Vom 6.6. bis 8.6.2007 fand in Heiligendamm der diesjährige G8-Gipfel der führenden sieben Industrienationen und Russland statt.
Ein Bericht über den Gipfel, dessen Ursprung und Bedeutung und ein Land mit geteilten Reaktionen.

Als sich 1975 die damaligen sechs größten Volkswirtschaften trafen, um im französischen Schloss Rambouillet am Kaminfeuer über finanzpolitische Themen zu sprechen, konnte niemand ahnen, was eines Tages aus dieser Gruppe werden würde: Über drei Dekaden hat sich aus dem Gipfel, der ursprünglich vollkommen ohne Anteilnahme der Bevölkerung und Presse auskam, eine feste Institution entwickelt, die abseits von Parlamentarismus, politischer Fassade und Bürokratie über weltpolitische Themen diskutiert. Der Gipfel war geplant als inoffizielles Treffen von Leuten, die die politischen Zwänge ihrer Regierungen ablegen und direkt und ohne politische Rhetorik Probleme erörtern wollten.
Heute ist der Gipfel ein öffentlich und politisch fest integriertes Forum und wird längst national für politische Wahlkampagnen benutzt, beispielsweise von unserer Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel, die vor dem diesjährigen G8-Treffen angekündigt hat, bei der Klimaschutzpolitik mit dem US-amerikanischen Präsidenten George W. Bush zu einem Konsens zu gelangen.
Im Laufe der Zeit hat der Gipfel alle Länder und Staaten dieser Erde, aber auch sich selbst, großen Veränderungen unterworfen. Ursprünglich gedacht, um Finanz- und Währungsfragen zu klären, hat der Gipfel, beispielsweise, damals noch G6, beschlossen, dass der US-amerikanische Dollar zur Leitwährung avanciert, an den alle anderen Währungskurse gekoppelt werden. Als die Vereinigten Staaten gegen Vietnam in den Krieg zogen und der Dollarkurs rapide sank, hielt der Gipfel daran fest. 1978 beschloss der Gipfel, damals schon G7, mit Sitzungsort in Bonn, einen Plan zur Ankurbelung der Weltwirtschaftskonjunktur.
Der Gipfel hat unsere Umwelt und unser Leben in einem Maße geprägt, dass es nicht mehr möglich ist, einzuschätzen, wie es ohne die Treffen der großen Acht um uns stünde. Nichtzuletzt haben die informellen Treffen auch dabei geholfen, das weltpolitische Klima zu entspannen und Streitigkeiten oder gar Kriege präventiv zu verhindern.

Bei allen Vorteilen und positiven Veränderungen in der Welt sieht sich der G8-Gipfel jedoch auch massiver Kritik gegenüber, denn die Hauptargumente, die für den Gipfel sprechen, sind in den Augen der Protestanten und Widersacher auch dessen größte Nachteile.
So sind die Gegner des Gipfels gegen die fortschreitende Globalisierung oder die zum Teil skrupellose Behandlung von Schwellen- und Entwicklungsländern. Auch gerade das Informelle, das Diskutieren ohne politische Zwänge und Presse wird heftig kritisiert, da, so die G8-Gegner, ein Treffen, dass die Politik von mehr als der Hälfte der Welt bestimmt, öffentlich sein müsse.
In der Tat ist es nicht möglich, zu erfahren, worüber die Teilnehmer des Gipfels sprechen, da sämtliche Informationen, die über das Treffen nach außen gelangen, gefiltert werden und die jeweiligen Sprecher im Konsens der Gruppe agieren. Die Möglichkeit besteht also, dass auch moralisch fragwürdige oder politisch nicht zu vertretende Themen ihre Position im Gipfel finden, ohne dass die Bevölkerung davon erfährt.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Gruppenmitgliedschaft, bzw. die Berechtigung der derzeitigen Mitglieder, der Gruppe anzugehören. Gemäß der Gruppendefinition, die besagt, dass die G8 aus den derzeit führenden Wirtschaftsmächten besteht, müsste Kanada von Spanien ersetzt werden. Außerdem gibt es eine Reihe von Ländern, die sich entsprechend ihres Bruttoinlandsproduktes vor Russland befänden. Ebenso hat China bereits Italien und Kanada überholt. Da die Gipfelpräsidentschaften aber bereits bis 2015 gesetzt sind, stellt sich die Frage, inwieweit diese selbstgesetzte Definition noch legitim ist.

