Der Fall Nikolas

Der Fall Nikolas

Die Abwahl des ehemaligen AStA-Referenten Nikolas Peter ist innerhalb von wenigen Tagen zum bisher größten Politikum dieser Legislatur des Studierendenparlaments geworden. Wie guter Wille und schlechte Kommunikation die Zusammenarbeit zwischen StuPa und AStA belasten, lest ihr in diesem Erklärungsversuch.

ein Beitrag von Leo Walther, Redakteur des moritz.magazin

Was ist passiert?

Am 30.06.2020 teilt der damalige AStA-Referent für Ökologie und Nachhaltigkeit Nikolas Peter auf seinem privaten Facebook-Account das YouTube-Video „Doku: Die Zerstörung des Corona Hypes“, in welchem der Psychologiestudent Sebastian seine Meinung zum Coronavirus und den damit zusammenhängenden Maßnahmen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich macht. Bis jetzt wurde das Video über 700.000 mal angeklickt. In diesem Video wird der Politik, den Medien und der Wissenschaft vorgeworfen, die Schwere des Virus‘ zu übertreiben, damit die Pharmaindustrie daran verdienen kann (Verweis auf die ARTE-Doku „Profiteure der Angst“), während kritische Stimmen zum Schweigen gebracht würden.

StuPist*innen und Studierende außerhalb der Hochschulpolitik sprechen das StuPa-Präsidium daraufhin auf das Video an. Um ein Debakel wie bei der letzten Personaldebatte um die 24h-Vorlesung und den Rücktritt der AStA-Vorsitzenden aus der letzten Legislatur zu vermeiden, wird Nikolas zu einem Gespräch eingeladen, um etwaige Missverständnisse, was das Teilen des Videos betrifft, auszuräumen. Dieses Gespräch findet am 21.07.2020 statt. Was genau in diesem Gespräch abläuft, ist umstritten, und es gibt unterschiedliche Aussagen beider Gesprächsparteien, was genau gesagt wird. Dazu aber später mehr.

Zum Ende der StuPa-Sitzung, welche am selben Tag stattfindet, bringt Sandra Grubert den Geschäftsordnungsantrag auf Personaldebatte ein, in dem über die Personalie Nikolas Peter diskutiert werden soll. Die Hochschulöffentlichkeit wird ausgeschlossen. Nikolas ist nicht anwesend. Er hat sich entschuldigen lassen, da er am selben Tag zwei große Prüfungen geschrieben hat. Nach Beendigung der Debatte wird die Hochschulöffentlichkeit wiederhergestellt, es gibt kein Statement, was besprochen wurde, und Nikolas wird mit 17 Ja-Stimmen und 3 Enthaltungen abgewählt. Wie sich später herausstellt, lauteten die Vorwürfe: Verbreitung eines holocaustrelativierenden Vergleichs und menschenfeindlicher Inhalte. Das Ergebnis wird Nikolas am nächsten Tag bekannt gemacht.

Kurze Zeit später beginnt per E-Mail eine Diskussion zwischen Nikolas und dem StuPa-Präsidium über den StuPa-Verteiler. Dabei wirft Nikolas dem Präsidium und einigen StuPist*innen vor, ihn absichtlich hintergangen zu haben, indem sie ihn nicht darauf aufmerksam machten, dass seine Abwahl noch am selben Abend stattfinden kann.

„Sagt mir, was mir vorgeworfen wird und lasst uns darüber reden. Die entsprechenden Personen, möchten nicht, dass ich sie kontaktiere. Worum geht es euch hier bitteschön?“
(E-Mail von Nikolas an das Präsidium vom 24.07.2020)

Auch der Vorwurf des Rufmords steht im Raum.

„Von diesen Vorwürfen distanziere ich mich aufs Schärfste und empfinde sie als Angriff gegen meine Person, als Rufmord, Verleumdung und als Demütigung“
(E-Mail von Nikolas an das Präsidium vom 24.07.2020)

 In E-Mail-Antworten und im Interview verteidigt sich das Präsidium, indem es betont, dass es Nikolas eindeutig dargelegt hat, dass es prinzipiell zur Abwahl kommen kann.

„Daraufhin haben wir eben sehr eindeutig klar gemacht, dass natürlich, wenn wir es weitergeben wollen, rein prinzipiell, rein an den Ordnungen festgehalten, an diesem Tag schon die Möglichkeit gäbe, eine Personaldebatte oder eine Diskussion zu diesem Thema anzufangen.“
(Interview der moritz.medien mit dem Präsidium vom 27.07.2020)

Für den 28.07.2020 wurde zur hochschulöffentlichen Aussprache die zweite außerordentliche Sitzung des StuPas in dieser Legislatur einberufen. Nach drei Stunden ausführlicher Debatte wird abgestimmt, ob Nikolas Peter, bis es zu einer Ausschreibung der Stelle und ordentlichen Neuwahlen kommt, das AStA-Referat zumindest in Vakanz wieder besetzten darf. Am Ende wird der Antrag aber mit 8 Nein-Stimmen, 8 Ja-Stimmen und 4 Enthaltungen abgelehnt.

Das Video – Eine Einordnung

Der selbsternannte Verschwörungstheoretiker Sebastian, welcher auf seinem YouTube-Kanal sonst über Chakren und No-Fap-Streaks redet und ernsthaft darüber nachdenkt, ob er in einer Simulation lebt, steht unter anderem der unpolitischen Protestbewegung „Querdenken711“ nahe, welche auf ihren Veranstaltungen Leuten wie „SchrangTV“, einem der größten deutschen Verschwörungstheoretiker, eine Bühne gibt. Sebastians Video ist eine Ansammlung aus Behauptungen und Fakten, welche aus dem Zusammenhang gerissen wurden, beispielsweise dass die Regierung Lockdowns und Maskenpflicht eingeführt hat, als die Ansteckungen bereits wieder abnahmen. Er klärt auch über die falsche und irreführende Verwendung von Maßzahlen wie R0 und die Ansteckungszahlen auf, welche seiner Meinung nach immer in Verhältnisse zur Anzahl der gemachten Tests gesetzt werden muss. Auch taucht die Behauptung auf, dass die Grippe mit dem Coronavirus vergleichbar sei und deswegen nicht die Maßnahmen der Regierung rechtfertigt. Ganz unabhängig davon, ob das stimmt, was zu diesem Zeitpunkt nicht abschließend gesagt werden kann, sind die Maßnahmen der Regierung proaktiv, um die breite Bevölkerung zu schützen und mittlerweile auch zum Großteil wieder zurückgenommen. Wie sinnvoll einige dieser Maßnahmen waren und ob einige zu weit gegangen sind, lässt sich sicherlich diskutieren. Zu Beginn der Pandemie gab es aber schlichtweg zu wenig Informationen, weshalb auch die in die Grundrechte eingreifenden Maßnahamen gerechtfertigt waren. Die Theorie, dass das Virus von der Pharmaindustrie und den von ihnen bezahlten Wissenschaftler*innen gepuscht wird ist ebenfalls fragwürdig. Wenn man mit diesem Mind-Set an die Sache rangeht, wäre der Lockdown und der damit einhergehende Zusammenbruch der Wirtschaft nur schwer zu erklären, würden doch die anderen Lobbygruppen diese Einschränkungen niemals zulassen. Im Video wird der schwedische Weg gelobt, wobei aber vollkommen außen vor gelassen wird, dass es in Schweden deutlich mehr Tote als in den Nachbarländern gab und der für das Krisenmanagement Verantwortliche der schwedischen Regierung Fehler eingestanden hat. Das Video lässt auch Beate Bahner nicht außen vor. Dort kommt der Psychiater Raphael Bonelli zu Wort, der die Einlieferung der Anwältin in eine geschlossene Psychiatrie kritisiert.

Weitere Informationen des RKIs zu Corona-Toten, den Tests und der Interpretation von R0 findet ihr hier.

Das Video beinhaltet noch eine Vielzahl weiterer umstrittener Punkte, seien es fragwürdige Autoritätsbeweise (zum Beispiel der Präsident von Tansania), verschiedenartige Interpretationsweisen von Corona-Toten, Anzweifelungen der Testgenauigkeit und Interviews bei Leon Lovelock und KenFM.

