Glücklich ohne Smartphone?

Glücklich ohne Smartphone?

Ein Leben ohne Smartphone – für die meisten Menschen heute unvorstellbar. Und auch für mich war es das vor sechs Monaten noch.

Doch dann ist mir meines vor einem halben Jahr in die volle Badewanne gefallen. Zuerst kam Panik auf: Schnell Reis holen, um mein geliebtes Handy trocknen zu lassen. Zwei Tage ungeduldiges Warten, nach denen sich nur herausstellen sollte, dass der Akku kaputt ist und aufgrund des Designs auch nicht ausgetauscht werden kann. In diesem Moment stieg die Angst in mir auf: Wie soll ich jetzt kommunizieren? Was ist mit all meinen Daten? Habe ich sie auch wirklich alle auf meiner SD-Karte gesichert? Ich beschloss, dass ich mir so schnell wie möglich ein neues Handy besorgen musste. Wie sollte ich sonst mein Leben geregelt kriegen?

Aber dann habe ich mich an etwas erinnert: Dass ich mir irgendwann mal vorgenommen habe, dass ich gerne ausprobieren möchte, wie es ist, nur ein Tastenhandy zu haben. Zum einen aus Nachhaltigkeitsgründen, weil Tastenhandys viel länger halten und weil die Produktion von Smartphones sowohl sozial als auch ökologisch eine Katastrophe ist. Durch die Herstellung von Smartphones werden Unmengen an Ressourcen und seltenen Rohstoffen – wie Gold, Silber und Kobalt – verbraucht, die irgendwann zur Neige gehen werden und aufgrund des Designs oft nur schwer zu recyceln sind. Dabei setzen Bergarbeiter ihr Leben aufs Spiel und bewaffnete Konflikte, wie in der demokratischen Republik Kongo, werden immer weiter verschärft. In anderen Ländern werden bei der Herstellung Menschen giftigen Chemikalien ausgesetzt. Ebenso bei der Entsorgung und beim Recycling von alten Smartphones. Die Herstellung von Smartphones verbraucht außerdem große Mengen an Energie und hat deswegen einen hohen CO2-Ausstoß. Und die Liste der Probleme ließe sich noch weiter führen. Natürlich gibt es Alternativen, zum Beispiel das Kaufen von gebrauchten Handys oder Fairphones. Ich habe für meinen Teil entschieden, dass ich all das nicht mehr unterstützen will. Außerdem habe ich schon lange gemerkt habe, wie süchtig und abhängig ich von meinem Handy bin. Und wie sehr mich das ständige Erreichbarsein und immer-alles-nachgucken eigentlich auch stresst. Wie viel Zeit ich mit Herumdaddeln verbringe. Zeit, die ich eigentlich viel lieber für andere, erfüllendere Dinge nutzen möchte.

Sicherlich gibt es ein paar kleine und größere Herausforderungen, wenn man sich für ein Leben ohne Smartphone entscheidet. Die erste kam bei mir dann auch direkt zwei Tage, nachdem ich auf ein Tastenhandy umgestiegen bin. Mein erster Urlaub ohne Smartphone und dann direkt eine größere Fahrt. Eine Radtour in einem Land, in dem ich die Sprache nicht kann, zusammen mit Freund*innen, An- und Abreise alleine. Schon vor der Reise musste ich an mehr denken als sonst mit Smartphone. Das hat sich aber auch ganz wunderbar abenteuerlich angefühlt: Die Zugtickets mussten ausgedruckt und der Reisefahrplan aufgeschrieben, das ausgedruckte Impfzertifikat mit eingepackt werden, sowie natürlich mein alter MP3-Player, den ich aus einer Schublade wieder hervorgekramt habe. Unterwegs war es dann sehr gut, dass ich Freund*innen dabei hatte, die Unterkünfte und Wege nachgucken konnten. Auch um mich selbst sicherer zu fühlen. Mittlerweile würde ich mir aber auch zutrauen, alleine ohne Smartphone zu reisen, zumindest innerhalb von Europa. Denn die größte Herausforderung bestand die ganze Zeit nur in meinem Kopf. Das Gefühl, ohne Smartphone völlig aufgeschmissen und hilflos zu sein, weil man nicht mehr alles sofort nachgucken kann. Durch die Reise habe ich gemerkt, dass das gar kein Problem ist. Dass man ohne Smartphone nicht völlig hilflos in der Welt umherirrt. Dass es kein Problem ist, wenn man die Wege nicht am Handy nachschauen kann und dass man sich mit anderen Menschen auch ohne Google Übersetzer verständigen kann. Auch wenn man nicht die gleiche Sprache spricht. Das zu merken, ist ein wirklich gutes Gefühl. Vor allem im Vergleich zu vorher, als es mich immer schon mit leichter Panik erfüllt hat, wenn ich mein Handy nur mal versehentlich zu Hause liegen gelassen habe, während ich eine Stunde lang in der Stadt unterwegs war.

