Folge 41 – Polizeigewalt oder nicht?

Folge 41 – Polizeigewalt oder nicht?

Kurz vor Jahresende wollen wir uns für euch noch an das sensible Thema der Polizeigewalt heran wagen, das in den deutschen Medien immer wieder stark präsent ist und einen schon mal ein wenig beängstigen kann.

Wir erklären, was Polizeigewalt für uns eigentlich bedeutet und tauschen uns über unsere eigenen Erfahrungen mit der Staatsgewalt aus. Dabei gehen wir vor allem auf die Demonstrationskultur in Deutschland ein, in der Gewalt zwischen zivilen Demonstrierenden und der Polizei immer wieder an der Tagesordnung steht und nicht selten eskaliert.

Kontrovers erörtern wir die Fragen, warum es überhaupt zu Polizeigewalt kommt, wie unschuldig potenzielle Opfer tatsächlich sind, wo die Grenzen der staatlichen Autorität liegen und welche polizeilichen Maßnahmen unter spezifischen Umständen noch als angemessen angesehen werden können. Auch die eine oder andere aktuelle Studie zu Polizeigewalt wird euch dabei nicht vorenthalten.

Abschließend geben wir euch schon mal mit Blick auf Silvester den guten Ratschlag – bleibt sauber (;

Der moritz.podcast wünscht euch frohe Weihnachten, besinnliche Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Weihnachtsgrüße könnt ihr uns gerne unter der E-Mailadresse: web-podcas@moritz-medien.de hinterlassen.

advents.kalender 2019: 22. Türchen – W wie Wendetta

advents.kalender 2019: 22. Türchen – W wie Wendetta

Es weihnachtet sehr, auch in Greifswald – und besonders bei den moritz.medien. Mit dem advents.kalender geben wir Euch weihnachtliche Tipps, Tricks, Erfahrungsberichte, Rezepte uvm. für die Adventszeit. Öffnet jeden Tag ein Beitrags-“Türchen”! Im heutigen Türchen: Superschorle und M-Boy im Kampf gegen den W-Mann.

Das heutige Adventskalendertürchen wurde uns freundlicherweise von den Weihnachtswichteln des moritz.magazins zur Verfügung gestellt. Im aktuellen Heft mm143 könnt ihr die Fotostory neben vielen anderen Artikeln, u.a. zum Thema Eliten, noch einmal nachlesen – entweder online oder überall, wo es moritz.magazine gibt.

Beitragsbild: Till Junker
bearbeitet von: Anne Frieda Müller

advents.kalender 2019: 21. Türchen – Hat Coca-Cola den Weihnachtsmann erfunden?

advents.kalender 2019: 21. Türchen – Hat Coca-Cola den Weihnachtsmann erfunden?

Es weihnachtet sehr, auch in Greifswald – und besonders bei den moritz.medien. Mit dem advents.kalender geben wir Euch weihnachtliche Tipps, Tricks, Erfahrungsberichte, Rezepte uvm. für die Adventszeit. Öffnet jeden Tag ein Beitrags-“Türchen”! Im heutigen Türchen klären wir den Mythos, ob der Weihnachtsmann eine Erfindung von Coca-Cola ist.

Roter Mantel, Zipfelmütze, runder Bauch und ein freundliches Gesicht, das von einem weißen Rauschebart eingerahmt wird – so kennen wir den Weihnachtsmann. Nicht schlecht gestaunt habe ich, als mir dann vor einiger Zeit jemand weiß machen wollte, die Idee dieses alten Mannes sei nichts anderes als eine Werbeerfindung des Konzerns Coca-Cola. Gerade jetzt in der Weihnachtszeit steht dieser Mythos wieder hoch im Kurs. Doch wie viel ist an der Legende dran?

Fest steht: Die Ursprünge des Weihnachtsmannes sind viel älter, als die von Coca-Cola. Denn den Getränkekonzern gibt es erst seit Ende des 19. Jahrhunderts. Doch schon im vierten Jahrhundert nach Christus wurde der Grundstein der Weihnachtsmann-Legende gelegt. Angefangen mit Bischof Nikolaus von Myra (wie der heutige Weihnachtsmann übrigens in roter Bischofsrobe gekleidet), der für seine Freigiebigkeit, Großzügigkeit und Geschenke bekannt war, bildeten sich über Jahrhunderte hinweg mehrere Sagen und Mythen zu einer Person: dem Weihnachtsmann. Doch während sich die Figur des gabenbringenden Mannes am Heiligabend festigte, wichen die äußerlichen Beschreibungen noch voneinander ab. Mal galt der Weihnachtsmann als in Blau eingehüllt, mal wurde er in goldenen Farben beschrieben, an anderer Stelle war er in einen roten Mantel gekleidet.