In der E-Mail, in der Nikolas über seine Abwahl informiert wurde, standen aber genau zwei Punkte aus dem Video. Zum einen sei in dem Video ein holocaustrelativierender Vergleich enthalten. Bei Minute 24:36 sagt Sebastian:

„Und das was jetzt kommt ist echt der Hammer. Sachsens Sozialministerin Petra Köpping wollte Quarantäne-Verweigerer in [die] Psychiatrie sperren. Dass ich auf diese Weise wieder an ganz, ganz dunkle Kapitel der deutschen Geschichte erinnert werde, hätte ich wirklich nie für möglich gehalten.“

Darauf folgt ein Ausschnitt aus Bonellis Video, in welchem Pläne der sächsischen Sozialministeriums kritisch betrachtet werden. Quarantäne-Verweigerer*innen können, geschützt vom Infektionsschutzgesetz, unter Zwangsquarantäne in abgeschlossenen Krankenhausstationen gebracht und dort von Polizeikräften bewacht werden. Für diesen Zweck hatte das Ministerium das Freimachen von 22 Betten veranlasst. Bonelli vergleicht das mit dem Missbrauch von Psychiatrien in der Sowjetunion, in welchen Andersdenkende inhaftiert und zum Schweigen gebracht wurden. Der unpassende Holocaust-Vergleich lässt sich hier zwar reininterpretieren, eine Kritik an dem unangebrachten Vergleich mit dem Psychiatriemissbrauch in der Sowjetunion liegt aber näher. Der zweite Punkt sind menschenfeindliche Elemente, welche sich schon deutlich eher finden lassen. Bei Minute 51:25 sagt wiederum der Psychiater Raphael Bonelli:

„Jeder Tote ist zu viel, aber gleichzeitig müssen wir einsehen, dass alle Menschen einmal sterben werden. Und das ist glaub ich eines unserer Grundprobleme, welches unsere Kultur besonders trifft, weil wir eben mit dem Tod nicht mehr besonders gut umgehen können (…) Jeder hat seine Zeit für das Sterben. Wir dürfen auch nicht so tun, als wäre es eine Unterlassungssünde, also man darf niemanden aktiv töten, aber der Virus ist ja kein Mord, der Virus ist ja zum Teil auch eben ein Schicksal. In der Medizin haben wir Ärzte schon lange das Dilemma: Verlängern wir das Leben oder verlängern wir das Sterben? Wir sollen nicht das Sterben verlängern, das Leben aber sehr wohl. Aber wir können das Leben nicht infinitum verlängern (…) Irgendwann müssen wir auch den Kampf um ein Leben aufgeben.“

Die Infektion des Virus als Schicksal abzustempeln, ist definitiv fragwürdig. Jeder Mensch muss in dieser Richtung seine eigene Entscheidung treffen und natürlich hat das Krankenhauspersonal die Pflicht, ihre Patient*innen so gut wie möglich am Leben zu erhalten. Schicksal wäre Corona nur, wenn es keine Chance geben würde, sich zu schützen. Die gibt es aber, indem man beispielsweise Social-Distancing-Regeln einhält. Als Ärzt*in Corona-infizierten Patient*innen nicht zu helfen, ist definitiv eine Unterlassungssünde und ein Bruch des hippokratischen Eides.

Wie die zwei oben beschriebenen Vorwürfe zustandegekommen sind, ist erkennbar. Warum nicht auch andere fragwürdige Stellen ebenfalls mit in der Begründung aufgeführt wurden, wollte mir aufgrund der geheimen Natur der Personaldebatte niemand sagen.

Warum ist all das passiert? – Eine Interpretation der Ereignisse

Möglicherweise ist die Debatte aufgrund eines Missverständnisses im Vorgespräch zwischen Nikolas Peter und dem Präsidium aus dem Ruder gelaufen. Zum Ende des Gesprächs habe Nikolas, so erklärt er immer wieder, damit gerechnet, dass es eine Aussprache über die Inhalte des Videos im privaten Rahmen geben werde. Er habe dahingehend deutlich seine Bereitschaft erklärt und hat in der E-Mail, in welcher er noch nicht über die Abwahl informiert war, darum gebeten, ihm die umstrittenen Punkte zu nennen.

„Danke für die Offenheit im Gespräch heute! Ich würde mir wünschen, dass ihr mir die Punkte aus dem Video schickt, die als kritisch und/oder nicht vertretbar wahrgenommen werden, insbesondere die Stelle mit dem Holocaust-Vergleich.“
(E-Mail von Nikolas an das StuPa-Präsidium vom 22.07.2020)

Deswegen habe er es auch nicht für nötig gehalten, an einem Tag mit zwei großen Prüfungen noch einmal mehrere Stunden in einem Hörsaal zu sitzen. Das Präsidium gibt an, Nikolas im Gespräch definitiv klar gemacht zu haben, dass eine StuPa-Debatte am Abend wahrscheinlich ist. Aus ihrer Sicht habe das Gespräch damit seine Aufgabe erfüllt. Man habe bestätigt, dass das Video nicht aus Versehen geteilt worden war. Nikolas hat, in der Darstellung des Präsidiums, während des Gesprächs ausgesagt, dass er voll hinter dem Video stehe. Nikolas bestreitet, das jemals so gesagt zu haben. Nur einige Punkte hätten ihn zum Nachdenken gebracht, etwa der Umgang mit kritischen Stimmen und die Kommunikation in den Medien. Auf Nachfrage sagt er dazu im Interview:

„Ich beobachte die Entwicklung im Land im Zusammenhang mit Corona und den Umgang damit, die Maßnahmen die angesetzt werden und wie die Kommunikation darüber stattfindet, und was mir da eben aufgefallen ist, oder was ich erschreckend finde, ist, wie mit Kritiker*innen umgegangen wird, also Leute, die eine andere Meinung vertreten.“
(Interview der moritz.medien mit Nikolas vom 24.07.2020)

Als es also ohne ihn zur Debatte und zur Abstimmung kam, habe sich Nikolas hintergangen gefühlt. In seiner E-Mail vom 24.07.2020 schreibt er:

„Ich habe darum gebeten, zuerst ein persönliches Gespräch mit mir über das Video zu führen und darauf vertraut, dass ihr diesen Wunsch respektiert. Dass diese Diskussion noch am selben Abend stattfinden würde, war nie im Gespräch! Ich weiß, dass es nicht in eurer Hand ist, zu entscheiden wer welche Anträge stellt, trotzdem wundere ich mich über dieses Vorgehen? WOZU musste das genau an diesem Tag diskutiert werden. Auf meine Entschuldigung hin meintet ihr ja noch, dass keine Anwesenheitspflicht besteht und ihr meine Entschuldigung gerne weiterleitet… Mehrmalige Hinweise, dass es gut wäre auf die Sitzung zu kommen, gab es nicht! Hätte ich gewusst, dass mein Wunsch völlig unnachvollziehbarer Weise nicht berücksichtigt wird, hätte ich geahnt, dass eine Personaldebatte eröffnet werden würde, hätte ich annähernd für möglich gehalten, was mir vorgeworfen wird, wäre ich auf diese Sitzung gekommen!“
(E-Mail von Nikolas an das Präsidium vom 24.07.2020)

Problematisch ist die Abwahl auch, da Nikolas sein Ehrenamt seit zwei Jahren mit viel Elan führte. Er war beispielsweise an den Vergabekriterien für Pachtflächen der Universität beteiligt, ein Projekt, was in den nächsten Wochen seinen Abschluss findet, und bei welchem sein jetzt gesperrter Zugang zum Groupware-Account für das AStA-Referat Nachhaltigkeit und Ökologie wichtig sei, weil dort die Kommunikation für genau dieses Projekt lief und es Nikolas nicht mehr möglich war, seine Abwahl mit den betreffenden Stellen zu kommunizieren.

„Ich habe da Termine ausgemacht über meine Uni-Mail, bin da mit Leuten in Kontakt. Jetzt wurde meine Mail vom AStA gesperrt, ich kann den Leuten nicht mal absagen, ich kann mich nicht entschuldigen, dass ich nicht mehr da bin und ich kann an der Sitzung nicht mehr teilnehmen, weil jetzt diese Vorwürfe im Raum stehen (…)“
(Interview der moritz.medien mit Nikolas vom 24.07.2020)

Das StuPa-Präsidium verteidigt sich, indem es Kritik an der Art und Weise übt, wie Nikolas seiner Berichtspflicht gegenüber dem StuPa nachkam. Dort soll es vermehrt zu Problemen gekommen sein, unter anderem wegen sehr spät eingereichter Berichte, mangelnder Anwesenheit und Sitzungsterminen der AG, welche sich mit den StuPa-Sitzungen überschnitten, wodurch eine stichpunktartige Kontrolle kaum möglich gewesen sein soll.

