenden Sommersemester bis zum Ende seiner Lehrtätigkeit an der Universität Greifswald angeboten werden. Ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Greifswald muss ohne Prof. Ralph Weber möglich sein. Eine entsprechende Anpassung der curricularen Planung der kommenden Semester hat stattzufinden. Das Dekanat der RSF wird dazu aufgefordert, etwaige Angebote, die diese Umsetzung ermöglichen, anzunehmen.
Das Studierendenparlament bittet den FSR in Zukunft keinerlei Kommunikation mit Prof. Weber mehr zu führen.“
Beschl.-Nr. 2021-31/81, Studierendenparlament Universität Greifswald
Auch am 07. Dezember 2021 wurde von 17 Antragsteller*innen, unter anderem aus StuPa und AStA, auf der Vollversammlung der Studierendenschaft ein Antrag mit 270 Ja-Stimmen (zu 8 Nein-Stimmen und 11 Enthaltungen) angenommen, der ebenfalls alternative Lehrveranstaltungen forderte, beispielsweise durch eine Juniorprofessur. Dieser Antrag wurde in der letzten Sitzung des Studierendenparlaments erneut verabschiedet. Im Videobeitrag des NDR ist beim Interview mit Rektorin Frau Prof. Dr. Riedel ebenfalls von Alternativveranstaltungen die Rede.
In der Zwischenzeit ist es zu weiteren Vorfällen mit Prof. Dr. Weber gekommen – allerdings außerhalb des Hörsaals. Die Ostsee-Zeitung berichtete am 03. Dezember 2021 davon, dass er sich bei Coronaprotesten in Wolgast kritisch über die Maßnahmen und vor allem zu Ministerpräsidentin Manuela Schwesig als „Landesdiktatorin“ geäußert hatte. Neben der Zitation der OZ ist diese Diffamierung auch in einem YouTube-Video (Min 4:30) festgehalten.
Daraufhin wurden wiederum an der Universität einige Stimmen laut: Das Rektorat äußerte Befremden über Prof. Dr. Webers Aussagen und bezeichnete diese als einen „schwerwiegende[n] Angriff auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung“. Auch der Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät, Prof. Dr. Schinkels, verschickte am 03. Dezember eine an Prof. Dr. Weber gerichtete E-Mail, mit allen Jura-Studierenden im CC. In dieser positionierte er sich mit klaren Worten zu dem Vorfall und erinnerte Prof. Dr. Weber an seinen Amtseid. Zusätzlich hieß es: „Ein Juraprofessor, der öffentlich zum Rechtsbruch aufruft, hat seinen Beruf verfehlt.“
Darüber hinaus unterzeichneten zahlreiche Professor*innen unserer Uni einen offenen Brief, mit dessen Unterschriften sie ein Zeichen für eine freiheitliche, weltoffene und demokratische Gesellschaft für die Universität setzen wollten.
„Wir distanzieren uns ausdrücklich davon, dass jemand aus unserer Mitte gegen die freiheitlich-demokratische Ordnung agitiert. Ein Angriff auf unsere demokratische Kultur ist auch ein Angriff auf die Universität Greifswald.“
Offener Brief von 194 Professor*innen der Universität Greifswald, 08. Dezember 2021
Und jetzt?
Der Fakultätsrat der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät hat in dieser Woche den Beschluss des Studierendenparlaments mit der Forderung nach Alternativveranstaltungen abgelehnt. Grund seien unter anderem personelle Kapazitäten. Der AStA-Vorsitzende Hennis ist bereits im Gespräch mit dem Dekanat und Rektorat, bisher allerdings ohne Erfolg – denn Weber übernimmt im Sommersemester die einzige Übung für Vorgerückte im Privatrecht. Dieser Übung, die nach Musterstudienplan ab dem vierten Semester zu belegen ist, ist eine Hausarbeit vorangestellt, die nun vom 28. Januar an bis Ende März zu bearbeiten ist.
Den Studierenden bleibt dementsprechend kaum eine Wahl, denn eine erhoffte Alternativveranstaltung für Bürgerliches Recht gibt es nicht. Die einzige Möglichkeit wäre, die Übung für Vorgerückte anstatt im Privatrecht im Öffentlichen Recht oder Strafrecht zu belegen. Insbesondere für Studierende, denen nur noch die Übung im Privatrecht fehlt, würde ein Verzicht auf die Übung aber mit einer Verlängerung der Studienzeit einhergehen.
