von Archiv | 12.06.2007
Vom 6.6. bis 8.6.2007 fand in Heiligendamm der diesjährige G8-Gipfel der führenden sieben Industrienationen und Russland statt.
Ein Bericht über den Gipfel, dessen Ursprung und Bedeutung und ein Land mit geteilten Reaktionen.
Als sich 1975 die damaligen sechs größten Volkswirtschaften trafen, um im französischen Schloss Rambouillet am Kaminfeuer über finanzpolitische Themen zu sprechen, konnte niemand ahnen, was eines Tages aus dieser Gruppe werden würde: Über drei Dekaden hat sich aus dem Gipfel, der ursprünglich vollkommen ohne Anteilnahme der Bevölkerung und Presse auskam, eine feste Institution entwickelt, die abseits von Parlamentarismus, politischer Fassade und Bürokratie über weltpolitische Themen diskutiert. Der Gipfel war geplant als inoffizielles Treffen von Leuten, die die politischen Zwänge ihrer Regierungen ablegen und direkt und ohne politische Rhetorik Probleme erörtern wollten.
Heute ist der Gipfel ein öffentlich und politisch fest integriertes Forum und wird längst national für politische Wahlkampagnen benutzt, beispielsweise von unserer Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel, die vor dem diesjährigen G8-Treffen angekündigt hat, bei der Klimaschutzpolitik mit dem US-amerikanischen Präsidenten George W. Bush zu einem Konsens zu gelangen.
Im Laufe der Zeit hat der Gipfel alle Länder und Staaten dieser Erde, aber auch sich selbst, großen Veränderungen unterworfen. Ursprünglich gedacht, um Finanz- und Währungsfragen zu klären, hat der Gipfel, beispielsweise, damals noch G6, beschlossen, dass der US-amerikanische Dollar zur Leitwährung avanciert, an den alle anderen Währungskurse gekoppelt werden. Als die Vereinigten Staaten gegen Vietnam in den Krieg zogen und der Dollarkurs rapide sank, hielt der Gipfel daran fest. 1978 beschloss der Gipfel, damals schon G7, mit Sitzungsort in Bonn, einen Plan zur Ankurbelung der Weltwirtschaftskonjunktur.
Der Gipfel hat unsere Umwelt und unser Leben in einem Maße geprägt, dass es nicht mehr möglich ist, einzuschätzen, wie es ohne die Treffen der großen Acht um uns stünde. Nichtzuletzt haben die informellen Treffen auch dabei geholfen, das weltpolitische Klima zu entspannen und Streitigkeiten oder gar Kriege präventiv zu verhindern.
Bei allen Vorteilen und positiven Veränderungen in der Welt sieht sich der G8-Gipfel jedoch auch massiver Kritik gegenüber, denn die Hauptargumente, die für den Gipfel sprechen, sind in den Augen der Protestanten und Widersacher auch dessen größte Nachteile.
So sind die Gegner des Gipfels gegen die fortschreitende Globalisierung oder die zum Teil skrupellose Behandlung von Schwellen- und Entwicklungsländern. Auch gerade das Informelle, das Diskutieren ohne politische Zwänge und Presse wird heftig kritisiert, da, so die G8-Gegner, ein Treffen, dass die Politik von mehr als der Hälfte der Welt bestimmt, öffentlich sein müsse.
In der Tat ist es nicht möglich, zu erfahren, worüber die Teilnehmer des Gipfels sprechen, da sämtliche Informationen, die über das Treffen nach außen gelangen, gefiltert werden und die jeweiligen Sprecher im Konsens der Gruppe agieren. Die Möglichkeit besteht also, dass auch moralisch fragwürdige oder politisch nicht zu vertretende Themen ihre Position im Gipfel finden, ohne dass die Bevölkerung davon erfährt.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Gruppenmitgliedschaft, bzw. die Berechtigung der derzeitigen Mitglieder, der Gruppe anzugehören. Gemäß der Gruppendefinition, die besagt, dass die G8 aus den derzeit führenden Wirtschaftsmächten besteht, müsste Kanada von Spanien ersetzt werden. Außerdem gibt es eine Reihe von Ländern, die sich entsprechend ihres Bruttoinlandsproduktes vor Russland befänden. Ebenso hat China bereits Italien und Kanada überholt. Da die Gipfelpräsidentschaften aber bereits bis 2015 gesetzt sind, stellt sich die Frage, inwieweit diese selbstgesetzte Definition noch legitim ist.