„Den letzten Bericht haben wir vor zwei berichtspflichtigen Sitzungen gesehen, das war Anfang Juni, und selbst da kam er irgendwann lange nach dem TOP Berichte und hat dann noch was hinterher geschoben. Sicherlich ist das kein schöner Punkt, aber (…) wenn wir das gegeneinander aufwiegen, und ich mache da innerlich definitiv eine eindeutige Wertung, wir konnten es auch nicht mal unbedingt wissen, weil wenn jemand nie Berichte abgibt bzw. wenn er welche abgibt und uns fünf Minuten vor der Sitzung die E-Mail schickt und dann zur Sitzung kommt und das in einem 2 Minuten Redebeitrag zusammenfasst, woher soll ich dann fundiert wissen was diese Person macht (…)“
(Interview der moritz.medien mit dem StuPa-Präsidium vom 27.07.2020)

Der E-Mail-Verkehr nach der Sitzung hat die gesamte Diskussion nicht unbedingt klarer werden lassen. Nikolas äußerte den Eindruck, dass es wohl unausgesprochene persönliche Vorbehalte gegen seine Person geben müsse, insbesondere von Mitgliedern der Linksjugend, aus deren Reihe die Initiative für die Personaldebatte gekommen sein soll.

„Diese Angriffe kommen ganz klar aus dieser Jungen Linken-Ecke, von Sandra Grubert, die den Antrag [auf die Personaldebatte] ja auch gestellt hat, und anderen. Ich habe gesagt, dass ich gesprächsbereit bin und dass das weitergeleitet wird, diese Gesprächsbereitschaft. Das wurde ja dann abgelehnt (…)“
(Interview der moritz.medien mit Nikolas vom 24.07.2020)

Nikolas hatte nach der Nummer von Sandra Grubert gefragt. Sie habe abgelehnt, nach eigener Darstellung um ihre Privatsphäre zu schützen. Auf Nikolas wirkte das wie ein Versuch, ihm aus dem Weg zu gehen. Trotz Uninformiertheit und nur auf Grundlage der Aussagen anderer Mitglieder des StuPas stimmten einige StuPist*innen, welche das Video noch nicht gesehen hatten, für Nikolas‘ Abwahl. Das wurde während der Aussprache vom 28.07.2020 von mehreren Mitgliedern zugegeben. Trotzdem hatten die meisten auch nach der Aussprache und nach dem Sehen des Videos ihre Meinung nicht oder nur geringfügig geändert, wie das Abstimmungsergebnis zeigt. Der E-Mail-Verkehr beinhaltet auch den Vorwurf des Rufmords und der Verleumdung. In einer Zeit, in der jede*r mit wenigen Klicks alles über eine andere Person herausfinden kann, sind die offen einsehbare Vorwürfe, holocaustrelativierende und menschenfeindliche Inhalte zu teilen, Gift für die berufliche und private Karriere. Es war Nikolas freie Entscheidung, das Video zu teilen. Er hat (auch nach eigener Darstellung) gesagt, dass zumindest einige Punkte des Videos des Videos seine Meinung wiederspiegeln. Sein Besuch von Corona-Maßnahmen-kritischen Demos in Greifswald und der geplante Besuch einer Corona-Maßnahmen-kritischen Demo in Berlin sprechen ebenfalls dafür, dass Nikolas seine Meinung nicht versteckt hat. Die Fokussierung der Debatte auf die zwei oben genannten Vorwürfe verzerrt die wirkliche Meinung von Nikolas aber. Seine kritische Sichtweise zur Berichterstattung der Medien und dem Umgang mit Kritiker*innen haben mit Holocaustleugnerei oder genereller Menschenfeindlichkeit wenig zu tun, diese Meinungen sind lediglich ansatzweise im Video zu finden. Mit dem Teilen des Videos hat er aber auch diese Aussagen geteilt, ein Punkt, der ihm definitiv als Fehlverhalten angelastet werden kann.

Letztendlich gab es am 28.07.2020 eine Aussprache mit dem gesamten StuPa und der Hochschulöffentlichkeit. Nikolas hatte eine ganze Gruppe von Unterstützer*innen mitgebracht und während der gesamten Sitzung lag eine merkwürdige Spannung in der Luft. Die Debatte verlief weitestgehend ruhig und respektvoll. Auch hier wurden die oben genannten Punkte diskutiert. Das Video wurde, trotz mehrmaliger Aufforderung, nicht gezeigt. Das wäre aber wichtig gewesen, damit alle ungefähr auf einer Höhe und die Vorwürfe nachvollziehbar sind. Stattdessen wurde aus dem Video zitiert, was häufig dazu führte, dass Aussagen falsch oder irreführend wiedergegeben wurden. Genauso problematisch war, dass sich die ganze Diskussion im Kreis drehte. Team Nikolas und Team StuPa sprachen im Wechsel, ohne aber wirklich miteinander zu sprechen. Der persönliche Kontakt war jetzt gegeben, die konfrontative Haltung, die auch schon in den E-Mails zu spüren war, blieb aber ebenfalls bestehen. Das Ergebnis war dann auch erwartbar. Die meisten StuPist*innen hatten ihre Meinung nicht oder nur ein wenig geändert. Nikolas hatte sich während der Debatte zumindest von Teilen des Videos distanziert und es auch noch während der Sitzung gelöscht. Die Fronten blieben trotzdem verhärtet und seine schnelle Wiederwahl scheiterte.

Wie geht es weiter? Was können wir daraus lernen?

Nikolas‘ Angebot, sich im privaten Kreis noch einmal zu treffen und in direkterem Austausch das Video zu diskutieren, bleibt bestehen und könnte, wenn angenommen, vielleicht doch noch ein paar StuPist*innen umstimmen, welche bei der nächsten Wahl, für ihn stimmen könnten, wenn er sich wieder aufstellen lässt. Seine Reputation in der Hochschulpolitik und an der Uni dürfte unter den Vorwürfen gelitten haben und die Zusammenarbeit mit Leuten, welche ihn abgewählt haben, könnte darunter ebenfalls leiden.

Die erklärte Absicht des Präsidiums, die Kommunikation bei Personaldebatten zu verbessern, ist in diesem Fall scheinbar aufgrund eines Missverständnis nach hinten losgegangen, aber eigentlich der richtige Weg, um solche Probleme zu lösen. Die E-Mail-Debatte, die darauf folgte, hat den kompletten Fall nur noch schlimmer gemacht, da während der gesamten Zeit Gerüchte und falsche Behauptungen die Runde machten und sich, auch in den E-Mails, wie in einem Teufelskreis immer weiter anstachelten. Die schnelle Einberufung einer außerordentlichen Sitzung war die richtige Entscheidung, da so im dafür vorgesehenen Organ persönlich und auf Augenhöhe kommuniziert werden konnte. Dass die Plenardebatte aufgrund ihrer rigiden Struktur aber in solch verhärteten Fronten kaum etwas auszurichten vermag, zeigt sich hier leider deutlich. Trotzdem ist es richtig, diese Debatte dort zu führen, weil die Vorwürfe zu ernst sind, um im privaten Rahmen diskutiert zu werden, obwohl dort vielleicht ein größerer Fortschritt in der Meinungsentwicklung möglich wäre.

Debatten und die Art und Weise ihrer Durchführung sind wichtig für die Hochschulpolitik und für Demokratien im Allgemeinen. Sie zeigen Grenzen für ihre Mitglieder auf, offenbare Fehler im System und können zu Verbesserungen in der Kommunikation und Handhabung von Problemen führen. Hoffen wir, dass das auch in diesem Fall für die Greifswalder Hochschulpolitik zutrifft.