Erst der Maler Haddon Sundblom verhalf dem modernen Weihnachtsmann zu seinem inzwischen traditionellen und populären Aussehen. Im Auftrag einer weihnachtlichen Werbekampagne von Coca-Cola erschuf Sundblom 1931 den uns allen bekannten, rot gekleideten, runden, freundlichen und bärtigen Mann. Inspiration dafür fand er übrigens nicht nur in den alten Sagen, sondern auch in seinem eigenen Spiegelbild. Vor allem aber nahm er die Zeichnungen des Karikaturisten Thomas Nast als Vorlage. Der veröffentlichte nämlich bereits 1863 im Politmagazin “Harpers Weekly” ein Bild seiner Version des Weihnachtsmannes:  ein dicklicher, rot-weiß gekleideter Mann. Bis in die 60er Jahre hinein unterstützte Sundblom die Weihnachtskampagnen der Getränkefirma mit Bildern vom Weihnachtsmann, die uns heute so allgegenwärtig sind.

Der Weihnachtsmann ist in diesem Sinne also nicht eine Erfindung von Coca-Cola, sondern eine Figur, die sich aus mehreren Sagen entwickelt hat. Doch wäre Coca-Cola nicht gewesen, hätten wir vielleicht alle unterschiedliche Bilder vom Weihnachtsmann im Kopf.

Bild von Jill Wellington auf Pixabay 
Beitragsbild: Till Junker
bearbeitet von: Anne Frieda Müller
advents.kalender 2019: 20. Türchen – Euer Jahresrückblick

advents.kalender 2019: 20. Türchen – Euer Jahresrückblick

Es weihnachtet sehr, auch in Greifswald – und besonders bei den moritz.medien. Mit dem advents.kalender geben wir Euch weihnachtliche Tipps, Tricks, Erfahrungsberichte, Rezepte uvm. für die Adventszeit. Öffnet jeden Tag ein Beitrags-“Türchen”! Im heutigen Türchen findet ihr Anregungen für einen Jahresrückblick.

Das Jahr neigt sich dem Ende zu, die Vorbereitungen für Weihnachten und die Planung für Silvester und das neue Jahr nehmen uns meistens vollkommen ein, sodass wenig Zeit für einen kleinen Jahresrückblick bleibt. Nehmt Euch doch mal eine halbe Stunde zum Innehalten und überlegt, was Ihr dieses Jahr alles erreicht habt, was für schöne Erlebnisse Ihr hattet und was vielleicht auch unerwartet in Eurer Leben getreten ist. Versetzt Euch vielleicht in Situationen zurück, in denen Ihr dachtet, dass sie niemals zu schaffen sind und wie Ihr sie dann doch gemeistert habt. Schreibt es am besten auf, vielleicht habt Ihr ja ein Journal oder eine Liste im Handy, denn dann könnt Ihr auch später noch in die positiven Momente der letzten Jahre zurück und sie Euch vor Augen führen. Der Januar scheint bei allen erst mal stressig zu werden, wir tendieren dazu, uns eher an den negativen Momenten aufzuhalten – vielleicht verhilft Euch dieses Türchen ja zu ein bisschen Inspiration, um all den positiven Dingen unseres Lebens ein wenig Aufmerksamkeit zukommen zu lassen und diese Stimmung dann auch nach außen zu tragen. Genießt Eure Feiertage! 🙂

Beitragsbild: Till Junker
bearbeitet von: Anne Frieda Müller

advents.kalender 2019: 19. Türchen – A Christmas Cola, Kapitel 3

advents.kalender 2019: 19. Türchen – A Christmas Cola, Kapitel 3

Es weihnachtet sehr, auch in Greifswald – und besonders bei den moritz.medien. Mit dem advents.kalender geben wir Euch weihnachtliche Tipps, Tricks, Erfahrungsberichte, Rezepte uvm. für die Adventszeit. Öffnet jeden Tag ein Beitrags-“Türchen”! Im heutigen Türchen helfen Daniel, Pip und Lucy Charles dabei, eine Weihnachtsgeschichte zu schreiben.

Die vergangene Weihnacht

Der nächste Morgen begrüßte Charles mit heftigen Kopf­schmerzen. Die Matratze unter ihm war weicher, als er es von Zuhause gewohnt war, und auch die Bettdecke, die lose um seine Beine geschlungen war, fühlte sich anders an. Was war in der letzten Nacht geschehen? Er hatte den Abend im Pub ver­bracht, aber danach war alles verschwommen, ein Schlag auf den Kopf, bunte Lichter, laute Musik … Vielleicht hatte Wilkie ihn gefunden. Der Junge war oft morgens in den Straßen Lon­dons unterwegs, um von einem Schlafzimmer zum nächsten zu schleichen. Es kam nicht selten vor, dass er dabei einem be­trunkenen Charles über den Weg lief und anstatt zu einer seiner Geliebten schließlich zu seiner eigenen Wohnung zurückkehrte, seinen halb bewusstlosen Freund im Schlepptau.