Es ist aber tatsächlich manchmal etwas schwierig, kein Google Maps mehr unterwegs nutzen zu können. Das ist, glaube ich, auch die Sache, die mir am meisten fehlt. Ich schreibe mir jetzt jedes Mal die Wege vorher auf, wenn ich an einem neuen Ort alleine unterwegs bin. Meistens funktioniert das sehr gut. Manchmal habe ich mich auch trotzdem verlaufen. Ich habe dadurch aber einen viel besseren Orientierungssinn bekommen, weil ich mir besser merke, wo ich bin. Und ich habe gemerkt, dass das gar nichts Schlimmes ist, sich zu verlaufen. Man entdeckt neue Orte, an die man sonst nicht gekommen wäre. Ich hatte auch immer sehr schöne Erlebnisse und komme viel häufiger mit Menschen ins Gespräch, weil ich sie nach dem Weg frage. Alle sind bis jetzt immer super lieb und hilfsbereit gewesen und ich wurde sogar schon ein paar Mal bis zu dem Ort begleitet, an den ich musste. Und die meisten Menschen freuen sich ebenfalls, wenn sie einem helfen können und ein kurzes, nettes Gespräch haben.

Ein paar andere, manchmal etwas nervige Punkte ohne Smartphone sind: Man kann keine Fotos unterwegs machen. Tippen am Tastenhandy dauert viel länger als am Smartphone. Und es macht die ganze Corona- und Testsituation noch ein bisschen aufwendiger. Aber es ist auch heutzutage nicht unmöglich, ohne Smartphone zu leben, auch wenn sich das häufig so anfühlt, so lange man eines besitzt. Und vor allem gibt es für alles eine Lösung, wenn man ein bisschen kreativ ist: Fotos von Freund*innen machen lassen oder mit einer Kamera. Telefonieren statt tippen. Ausdrucken statt digitale Dokumente. Und bis auf die paar genannten Dinge fehlt mir auch nichts in meinem Leben. Die allermeisten Sachen kann ich noch genauso wie vorher zu Hause über meinen Laptop machen und Musik höre ich unterwegs wieder über meinen MP3-Player. Der einzige Unterschied ist, dass ich vieles nicht mehr ständig und von unterwegs aus machen kann. Das ist bestimmt nicht für jede*n etwas und sicherlich ist einiges wirklich ein bisschen komplizierter.

Aber für mich überwiegen die unglaublich vielen positiven Aspekte gegenüber den genannten Kleinigkeiten. Zusätzlich zu den oben genannten Nachhaltigkeitsaspekten fühle mich viel entspannter dadurch, dass ich nicht ständig über so viele Wege erreichbar bin. Über Anruf und SMS erreichen mich nur die für den Moment wirklich notwendigen Nachrichten. Außerdem habe ich wirklich viel mehr Zeit dadurch, dass ich nicht mehr ständig am Handy hänge. Diese fülle ich mit neuen Hobbys. Manchmal nutze ich sie auch einfach nur, um entspannt mit einem Tee dazusitzen und aus dem Fenster zu schauen. Und ich bin produktiver geworden innerhalb der letzten sechs Monate. Zum einen ebenfalls auch die frei gewordene Zeit. Und zum anderen, weil ich meine Arbeit nicht mehr ständig durchs Handy unterbreche. Ich mag es auch wirklich gerne, coole Begegnungen mit Menschen zu haben, nur weil ich sie nach dem Weg oder nach der Uhrzeit frage. Ich nutze auch mein eigenes Gedächtnis wieder viel mehr, weil ich nicht mehr alles jederzeit nachschauen kann. Deswegen speichere ich Öffnungszeiten, Wege und anderes wieder viel mehr in meinem Kopf ab. Und ich bin generell viel unabhängiger. Ich bin nicht mehr aufgeschmissen, wenn mein Akku leer ist und ich mein Ladekabel nicht dabei habe. Und ich habe nicht mehr ständig den Moment, dass ich mehrmals täglich mein Handy suche, weil ich es mal wieder an einem abwegigen Ort abgelegt habe. Außerdem habe ich das Gefühl, dass ich wieder viel bewusster im Moment lebe. Wenn ich mich mit Freund*innen treffe, dann beschäftige ich mich wirklich den ganzen Abend mit ihnen. Ich lasse mich nicht von Nachrichten von anderen Menschen ablenken, die ich zu einem späteren Zeitpunkt genauso gut lesen und beantworten kann. Wenn ich einen Spaziergang im Wald mache, dann bin ich wirklich zu hundert Prozent da und genieße die Natur um mich herum. Ich kann dann nicht noch schnell nachschauen, ob ich eine neue Mail von der Uni habe. Morgens nach dem Aufwachen stehe ich entweder direkt auf oder träume noch kurz in den Tag und hänge nicht zuerst an meinem Handy. Und abends lese ich lieber noch kurz in einem Buch und schlafe dann entspannt ein.

Ich habe nach diesen sechs Monaten absolut kein Bedürfnis mehr, zum Smartphone zurückzukehren, auch wenn so alles manchmal ein bisschen komplizierter und aufwendiger ist. Aber ich bin auch viel zufriedener, entspannter und ausgeglichener und habe ein gutes Gewissen.