Beitragsbild: Magnus Schult

Die Corona-Krise für Studierende

Die Corona-Krise für Studierende

Corona – das Topthema der letzten Wochen. Mittlerweile sind überall die Auswirkungen der Pandemie zu spüren: Kitas, Schulen und Universitäten sind geschlossen; die Lehre erfolgt online; einkaufen geht nur noch mit Maske und Mindestabstand; Bars, Restaurants und Kneipen haben seit Wochen keine Einnahmen mehr und viele Menschen sind aktuell im Homeoffice, in Kurzarbeit oder bereits arbeitslos. Was sich wie das Setting für einen wirklich schlechten Apokalypse-Film anhört, ist leider schon lange Realität. Doch nicht nur Unternehmen fürchten um ihre Existenz. Schätzungsweise 750.000 Studierende haben bisher ihren Job verloren (Stand April), da die Cafés und Restaurants, durch die sich die meisten ihren Lebensunterhalt verdienen, geschlossen sind. Für viele Unternehmen gibt es seitens der Bundesregierung Sofortmaßnahmen, für Studierende sind bislang allerdings nur Darlehen vorgesehen.

Finanzielle Unterstützung für Studierende

„Zinslose Darlehen an Studierende zu vergeben, heißt nichts anderes, als dass nach Corona zwei Jobs fällig sind. Einer, um den Lebensunterhalt zu bestreiten und ein zweiter, um das Darlehen zurückzuzahlen“, so Kevin Kühnert, Bundessprecher der JUSOS. Kühnert und die Vorsitzenden weiterer Jungorganisationen – Anna Peters (Bundessprecherin Grüne Jugend), Tilman Kuban (Bundesvorsitzender Junge Union) und Ria Schröder (Junge Liberale) – wandten sich im April 2020 mit einem gemeinsamen Brief an die Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), in dem sie die Öffnung des BAföG für alle Studierenden, die wegen der Corona Krise ihren Job verloren haben, forderten. Im Jahr 2019 wurde ca. ein Drittel des zur Verfügung gestellten BAföG-Gesamtbudgets, welches sich auf ungefähr 900 Millionen Euro beläuft, nicht abgerufen.

Junge-Union-Chef Kuban sagte in einem Interview mit dem SPIEGEL: „Die Sofortprogramme für Unternehmen, Start-ups und Künstler hatten Priorität, nun müssen wir aber die Studenten und Auszubildenden in den Blick nehmen.“ Studierende, die bislang nicht BAföG-berechtigt, aber auf ihren Nebenjob angewiesen gewesen seien, fielen gerade durch das Raster, andere hätten erhebliche Einbußen. Die vier forderten außerdem, dass die Bundesregierung auch bei Azubis und dual Studierenden bei Einkommensausfällen die Ausbildungshilfen an den BAföG-Höchstsatz anpassen und ihn für alle öffnen soll.

Ministerin Karliczek entschied sich Ende April aber gegen eine BAföG-Öffnung und für eine Kreditlösung. Das heißt, dass Studierende ab Mai einen Kredit von bis zu 650 Euro pro Monat beantragen können. Außerdem will der Bund 100 Millionen Euro in die Notfonds der Studierendenwerke einzahlen. Dieses Geld soll aus den nicht abgerufenen BaföG-Mitteln aus 2019 finanziert werden. Zur Erinnerung: Diese betrugen 900 Millionen. Um Geld aus diesen Notfonds zu erhalten, muss man allerdings nachweisen können, dass man auf die Hilfen unbedingt angewiesen sei. Wie man das machen soll, ist bis dato noch ungeklärt. Außerdem kann man sich leicht vorstellen, wie viel letztendlich bei den Betroffenen ankommt, wenn 100 Millionen erst auf die Studierendenwerke und dann weiter auf die vielen Studis verteilt werden.

Forderungen aus MV

Aber nicht nur die Vorsitzenden der Nachwuchsorganisationen fordern, in dieser Zeit die jungen Leute nicht zu vergessen. Auch in MV wird der Protest immer lauter. Bereits vor Semesterstart Anfang April schlossen sich die Studierendenschaften der Uni Rostock, Uni Greifswald, der Hochschule Wismar, Hochschule Stralsund, Hochschule Neubrandenburg und der Hochschule für Musik und Theater Rostock zusammen, um in einem offenen Brief an Wissenschaftsministerin Martin sowie die Landesregierung und den Landtag ihren Protest gegen den geplanten Semesterstart zu äußern. Sie forderten Soforthilfen für Studierende und ein optionales Semester, da die Qualität der Lehre und eine Chancengleichheit nicht sichergestellt wären. Studierenden mit Kind fehle eine Betreuung, vielen bricht das Einkommen durch den fehlenden Nebenjob weg und auch die unterschiedliche Infrastruktur, sei es allein das schlechte Internet, das wir alle kennen, führt zu Problemen in einem Online-Semester. Deshalb dürfe dieses Semester nicht als reguläres Semester gewertet werden; die Anwesenheit in Lehrveranstaltungen und das Absolvieren von Prüfungen müsse optional sein. Wer sich dazu entscheidet, trotzdem eine Prüfung abzulegen, solle im Fall, dass die Prüfung nicht bestanden wird, keinen regulären Versuch verlieren, sondern einen weiteren Krisen-Freiversuch erhalten. Was genau gefordert wird, könnt ihr beim AStA nachlesen.

Doch es änderte sich nichts. Es soll zinslose Darlehen geben und ein optionales Semester wird nicht diskutiert. Am 27. April wandte sich nun die LKS M-V (Landeskonferenz der Studierendenschaften Mecklenburg-Vorpommern) direkt an Bundesbildungsministerin Anja Karliczek. Sie geben sich nicht mit einem Kredit für Studierende zufrieden und fordern endlich Entscheidungen und Klarheit. Laut Umfragen sehen sich 37,8 Prozent der Studierenden in MV durch die Corona-Pandemie in einer finanziellen Notlage. Bei den ausländischen Studierenden seien es sogar 83,3 Prozent. Soforthilfen für Studierende seien unabdingbar und ein Studium ohne finanzielle Mittel durch den Staat sei nicht möglich. Den vollständigen Forderungskatalog findet ihr unter anderem auf der Instagram-Seite unseres AStAs.

Was tut sich aktuell?

Um in diesem ganzen Wirrwarr an Forderungen noch durchzusehen, wende ich mich an Annalena Mangels, Studentin aus Greifswald, AStA-Referentin für Hochschulpolitik und Mitglied des Sprecher*innenteams der LKS M-V.

moritz.medien: Gibt es bereits eine Reaktion auf den Forderungskatalog vom 27. April?

Annalena: Auf den Forderungskatalog, welchen wir dieses Mal an die Bundesbildungsministerin adressierten, haben wir bis heute leider keine direkte Antwort bekommen. Es gab zwar kurz danach eine Pressemitteilung von Anja Karliczek bezüglich der „Soforthilfe“ für Studierende, welche ja auch Teil unserer Forderung war, aber auf die konkreten und auch auf die anderen Forderungen aus dem Katalog wurde von Frau Karliczek nicht weiter eingegangen.

moritz.medien: Wie sieht es mit der finanziellen Unterstützung aus? Bleibt es bei zinslosen Darlehen? Ich habe gelesen, dass 100 Millionen Euro in die Notfonds der Studierendenwerke eingehen sollen, die dann von Studierenden beansprucht werden können, die wirklich darauf angewiesen sind. Aber wie man das beweisen soll, war bisher unklar. Weißt du da mehr?