Der diesjährige Gipfel wurde von der deutschen Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel geführt und fand in Heiligendamm statt, einem kleinen Kurort an der Ostsee, in der Nähe von Rostock.
Die großen Diskussionsthemen waren Klimawandel, Hilfe für Afrika und das Raketenabwehrsystem der USA, aber auch kleinere Themen wie Marktpiraterie und Hedge-Fonds wurden behandelt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat es sich zum vorrangigen Ziel gesetzt, bei der Klimaschutzpolitik mit den übrigen G8-Mitgliedern, vor allem aber mit den Vereinigen Staaten von Amerika zu einer Lösung zu kommen. Das Ergebnis dieses Ziels bezeichnet sie selbst als großen Gewinn, wird von öffentlichen Medien jedoch kaum ernst genommen. Der Konsens besteht darin, dass die G8-Länder versuchen wollen, die CO2-Emissionen bis 2050 um die Hälfte zu reduzieren. Außerdem solle dies unter dem Dach der Vereinten Nationen geschehen, wogegen sich die USA bisher gesträubt haben.
Die Hilfe für Afrika fiel dagegen präziser aus: Insgesamt 60 Milliarden US-Dollar sollen von den G8-Ländern aufgebracht werden, um Aids, Malaria und Tuberkulose zu bekämpfen. Dabei soll die Hälfte des Betrages von den USA aufgebracht werden, während sich Deutschland mit vier Milliarden Euro beteiligt.
Begleitet wurde der Gipfel von einem Alternativgipfel, der von großen Organisationen und Verbänden wie beispielsweise Attac, Gerechtigkeit jetzt! oder der katholischen Kirche organisiert wurde. Dieser Gipfel, der parallel zum G8-Gipfel stattfand, beschäftigte sich kritisch mit Fragen der aktuellen Politik und der Umwelt, lud ein zu Workshops und Diskussionen, aber auch zu Vorlesungen und Vorträgen.
Ebenfalls parallel zum G8-Gipfel fand die Aktion ?Block G8!? statt, die es sich zum Ziel setzte, durch das gezielte und friedliche Blockieren von Zufahrtsstraßen das Stattfinden des Gipfels zu verzögern oder gar zu verhindern.
Der Alternativgipfel und die Blockaden wurden von der Öffentlichkeit geteilt aufgenommen. Auf der einen Seite wurden die friedlichen Kundgebungen und Proteste hervorgehoben, die sich sachlich fundiert und angemessen mit Themen aktueller Brisanz beschäftigten. Auf der anderen Seite wurde die unnötige Gewalt der vermummten Autonomen und der Polizei scharf kritisiert. Letztere haben, gemäß Presse, stark dazu beigetragen, dass sich der schwarze Block bilden und mit Steinen bewaffnen konnte. Außerdem wird der Polizei vorgeworfen mit übertriebener Brutalität gegen Aktivisten vorgegangen zu sein, die Straßen oder Wasserzufahrtswege blockiert haben. Die Gewalt und Konfliktbereitschaft des schwarzen Blocks hat dazu geführt, dass sich Dachorganisationen wie Attac inzwischen öffentlich von gewaltbereiten Autonomen distanzieren. Im Zuge der Auseinandersetzungen sah sich auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble der Kritik ausgesetzt. Ihm vorgeworfen wurde, bereits im Vorfeld die Eskalationen provoziert zu haben. Vor Beginn des G8-Gipfels warnte er in den Medien vor der autonomen Gewalt und traf massive Sicherheitsvorkehrungen. Allein der Absperrzaun um Heiligendamm kostete mehr als 12,5 Millionen Euro.