Hier noch ein paar spannende Beiträge zum Thema Smartphones:

Artikel von Kirstin Seitz: umgekrempelt: Eine Zeit ohne Handy

Beitrag vom Bayerischen Rundfunk: Smartphone-Sucht: Wenn das Handy das Leben übernimmt

Eine Dokumentation über den Abbau von Mineralien im Kongo, die für die Herstellung von Smartphones benötigt werden: Blood In The Mobile (ganzer Film auf Englisch)

Artikel vom ZDF: „Fast Phone“ das dreckige Geschäft mit unseren Smartphones

Greenpeace Report: 10 Jahre Smartphone

Artikel vom Umweltbundesamt: Tipps für den richtigen Umgang mit Smartphones und Tablets

Beitragsbild: Leonie Vogelsang

Gemeinsam gegen den Klimawandel: CO2-Neutralität bis 2030 an der Universität Greifswald

Gemeinsam gegen den Klimawandel: CO2-Neutralität bis 2030 an der Universität Greifswald

Seit einem Monat ist es nun offiziell: Am 15.09.2021 beschloss der Akademische Senat der Universität Greifswald die letzten drei Punkte der Klimaschutzstrategie, die für unsere Uni eine CO2-Neutralität bis 2030 vorsieht. Die ersten beiden Unterziele des Beschlusses, die fest­legen dass und bis wann die Neutralität umgesetzt werden soll, wurden bereits auf der Junisit­zung des Senats angenommen. Wir haben beim Nachhaltigkeitsbeauftragten nachgefragt, was genau sich seitdem geändert hat und was die Neurungen für uns Studierende bedeuten.

Während im Juni, trotz breiter Zustimmung für eine Klimaschutzstrategie, noch einige Bedenken in Bezug auf die Umsetzung geäußert werden, fällt die Debatte am 15. September doch überraschend kurz aus: Frau Dr. Juliane Huwe und Herr Dr. Tiemo Timmermann führen in wenigen Sätzen die seit der Junisitzung beschlossenen Neuerungen an, Hannes Damm stellt eine Nachfrage, es wird geantwortet, dann abgestimmt. Nach gerade einmal 9 Minuten ist alles vorbei. Kurz und schmerzlos. Die letzten Worte der Sitzungsleitung wirken nach den vielen Jahren aus umfassenden Planungen und Verhandlungen fast schon etwas unzeremoniell: „Dann möchte ich den erweiterten Senat fragen, ob jemand nicht dafür stimmt? Enthaltungen? Sehe ich keine. Vielen Dank. Damit ist das Ganze angenommen.“

Was bisher geschah…

Denn es war ein langer Weg bis zu diesem finalen Beschluss. Schon 2012 wurde im Leitbild unserer Universität der Wunsch geäußert, klimaneutral zu werden, sechs Jahre später wurde dieser Wunsch dann auch als konkretes Ziel in den “Leitlinien zur Umsetzung des Ziels CO2-neutrale Universität” festgehalten. So versuchte die Uni bereits vor der aktuellen Klimaschutzstrategie unnötige Emissionen zu vermeiden, und immer wieder wurden in den universitären Gremien Anträge gestellt, die weitere CO2-Reduzierungen fördern sollten.

Mit dem Beschluss im Juni dieses Jahres gibt es nun auch endlich ein Datum, das die festgelegten Leitlinien in einen genauen zeitlichen Rahmen zwängt und damit hoffentlich auch den Druck erhöhen kann, das Vorhaben CO2-Neutralität ohne weitere Umschweife anzugehen. Während im ursprünglichen Antrag von der Nachhaltigkeitskom­mission noch 2035 als Frist gesetzt worden war, stellte Hannes Damm auf der Senatssitzung den Änderungsantrag, diese auf 2030 herabzusetzen. Mit Erfolg. Damals sprachen wir bereits mit Hannes über die Klimaschutzstrategie und über die Hintergründe seines Antrags. Die Nachhaltigkeitskommission wollte – in Rücksprache mit Rektorat und Pressestelle – zunächst mit einer Stellungnahme bis nach der Septembersitzung des Senats warten.

September’s Not So Far Away

September bricht an, der Senat tagt und wir sind gespannt. Nach wenigen Minuten ist das, worauf wir Monate gewartet haben, auch schon wieder vorbei. Beinahe wünscht man sich eine Gegenrede, immerhin wurde doch auch im Juni noch Kritik geäußert, dass die CO2-Neutralität bis 2030 nur schwer umzusetzen sei. Auch der Nachhaltigkeitsbeauftragte Dr. Tiemo Timmermann, mit dem wir nach der Septembersitzung sprechen, zeigt sich positiv überrascht. Beide Ziele, sowohl 2030 als auch 2035, seien durchaus ehrgeizig. Dass man sich dennoch mit einer breiten Zustimmung auf die Strategie geeinigt hat, setze ein deutliches Zeichen, wie wichtig es unserer Uni ist, einen Beitrag gegen den Klimawandel zu leisten. “Es zeigt, wie stark der Wunsch an der Universität verankert ist, jetzt mit dem Klimaschutz wirklich schnell voran zu gehen”, so Timmermann.