Annalena: Also mal abgesehen davon, dass niemand aus der LKS sich über die Lösung in Form von zinslosen Darlehen freut und diese Lösung auch, so wie ich es mitbekommen habe, bei den Fraktionen im Bundestag, den Hochschulen, deren Studierendenvertretungen, den Studierendenwerken und bei vielen Studierenden selbst auf sehr viel Unmut stößt, verstehe ich ehrlich gesagt nicht, wie die Bundesbildungsministerin Anja Karliczek davon ausgehen kann, dass dieses sich als gute Lösung erweist. Es gibt einen Topf aus BAföG-Geldern, welcher eine Summe von ca. 900 Millionen Euro umfasst. Studierende haben nachhaltig ihr Einkommen verloren, vor allem durch den Ausfall ihres Nebenverdienstes. Von 900 Millionen Euro also lediglich 100 Millionen Euro als Notfonds zur Verfügung zu stellen, statt die volle Summe zu nutzen und dafür auf Darlehen zu verzichten, wäre eine weitaus effizientere Lösung. Ich als Studierende würde zumindest eher auf den Notfonds des Studierendenwerks als auf ein Darlehen zurückgreifen, das ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr zinslos ist, und ich denke, das geht vielen anderen genauso. Daher hoffe ich inständig, dass die Darlehenslösung noch einmal überdacht und durch einen großen Notfonds ersetzt wird. Über die Voraussetzungen für den Anspruch auf Geld aus dem Notfonds kann ich leider wenig sagen, ich hoffe jedoch, dass sich hierbei wenigstens an unseren Forderungen orientiert wird und ein möglichst geringer bürokratischer Aufwand nötig ist, da Studierende das Geld jetzt und nicht erst in mehreren Wochen, wenn nicht sogar Monaten, benötigen.

moritz.medien: Wie sieht es mit dem optionalen Semester aus? Sind Anwesenheit in Lehrveranstaltungen und das Absolvieren von Prüfungen immer noch verpflichtend? Bzw. wie sieht es mit dem geforderten Krisen-Freiversuch aus?

Annalena: Leider gab es hierzu noch keine weiteren Äußerungen. Die Rahmenprüfungsordnung wurde vom Land so geändert, dass einem Freiversuch in der Theorie nichts im Wege steht, da die Hochschulautonomie jedoch auf keinen Fall zu kurz kommen darf, hat unsere Bildungsministerin Frau Martin den Freiversuch nun in die Hände der Hochschulen selbst gelegt. Problematisch ist hierbei aber immer noch, dass die Möglichkeit, den Studierenden einen zusätzlichen Freiversuch zu gewähren, auch weiterhin in dem LHG aufgenommen bzw. umgeändert werden müsste, damit das Ganze auch Realität annehmen kann. Woran es hierbei aktuell scheitert, weiß ich leider auch nicht, es wurde aber auf jeden Fall besprochen und wir hoffen, dass diese Möglichkeit bald gegeben ist.
Das optionale Semester hingegen soll als bundesweite Regelung entschieden werden. Der aktuelle Stand dazu sieht so aus, dass fast alle Länder, Hochschulen und Studierenden dafür sind und auch die Kultusminster*innenkonferenz sich bereits dafür ausgesprochen hat, es nun also in der Hand der Bundesbildungsministerin liegt. Die Überlegung ist wohl, das optionale Semester nur Studierenden zuzusprechen die bestimmte Kriterien erfüllen. Unseres Erachtens nach sollte über das optionale Semester nicht nur schon vor mehreren Wochen entschieden worden sein, sondern es sollte auch jeder*m Studierenden ausnahmslos zugesprochen werden.

moritz.medien: Wir sind schon mitten im Semester. Wenn sich weiterhin nichts tut, wie werdet ihr weiter vorgehen? Wird es noch einen Brief geben?

Annalena: Die Idee, einen weiteren Brief zu schreiben, haben wir auch schon gehabt. Aktuell ist ein weiterer offener Brief, dieses Mal aber mit verschiedenen Hochschulen aus ganz Deutschland, in Arbeit. Wir arbeiten aber auch intern mit unseren Vertreter*innen weiter an Lösungsansätzen. Briefe und Forderungskataloge haben wir zumindest aus M-V aber bereits hinter uns gelassen, da wir der Auffassung sind, dass es dort sowieso wieder keine Antwort darauf geben wird. Der Druck, der sich mit jedem Tag für Studierende und auch uns als Vertreter*innen erhöht, da keine Entscheidungen getroffen werden, die unseren Studierenden helfen sollen, wird auf jeden Fall von Tag zu Tag spürbarer, wir versuchen dem aber Stand zu halten und weiterhin alles erdenklich Mögliche zu tun, damit den Studierenden ihre Existenzgrundlage nicht in Form von Darlehen gegeben wird und um Chancengleichheit zu erhalten, die denjenigen genommen wird, die vielleicht keinen Zugriff auf Internet, internetfähige Geräte und Laptops/PCs haben, weil Frau Karliczek keine dringend nötige Entscheidung bezüglich des optionalen Semesters trifft. Ideen, um weiterhin Aufmerksamkeit auf die Probleme, die für alle Hochschulen in ganz Deutschland spürbar sind, zu lenken, sind jedenfalls in Arbeit und hoffentlich bald umsetzbar.

moritz.medien: Wie können Studierende die Forderungen unterstützen? Gibt es eine Petition? Ich kenne bisher die von change.org.

Annalena: Neben deiner genannten Petition haben wir aktuell leider keine weitere, die unterzeichnet werden kann.
Weitere unserer Meinung nach unterstützenswerte Petitionen sind leider bereits beendet, obwohl die Forderungen noch lange nicht durchgesetzt sind und wir jede einzelne Stimme gebrauchen können. Die meisten dieser Petitionen wurden allerdings mit über 55.000 Stimmen abgeschlossen, worauf wir schon etwas bauen können. Wir sind aber jederzeit offen für Vorschläge neuer Petitionen und sehen uns diese genauer an, danach schicken wir sie gerne durch den Verteiler.

moritz.medien: Wie geht unsere Uni bzw. gehen die Unis und Hochschulen in MV mit der Lage um? Stehen sie hinter euch und den Forderungen oder halten sie sich raus?

Annalena: Bisher habe ich von den meisten Hochschulen nur positive Rückmeldungen gehört. Wie oben erwähnt möchte jede*r, dass die Ziele des optionalen Semesters und der Finanzierungen endlich durchgesetzt werden, denn ohne Studierende auch keine Hochschule!
Die Universität Greifswald findet die Forderungen unterstützenswert und teilt diese auch, hält sich jedoch leider eher zurück, wenn es an die Umsetzung geht.

(Antworten Stand 18. Mai 2020)

Das Semester in Greifswald

Mittlerweile ist die Prüfungsanmeldung vorbei und wir mussten uns alle entscheiden, welche Prüfungen wir dieses Semester trotz der ungewöhnlichen Lern- und Arbeitsform schreiben wollen, können und müssen. Ich bekomme kein BAföG und kann es mir deshalb leisten, dieses Semester nicht alle Leistungspunkte zu erreichen. Freund*innen von mir geht es da aber ganz anders. Sie müssen alle Prüfungen schreiben. Neulich hat eine Freundin ihrem Ärger bei einer Freundin aus Wuppertal Luft gemacht und stieß dabei zunächst auf Unverständnis. Bis den beiden auffiel, dass Bildung in Deutschland ja Ländersache ist. In NRW wird dieses Semester bereits für alle Studierenden als optionales Semester gewertet. Das heißt: keine verpflichtenden Prüfungen und keine regulären Versuche, die bei Nicht-Bestehen einer Prüfung draufgehen. Wir befinden uns momentan also in einer Art Glücksspiel, bei dem die Faktoren in welchem Bundesland du studierst, wie deine Universität ihre Karten spielt und wie dein eigenes Ass im Ärmel aussieht, bestimmen, wie sich dieses Semester auf dich als Studierende*n auswirken wird.

Beitragsbild: unsplash
Banner: Julia Schlichtkrull

Der Markt der Möglichkeiten  – dieses Semester vom Sofa aus

Der Markt der Möglichkeiten – dieses Semester vom Sofa aus

Von Stand zu Stand bummeln wird dieses Semester leider nicht möglich sein, trotzdem soll auch dieses Jahr wieder ein Markt der Möglichkeiten stattfinden – und zwar online.

Auf dem Markt der Möglichkeiten können Studierende – ob neu in Greifswald oder nicht – mit studentischen Vereinen und Organisationen in Austausch treten. Normalerweise werden hier von den Vereinen Sekt oder Shots verteilt, Sticker unter die Leute gebracht und locker am Stand geschnackt. Ganz so wird es in diesem Jahr nicht ablaufen. NOVA hat gemeinsam mit Capufaktur und dem AStA für dieses Jahr einen virtuellen Markt der Möglichkeiten auf die Beine gestellt.

Morgen, am Donnerstag den 7. Mai von 15 bis 17 Uhr könnt ihr euch einen Überblick über die studentischen Angebote verschaffen. Über diesen Link gelangt ihr auf den digitalen Marktplatz. Von dort aus habt ihr die Möglichkeit, verschiedene virtuelle Räume zu betreten. Hier stellen sich die 30 unterschiedlichen Organisationen per Video vor und währenddessen könnt ihr im Chat Fragen stellen. Vielleicht trefft ihr hier ja auf einen Verein, dem ihr beitreten wollt oder eine Institution, die euch schon länger interessiert hat. Und das ganz entspannt vom Sofa aus.