Der diesjährige Gipfel wurde von der deutschen Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel geführt und fand in Heiligendamm statt, einem kleinen Kurort an der Ostsee, in der Nähe von Rostock.
Die großen Diskussionsthemen waren Klimawandel, Hilfe für Afrika und das Raketenabwehrsystem der USA, aber auch kleinere Themen wie Marktpiraterie und Hedge-Fonds wurden behandelt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat es sich zum vorrangigen Ziel gesetzt, bei der Klimaschutzpolitik mit den übrigen G8-Mitgliedern, vor allem aber mit den Vereinigen Staaten von Amerika zu einer Lösung zu kommen. Das Ergebnis dieses Ziels bezeichnet sie selbst als großen Gewinn, wird von öffentlichen Medien jedoch kaum ernst genommen. Der Konsens besteht darin, dass die G8-Länder versuchen wollen, die CO2-Emissionen bis 2050 um die Hälfte zu reduzieren. Außerdem solle dies unter dem Dach der Vereinten Nationen geschehen, wogegen sich die USA bisher gesträubt haben.
Die Hilfe für Afrika fiel dagegen präziser aus: Insgesamt 60 Milliarden US-Dollar sollen von den G8-Ländern aufgebracht werden, um Aids, Malaria und Tuberkulose zu bekämpfen. Dabei soll die Hälfte des Betrages von den USA aufgebracht werden, während sich Deutschland mit vier Milliarden Euro beteiligt.

Begleitet wurde der Gipfel von einem Alternativgipfel, der von großen Organisationen und Verbänden wie beispielsweise Attac, Gerechtigkeit jetzt! oder der katholischen Kirche organisiert wurde. Dieser Gipfel, der parallel zum G8-Gipfel stattfand, beschäftigte sich kritisch mit Fragen der aktuellen Politik und der Umwelt, lud ein zu Workshops und Diskussionen, aber auch zu Vorlesungen und Vorträgen.
Ebenfalls parallel zum G8-Gipfel fand die Aktion ?Block G8!? statt, die es sich zum Ziel setzte, durch das gezielte und friedliche Blockieren von Zufahrtsstraßen das Stattfinden des Gipfels zu verzögern oder gar zu verhindern.

Der Alternativgipfel und die Blockaden wurden von der Öffentlichkeit geteilt aufgenommen. Auf der einen Seite wurden die friedlichen Kundgebungen und Proteste hervorgehoben, die sich sachlich fundiert und angemessen mit Themen aktueller Brisanz beschäftigten. Auf der anderen Seite wurde die unnötige Gewalt der vermummten Autonomen und der Polizei scharf kritisiert. Letztere haben, gemäß Presse, stark dazu beigetragen, dass sich der schwarze Block bilden und mit Steinen bewaffnen konnte. Außerdem wird der Polizei vorgeworfen mit übertriebener Brutalität gegen Aktivisten vorgegangen zu sein, die Straßen oder Wasserzufahrtswege blockiert haben. Die Gewalt und Konfliktbereitschaft des schwarzen Blocks hat dazu geführt, dass sich Dachorganisationen wie Attac inzwischen öffentlich von gewaltbereiten Autonomen distanzieren. Im Zuge der Auseinandersetzungen sah sich auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble der Kritik ausgesetzt.  Ihm vorgeworfen wurde, bereits im Vorfeld die Eskalationen provoziert zu haben. Vor Beginn des G8-Gipfels warnte er in den Medien vor der autonomen Gewalt und traf massive Sicherheitsvorkehrungen. Allein der Absperrzaun um Heiligendamm kostete mehr als 12,5 Millionen Euro.
Insgesamt ist der G8-Gipfel 2007 sehr durchwachsen verlaufen. Die Beschlüsse und Entscheidungen, die getroffen wurden, waren zum Teil das, was man sich erhofft hatte, konnten aber mitunter kaum an die allgemeinen Erwartungen heranreichen. Die Präsidentschaft von der Bundeskanzlerin Merkel rückte umweltpolitische Themen in den Vordergrund und erzielte Ergebnisse, die an sich kaum im politischen Fokus der G8 standen. Auch die alternativen Aktionen zum G8-Gipfel, wie beispielsweise der ?Alternativgipfel?, das Konzert ?Deine Stimme gegen Armut? oder die J8, zeigten, dass die Öffentlichkeit an der Politik der führenden Industriemächte Anteil nimmt.
Im Herbst will Angela Merkel nach Japan reisen, um eine politische Übergabe der Aufgaben und Pflichten für den G8-Gipfel im kommenden Jahr zu gewährleisten. Denn nachdem dieses Jahr einige Beschlüsse, die vor allem Afrika und den Schwellen- und Entwicklungsländer helfen werden, gefasst wurden, bleibt abzuwarten, inwieweit sich die G8-Nationen an die Tagung in Heiligendamm erinnern und den begonnenen Prozess fortführen werden.

Geschrieben von tw