Insgesamt ist der G8-Gipfel 2007 sehr durchwachsen verlaufen. Die Beschlüsse und Entscheidungen, die getroffen wurden, waren zum Teil das, was man sich erhofft hatte, konnten aber mitunter kaum an die allgemeinen Erwartungen heranreichen. Die Präsidentschaft von der Bundeskanzlerin Merkel rückte umweltpolitische Themen in den Vordergrund und erzielte Ergebnisse, die an sich kaum im politischen Fokus der G8 standen. Auch die alternativen Aktionen zum G8-Gipfel, wie beispielsweise der ?Alternativgipfel?, das Konzert ?Deine Stimme gegen Armut? oder die J8, zeigten, dass die Öffentlichkeit an der Politik der führenden Industriemächte Anteil nimmt.
Im Herbst will Angela Merkel nach Japan reisen, um eine politische Übergabe der Aufgaben und Pflichten für den G8-Gipfel im kommenden Jahr zu gewährleisten. Denn nachdem dieses Jahr einige Beschlüsse, die vor allem Afrika und den Schwellen- und Entwicklungsländer helfen werden, gefasst wurden, bleibt abzuwarten, inwieweit sich die G8-Nationen an die Tagung in Heiligendamm erinnern und den begonnenen Prozess fortführen werden.
Geschrieben von tw
von Archiv | 08.06.2007
Was ist überhaupt Athos? Und wo befindet er sich? Das sind Fragen, die von Europäern derzeit nicht oft gestellt werden. Außer einigen Ausnahmen, hat man selbst den Name Athos noch nie gehört. Seit mehr als 1.000 Jahren liegt der faszinierende Ort im Norden Griechenlands. Er liegt so nah, und trotzdem weiß man so wenig über ihn, obwohl er heutzutage ein Teil der europäischen Union ist.
Der heilige Berg Athos ist vor allem das Zentrum des griechisch-orthodoxen Mönchtums. Seit mehr als tausend Jahren versuchen die ?schwarzen Engel? in ihren Klöstern, Gott so nahe wie möglich zu kommen. Für die Christen des orthodoxen Bekenntnisses ist der Heilige Berg auch von großer Bedeutung – es ist ein spirituelles Zentrum ihrer Religion.
Auf dem Heiligen Berg befinden sich zwanzig Klöster, die das Zuhause für etwa anderthalb tausend Mönche sind. Das Gebiet, auf dem sich die Klöster befinden, ist ein autonomes Gebiet innerhalb Griechenlands. Es wird oft als Mönchsrepublik bezeichnet und befindet sich auf der gleichnamigen Halbinsel Chalkidiki, die übrigens für ihr umfangreiches touristisches Angebot bekannt ist.
Wurzeln der europäischen Kultur
Nicht allein für die Orthodoxie, sondern gerade für die ganze europäische Kultur ist Athos von sehr großer Bedeutung. Auf dem Berg befindet sich die weltweit größte Sammlung byzantinischer Ikonen, deren Tradition bis in das Hochmittelalter zurückreicht. Die orthodoxen Kirchen wurden mit einer Unzahl von Fresken geschmückt. Die Raritäten sind zudem die uralten Manuskripte, die sich in den dortigen zahlreichen Bibliotheken befinden. Dank ihnen kann man beobachten, wie sich die europäische Kultur entwickelt hat.
Es ist noch ein wichtiger Aspekt zu nennen, warum der Athos für den zeitgenössischen Europäer von großer Bedeutung ist. Seine Geschichte spiegelt nämlich gleichzeitig die komplizierte europäische Geschichte wider. Die bewaffneten Konflikte, die Zeit des Friedens und des Wohlstandes, die Kontaktaufnahmen zwischen dem westlichen und östlichen Kulturkreis auf dem Athos stattfanden, sagen uns heute viel über die Bildung unserer europäischen Identität. Durch diese Konfrontation kann jeder sein eigenes „Ich“ neu entdecken.