Beitragsbild: Annie Spratt auf Unsplash

Interview mit Esther Erwin zum Konflikt um den 08. Mai

Interview mit Esther Erwin zum Konflikt um den 08. Mai

Seitdem im November auffiel, dass die für den 08.05. geplante 24h-Vorlesung mit der traditionell aus der Studierendenschaft unterstützten Demonstration gegen die rechtsradikale Vereinnahmung des Gedenkens an die Gewalt und den Massensuizid in Demmin 1945 zusammenfällt, versucht eine Mehrheit im Studierendenparlament (StuPa) den AStA dazu zu bewegen, die 24h-Vorlesung auf einen anderen Tag zu verlegen. Auf der vergangenen StuPa-Sitzung eskalierte die mehr und mehr zugespitzte Auseinandersetzung und führte zum Rücktritt der damaligen AStA-Vorsitzenden Esther Erwin. moritz. hat Esther um ein Interview gebeten, um die Ursachen des Konflikts genauer zu ergründen.

Jonas Meyerhof: Vielen Dank, dass du dir für das Interview Zeit genommen hast und dass du dabei hilfst an die Ursachen zu kommen, warum zwischen StuPa und AStA wieder alles so schief gegangen ist. Falls du inhaltlich anderer Meinung bist oder auf andere Aspekte lenken willst, dann sag das ruhig.

Im Rahmen der auf beiden Seiten emotional sehr aufgeladenen StuPa-Sitzung am 11.02. kam es zu deinem Rücktritt. Wie ging es dir danach, gab es persönliche Anfeindungen oder Aussprachen?

Esther Erwin: Also danach ging es mir eigentlich ganz gut, weil ich irgendwie das Gefühl hatte, dass ich damit so ein bisschen einen Abschluss gefunden hatte. Aber ich war tatsächlich etwas traurig dass es dann auch so plötzlich enden musste und dass es dann auch so ein bisschen ausgeartet ist. Und persönliche Anfeindungen gab es dann tatsächlich auch danach, also zumindest eine.

JM: Die unter dem Artikel?

EE: Genau. Also der webmoritz. hatte ja noch einen Artikel in derselben Nacht geschrieben und darunter gab’s dann einen Kommentar, in dem es auch persönliche Beleidigungen gab.

„Naja, vielleicht auch ein bisschen Sturheit auf beiden Seiten, also vielleicht auch von mir .“

JM: Was denkst du, war das Grundproblem, dass eine Einigung zwischen StuPa und AStA verhindert und so zur Eskalation geführt hat und wie könnte der Konflikt gelöst werden?

EE: Also, ich denke eine Konfliktlösung ist jetzt dadurch gefunden, dass die 24h-Vorlesung gar nicht stattfinden wird – also das ist zumindest jetzt mein Standpunkt, ich bin ja jetzt gar nicht mehr in den Sitzungen und so dabei – aber das ist jetzt sozusagen eine Lösung, wenn man das so will. Zum Grundproblem: Naja, vielleicht auch ein bisschen Sturheit auf beiden Seiten, also vielleicht auch von mir. Aber ich steh auch noch zu dem was ich mir da überlegt hatte, das war eben eine Entscheidung, die der AStA schon vor sehr langer Zeit, also jetzt mittlerweile vor einem Jahr, getroffen hat und das StuPa hat das aber – warum auch immer – erst vor drei Monaten mitbekommen und deswegen finde ich es immer noch richtig, was ich gemacht habe.

JM: Einen Tag vor deinem Rücktritt, in der AStA-Sitzung am 10.02., hast du dich noch mit dem StuPa-Präsidium auf den Kompromiss geeinigt, den Termin um einen Tag nach hinten zu verlegen. Am nächsten Tag in der StuPa-Sitzung am 11.02. wolltest du dem nicht zusagen, weil Liliya, die AStA-Beauftragte der 24h-Vorlesung und einige AStA-Referent*innen noch nicht einverstanden waren. Standest du als AStA-Vorsitzende in dem Konflikt zwischen den Stühlen oder warst du auch persönlich der Meinung, dass der Termin nicht verschoben werden sollte?

EE: Ja war ich. Und zu der AStA-Sitzung am Montag, ich weiß nicht ob das irgendwie ein Missverständnis war, aber ich habe auf der AStA-Sitzung gesagt, dass ich diesen Kompromissvorschlag gerne an die Zuständigen weitergeben werde, aber dass wir noch keine Entscheidung treffen können, bevor ich nicht mit den Zuständigen gesprochen hab. Es gibt Leute – also in jedem Fall zwei Leute – die im AStA dafür zuständig sind das alles zu planen und das kann nicht einfach über ihre Köpfe hinweg entschieden werden. Und das war das, was ich auf der AStA-Sitzung gesagt hatte. Offensichtlich ist das nicht so rübergekommen, oder… ich weiß nicht. Es war eben nur ein Kompromissvorschlag und kein fertiger Kompromiss.

JM: Du hast gesagt, dass auch du dich ein bisschen zu stur verhalten hast. Wie würdest du dich aus heutiger Sicht in dem Streit verhalten? Gibt es etwas, das du vielleicht anders machen würdest?

EE: Ich denke, ich würde es genau so nochmal machen.

JM: Was kann auf Seiten der StuPist*innen, des StuPa-Präsidiums, der AStA-Referent*innen, der moritz.medien oder anderer Gremien besser gemacht werden, damit so ein festgefahrener Konflikt in Zukunft verhindert werden kann?

EE: Ich muss sagen, das StuPa-Präsidium hat sich in dem Konflikt eigentlich sehr angenehm – sage ich jetzt mal – verhalten. Auf der vorletzten StuPa-Sitzung ging es ja auch nochmal um Liliyas Aufwandsentschädigung – und da hat Felix, finde ich, die Sitzung sehr neutral geleitet, also das fande ich alles in Ordnung. Und von den Medien – also ich finde ihr habt immer sehr neutral und sachlich getickert.

JM: Trotzdem gab es ja bis zuletzt keine Annäherung, obwohl das Thema über Monate in StuPa- und AStA-Sitzungen mit Vertreter*innen aus beiden Gremien diskutiert wurde. Warum konntest du dich nicht mit dem StuPa-Präsidium auf eine Lösung einigen, hat die Zusammenarbeit nicht funktioniert?

EE: Naja, also die ganze Sache ist ja jetzt nichts zwischen dem StuPa-Präsidium und mir, sondern eher generell zwischen StuPa und dem AStA, oder mir und den zuständigen Referent*innen. Das grundsätzliche Problem oder was uns am Anfang einfach geärgert hat, war, dass die ganze Sache wirklich erst im Dezember aufkam, obwohl dieses Datum schon so lange feststand und auch schon seit Oktober an dieser 24h-Vorlesung gearbeitet wurde. Da war eben auch das Präsidium auf den AStA-Sitzungen, das immer auf den AStA-Sitzungen da ist – also das ist jetzt nicht unbedingt die Schuld des Präsidiums oder so, das hätten auch andere StuPist*innen sein können, die auf der AStA-Sitzung waren und was hätten sagen könnten.

Die Argumente kommen vielleicht Leuten, die nicht selbst daran mitarbeiten, schwach vor, aber das ist halt für jemanden, der das wirklich praktisch organisieren muss, schon ein Argument.

JM: Die Diskussion gab es ja aber schon im November. Seitdem wirkt es etwas so als ob der AStA die Auseinandersetzung mit dem StuPa gemieden hat. Als Reaktion auf auf den StuPa Auftrag vom 16.11. zu prüfen ob der Termin verschoben werden kann, einen alternativen Termin zu finden und zu beschließen und mit der Hochschulleitung über die Möglichkeit einer Verschiebung der Hochschulinformationstage zu sprechen, hast du in der folgenden StuPa-Sitzung am 10.12. anfangs angegeben, dass der Termin nicht verschoben werden kann. Erst auf Nachfrage haben du und Liliya dann ausgeführt, dass der Termin zwar doch verschoben werden könnte, dass mit den neuen Einladungen aber „unnötiger“ Mehraufwand und eine für Liliya „unangenehme“ Terminverschiebung für Referent*innen einhergehen würde, die bereits zugesagt haben. Bis dahin gab es nach euren Angaben laut StuPa-Protokoll 5, laut StuPa-Ticker 10 Zusagen, davon 5 von internen Referent*innen. Im Verhältnis: für die 24h-Vorlesung im November wurden 35 Vorträge organisiert. Täuscht dieser Eindruck?