»Wilkie?«, murmelte er in das Kissen hinein, das so riesig und dick war, dass sein gesamter Kopf davon verschlungen wurde.

Niemand antwortete. Aber er konnte Geräusche aus einem anderen Zimmer hören, etwas klapperte und klirrte leise. Er spürte warmen Sonnenschein auf seinem Gesicht. Ob Catherine sich wohl bereits Sorgen um ihn machte? Er bezweifelte es.

»Wilkie!« Dieses Mal war seine Stimme lauter gewesen, aber nicht unbedingt kräftiger. Seine Kehle kratzte. Hatte er die ganze Nacht auf der Straße in der Kälte verbracht?

Langsam öffnete er die Augen. Das Sonnenlicht blendete ihn und als er zwei, drei Mal müde blinzelte und der Raum um ihn herum Gestalt annahm, bemerkte er die Eisblumen auf dem Fenster, die die Strahlen der Sonne brachen und verstärkten.

Das Fenster. Es schien nicht an der gleichen Stelle zu sein, an der es in seiner Erinnerung gewesen war. Zwar hatte er schon lange nicht mehr bei Wilkie übernachtet, aber konnte er in diesen Monaten seine Wohnung so sehr umgestellt haben? Oder war er vielleicht gänzlich umgezogen, von einem wüten­den Ehegatten verfolgt, dessen Frau der Junge wieder einmal bezirzt hatte? Wilkie hielt nicht viel von solchen Konstrukten wie Liebe und Ehe. Humbug, nannte er sie.

Ein wenig beneidete Charles ihn um diese Einstellung.

Er drehte sich auf den Rücken, stöhnte dabei vor Schmer­zen. Sein Körper fühlte sich ausgezehrt an, die Schultern waren verspannt, der Kopf brummte wie ein ganzes Stahlwerk, und ihm war übel, so übel, dass er sich am liebsten sofort umge­dreht und erbrochen hätte.

Charles zwang sich zur Selbstbeherrschung. Er wollte Wil­kies Gastfreundschaft nicht überstrapazieren, denn es war si­cherlich nicht das letzte Mal, dass dieser ihn von der Straße auflesen musste. Und der Junge hatte Stil. So einen Ausbruch der Übelkeitsgefühle würde er ihm niemals verzeihen.

Er öffnete die Augen ganz, blinzelte hinauf zur Decke. Und stutzte. Ja, Wilkie hatte Stil. Aber so viel Stil?

Charles zumindest hatte die Decke nicht in einem gesättig­ten Orangeton in Erinnerung. Auch die darauf gemalten Blu­menornamente waren ihm völlig fremd. Und noch viel seltsa­mer schien es ihm, dass die Pinselstriche der Blumen an der Wand hinunter krochen und unten in ein Meer aus krakeligen Kinderzeichnungen übergingen. Dazwischen hingen winzige Porträts oder kolorierte Fotografien, eingefasst in hölzerne Rahmen. Manche von ihnen zeigten zwei Männer, andere ein junges Mädchen, auf wieder anderen waren alle drei gemein­sam abgebildet.

Keiner von ihnen war Wilkie.

Charles schreckte hoch. Einen Moment lang sah er nur wei­ße Sterne vor seinen Augen tanzen, dann konnte er langsam den Raum ausmachen. Das war definitiv nicht Wilkies Woh­nung. Und was immer er über den Stil der hübsch bemalten Decke noch gedacht hatte, diese Möbel, allesamt so schrecklich schlicht und glatt gehalten, machten diesen Eindruck sofort wieder zunichte.

Auf einem Stuhl zu seiner Seite – ein Stuhl mit nur einem einzigen Bein, das sich unten in einen krakenartigen Fuß er­streckte – lagen sein Mantel, seine Weste und seine Hose, alle säuberlich gefaltet und gestapelt. Charles’ Blick glitt an seinem Körper hinab. Er trug nur noch sein Hemd und, nach dem was er unter der halb zurückgeschlagenen Bettdecke ausmachen konnte, seine lange Unterhose.

Er war nicht bei Wilkie. Und man hatte ihn entkleidet! Am Ende war es gar eine Frau gewesen, die ihn in solch einer Blö­ße, so einer unanständigen Freizügigkeit gesehen hatte!

Charles riss die Bettdecke gänzlich zurück und sprang aus dem Bett. Innerhalb weniger Sekunden war er in seine Klei­dung geschlüpft und bereit aus dem Zimmer zu stürmen, zu flüchten wenn nötig.