Reise in eine andere Zeit
Wer von einer Zeitreise träumt, kann hier sich den Wunsch erfühlen. Es gilt hier nämlich der julianische Kalender, was zur Folge hat, dass jeder Pilger, der die Grenze des Athos überschreit, dreizehn Tage zurückgeht! Es geht aber über diese Erscheinung weiter hinaus: das alte System der Zeitmessung setzt voraus, dass der Tag mit dem Sonnenuntergang beginnt (Null Uhr). Der Besucher des heiligen Berg muss sich also abgewöhnen, dass der folgende Tag um Mitternacht beginnt.
Marias Garten
Ein weiterer Name, der dem Athos zugewiesen wird, lautet „Marias Garten“. Warum gerade diese Bezeichnung? Es liegt daran, dass die Mönchsrepublik wunderschön gelegt ist. Wie schon erwähnt, liegt der Athos auf einer Halbinsel, was zur Folge hat, dass ihn von drei Seiten das azurblaue, ägäische Meer umgibt. An der Südost-Spitze der Halbinsel befindet sich ein Berg, der mit seinen 2.033 Metern Höhe der höchste Punkt der Ägäis ist. Außerdem ist die ganze Insel mit wuchernder Pflanzenwelt bewachsen, was nicht oft in Griechenland vorkommt. Es ist deswegen, weil das Klima auf dem Heiligen Berg etwas kühler als im Süden ist.
Alles das schafft eine bezaubernde Atmosphäre, die jeden beeindrucken wird. Wie die Legende besagt, gefiel sie sogar der Mutter Gottes. Maria war auf dem Athos im Jahre 49 nach Christus. Es war ein Zufall – sie war auf dem Weg nach Zypern, als das Gewitter ausbrach und das Schiff anlegen musste. Maria war aber so von diesem Ort begeistert, dass Sie Gott bat, ihr dieses Flecken Erde zu schenken. Die Stimme aus dem Himmel antwortete ihr: “Dieser Ort soll Dir gehören und Dir als Paradiesgarten dienen. Und auch allen, die Hilfe brauchen, als Hafen“. Seit dieser Zeit wird der Athos „Marias Garten“ genannt.
Das Leben auf dem Athos
Nicht ohne Grund wird der Heilige Berg oft als „andere Welt“ bezeichnet. Vor allem gibt es hier kein Platz für Frauen. Seit dem 11. Jahrhundert gilt für sie ein Zutrittsverbot. In der tausendjährigen Geschichte dieses Ortes gab es nur vier Fälle, die diese Regel verletzt haben. Sie ist so restriktiv, dass auch selbst weibliche Tiere von diesem Verbot betroffen sind. Diese Regel gilt auch heute, so dass alle Besucher des Heiligen Berg die Möglichkeit haben, eine Welt ohne Frauen zu erleben.
Der Athos ist nach außen geschlossen und obwohl er zur Europäischen Union gehört, muss jeder Pilger ohne Ausnahme ein Visum bekommen, um den Athos besuchen zu können. Es heißt Diamonitrion und wird nur hundert fünfzig Personen pro Tag erteilt. Zehn davon bekommen Männer, die sich zu anderer Konfessionen als der Orthodoxie bekennen. Dies ist vielleicht eine kontroverse Verordnung, aber dank dessen ist der Heilige Berg, wie zum Beispiel die Metéora-Klöster, kein touristisches Zentrum geworden und hat seinen spirituellen Charakter nicht verloren. In der Mönchsrepublik gibt es keine Hotels oder Strassen, in unserem Sinne. Die zwei, einzigen „Städte“ heißen Karyes und Dafne. Die Hauptstadt von Athos, Karyes, ist eigentlich ein kleines Dorf, wo sich ein paar Gebäude und eine Kirche befinden. Dafne, der Haupthafen besteht aus vier Gebäude und dem Kai. Das Leben auf dem Heiligen Berg läuft in den Mauern mittelalterlicher Klöster. Dort leben und arbeiten Mönche, und dorthin wollen alle die Pilger.