EE: Ja, ich finde das täuscht. Also erstmal – so ein Termin kann natürlich theoretisch immer verschoben werden, aber im AStA wird halt dazu gearbeitet und dann ist immer die Frage: wie sinnvoll ist es sowas zu machen, wieviel Mehraufwand bedeutet das und wie peinlich wird das eventuell auch, wenn man den Leuten dann sagen muss: „Entschuldigung wir hatten hier ein bisschen Streit, könnten Sie auch an dem anderen Datum?“ Das ist irgendwie ein bisschen unnötig und eben auch ein viel größerer Aufwand. Wegen der zwei verschiedenen Zahlen: Im Ticker stand 10, das waren wahrscheinlich die Eingeladenen, 5 davon die Zusagen. Also deshalb würde ich sagen, wir sind einer inhaltlichen Diskussion auf keinen Fall aus dem Weg gegangen. Die Argumente kommen vielleicht Leuten, die nicht selbst daran mitarbeiten, schwach vor, aber das ist halt für jemanden, der das wirklich praktisch organisieren muss, schon ein Argument.

JM: Was wäre der Mehraufwand gewesen?

EE: Erstmal den Leuten abzusagen, die schon zugesagt haben, und dann auch die Leute zu informieren, die schon eingeladen waren, aber noch keine Rückmeldung gegeben hatten. Dann kommt natürlich auch noch hinzu, dass die Leute, die man ursprünglich eingeladen hat, vielleicht an dem neuen Datum dann gar nicht können, und um das neue Datum festzulegen, hätte es dann auch nochmal zwei Wochen gedauert. Dann hätte man die Leute auf dieses neue Datum verschieben müssen, dann hätte bestimmt der Großteil auch nicht gekonnt und dann hätte man sich neue Leute raussuchen müssen. Also alles nochmal von vorne eigentlich und dann den alten Leuten nochmal absagen.

JM: Habt ihr deswegen auch nicht nach einem neuen möglichen Termin gesucht oder mit der Hochschulleitung über eine Verschiebung der Hochschulinformationstage gesprochen?

EE: Doch, ich habe das in der darauffolgenden Dienstberatung [mit dem Rektorat] angesprochen – aber es war natürlich nicht möglich, das war ja eigentlich schon im Vorhinein klar. Aber nachgefragt habe ich auf jeden Fall.

JM: Was war die Reaktion von der Hochschulleitung?

EE: Amüsiert .

Wir hätten da bestimmt drei Stunden gesessen und am Ende wäre nichts rausgekommen.

JM: Warum bist du noch vor der Personaldebatte zurückgetreten, statt dich z.B. zu erklären und deinen Punkt stark zu machen?

EE: Erst einmal: das kam schon öfter in der Diskussion auf, ich weiß dass eine Personaldebatte nicht zwangsläufig dazu führt, dass man rausgeschmissen wird, aber trotzdem fand ich es ehrlich gesagt so unglaublich anstrengend, diese Monate zu diskutieren und dann immer die gleichen Argumente zu wiederholen und nie zu einem Punkt zu kommen, und deswegen war ich dann auch nicht mehr daran interessiert meine Sache nochmal darzulegen, obwohl schon jeder wusste was meine Meinung dazu ist. Wir hätten da bestimmt drei Stunden gesessen und am Ende wäre nichts rausgekommen. Und deswegen bin ich dann zurückgetreten.

JM: Glaubst du, der Kompromissvorschlag den Termin um einen Tag zu verschieben hätte eine realistische Chance gehabt?

EE: Das Problem mit dieser Terminverschiebung wäre halt gewesen, dass es an einem Sonntag gewesen wäre und Referent*innen für einen Sonntag zu finden ist generell nochmal viel schwieriger. Wer will schon sonntags um 4 Uhr morgens dann hier schon stehen und irgendeinen Vortrag halten. Wenn man das vielleicht vor vier Monaten gemacht hätte, dann vielleicht. Der Grund warum die 24h-Vorlesung mit den Hochschulinformationstagen zusammengelegt werden sollte, war ja, dass sich das ein bisschen überschneidet. Bei den Hochschulinformationstagen gibt es auch Vorträge in dem gleichen Gebäude. So hätte es 4 Stunden gegeben, die thematisch auch für die Studierenden interessant gewesen wären – die wir in unser Programm aufgenommen hätten, und unser Programm wäre wiederum in das Programm der Hochschulinformationstage gekommen, was natürlich für uns auch nochmal viel größere Werbefläche bietet. Wenn das dann um einen Tag verschoben worden wäre, wäre das nicht mehr reingefallen, es hätte ja dann am 09. Mai um 18:00 angefangen, die Vorträge der Hochschulinformationstage hören aber auf jeden Fall früher auf. Das wäre auch nochmal auf jeden Fall blöd gewesen für uns.

JM: Als Argument für die Beibehaltung des Termins am 08. Mai wurde vorgeschlagen, dass man das Gedenken an die Gewalt und den Massensuizid in Demmin 1945 und Aktionen gegen die Vereinnahmung dieses Ereignisses durch Rechtsextreme mit einer 24h-Vorlesung, die am gleichen Tag stattfindet, verbinden könnte. Gab es im AStA konkrete Pläne für so eine Verknüpfung, z.B. passende Vorträge oder eine mit der Demo in Demmin verträglich gemachte Vortragsgestaltung?

EE: Es gab schon ganz ganz früh eine Zusage für 18:00 Uhr – wenn ich das jetzt richtig weiß – da müsste man nochmal bei Liliya nachfragen. Aber das wäre für uns auf jeden Fall möglich gewesen, das so zu machen. Das war ja aber auch ein Kompromiss, der offensichtlich nicht angenommen werden wollte, das wurde ja auf der StuPa-Sitzung im Dezember vorgeschlagen, von Goswin glaube ich, da gab es aber irgendwie nur negative Reaktionen von den StuPist*innen.

JM: Wie lange wusste das StuPa-Präsidium im Voraus von deiner Entscheidung den StuPa-Beschluss, dass die 24h-Vorlesung verschoben werden soll von der Rechtsaufsicht (Herrn Wehlte) prüfen zu lassen? Hast du mit dem StuPa-Präsidium davor nochmal darüber gesprochen?

EE: Im Voraus nicht, das liegt aber daran, dass das sehr sehr kurzfristig passiert ist. Ich habe dem StuPa-Präsidium aber dann direkt nachdem ich bei ihm war eine Mail geschrieben. Aber dass ich überhaupt ins Justitiariat gehe und einfach mal nachfrage, das war auch eher eine total spontane Entscheidung, weswegen da eine Vorinformation irgendwie gar nicht richtig möglich war.

„Ich habe mich ehrlich gesagt auch ein bisschen geärgert, weil ich das Gefühl hatte, dass das Studierendenparlament versucht, ein bisschen unsere Arbeit zu boykottieren – natürlich nicht extra – aber faktisch schon“

JM: Warum hast du dich für diesen Schritt entschieden direkt zu Herrn Wehlte zu gehen – du hättest die Frage der Weisungskompetenz ja auch ins StuPa einbringen können, z.B. mit: „Ich glaube, ihr habt nicht die Kompetenz uns das aufzuzwingen, und ich könnte das auch zur Rechtsaufsicht bringen.“

EE: Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass das wirklich etwas gebracht hätte, wenn ich das im StuPa gesagt hätte. Dann wäre wahrscheinlich eher die Reaktion gewesen, dass ich das doch machen soll. Es war ja auch erstmal nur eine Ersteinschätzung und es hat mich einfach auch wirklich interessiert. Ich habe mich ehrlich gesagt auch ein bisschen geärgert, weil ich das Gefühl hatte, dass das Studierendenparlament versucht, ein bisschen unsere Arbeit zu boykottieren – natürlich nicht extra – aber faktisch schon ein bisschen. Und deswegen hat es mich einfach interessiert was Herr Wehlte dazu denkt.