Er kam nur bis zum Flur. Durch die halb geöffnete Tür späh­te er in einen Licht durchfluteten Raum, der mit einem hohen Tisch und einer Art Küche ausgestattet war. Ein junger Mann stand vor dem Ofen an einem Herd – ein echter Herd, wenn Charles es richtig sehen konnte. Von dem Mann konnte er nur kupferrotes Haar erkennen und seinen schlanken, hoch ge­wachsenen Körper.

Erinnerungen zischten wie Blitze durch sein Gedächtnis. Laute Musik. Der Geruch von süßen Backwaren, auch jetzt lag er wieder in der Luft. Ein helles Licht und ein riesiger Kasten, bunte grelle Lichter, heißer Würzwein.

Der Mann am Herd wandte sich um und lächelte. »Ah, du bist wach.« Er gestikulierte mit einem riesigen Löffel auf den Tisch zu. »Setz dich doch schon mal.«

Charles bewegte sich nicht vom Fleck. Misstrauisch spähte er an dem Mann vorbei auf die Pfanne, deren Griff er mit der linken Hand hielt. Ein Stück Fisch zischte fröhlich darin vor sich her. Neben dem Herd auf einem Küchentisch waren zwei große hölzerne Bretter aufgebaut, die mit allerlei Gemüse, Kä­se und Fleisch belegt waren. In einem kleinen Korb dampfte frisches Brot.

Der Rothaarige bemerkte Charles’ neugierigen Blick und sein Lachen wurde breiter, zeigte große Schneidezähne und tie­fe Grübchen. »Am Sinterklaastag gourmetten wir gerne. Kostet zwar ein bisschen mehr, aber Lucy liebt es.«

Lucy … Eine rote schwebende Kugel, auf magische Weise an einem Seil in der Luft gehalten. Sinterklaas. Lucy liebt Ge­schenke.

»Ich hoffe, du hast gut geschlafen.« Der Rothaarige deutete mit dem Kochlöffel in einen hinteren Teil des Raumes, in dem ein weiterer niedriger Tisch und ein Sofa standen. »Daniel und ich haben uns zusammen da rauf gequetscht. Aber du hast es kaum mehr die Treppe hoch geschafft, weil du so dicht warst, und da wollten wir dir wenigstens ein ordentliches Bett anbie­ten. Noch Kopfschmerzen?«

Ungläubig betrachtete Charles das Sofa. Es schien kaum groß genug zu sein, dass er allein bequem darauf Platz gefun­den hätte. Sich vorzustellen, dass zwei Männer, die er kaum kannte, sich diesen winzigen Raum geteilt hatten, um ihm ihr Bett anzubieten, erfüllte ihn mit Fassungslosigkeit und einer angenehm warmen Dankbarkeit.

Er bemerkte, wie der andere ihn noch immer ansah und auf eine Antwort wartete. Charles lächelte schwach. »Nur ein biss­chen.« Vorsichtig trat er nach vorne und an den Tisch heran, zog sich einen der Stühle zurück und setzte sich darauf. »Pip war der Name, richtig?«

Der Rothaarige lachte und machte sich weiter daran, seinen Fisch zu braten. »Eigentlich Philip. Aber Daniel hat mich so genannt, seit wir uns das erste Mal getroffen haben. Er hatte große Erwartungen an mich, meinte er.« Der Mann lachte wie­der und Charles merkte, dass er wohl eine Art Witz gemacht haben musste. Der Witz ging nicht ganz auf, stattdessen zog er nur fragend die Augenbrauen hoch.

Pip blickte über die Schulter zurück und bemerkte seine Verwirrung. »Du weißt schon, wegen dem Buch.«

»Buch?«

»Große Erwartungen. Ist ein Klassiker.«

Charles zuckte nur die Achseln als Antwort, was den Rot­haarigen wieder zum Lachen brachte. »Gestern Abend warst du noch gesprächiger. Da hast du ganze Romane gequatscht.«

Charles wurde hellhörig. »War etwas Brauchbares dabei?«

»Hm?«

»Ich suche noch eine gute Geschichte für mein nächstes Buch. Aber mir sind die Ideen ausgegangen.«

»Oh, du schreibst also wirklich.« Pip zog die Mundwinkel hinab, überrascht und beeindruckt. »Worüber denn?«

Wieder zuckte Charles die Schultern. »Über das Leben.«

Pip lachte. Er schmunzelte weiter, als er den Löffel beiseite legte und den Fisch neben all den anderen Köstlichkeiten auf einem kleinen Teller anrichtete. »Warum schreibst du nicht ein­fach über Weihnachten? Das ist immer ein gutes Thema.«