Weihrauch und tiefer Gesang
Die wichtigste Aufgabe der Mönche ist das Gebet. Von Kopf bis Fuß in schwarz gekleidet, beten sie inbrünstig beinahe ununterbrochen. Aus diesem Grund sprechen sie gewöhnlich nicht mit den Pilgern. Diese Aufgabe übernimmt einer von den Mönchen, der die Rolle des Gastgebers erfüllt. Er ist der Einzige, der den Innenraum orthodoxer Kirchen den Pilgern zeigt. Für Protestanten und Katholiken – und vor allem für die Bekenner anderer Religionen – ist der erste Besuch in den Kirchen Athos’ ein großes Erlebnis. Von jeder Wand und sogar Decke werden die Besucher von den schweigenden Gesichtern vieler Heiligen beobachtet, die vor vielen Jahren gemalt wurden. Überall gibt es Goldornamente und die Ikonen befinden sich sogar auf den großen Kronleuchtern. Die Kirchen beeindrucken den Besucher insbesondere während der Messe, wenn sie mit dem Geruch des Weihrauchs und mit dem tiefen Gesang der Mönche erfüllt sind. Alle Teilnehmer des Gottesdienstes, der sogar sechs Stunden dauern kann, sind in permanenter Bewegung: Sie küssen Ikonen, knien und verbeugen sich. Diese Bewegungen sowie Musik, Geruch und Ausstattung der Kirchen bleiben für lange Zeit in der Erinnerung der Pilger.
Entschieden besonders
Der Heilige Berg Athos ist eine Besonderheit im weltweiten Sinne. Es gibt keinen anderen Ort auf der Welt, wo die Zeit so sehr wie auf dem Athos stehen geblieben ist. Nur hier kann man die vergessene aber faszinierende Atmosphäre des Mittelalters erleben. Man hat die Möglichkeit, die zeitgenössische Welt aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Das ist die Eigenschaft, die über die Besonderheit des Heiligen Berges entscheidet und die das Interesse vieler Menschen anzieht. Auch mich hat sie während meines Besuchs in der Mönchsrepublik bewegt. Möge dieser Ort seinen Charakter so lange wie möglich bewahren und immer mehr Leute etwas über ihn erfahren. Auch in Greifswald.
Aus dem Polnischen übersetz von Joanna Sulikowska
Geschrieben von Lukasz Fajfer
von Archiv | 08.06.2007
David Finchers Kinofilm „Zodiac“
Eine Obsession bezeichnet in der Psychologie eine mit Angst verbundene Zwangsvorstellung. David Finchers Obsession sind seine Protagonisten. Der Karikaturist Robert Graysmith (Jake Gyllenhaal), der Journalist Paul Avery ((Robert Downey jr.) und der Polizist Dave Toschi (Mark Ruffalo) geraten in den Bann des „Zodiac“-Killers, der in den späten 60er Jahren den US-Staat Kalifornien mit mehrere Morden in Atem hielt. Der Fall ist bis heute nicht aufgeklärt. Die drei Männer opfern Jahre ihres Lebens, um die Identität des Serienmörders zu enthüllen. Ihre Leidenschaft und Besessenheit für den Serienmörder wird für sie selbst zur Gefahr und spiegelt den eigenen Narzissmus wieder. Der Zodiac zerstört Menschenleben und der Karikaturist Graysmith sich beinahe selbst. Er verbeißt sich in nicht belegbare Indizien und wird deren Opfer. Seine Mitstreiter haben sich Jahre später von ihm abgewandt und begnügen sich mit einem wieder etwas ruhiger gewordenen Alltag. Nicht so der engagierte Zeichner. Der Zodiac-Killer lässt ihm keine Ruhe, alles dreht sich um ihn. Und nun hat der medienverliebte Psychopath auch erreicht, was er wollte – einen Film, der jetzt von Regisseur David Fincher realisiert wurde.