JM: Konntest du verstehen, was die Beweggründe der StuPist*innen waren, die den Termin verschieben wollten?

EE: Ich kann das sehr gut verstehen und ich hätte das auch vollkommen ok gefunden, wenn das ein paar Monate früher gekommen wäre – dann wäre das alles kein Problem gewesen. Dadurch, dass dem StuPa irgendwie nicht aufgefallen ist, was sie dort für Beschlüsse fassen, ist es halt irgendwie ein bisschen blöd gelaufen. Ich kann die Gründe dahinter nachvollziehen – ich finde man muss es aber auch immer ein bisschen abwägen.

JM: Auch dieser Terminstreit steht wieder im Kontext der langjährigen Auseinandersetzung zwischen Mehrheiten im StuPa einerseits und anderen StuPist*innen sowie Herrn Wehlte andererseits, inwiefern sich die verfasste Studierendenschaft für das allgemeinpolitische Engagement gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit einsetzen darf. Auch diesmal wurden im StuPa zumindest mit manchen Argumenten wieder beide Stellungen bezogen. Denkst du, dass die Frage nach den Grenzen des Hochschulpolitischen Mandats auch für die Haltung des AStA eine Rolle gespielt hat?

EE: Diese ganze Diskussion hat ja mit der Fragestellung, wie jetzt das Hochschulpolitische Mandat auszulegen ist, gar nichts zu tun. Es geht ja dabei nicht darum, ob wir jetzt als Studierendenschaft offiziell zu dieser Demo in Demmin fahren dürfen, das war ja überhaupt nicht das Thema. Es geht lediglich darum, ob das StuPa Kompetenzen überschritten hat – das hätte ja auch jede andere Sache sein könnten.

JM: In der StuPa-Diskussion wurden diese Argumente doch aber auch wieder mit eingebracht…

EE: Ich kann verstehen, warum sich manchmal diese Themen überschneiden, auch wenn es eigentlich nichts miteinander zu tun hat. Ich finde aber auch, dass sich das nicht grundsätzlich ausschließt. Also nur, weil jetzt die 24h-Vorlesung an diesem Tag ist, heißt das ja nicht, dass ich dann damit dazu aufrufe, nicht nach Demmin zu fahren. Das steht sich ja ideologisch gesehen nicht wirklich im Weg, vor allem auch wenn wir die 24h-Vorlesung thematisch darauf abgestimmt hätten. Das hätte ja dann noch eher viel mehr Leute erreicht. Also auch als politische Bildung.

„Der AStA ist eine Behörde und es gibt eben einen ganz fest gesteckten Handlungsrahmen und es ist schwierig, für so allgemeinpolitische Sachen Werbung zu machen. Aber wenn man das irgendwie mit der Studierendenschaft verbindet, dann geht das.“

JM: Genauere Pläne die 24h-Vorlesung thematisch abzustimmen gab es ja aber noch nicht. Du glaubst also, dass die Frage, ob man sich als Studierendenschaft überhaupt etwa für Antirassismus einsetzen sollte, keine Rolle für die Haltung des AStA gespielt hat?

EE: Ja. Man hätte ja trotzdem noch diskutieren können, ob man für die Demo Werbung macht. Das hätte ja parallel laufen können. Aber dann ist eben wirklich die Frage, wie das ist mit dem Hochschulpolitischen Mandat. Das hat dann auch nichts irgendwie mit meiner oder der politischen Meinung allgemein zu tun, sondern das ist halt irgendwie ein bisschen das Problem: Der AStA ist eine Behörde und es gibt eben einen ganz fest gesteckten Handlungsrahmen und es ist schwierig, für so allgemeinpolitische Sachen Werbung zu machen. Aber wenn man das irgendwie mit der Studierendenschaft verbindet, dann geht das. Das hatten wir auch schon öfter mit Herrn Wehlte, dass wir uns dann überlegt haben, ok, wie können wir das jetzt auf die Studierendenschaft beziehen, sodass das vollkommen in Ordnung geht.

JM: Wie fandest du die Arbeit als AStA-Vorsitzende ganz allgemein?

EE: Ich muss sagen, es hat mir sehr viel Spaß gemacht. Natürlich war es sehr viel Arbeit, also es ist ja ein 30-Wochenstunden-Job. Und ich muss auch sagen, klar, es ist irgendwo im Büro, wo man arbeitet und so, aber es ist auch so ein bisschen heimelige Atmosphäre, also ich nehme mal an, so ein bisschen wie bei den moritz.medien, wahrscheinlich nicht ganz so stark. Weil man einfach auch sehr viele neue Leute kennenlernt, auch an der Uni, und sehr viele nette und engagierte Leute. Es hat schon sehr viel Spaß gemacht.

JM: Gibt noch etwas, worauf du mehr eingehen willst?

EE: Ne, eigentlich nicht.

JM: Ok, vielen Dank für das Interview.

EE: Gerne, dir auch vielen Dank.

Anm. d. Red.: Das Interview wurde aus redaktionellen Gründen
leicht gekürzt und für die Veröffentlichung angepasst.

Beitragsbild von Daniel Friesenecker auf Pixabay

Der Fall Nikolas

AStA-Vorsitzende zurückgetreten

Die AStA-Vorsitzende Esther Erwin ist auf der heutigen StuPa-Sitzung zurückgetreten.
Dies ist der bisherige Höhepunkt der Auseinandersetzung zwischen StuPa und AStA bezüglich der Terminfindung zur 24-Stunden-Vorlesung. Der AStA plante die 24-Stunden-Vorlesung für den 8. Mai 2020.

Da dies der Tag der Befreiung und des Massensuizids von Demmin ist, war die Mehrheit des StuPas gegen diesen Termin und stimmte für eine Verschiebung. Da der AStA befürchtete, dass es durch eine Verschiebung zum Verlust von Referent*innen und bereits geleisteter Arbeit kommen könnte, ließ die AStA-Vorsitzende den Beschluss juristisch prüfen. Sie war der Auffassung, dass das StuPa hier seine legislativen Kompetenzen überschritten habe. Dieser Auffassung folgte das Justitiariat und erklärte den Beschluss für unrechtmäßig.
Nach dieser Feststellung arbeitete der AStA weiter an der Planung der 24-Stunden-Vorlesung.
In der heutigen StuPa-Sitzung sollte deshalb nun eine Personaldebatte gegen die AStA-Vorsitzende eröffnet werden. Dieser kam die AStA-Vorsitzende jedoch zuvor und trat zurück.

Doch wieso wurde die 24-Stunden-Vorlesung überhaupt auf den 8. Mai gelegt?
In der vergangenen Legislatur wurde beschlossen, dass man dieses Jahr einmal die 24-Stunden-Vorlesung gleichzeitig zu den Hochschulinformationstagen stattfinden lassen möchte. Zum Zeitpunkt der Anfrage der Universität war jedoch das Datum für diese noch nicht bekannt.
So kam es dazu, dass niemandem unter den beteiligten AStA-Referent*innen auffiel, dass es hier einen Konflikt mit den Demonstrationen in Demmin geben könnte. Nachdem dies im späten Planungszustand doch auffiel, vertrat der AStA die Auffassung, dass beide Veranstaltungen durchaus koexistieren könnten, da nicht jede*r an der 24-Stunden-Vorlesung teilnehmen würde und auch nicht jede*r an der Demo in Demmin. Außerdem würde die Demo auch nicht die vollen 24 Stunden einnehmen.

Diese Auffassung teilte die Mehrheit des StuPas jedoch nicht. Man war der Meinung, dass es allen möglich sein sollte, an beidem teilzunehmen. Auch würde so eine doppelte Belegung die Wichtigkeit des antifaschistischen Engagements in Demmin untergraben.

Wie genau es jetzt mit der 24-Stunden-Vorlesung weitergeht, ist momentan noch völlig unklar. Die AStA-Geschäfte werden kommissarisch von Felix Zocher weitergeführt.

Weitere Information erhaltet ihr bald wie immer auf dem webmoritz.

Der Autor dieses Textes ist Mitglied der gleichen Hochschulgruppe wie
die ehemalige AStA-Vorsitzende


Beitragsbild: Magnus Schult