Aber wie schnell geht die Universität Greifswald wirklich voran? Immerhin sind andere Universitäten Deutschlands schon längst klimaneutral, darunter zum Beispiel die Leuphana Universität Lüneburg, die bis zur Umsetzung des Ziels nur 7 Jahre brauchte. Und wie groß ist der Wunsch, unsere Uni CO2-neutral zu gestalten, auch unter den nicht-studentischen Mitgliedern der Universität? Der Änderungsantrag auf 2030 wurde vom Promotionsstudenten Hannes Damm eingereicht, während sich gerade unter der Statusgruppe der Professor*innen und unter Mitarbeiter*innen der Verwaltung Zweifel zeigten. Timmermann räumt ein, dass unsere Ambitionen natürlich nicht mit denen einer Leuphana Universität oder der Hochschule Eberswalde mithalten können, doch anders als wir haben beide Hochschulen von Anfang an alle Aspekte des universitären Lebens im Sinne eines “Whole Institution Approaches” auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz ausgerichtet. Im gesamtdeutschen Vergleich sehe das aber anders aus: Hier haben sich bisher noch nicht einmal 10% aller Universitäten Ziele für Klimaneutralität gesetzt, sodass Greifswald sich mit dem aktuellen Beschluss zu den Vorreiterinnen zählen kann. Auch für die Bedenken der nicht-studentischen Mitglieder hat Timmermann Verständnis. So sei es nicht verwunderlich, dass sich bei Menschen, die seit Jahren in Lehre, Leitung oder Verwaltung einer Hochschule tätig sind, offene Fragen auftun, wie an einer so komplexen Institution in nur 9 Jahren ein solch umfangreiches Ziel umgesetzt werden könne. Timmermann möchte die Skepsis der Beteiligten aber nicht nur negativ sehen: “Sie kann auch hilfreich sein und uns motivieren, gerade die besonders kniffligen Punkte systematisch anzugehen.”

Epilog in Mehrautor*innenschaft

Dass Greifswald nicht die erste Universität sein wird, die sich das Ziel der Klimaneutralität vornimmt, bietet aber auch durchaus Vorteile. So möchte man sich im Laufe des Oktobers in einem ersten Auftakttreffen mit dem HIS-Institut für Hochschulentwicklung e.V. zusammensetzen und, basierend auf den Erfahrungen anderer Hochschulen, über konkretere Maßnahmen beraten. Ein wichtiger Grundsatz dabei sei aber, so Timmermann, “dass ein nachhaltiger und effektiver Klimaschutz, insbesondere an Hochschulen, nicht einfach ‘top down’ vorgegeben werden kann”. So müssen die besonderen Bedingungen jedes einzelnen Handlungsfeldes der Universität für eine effektive Treibhausgasreduzierung mit einbezogen werden. Bereits jetzt wurden auf Grundlage von Einwänden aus der Universitätsverwaltung kleinere Änderungen an der Klimaschutzstrategie vorgenommen. So wurde die Anzahl der geplanten Arbeitsgruppen von 6 auf 5 reduziert, um die Arbeitsbelastung nicht ausufern zu lassen. Damit entfällt die AG Ernährung und Veranstaltungsmanagement, ihre Aufgaben sollen aber, so wurde es auf der Senatssitzung im September versichert, von den anderen Gruppen aufgefangen werden. Zudem wurde in der Strategie der wichtige Zusatz ergänzt, dass es sich bei allen hier aufgeführten Maßnahmen lediglich um Vorschläge handelt. Erst in den nächsten Wochen und Monaten und nach weiteren Arbeitstreffen mit dem HIS und den ersten Sitzungen der Arbeitsgruppen kann in gemeinsamen Entscheidungen ein Kurs eingeschlagen werden. Denn, das betont Timmermann immer wieder, “alle Akteur*innen an der Hochschule mit ihren jeweiligen Sichtweisen, Erwartungen, Möglichkeiten, Bedenken, bahnbrechenden Ideen, etc. sollen gut und mit gegenseitigem Respekt an einem Strang ziehen”.

Inwieweit Studierende auf diesem Kurs mitnavigieren sollen, steht noch nicht genau fest, nur dass sie beteiligt sein werden, ist “selbstverständlich und notwendig im Sinne eines breiten partizipativen Prozesses”. Auch weiterhin besteht seitens der Nachhaltigkeitskommission der Wunsch, dass Studierende direkt an den neuen Arbeitsgruppen beteiligt werden, auch wenn die genauen Rahmenbedingungen noch nicht festgelegt wurden. Unter den aktuell vorgesehenen maximal 10 Mitgliedern in einer AG sollen demnach ein*e Studierende*r und ein*e Vertreter*in von Scientists4Future sitzen. Aber auch darüber müsse noch offen und transparent diskutiert werden, zum Beispiel innerhalb der Nachhaltigkeitskommission. An dieser Stelle ruft Timmermann auch alle Studierenden zur Einbringung auf: Es sei jederzeit möglich, sich mit Wünschen und Vorschlägen direkt an ihn und die Nachhaltigkeitskommission zu wenden. Auch für Studierende, die selbst weitere Bedenken oder ungeklärte Fragen haben, kann die Kommission eine erste Ansprechpartnerin sein. Denn “auch hier gilt: Miteinander reden ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Zusammenarbeit!”

Die aktuellste Version der Klimaschutzstrategie findet ihr hier.
Über diesen Link gelangt ihr außerdem zur Webseite der Nachhaltigkeitskommission.
Der Nachhaltigkeitsbeauftragte Dr. Tiemo Timmermann ist unter tiemo@uni-greifswald.de zu erreichen.

Beitragsbild: Julia Schlichtkrull

In 9 Jahren zur 0-Bilanz: CO2-Neutralität 2030 an der Universität Greifswald

In 9 Jahren zur 0-Bilanz: CO2-Neutralität 2030 an der Universität Greifswald

Im Artikel 2 des Pariser Klimaabkommens ist es festgehalten: Jedes Land ist dazu verpflichtet, Anstrengungen zu unternehmen, um die Klimaerwärmung auf nicht mehr als 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu halten. Für Deutschland bedeute das eine Klimaneutralität bis 2027, höchstens 2030. Angesetzt ist von der aktuellen Bundesregierung 2045, also nach jetzigem Stand mehr als ein Jahrzehnt zu spät. Unsere Universität will mit besserem Beispiel vorangehen.