Dieses Mal war es an Charles zu lachen. »Was, über eine herrlich langweilige Weihnachtsmesse vielleicht?«

»Quatsch. Über das, was wirklich zählt zu Weihnachten.« Er nahm eines der Bretter in die Hand und trug es zum Tisch hinü­ber. »Freundschaft und Familie. Ein gemütliches Zuhause. Lie­be. Das ist doch das, was Weihnachten ausmacht.«

Charles schnaubte verächtlich. »Nicht hier in England.«

»Auch hier in England. Zumindest bei denen, die so viel Glück haben wie wir.« Pip holte das zweite Brett und stellte es ordentlich neben das erste. Er betrachtete es mit einem sanften Lächeln, dann hob er den Blick und sah Charles aus aufrichti­gen klaren Augen an. »Hab ein Herz, das nie verhärtet, ein Ge­müt, das nie ermüdet und eine Berührung, die nie verletzt. Für einander da sein, das heißt Weihnachten. Etwas für diejenigen tun, denen es nicht so gut geht. Die letzten Pennies an eine Ob­dachlosenunterkunft spenden. Oder einen Fremden von der Straße auflesen.« Er zwinkerte.

Charles hatte noch nie von so einem Weihnachtsfest gehört. Mit Catherine und den Kindern ging er in die Kirche, weil es von ihnen erwartet wurde, mehr nicht. Manchmal las er den Kleinen von der Geburt Jesu vor, wenn ihm danach war. Dann gingen sie zu Bett, standen am nächsten Morgen wieder früh auf, verbrachten einen Tag wie jeden anderen. Er hatte nie et­was gespendet oder den Weihnachtstag als einen besonderen Tag der Familie betrachtet, und er kannte auch niemanden, der das anders hielt.

»Daniel holt gerade Lucy von der Schule ab, aber sie wer­den bald zurück sein. Möchtest du mir dabei helfen, den Tisch und den Raum ein wenig zu schmücken?« Pip ging vor einem kleinen Schrank in die Knie, kramte darin herum und hielt dann eine große Kiste auf den Armen, als er sich wieder auf­richtete. Sie war bis zum Rand gefüllt mit Kerzen, Tannenzwei­gen, aus Stroh zusammengesteckten Sternen und roten Tü­chern. »Damit alles schön aussieht, wenn die beiden ankom­men. Wir erzählen Lucy dann immer, Sinterklaas hätte das alles aufgebaut, als er die Geschenke gebracht hat.«

Die nächsten Minuten verbrachten sie damit, den Raum her­zurichten. Nie zuvor hatte Charles Sterne an die Fenster gehan­gen oder Zweige als Schmuck auf den Tisch gelegt, aber er be­fand, dass es schön aussah. Warm und herzlich. Sie unterhielten sich ausgelassen, während sie die gesamte Wohnung in sanftem Kerzenschein erstrahlen ließen. Pip berichtete ihm davon, wie er als kleiner Junge mit seinen Eltern Weihnachten gefeiert hatte und wie er diese Werte auch jetzt noch pflegte, mit seiner eigenen kleinen Familie mit Lucy und Daniel. Er erzählte viel von den beiden, von der starken Liebe, die sie alle miteinander verband. Vom Weihnachtszauber, der ihm immer wieder half, sich bewusst zu werden, wie glücklich er war.

Charles lauschte interessiert. Es irritierte ihn ein wenig, dass ihn Berichte über etwas Banales wie das Weihnachtsfest mehr inspirieren konnten als tausende Kriegsgeschichten vom alten Shapney. Aber Pip ließ es keinesfalls banal klingen, dieses Weihnachtsfest, sondern nach Wärme und Liebe, nach Mitge­fühl und Barmherzigkeit.

Die Tür öffnete sich und brachte kalte Winterluft in die Wohnung. Ein kleines Mädchen tapste hinein, eine Tasche auf dem Rücken, die fast genauso groß schien wie sie selbst, das rote, geflochtene Haar voller weißer Flocken. Ihre Augen wei­teten sich vor Freude und Kerzenschein spiegelte sich darin wider. Pip trat zu ihr heran, ging vor ihr in die Knie und hauchte ihr einen Kuss auf die eiskalte Stirn, dann richtete er sich wieder auf und schenkte auch Daniel einen Kuss. »Happy Sinterklaas.«

Lucys Begeisterung war wunderschön anzusehen. Ihre Auf­regung wuchs mit jedem der kleinen Geschenke, die sie von Pip überreicht bekam, aber am meisten schien sie sich dennoch über die Kerzen und den Weihnachtsschmuck zu freuen. Sie war ein aufgewecktes Mädchen, das ununterbrochen redete und lachte. Sie redete weiter, während sie aßen, erzählte, was sie den Tag über erlebt hatte, und ließ dabei die alltäglichsten Klei­nigkeiten klingen wie einen Abenteuerroman.