Geschrieben von Judith Küther
von Archiv | 07.06.2007
Am vergangenen Samstag lud David Puchert, Autonomer Referent für Queer- und Genderangelegenheiten des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA), ab 20 Uhr zur Nacht der Solidarität auf den Greifswalder Marktplatz ein. Mit der gut zweistündigen Veranstaltung setzte er zusammen mit fünfzehn anderen Mitstreitern um Solidarität und Toleranz für die mit Aids infizierten Menschen. ?Es ging uns um Aufmerksamkeit, Appell und Aufklärung?, so Puchert. ?Die Leute haben auf jeden Fall geschaut. Angenommen hat es der größte Teil.?
Bundesweit wird die Nacht der Solidarität Aktionsbündnis gegen Aids organisiert. Seit zwei Wochen ist Studierendenschaft der Universität auf Beschluss des Studierendenparlamentes (StuPa) Mitglied des Bündnisses. Mit einem Aufsteller und Informationsmaterial erfolgte die Aufklärung. Jugendliche und junge Paare erhielten zudem Kondome. ?Aufgefallen sind wir gut?, sagt der Autonome Referent. ?Mit manch einem sind wir so ein bisschen ins Gespräch gekommen.? Dabei sei Zustimmung für diese Demonstration deutlich geworden. Denn derzeit leben allein im südlichen Afrika über 25 Millionen infizierte Menschen.
von Archiv | 07.06.2007
Kolumne – Am 6.6. fanden im Raum um Heiligendamm herum Sitzblockaden statt, um Zufahrtsstraßen zu blockieren. Über das Leid von Demonstranten, für politische Aktionen bestraft zu werden.
Heute, Mittwoch, der 6.6.2007, ist der Tag, an dem ich mir vorgenommen habe, aktiv gegen die Politik der G8-Staaten zu demonstrieren und mich auf den Weg zu machen, um an Sitzblockaden teilzunehmen.
Ursprünglich sollte mein Weg zum Flughafen Laage führen, aber ich bin spontan zu den Besetzungen der Zufahrtsstraßen Heiligendamms gewechselt. Der Anfahrtsweg war problematisch: Nach einer kurzen Bahnfahrt wurde gelaufen, dann per Anhalter gefahren, dann noch mehr gelaufen. Zwischendurch mehrere Gepäck- und Personenkontrollen, böse Blicke und dunkle Vorahnungen. Außerdem Polizisten, die an meiner Wasserflasche rochen und schauten, ob ich nicht vielleicht Benzin transportieren würde. Diesen Spaß gönnte ich ihnen aber nicht.
In meiner vorigen Kolumne habe ich das allgegenwärtige Prinzip der zwei Gesichter angesprochen: Das Eine, dass sich ständig der Gefahr bewusst ist und das Andere, dass vorgibt, im Recht zu sein, oder zumindest besseres Wissen leugnet und ignoriert. Die Anfahrt war exakt in diesem Sinne. Jeder Polizist, der mich oder meine Begleiter fragte, wohin wir denn gingen, bekam stets die gleiche Antwort: ?Wir gehen zur Mahnwache!?. Die Mahnwache war eine genemigte Kundgebung in der Nähe der zweiten Sicherheitszone Heiligendamms, die nur dazu diente, die Demonstranten zu sammeln. Obwohl alle genau wussten, dass diese Scheinkundgebung keinen einzigen Demonstranten binden würde, wurden wir dennoch von dutzenden Polizisten gefragt. Wir gingen Zufahrtsstraßen blockieren. Das wusste ich, das wussten die, das wusste die ganze Welt. Aber die Polizei hat gemäß ihrer Order gehandelt und alle Gefragten haben brav geantwortet.