Gehaltvoller als Knäckebrot

Fast drei Monate ist es nun her, dass der erweiterte Senat unserer Universität eine CO2-Neutralität bis 2030 beschlossen hat. Ursprünglich war in dem Antrag noch 2035 vorgesehen, also eine jährliche Reduzierung von 7,1 Prozent, da das alte Rektorat eine Reduzierung von 10 Prozent für unrealistisch erachtete. Hannes Damm wagte dennoch den Versuch und stellte den Änderungsantrag, 2035 auf 2030 runterzusetzen und damit die 7,1 Prozent auf 11,1 Prozent zu erhöhen. „Gerade die [Studierenden und Hochschulangehörigen] sehe ich als Akteur*innen, die da vorangehen müssen, um den anderen, die skeptischer sind, eben zu beweisen: Hey, es geht“, sagte der Physik-Promo­tionsstudent im Interview mit webmoritz. „Das heißt nicht, dass wir nicht mehr lehren können oder dass wir alle nur noch Knäckebrot essen müssen, sondern es heißt einfach, dass das funktionie­ren kann und dass wir auch Forschung dafür machen, dass es funktioniert.“

Im Senat appellierte er vor allem an die Statusgruppe der Professor*innen, die in ihrer Lehrfunktion zuallererst den Studierenden verpflichtet sind. Und Klimapolitik ist Jugendpolitik. Was für ältere Generationen nur in den Anfängen spürbar sein wird, werden wir in ganzer Linie erfahren. Am Ende sorgte Hannes’ Rede zwar nicht für eine große Zustimmung – die Stimmen für den Änderungsantrag lagen nur knapp über den Gegenstimmen – aber es genügte doch zumindest, damit sich ein großer Teil der Anwesenden enthielt.

Dabei ist das Ziel, klimaneutral zu werden, für unsere Universität bei weitem keine neue, bahnbre­chende Idee. Schon 2012 hieß es im Abschnitt „Menschen und ihre Institutionen“ aus dem damals festgelegten Leitbild unserer Uni:

„Alle in der Universität tätigen Menschen benötigen für eine erfolgreiche Arbeit gute äußere Bedingungen […] Sie [die Universität] will CO2-neutral werden. Die Administration versteht sich als Dienstleister der Wissenschaft und fördert unter effizientem Einsatz aller universitären Ressour­cen die nachhaltige Entwicklung zu einer umweltgerechten und barrierefreien Universität.“

Leitbild der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald (10. Oktober 2012)

Am 18. Juli 2018 bekannte sich der Senat schließlich zu den „Leitlinien zur Umsetzung des Ziels CO2-neutrale Universität“, die das im Leitbild festgehaltene Vorhaben konkretisieren sollten. Die Leitlinien lieferten zwar noch keine genaueren Maß­nahmen, legten aber zumindest fest, dass alle Gremien und sonstigen Zuständigkeitsbereiche der Universität gemeinsam den Klimaschutz fördern und an der Vermeidung unnötiger Emissionen mitwirken sollen. Als Ideenanregungen wurden damals bereits die Einsparung bei Ressourcen, Materialien und Technologien genannt, ein niedriger CO2-Ausstoß bei Exkursionen und Dienstrei­sen sowie eine möglichst klimafreundliche Flächenbewirtschaftung der universitätseigenen Liegen­schaften. Konkrete Zahlen für die Zielsetzung gaben die Leitlinien noch nicht mit.

AGs vs. CO2

Der im Juni beschlossene Antrag geht nun endlich etwas mehr ins Detail. Da einige Werte, wie zum Beispiel der exakte aktuelle CO2-Ausstoß unserer Uni, noch nicht ermittelt wurden, einigte sich der Senat darauf, zunächst Punkte 1 und 2 des Antrages zu beschließen, und für Punkte 3 bis 5 bis zur kommenden Senatssitzung am 15. Sep­tember zu warten. Konkret bedeutet das: Alle relevanten Akteur*innen (Unileitung, Verwaltung, Fakultäten, Studierendenschaft) müssen in die Umsetzung der Klimaschutzstrategie mit einbezogen werden, der aktuelle Stand soll in einem großen Monitoring im Turnus von drei Jahren erfasst werden (Punkt 1). Und die CO2-Neutralität soll bis 2030 bei einer jährlichen Reduzierung von 11,1 Prozent er­reicht werden, wobei sämtliche direkte und indirekte Emissionen aus Strom und Wärme, Dienst­reisen, Materialbeschaffung und ähnlichem berücksichtigt werden, aber auch die Bewirtschaftung der universitären Flächen (Punkt 2).

Auf die Septembersitzung verschoben wurden somit die Maßnahmenvorschläge für die einzelnen Handlungsfelder Betrieb/Verwaltung, Steuerung/Governance, Forschung, Lehre und Transfer. Dazu zählt auch die Einrichtung von sechs verschiedenen Klimaschutz-Arbeitsgemeinschaften, die ein Kernelement der Strategien darstellen. Die AGs sollen auch für uns Studierende eine direkte Ein­bringungmöglichkeit bieten, denn neben Mitgliedern aus Nachhaltigkeitskommission, Rektorat und Universitätsmedizin sind auch Plätze für Studierende, Wissenschaftler*innen (wie zum Beispiel Scientists4Future) oder andere Externe vorgesehen. Zwei- bis dreimal im Jahr sollen sich die ein­zelnen AGs treffen und über die weiteren Schritte beraten. Durch diese Verteilung sollen die Schnittstellen und damit ineffiziente Doppelstrukturen möglichst klein gehalten werden. Außerdem hält sich so der Arbeitsaufwand für alle Beteiligten in Grenzen, was der Schaffung neuer Stellen vorbeugen könnte.