Aus der Studierendenschaft wurden dem webmoritz. gegenüber Frust und Enttäuschung geäußert – denn eine offene Kommunikation zu der geplanten Lehre im Sommersemester ist ihres Wissens nach bis dato nicht erfolgt. Ein*e Studierende*r äußerte sich über die aktuelle Situation wie folgt:
Gedanken eines*r Jura-Studierenden
„Ich stehe momentan vor folgender Entscheidung: a) Ich belege die Übung für Vorgerückte im Privatrecht bei Prof. Dr. Weber im Sommersemester 2022 nicht und werde deshalb ein Semester länger studieren müssen oder b) ich belege sie und habe ein mehr als nur mulmiges Gefühl dabei.
Nach den jüngsten Aussagen von Prof. Dr. Weber gegen Coronamaßnahmen mache ich mir zum einen Sorgen darüber, dass Impfzertifikate und Coronatests in seiner Veranstaltung nicht gründlich genug kontrolliert werden könnten, sollte es im Sommersemester wieder Präsenzveranstaltungen geben. Zum anderen möchte ich nicht von einem Menschen unterrichtet werden, der rechtes Gedankengut vertritt und von „Wir ‚Biodeutsche'“ spricht.
Von der Uni und dem Dekanat hätte ich mir mehr Kommunikation und Transparenz hinsichtlich der Entscheidung, Prof. Dr. Weber für die Übung verantwortlich zu machen, gewünscht. Bis vor zwei Tagen wusste ich nicht einmal, dass dieser die Übung für Vorgerückte im Privatrecht halten wird. Gerade wegen der vorangegangen Proteste in der Studierendenschaft wäre zumindest eine informierende Mail angebracht gewesen, als die Entscheidung getroffen wurde. Stattdessen stehen wir Studierenden nun vor vollendeten Tatsachen, weil die Sachverhalte für die Hausarbeiten bereits online sind. Ich bin unschlüssig, ob ich bereits mit der Bearbeitung anfangen soll oder noch auf eine alternative Übung, die dann wahrscheinlich mit einem anderen Sachverhalt für die Hausarbeit einhergehen würde, hoffen kann.
Anstatt mich durch die Uni unterstützt und verstanden zu fühlen, empfinde ich Gegenteiliges. Für mich wirkt es fast so, als ob die Uni die Entscheidung still und heimlich getroffen hat und jetzt darauf hofft, dass die Studierenden sie einfach hinnehmen werden. Im November wurde durch das Rektorat stets betont, wie wichtig es sei, die Sorgen der Studierenden ernst zu nehmen und deshalb Alternativverstaltungen anzubieten. Über den Jahreswechsel scheint das Gesagte schon wieder in Vergessenheit geraten zu sein. Schade.
Von anderen Studierenden habe ich Ähnliches wahrgenommen. Keine*r von ihnen fühlt sich wohl bei dem Gedanken, die Übung bei Prof. Dr. Weber zu belegen. Ich habe außerdem gehört, dass Students of Color aus meinem Umfeld nicht an der Übung teilnehmen wollen, weil sie Angst vor Diskriminierung haben, und stattdessen lieber ein Semester länger studieren würden. Aus Angst vor einer Lehrveranstaltung in der akademischen Ausbildung behindert und trotz aller anfänglichen Bemühungen von studentischer und universitärer Seite damit alleine gelassen zu werden, enttäuscht mich sehr.“
Beitragsbild: Annica Brommann
von Juli Böhm | 29.01.2022
Es wird getanzt, gesungen und gelacht, denn Fridays for Future Greifswald ist drei Jahre alt geworden. Am 20. August 2018 hat Greta Thunberg zum ersten Mal vor dem schwedischen Reichstag für das Klima gestreikt und somit Fridays for Future ins Leben gerufen. Knapp ein halbes Jahr später, am 01. Februar 2019, wurde dann auch in Greifswald zum ersten Mal zur Demo aufgerufen.
„Null Grad und grauer Himmel“, so wird die erste FFF-Demo in Greifswald von dem jetzigen Mitorganisator Fiedje beschrieben. Heute sind es circa 3 Grad und klarer Himmel, und noch immer müssen wir für die Klimagerechtigkeit auf die Straße. „Weil wir immer noch nicht auf dem 1,5-Grad-Pfad sind“, heißt es in der Rede von Fiedje.
Mitten auf dem Marktplatz sammeln sich die ersten Menschen. Es ist 18 Uhr am gestrigen Freitag. Sie stehen in kleinen Grüppchen um ein Fahrrad herum, das wohl einem*r der Organisator*innen gehört. Auf dem Boden liegt neben dem Fahrrad ein Banner ausgebreitet, welches mit einer Lichterkette verziert ist. Aus einem Megafon dröhnt kurz eine Alarmsirene. Ups, das war wohl ein Versehen. Noch wird etwas rumgewuselt und Ordner*innen werden gesucht. Dann stellt sich heraus, dass die Musikboxen noch nicht da sind und wir noch etwas warten müssen. Es ist zwar kalt, aber es kommen immer mehr Leute dazu und überall wird geplaudert. Alle tragen Masken. Ein paar der Demonstrierenden haben Schilder mitgebracht, andere haben sich Lichterketten umgewickelt.