Schließlich verließ Pip das Zimmer und kam wenig später zurück, ein Buch in der Hand. »Hier«, sagte er zu Charles. »Es ist jetzt nicht eingepackt. Aber das ist für dich.«

Charles nahm es entgegen und blickte auf den Einband hi­nunter. Es war in rotes Leder eingeschlagen, auf dem mit gol­dener Farbe verschlungene Linien und Buchstaben gezeichnet waren. Eine Weihnachtsgeschichte. Charles Dickens.

Charles stockte der Atem. Das war sein Name. Sein Name, aber eine Geschichte, die er nicht geschrieben hatte. Hatte ein anderer Autor seinen Namen benutzt? Oder konnte es sein …

Seine Finger zitterten, als er vorsichtig die erste Seite auf­schlug. Chapman and Hall, 1843.

Ihm wurde schwindelig. Die Schrift verschwamm vor sei­nen Augen, als würden die Buchstaben wie flüssige Tinte in­einander laufen, dann schienen sie die ganze Seite einzuneh­men, während der Raum um ihm herum dunkler wurde, als hätte man plötzlich ein gewaltiges Tuch über ihn geworfen.

Das nächste, was er spürte, war wie er fiel.

Und aufschlug. Kalter, harter Stein. Regentropfen auf seinem Gesicht, die in seine Haut einschnitten. Er hörte Stimmen, Männer, die sich anschrien, als sie miteinander stritten. Seine Augen öffneten sich nur müh­sam, aber dann gelang es ihm. Es war dunkel. Nacht. Über ihm ragten die Londoner Fassaden in den Himmel auf.

Ein Gesicht schob sich in sein Blickfeld, das zur Hälfte von einem grauen Bart bedeckt wurde, und zur anderen von dunk­len Schatten, die ein hoch aufragender Zylinder warf. »’tschul­digung, Sir.« Der Man hob seine Hand, um damit herum zu fuchteln. Seine Finger hielten eine Glasflasche umklammert. Cola. »Ich habe gerade in meinem Zimmer an einem neuen Konzept ge­arbeitet, als dieses dämliche Vieh durchs Fenster gesprungen ist.«

Charles stützte die Handflächen auf den nassen Boden und drückte sich auf. Seine Fingerspitzen berührten etwas und er wandte den Blick hinab.

»Diese Katze hat einfach meine neueste Erfindung gepackt und ist damit davon gesprungen«, fuhr der Mann unbeirrt fort. »Ist einfach raus aus dem Fenster und über die Dächer damit.«

Charles hörte ihn nicht mehr. In einer größer werdenden Pfütze aus Regenwasser lag ein Buch mit rotem Ledereinband, dessen Seiten langsam begannen, sich zu wellen von der Nässe. Goldene verschlungene Linien, die ein Netz aus Blättern form­ten, aber dort, wo zuvor der Titel und sein Name gestanden hat­ten, war jetzt nichts als Leere.

Aber er wusste ohnehin, was dort zu stehen hatte.

»Konnte ja nicht ahnen, dass sie die Flasche einfach auf Ihren Kopf fallen lässt. Geht es Ihnen denn gut, Sir? Das blutet ja nun doch ein wenig.«

Charles kümmerte sich nicht darum. Er lachte nur, so laut, dass es durch die nächtliche Londoner Stille schallte. »Gibt es ein größeres Geschenk als die Liebe einer Katze?«

»Sir?«

Charles schnappte sich das Buch und sprang auf die Beine. Ein bisschen schwindelte ihm noch, vielleicht von dem Sturz. Wie die drei wohl geguckt haben mochten, als er vor ihnen vom Stuhl gefallen und verschwunden war?

Er wandte sich zu dem Mann um, schenkte ihm ein dankba­res Lächeln und ein Nicken. »Sie haben da etwas Großartiges erfunden, mein Freund!«, stieß er aus, etwas atemlos vor Be­geisterung. Er musste nach Hause, auf der Stelle, er musste eine Geschichte schreiben, voller Liebe und Barmherzigkeit und all der wunderbaren Weihnachtsdinge, eine Weihnachtsge­schichte. Charles sah hinab auf die Flasche des Mannes und nickte noch einmal. »Aber ich würde eine weiß-rote Farbge­bung vorschlagen. Das passt doch etwas besser zu Weihnachten als dieses schlichte Weiß, finden Sie nicht?«

»’tschuldigung?«

»Happy Sinterklaas!« Und er stürmte davon. Weiße Schnee­flocken in rotem Haar. Eine rote schwebende Kugel an weißem Seil. Weiße Kerzen auf rotem Band. Ein roter Einband und weiße Seiten, die er füllen würde.