1. AG SteuerungskreisAufgabenpriorisierung und -verteilung, Monitoring, Berichterstattung, Kompensation, Finanzierung, Personal, Fortbildung, Hochschulpolitik
2. AG Energie & GebäudeEnergie, Strom, Wärme, Kälte, Wasser, nachhaltiges Bauen, Instandhaltung, Kampagnen und Befragungen zu Themen wie Homeoffice
3. AG Campus & LändereienManagement und entsprechende CO2-Reduzierung bei den Ländereien und auf dem Campus
4. AG Mobilität, IT & LogistikDienstreisen, Fuhrpark, Exkursionen, Arbeitswege, Lieferung, Infrastruktur, Digitalisierung, Endgeräte, E-Mobilität, Befragungen
5. AG Beschaffung & VergabeBüromaterial, Dienstleistungen, Druckerzeugnisse, klimaneutraler Versand, Recyclingpapier, Beschaffungsleitlinien, Müll
6. AG Ernährung & VeranstaltungsmanagementMensa, Catering, Auslandsaufenthalte

Trotz geäußerter Kritik am Verwaltungsaufwand, den die Klimastrategie mit sich bringen würde, und einem kurzen Disput über die Gültigkeit der Abstimmung zum Änderungsantrag, zeigte sich die Meinung des Senats im finalen Ergebnis deutlich: Niemand stimmte gegen die Klimaschutz­strategie, nur wenige enthielten sich. „Es war eine sehr eindeutige Entscheidung am Ende für die Gesamtstrategie 2030“, sagt Hannes, „und da bin ich auch ein bisschen stolz drauf.“

Mit Fläche zum Erfolg

Trotz aller Euphorie stellt sich die Frage, ob es sich bei dem beschlossenen Antrag nicht am Ende nur um ein gut gemeintes Wunschdenken handelt. Auch auf der Senatssitzung vom Juni wurden Zweifel geäußert: Obwohl das Leitbild 2012 bereits Klimaneutralität vorsah, konnte unsere Uni in den letzten zehn Jahren keine nennenswerten Einsparungen in den Bereichen Wärmeenergie und Mobilität erzielen. Das in den nächsten zehn Jahren so drastisch zu ändern, könnte sich schwierig gestalten.

Dieser Skepsis gegenüber stehen jedoch die sehr guten Voraussetzungen, die unsere Universität hat, wenn sie nur richtig genutzt würden. Neben noch unausgeschöpften Einsparungen durch Gebäude­sanierungen oder die Schaffung von mehr erneuerbarer Energie, zum Beispiel über Photovoltaik­anlagen auf universitären Dächern, bergen vor allem die universitätseigenen Flächen ein riesiges Potential. „Die Universität Greifswald ist die größte Flächeneigentümerin an Universitäten überhaupt in Deutschland“, erklärt uns Hannes. „Aber damit geht eben auch eine Verantwortung für die Flächen einher, jedenfalls nach meiner Überzeugung. Da sind viele trockengelegte Moorflächen dabei, da sind Waldflächen dabei […] Wir haben teilweise auch nasse Moore, die in einem ganz guten Zustand sind. Das Ökosystem darfst du nicht unterschätzen.“ Eine wichtige Rolle werden dabei die universitären Wälder spielen, die als sehr effiziente Kohlenstoffsenke fungieren, aber auch die vielen Moorflächen. Von denen ist ein großer Teil zurzeit allerdings noch trockengelegt. Hier werden also weitere Forschungen in der Paludikultur und Gespräche mit den Eigentümer*innen notwendig, um zu zeigen, dass Moor auch nass bewirtschaftet werden kann.

Andere Maßnahmen werden auch direkt für uns Studierende spürbar sein. Bereits jetzt laufen Verhandlungen mit Stadt und Land zum Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und auch die Fahr­radinfrastruktur soll weiter verbessert werden. Das Voranbringen der Digitalisierung wird ein wich­tiger Faktor sein sowie eine Umstellung im Essensangebot der Mensen auf weniger fleischhaltige Gerichte. Zudem sollen Angebote geschaffen werden, die unternommenen Strategien der nächsten Jahre auch wissenschaftlich von Studierendenseite zu begleiten, so zum Beispiel in Form von Abschlussarbeiten. Wer als Studierende*r direkt mitmischen will, kann sich an die hochschulöffent­lich tagende Nachhaltigkeitskommission wenden oder Ideen an die AG Ökologie oder das AStA-Referat für Umweltpolitik und Nachhaltigkeit (asta_oekologie@uni-greifswald.de) weiterleiten. Und hoffentlich dann bald auch an die sechs Klima-AGs.