Haben Sie schon einmal im Fernsehen Videoaufnahmen eines Demonstranten gesehen, der einen Schuss eines Wasserwerfers abgekommt und dann schnellstmöglich das Weite sucht? Haben Sie sich in diesen Momenten nicht auch immer gefragt, wo eigentlich gerade das Problem ist? Warum bleibt er nicht einfach stehen, lässt sich nassspritzen und gibt den Kamerateams und seinen Kumpels eine gute Figur ab? Heute habe ich die Antwort gefunden. Ich habe gesehen, wie ein Wasserstrahl in der Lage ist, Menschen quer durch die Felder zu schießen, wie er Bäume kahlrasiert und wie das im Wasser enthaltene Reizmittel jeden Getroffenen zu Schmerzschreien und Bewegungslosigkeit verdammt.
Es ist auch keineswegs so, dass die Sitzblockaden so harmonisch aussehen, wie es möglicherweise im Fernsehen oder in anderen Medien dargestellt wird. Sitzblockaden sind ein Knochenjob, um den ich niemanden beneide. Und wenn die Polizisten ihre Warnung drei Mal ausgesprochen haben und beginnen, die Blockade zu räumen, dann darf man sich mehr als glücklich schätzen, wenn der Polizist seiner Aufgabe wie gelernt nachkommt und darauf verzichtet, auf den Protestanten einzuschlagen, einzutreten oder ihn anderweitig zu misshandeln. All dies war heute zu sehen, all dies mussten Menschen heute über sich ergehen lassen.
Was treibt einen Menschen dazu, sich solchen Qualen und Strapazen auszusetzen? Was treibt ihn immer wieder auf Aktionen, bei denen er für seine politische Willensverkündung gezwungen ist, ununterbrochen vor der Polizei zu flüchten und schlimmstenfalls nebst körperlicher Züchtigung eine Haftstrafe und ein hohes Bußgeld zu kassieren? Bei einigen wird sicher die Gier nach Adrenalin und Gewalt eine Rolle spielen. Zumindest den ersten Punkt kann ich bei mir bestätigen: Über ein Feld zu rennen und 100 schwarzgekleidete Polizisten hinter sich zu wissen, die einen verfolgen, während zehn Meter über einem neun Kampfhubschrauber der Bundeswehr kreisen, ist ein Gefühl, dass nicht eintritt, wenn man morgens eine neue Packung Cornflakes aufreißt.
Ein weiterer und, wie ich vermute, gewichtigerer Grund ist wohl der, dass viele Demonstranten tatsächlich einen ausgeprägten Hass gegenüber der unveränderlichen und rückschrittlichen Politik der G8-Länder entwickelt haben und nicht einsehen, dass auf ihrem Rücken eine Welt zugrunde gerichtet werden soll. Und wenn politische Missstände so massiv werden, dass selbst persönliche Misshandlungen und schwere Strapazen billigend in Kauf genommen werden, wie kann eine Regierung dann noch die Augen verschließen? Wie kann sie sich Polizei- und Medienberichte ansehen und gleichzeitig den nächsten Gipfel planen und nicht daran denken, ihre Politik wenigstens ein wenig einzulenken?
Ich glaube nicht, dass irgendeine Regierung dieser Welt in der Lage ist, über viel mehr als zehn Dekaden zu überstehen, wenn sie sich nicht hin und wieder mit Grundsatzreformen verjüngt. Die Geschichte hat dies gezeigt, die Zukunft wird es belegen. Wenn unsere Regierung nicht endlich auf die zehntausenden Demonstranten aus aller Welt reagiert und soziale, politische wie ökologische Probleme als solche begreift, wird es eines Tages unvermeidlich zu einer Umwälzung politischer und sozialer Schichten kommen. Diesen Punkt müssen wir nicht erreichen, wir haben noch Chancen. Noch ist Zeit, auf unser Land positiv einzuwirken und es zu formen, damit es nicht dem gleichen Schicksal entgegentritt, wie schon so viele Länder zuvor.
Es ist Zeit zu handeln.
Geschrieben von tw