Lucy liebt Geschenke. Und sie liebt es zu singen und zu basteln. Und sie liebt Geschichten.

Er würde ihr eine Geschichte schreiben. Eine Geschichte der Zukunft und der Vergangenheit, und vor allem der Gegenwart. Eine Geschichte des Glücks und der Liebe. Eine Geschichte, wie sie nur das Leben schreiben konnte.

Beitragsbild: Till Junker
bearbeitet von: Anne Frieda Müller

Umgekrempelt: Sieben Tage „Kindness“

Umgekrempelt: Sieben Tage „Kindness“

Kennt ihr das, wenn man mal was Neues ausprobieren will, aber am Ende alles beim Alten bleibt? Uns jedenfalls kommt das sehr bekannt vor, deswegen haben wir uns für euch auf einen Selbstoptimierungstrip begeben. In dieser Kolumne stellen wir uns sieben Tage als Testobjekte zur Verfügung. Wir versuchen für euch mit unseren alten Gewohnheiten zu brechen, neue Routinen zu entwickeln und andere Lebensstile auszuprobieren. Ob wir die Challenges meistern oder kläglich scheitern, erfahrt ihr hier.

Dieses Mal nehme ich mir vor, sieben Tage „kind“ zu sein. Kindness heißt so viel wie Güte, Liebenswürdigkeit, Gefallen, Nettigkeit. Eine Woche lang „nett“ zu sein, sollte eigentlich keine Challenge, sondern ganz normal sein: Jemandem die Tür aufhalten, kleine Gesten an Freunde und Freundinnen oder Fremden ein Lächeln schenken. Ein bisschen Selbstlosigkeit, ein bisschen Freundlichkeit. Eigentlich doch selbstverständlich, oder? Trotzdem möchte ich versuchen, eine Woche lang besonders freundlich zu sein. So schwer wird das doch nicht sein und ich bin gespannt, ob mir positives Feedback auffallen wird.

Montag

Meine freundliche Woche startet mit Blut spenden. Eine einfache Methode, etwas Gutes zu tun. Man bekommt zwar kein direktes Feedback von den Empfänger*innen, aber Blut wird hier immer gebraucht. Die Krankenschwester betont: „Danke, dass Sie da waren“. Nach einer Dreiviertelstunde gehe ich also mit einem guten Gefühl aus dem Krankenhaus. Für die Woche habe ich mir auch vorgenommen, mehr Komplimente zu machen. Dabei will ich aber ehrlich sein und nicht zwanghaft Honig ums Maul schmieren. Oft denke ich etwas Nettes oder irgendwas fällt mir positiv auf, selten spreche ich das dann aber an. Wir alle freuen uns doch über Komplimente, wieso machen wir so selten welche? Ich schenke einer Freundin also eine liebe Bemerkung über ihr Outfit, sie reagiert daraufhin aber etwas verhalten. Vielleicht ist sie es nicht gewohnt und weiß gar nicht, wie sie damit umgehen soll?

Dienstag

Heute nehme ich mir vor, einer fremden Person ein Kompliment zu machen. Als mir also der Stil eines Mädchens in der Mensa gut gefällt, gehe ich zu ihr und sage ihr das. Sie reagiert etwas überfordert, beinahe eingeschüchtert, und irgendwie nicht besonders erfreut. Na klar, ich wäre an ihrer Stelle wahrscheinlich auch völlig überrumpelt und würde vielleicht nach versteckten Kameras gucken. Ich hoffe aber, dass sie sich insgeheim doch gefreut hat. Nach diesem Adrenalinkick brauche ich erst einmal eine Pause vom Komplimente-an-Fremde-verteilen. Ich bin trotzdem weiterhin großzügig mit netten Worten an Freund*innen. Außerdem konzentriere ich mich darauf, an meinem Resting-Bitch-Face zu arbeiten und unbekannte Passant*innen einfach mal anzulächeln. Und – oh Wunder – sehr viele lächeln einfach zurück!

Mittwoch

Ich fahre extra mit dem Auto einkaufen (nicht besonders „kind“ für die Umwelt, ich weiß …), weil mein studierender Nachbar angefragt hat, ob ich nicht demnächst mal seine Bierkästen mitnehmen könne. Klar, ich bin doch jetzt besonders freundlich und freue mich über diese Gelegenheit (natürlich hätte ich das sonst auch gemacht). Außerdem bin ich heute besonders nett zu den Mitarbeitenden im Edeka, sodass mehrere Gespräche entstehen. Vielleicht sind solche Momente ja auch ein kleiner Lichtblick zwischen Tiefkühltruhe und Fleischtheke für die Mitarbeitenden. Außerdem bin ich so „kind“ und bringe meiner Mitbewohnerin aus heiterem Himmel ihre Lieblingschips mit – ich glaube, sie freut sich sehr darüber.