„Ich bin echt zuversichtlich. Wir stellen uns gerade gut auf als Studierende, da mitreden und mitwirken zu können. Jetzt müssen wir es schaffen, auch an die Umsetzung zu kommen. Und dafür ist es wichtig, dass wir konkrete Ziele haben und dass wir jetzt auch konkrete Maßnahmen ausfor­mulieren und aushandeln.“

Hannes Damm

Der nächste wichtige Schritt dafür wird die kommende Senatssitzung am 15. September sein. Wir haben außerdem bereits im Vorfeld Fragen über den aktuellen Stand der Umsetzung an die Nachhaltigkeitskommission gestellt, allerdings wollte man dort mit einer Stellungnahme bis nach der Senatssitzung warten. Welche Antworten wir erhalten werden und was die Sitzung ergibt, erfahrt ihr nach dem 15. September hier auf dem webmoritz.

Senatssitzung
Wann? 15.09.2021, 13:30 Uhr
Wo? Hörsaal 3/4, Ernst-Lohmeyer-Platz 6

Beitragsbild: Franziska Schlichtkrull

Leuchtturmprojekt GreenOffice – Lernen von der CO2 neutralen Leuphana Universität Lüneburg

Leuchtturmprojekt GreenOffice – Lernen von der CO2 neutralen Leuphana Universität Lüneburg

Ein Gastartikel der AG Ökologie

Wir, die Redakteur*innen der moritz.medien, machen uns natürlich auch weiterhin Gedanken über unsere Umwelt und berichten daher in einem zweiten Teil unserer Nachhaltigkeitskolumne über weitere Themen, Tipps und Gedanken, damit ihr euer Leben (noch) nachhaltiger gestalten könnt. Inwiefern Nachhaltigkeit innerhalb des universitären Rahmens umsetzbar ist, besprachen Vertreter*innen der AG Ökologie.

Als Arbeitsgruppe GreenOffice der AStA-AG Ökologie haben wir im Februar und März den Austausch mit der Leuphana Universität in Lüneburg gesucht. In zwei Gesprächen haben wir uns mit dem Dekan Hendrik von Wehrden und der Geschäftsführerin Fabienne Gralla der Nachhaltigkeitsfakultät sowie mit der Nachhaltigkeitsbeauftragten Irmhild Brüggen darüber ausgetauscht, wie unsere Universitäten Nachhaltigkeit umsetzen.

Besonders im Fokus stand dabei die geplante Gründung eines studentisch geführten Nachhaltigkeitsbüros, dem GreenOffice in Greifswald. Die Leuphana Universität ist seit 2014 klimaneutral und denkt den Aspekt der ökologischen Nachhaltigkeit in allen Bereichen mit. Bis dahin war es ein langer Weg. Im Gespräch legte Hendrik von Wehrden uns nahe, Nachhaltigkeit nicht als zu erreichendes Ziel, sondern als Prozess zu verstehen. Auch unsere Universität befindet sich mitten in diesem Prozess und will unter anderem bis 2035 klimaneutral werden. Nachhaltigkeit ist allerdings nicht auf CO2-Neutralität zu beschränken, sondern muss transdisziplinär gedacht und umgesetzt werden. Irmhild Brüggen betonte, wie wichtig es sei, dezentral zu denken, aber lokal zu handeln. Dazu müssen die Institutionen und Menschen vor Ort effektiv zusammenarbeiten.

Unser Greifswalder GreenOffice soll als Schnittstelle zwischen Stadt und Universität fungieren und den Wissenstransfer vorantreiben. Diese Funktion macht das GreenOffice Greifswald zu etwas Besonderem und begeisterte im Gespräch. Irmhild Brüggen verglich unser Nachhaltigkeitsbüro mit dem Fallstudienbüro der Leuphana und berichtete von ihren Erfahrungen im Projekt Zukunftsstadt 2030 aus Lüneburg. Das Wissensmanagement und die Kommunikation zwischen Universität, Stadt und Projektpartner*Innen stellt immer wieder eine Herausforderung und gleichzeitig einen zentralen Baustein für das Gelingen von gemeinschaftlichen Projekten dar. Aktuell wird unser GreenOffice auch in der Nachhaltigkeitsstrategie der Stadt Greifswald diskutiert. Im nächsten Schritt gilt es, einen geeigneten Büroraum zu finden, den uns die Universität zur Verfügung stellen kann. Bereits im Sommer 2021 könnte dann das GreenOffice Greifswald als gemeinsames Leuchtturmprojekt gegründet sein und den Prozess der Nachhaltigkeit voranbringen.

Beitragsbild: Annica Brommann
Banner: Jonathan Dehn

Ist Bio Abfall?

Ist Bio Abfall?

Wir, die Redakteur*innen der moritz.medien, machen uns natürlich auch weiterhin Gedanken über unsere Umwelt und berichten daher in einem zweiten Teil unserer Nachhaltigkeitskolumne über weitere Themen, Tipps und Gedanken, damit ihr euer Leben (noch) nachhaltiger gestalten könnt.

20 Jahre Bio-Siegel! Das Logo, welches uns suggerieren soll, dass Produkte nach bestimmten ökologischen Standards erzeugt wurden. Doch wie ökologisch und artgerecht ist die Versprechung “BIO” eigentlich wirklich?

2001 wurde das Bio-Siegel ins Leben gerufen, um den Verbraucher*innen auf den ersten Blick zu verraten, ob das Produkt der Begierde nach EU-Vorschriften im ökologischen Landbau produziert wurde. Doch mittlerweile existieren nicht mehr nur das EU- und Bio-Siegel nach EG-Öko-Verordnung, den Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau. Inzwischen haben sich viele weitere Unternehmen “Bio” auf die Fahne und vor allem auf ihr Logo geschrieben. Demeter, Bioland, Naturland, Biokreis und viele mehr sind heute in den Regalen unserer Supermärkte zu finden.