Um 18:20 Uhr sind die Boxen dann auch da und kurz darauf wird die Tanzdemo für eröffnet erklärt. Bevor es mit dem Tanzen losgeht, gibt es aber noch zwei Redebeiträge. Der erste ist von Fiedje, aber da er an diesem Tag nicht da sein kann, wird sein Beitrag von Gwendolin vorgetragen. Es gibt einen kleinen Rückblick auf die letzten drei Jahre. „Anfangs der große Hype, die große Euphorie, dann bei manchen Trotz, bei anderen Resignation“, heißt es. Aber es sei trotzdem wichtig weiterzumachen: „Natürlich fragen auch wir uns dann, was das überhaupt hier in Greifswald bringen kann, kleine Demos zu machen. Wen juckt das? Niemanden wirklich, aber es beeindruckt, es prägt und inspiriert.“ Es wird klar, was für ein frustrierender Kampf Fridays for Future doch auch ist. „Dabei kommen wir uns hilflos vor, wenn tagein, tagaus Entscheidungen getroffen werden, die uns noch weiter in die Krise führen. Da fühle ich mich machtlos, ausgeliefert.“ Aber letztendlich ist es die Konstanz, die zählt und deswegen sei es wichtig, weiter zu demonstrieren. „Wir bleiben stur und machen weiter, einfach weiter. Solange es eben sein muss.“
Anschließend gibt es noch eine Rede von Emily. Sie ist Studentin hier in Greifswald: „Es ist absurd, diesen Tag zu feiern. Und, dass es nun schon Jahre dauert, immer wieder darauf aufmerksam machen zu müssen, dass wir bis zum Hals in einer Krise stecken.“ Und „es ist absurd, dass Wissenschaftler*innen seit Jahrzehnten die Regierung und Gesellschaft vor der Krise und deren Ausmaßen warnen und doch nicht auf wissenschaftliche Empfehlung gehört wird.“ Es wird klar: „Nur das Maß der Veränderung kann noch verändert werden und der Umgang mit der Krise.“ Wir müssen uns bewusst werden, was der Klimawandel für uns bedeutet und aktivistischer werden. Aber es wurde auch schon einiges erreicht, nur eben nicht genug. Zum Schluss: „Also lasst uns zusammen tanzen und einander dankbar sein.“
Während die Boxen noch für die Musik hergerichtet werden, gibt es die Möglichkeit für den Bürgerentscheid der Initiative Greifswald Zero zu unterschreiben. Sie möchten die Erarbeitung eines Konzeptes erwirken, wie Greifswald bis 2030 klimaneutral werden kann. Dafür brauchen sie mindestens 4.000 Unterschriften von Bürger*innen, die über 16 Jahre alt und in Greifswald gemeldet sind. Mehr zu der Aktion erfahrt ihr nächste Woche auch auf dem webmoritz.
Dann geht die Musik los und fast alle fangen an zu tanzen. Niemand ist gezwungen mitzutanzen und manche stehen auch einfach nur dabei, schauen zu. Die Stimmung ist gut und durch die Bewegung taut so manche*r verfrorene Demonstrant*in wieder auf. „Dass diese Welt nicht zusammenfällt, liegt nur an deinen Beinen, wenn du tanzt“, schallt es aus den Boxen. Dann kommt ein neues Lied und plötzlich formatiert sich eine Blockaufstellung und alle bewegen sich synchron. Das sieht beeindruckend aus, und immer mehr Tanzende stellen sich dazu. Als das Lied zu Ende ist und ein neuer Song kommt, tanzen alle einfach in ihren Grüppchen weiter wie zuvor. Ab und zu jagen ein paar Kinder durch die Masse hindurch.
Nach einer Dreiviertelstunde Tanzen endet die Musik. Zum Schluss wird noch von allen ein Geburtstagslied für Fridays for Future gesungen. Genauso wie es sich für einen richtigen Geburtstag gehört. Während einige nun gehen, bleiben manche noch auf dem Marktplatz stehen und unterhalten sich. Auch ich habe gemerkt, wie gut es doch tut, mal aus dem Corona-Kokon rauszukommen, Leute zu sehen und gemeinsam für eine gute Sache zu tanzen.
Die nächste Fridays for Future Demo ist der globale Klimastreik am 25.03.2022.
Beitragsbild: Juli Böhm