Donnerstag

Den Tag beginne ich wieder damit, einer älteren Dame zuzulächeln, die sich sichtlich darüber freut. Klingt kitschig, aber ist irgendwie toll, wie man mit einer Geste einer anderen Person und auch einem selbst den Tag verschönern kann. Außerdem schicke ich meinen Eltern „einfach so“ online Blumen nach Hause. Eine kleine Aufmerksamkeit, über die sie sich hoffentlich noch die nächsten Tage freuen werden. Zusätzlich übernehme ich bewusst mehr Kleinigkeiten im Haushalt der WG und hänge die Wäsche meiner Mitbewohnerin auf (was am Ende zwar ein bisschen mehr Arbeit, aber eine nett gestimmte Mitbewohnerin bedeutet).

Freitag

Natürlich kann man in so einer Selbstexperiment-Woche nicht erzwingen, dass plötzlich eine Oma auftaucht, der man die Einkäufe nach Hause bringen oder über die Straße helfen kann. Trotzdem versuche ich, auch solche Gesten irgendwie vermehrt in meinen Alltag zu integrieren. So achte ich beispielsweise gezielt darauf, Menschen vorzulassen oder so viele Türen wie möglich aufzuhalten. Zwar ist das nicht immer nötig, aber ich ernte dafür oft ein Lächeln oder ein erfreutes „Danke“. Zwischen all den positiven Eindrücken und Rückmeldungen mache ich am Abend doch eine kleine negative Erfahrung: Ich werde von einem jungen Mann, der mir schon bekannt war, um Geld für den Bus gebeten. Ich gehe nicht wie sonst üblich ignorant vorbei, sondern gebe ihm die zwei Euro. Irgendwie fühle ich mich danach aber schlechter und ein bisschen ausgenutzt, weil ich dafür weder ein „Danke“ noch ein Lächeln bekommen habe. Trotzdem soll mich sowas nicht abschrecken, denn dass nicht alle sofort nett reagieren, nur weil man es selbst ist, gehört wohl auch dazu.

Samstag

Ich habe, freundlich wie eh und je, einen Kuchen für meine Mitbewohnerin und mich gebacken. Aber ausnahmsweise wurde dieses Mal bei den Nachbar*innen geklingelt und geteilt. Außerdem mache ich seit meiner Kindheit das erste Mal wieder bei „Weihnachten im Schuhkarton“ mit. Ein Projekt, bei dem man einen Schuhkarton mit Spielzeugen, Kleidung und Süßigkeiten für ein Kind aus einer armen Region zu Weihnachten packt. Es macht so viel Spaß, die Kiste zu packen und sich auszumalen, wie sich ein fremdes Kind über die Geschenke freut.

Sonntag

Mit einer Freundin lasse ich die sieben Tage „Kindness“ ausklingen, indem wir Müll auf der Straße sammeln gehen. Ich dachte, das wäre in Greifswald schwer, aber ich werde enttäuscht. Nach 20 Minuten müssen wir schon wieder umkehren, weil wir die zwei, mit dem buntesten Abfall und prall gefüllten Mülltüten kaum noch tragen können. Es liegt einfach so viel rücksichtslos Weggeschmissenes herum. Beim Sammeln wurden wir außerdem komisch von den Passant*innen beäugt – warum denn? Das ist doch eine gute Tat, warum wird uns nicht mehr Dankbarkeit entgegengebracht? Und weil ich weiß, dass auf den Greifswalder Straßen und Wiesen noch so viel Müll liegt, bin ich motiviert, auch nach dieser Woche weiterzusammeln.

Das Fazit

Sowieso hat mir diese Woche gezeigt, dass „nett“ sein nicht schwer ist. Ich bin zwar schon vorher davon ausgegangen, recht nett zu sein, aber noch genauer darauf zu achten hat ein größeres Bewusstsein geschaffen und mir gezeigt: Da geht noch mehr! Ich versuche in Zukunft noch großzügiger mit netten und aufmerksamen Worten zu sein und vielleicht traue ich mich auch öfter, Fremden ein Kompliment zu machen. Ich möchte mehr Menschen anlächeln und häufiger Türen aufhalten. Es muss nicht immer materiell sein, aber Freund*innen öfter eine kleine Aufmerksamkeit zu machen, nehme ich mir auch vor. Denn (Achtung, Kitschalarm): Das Lächeln, dass du aussendest, kehrt zu dir zurück. Oder so ähnlich. Also, probiert doch mal aus, noch freundlicher zu sein – so schlimm ist es nicht.

Beitragsbild: Lilli Lipka
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