Aber was muss erfüllt sein, damit mein Müsli als “Bio” gekennzeichnet werden darf?

Für den Anbau von Pflanzen gilt ganz allgemein, dass der Boden fruchtbar sowie das Wasser sauber bleiben und vielfältige Kulturen auf den Äckern wachsen sollen. Um das zu gewährleisten, sind die Bio-Bäuer*innen dazu angehalten, nur bestimmte organische Düngemittel zu nutzen und vom Bio-Recht vorgegebene Fruchtfolgen zu beachten. Dadurch wird festgelegt, welche Reihenflogen die angebauten Pflanzen auf einer Fläche einhalten müssen. Dies soll natürlich der Erhaltung von fruchtbarem Boden dienen. Auch ist vorgeschrieben, dass bereits bei der Anzucht von Pflanzen die Sprösslinge in echtem Boden aufwachsen müssen. Das Ziehen in Mineralwolle, einem nicht nachhaltigen Substrat, in welchem mithilfe von Nährstofflösungen Pflanzenkeimlinge heranwachsen sollen, ist demzufolge verboten. Diese Mineral- beziehungsweise Steinwolle ist nach einmaliger Verwendung nicht weiter nutzbar und muss im Abfall entsorgt werden, da die Reste nicht biologisch abbaubar sind.

Die Bio-Tierhaltung

Die Haltung von Bio-Tieren unterliegt selbstredend ebenfalls besonderen Vorschriften. Grob zusammengefasst wird bei der Tierhaltung darauf geachtet, dass die Tiere mehr Auslauf, Platz und Licht bekommen. Darüber hinaus sollen die Nutztiere eine längere Lebensdauer haben und keine schmerzhaften Eingriffe erfahren, wie zum Beispiel durch das Kupieren von Schwänzen. Dies ist sogar komplett verboten worden.

Über die Sache mit dem Platz hingegen müssen wir noch einmal reden. Zum Beispiel sind für die Haltung von Kühen mindestens 6 qm Stall- und 4,5 qm Außenfläche vorgeschrieben. Allein diese Mindestvorgaben lassen einen schon die Stirn runzeln. Man stelle sich einen ungefähr 2×2 Meter großen Teppich vor und darauf noch die umso größere Milchkuh. Bei diesen Maßen wird schon die Drehung um sich selbst knapp. Viel paradoxer daran ist nur, dass ein Freiland-Huhn fast die gleiche Außenfläche erhalten muss – also 4 qm pro Huhn. Die vergleichsmäßig große Außenfläche verrechnet sich jedoch mit der im Stall, da das Huhn dort mit 6-10 weiteren Artgenossinnen pro Quadratmeter leben muss. Ähnlich beengt leben auch die Bio-Schweine auf 0,8 qm Stall- und 0,6 qm Außenfläche.

Diese Zahlen sind aber natürlich nur Mindestwerte, dementsprechend können die landwirtschaftlichen Betriebe ihren Tieren auch wesentlich mehr Platz bieten. Als Verbraucher*in kann man folglich nur schwer bis gar nicht nachvollziehen, von welchen Höfen die einzelnen Siegel ihre tierischen Produkte beziehen, wie die Tiere dort gehalten worden sind und wie viel Fläche ihnen tatsächlich zur Verfügung stand. Einziger Anhaltspunkt, der einem mehr Aufschluss über die Haltungsformen geben kann, ist das vierstufige Tierwohlsiegel der Initiative Tierwohl.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Damit aber natürlich trotzdem die gegeben Vorschriften eingehalten werden, werden diese kontrolliert. Doch selbst bei den Kontrollen gelten zwischen den verschiedenen Bio-Siegeln unterschiedliche Regelungen darüber, wie oft kontrolliert werden muss. Bei den Siegeln von Naturland, Bioland und Biokreis werden einmal jährlich die Gegebenheiten überprüft. Damit sind diese Label schon Vorreiter, denn alle weiteren Siegel, sogar die der EU, werden entweder nur stichprobenartig begutachtet oder die Kontrollen sind gar nicht erst geregelt.

Sollte man überhaupt noch Bio kaufen?

Ja! Auch wenn die gerade genannten Aspekte zwar ziemlich negativ anmuten lassen, sind Bio-Produkte dennoch eine große Verbesserung, besonders was das Tierwohl angeht. Im Vergleich zur konventionellen Tierhaltung werden hier viel mehr Regelungen zu Gunsten der Nutztiere getroffen. Und auch beim Anbau von Nutzpflanzen sind unzählige Maßnahmen ergriffen worden, um möglichst umweltschonend und trotzdem ertragreich zu wirtschaften.

Bei diesen Faktoren sollte man sich dennoch bewusst sein, dass auch Bio nicht die ultimative Lösung in der Landwirtschaft ist. Trotzdem: Im Vergleich zum konventionellen Anbau stellt der Bio-Anbau eine deutliche Verbesserung dar.

Weitere Infos für euch:

Hier gibt es weitere Infos zum Bio-Siegel.

Mehr zum Bio-Pflanzenanbau findet ihr beim Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung und beim Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft.

Mehr über Bio-Tierhaltung erfahrt ihr ebenfalls beim Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung sowie beim Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft.

Beitragsbild: Elisa Schwertner