Die Corona-Krise für Studierende

Die Corona-Krise für Studierende

Corona – das Topthema der letzten Wochen. Mittlerweile sind überall die Auswirkungen der Pandemie zu spüren: Kitas, Schulen und Universitäten sind geschlossen; die Lehre erfolgt online; einkaufen geht nur noch mit Maske und Mindestabstand; Bars, Restaurants und Kneipen haben seit Wochen keine Einnahmen mehr und viele Menschen sind aktuell im Homeoffice, in Kurzarbeit oder bereits arbeitslos. Was sich wie das Setting für einen wirklich schlechten Apokalypse-Film anhört, ist leider schon lange Realität. Doch nicht nur Unternehmen fürchten um ihre Existenz. Schätzungsweise 750.000 Studierende haben bisher ihren Job verloren (Stand April), da die Cafés und Restaurants, durch die sich die meisten ihren Lebensunterhalt verdienen, geschlossen sind. Für viele Unternehmen gibt es seitens der Bundesregierung Sofortmaßnahmen, für Studierende sind bislang allerdings nur Darlehen vorgesehen.

Finanzielle Unterstützung für Studierende

„Zinslose Darlehen an Studierende zu vergeben, heißt nichts anderes, als dass nach Corona zwei Jobs fällig sind. Einer, um den Lebensunterhalt zu bestreiten und ein zweiter, um das Darlehen zurückzuzahlen“, so Kevin Kühnert, Bundessprecher der JUSOS. Kühnert und die Vorsitzenden weiterer Jungorganisationen – Anna Peters (Bundessprecherin Grüne Jugend), Tilman Kuban (Bundesvorsitzender Junge Union) und Ria Schröder (Junge Liberale) – wandten sich im April 2020 mit einem gemeinsamen Brief an die Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), in dem sie die Öffnung des BAföG für alle Studierenden, die wegen der Corona Krise ihren Job verloren haben, forderten. Im Jahr 2019 wurde ca. ein Drittel des zur Verfügung gestellten BAföG-Gesamtbudgets, welches sich auf ungefähr 900 Millionen Euro beläuft, nicht abgerufen.

Junge-Union-Chef Kuban sagte in einem Interview mit dem SPIEGEL: „Die Sofortprogramme für Unternehmen, Start-ups und Künstler hatten Priorität, nun müssen wir aber die Studenten und Auszubildenden in den Blick nehmen.“ Studierende, die bislang nicht BAföG-berechtigt, aber auf ihren Nebenjob angewiesen gewesen seien, fielen gerade durch das Raster, andere hätten erhebliche Einbußen. Die vier forderten außerdem, dass die Bundesregierung auch bei Azubis und dual Studierenden bei Einkommensausfällen die Ausbildungshilfen an den BAföG-Höchstsatz anpassen und ihn für alle öffnen soll.

Ministerin Karliczek entschied sich Ende April aber gegen eine BAföG-Öffnung und für eine Kreditlösung. Das heißt, dass Studierende ab Mai einen Kredit von bis zu 650 Euro pro Monat beantragen können. Außerdem will der Bund 100 Millionen Euro in die Notfonds der Studierendenwerke einzahlen. Dieses Geld soll aus den nicht abgerufenen BaföG-Mitteln aus 2019 finanziert werden. Zur Erinnerung: Diese betrugen 900 Millionen. Um Geld aus diesen Notfonds zu erhalten, muss man allerdings nachweisen können, dass man auf die Hilfen unbedingt angewiesen sei. Wie man das machen soll, ist bis dato noch ungeklärt. Außerdem kann man sich leicht vorstellen, wie viel letztendlich bei den Betroffenen ankommt, wenn 100 Millionen erst auf die Studierendenwerke und dann weiter auf die vielen Studis verteilt werden.

Forderungen aus MV

Aber nicht nur die Vorsitzenden der Nachwuchsorganisationen fordern, in dieser Zeit die jungen Leute nicht zu vergessen. Auch in MV wird der Protest immer lauter. Bereits vor Semesterstart Anfang April schlossen sich die Studierendenschaften der Uni Rostock, Uni Greifswald, der Hochschule Wismar, Hochschule Stralsund, Hochschule Neubrandenburg und der Hochschule für Musik und Theater Rostock zusammen, um in einem offenen Brief an Wissenschaftsministerin Martin sowie die Landesregierung und den Landtag ihren Protest gegen den geplanten Semesterstart zu äußern. Sie forderten Soforthilfen für Studierende und ein optionales Semester, da die Qualität der Lehre und eine Chancengleichheit nicht sichergestellt wären. Studierenden mit Kind fehle eine Betreuung, vielen bricht das Einkommen durch den fehlenden Nebenjob weg und auch die unterschiedliche Infrastruktur, sei es allein das schlechte Internet, das wir alle kennen, führt zu Problemen in einem Online-Semester. Deshalb dürfe dieses Semester nicht als reguläres Semester gewertet werden; die Anwesenheit in Lehrveranstaltungen und das Absolvieren von Prüfungen müsse optional sein. Wer sich dazu entscheidet, trotzdem eine Prüfung abzulegen, solle im Fall, dass die Prüfung nicht bestanden wird, keinen regulären Versuch verlieren, sondern einen weiteren Krisen-Freiversuch erhalten. Was genau gefordert wird, könnt ihr beim AStA nachlesen.

Doch es änderte sich nichts. Es soll zinslose Darlehen geben und ein optionales Semester wird nicht diskutiert. Am 27. April wandte sich nun die LKS M-V (Landeskonferenz der Studierendenschaften Mecklenburg-Vorpommern) direkt an Bundesbildungsministerin Anja Karliczek. Sie geben sich nicht mit einem Kredit für Studierende zufrieden und fordern endlich Entscheidungen und Klarheit. Laut Umfragen sehen sich 37,8 Prozent der Studierenden in MV durch die Corona-Pandemie in einer finanziellen Notlage. Bei den ausländischen Studierenden seien es sogar 83,3 Prozent. Soforthilfen für Studierende seien unabdingbar und ein Studium ohne finanzielle Mittel durch den Staat sei nicht möglich. Den vollständigen Forderungskatalog findet ihr unter anderem auf der Instagram-Seite unseres AStAs.

Was tut sich aktuell?

Um in diesem ganzen Wirrwarr an Forderungen noch durchzusehen, wende ich mich an Annalena Mangels, Studentin aus Greifswald, AStA-Referentin für Hochschulpolitik und Mitglied des Sprecher*innenteams der LKS M-V.

moritz.medien: Gibt es bereits eine Reaktion auf den Forderungskatalog vom 27. April?

Annalena: Auf den Forderungskatalog, welchen wir dieses Mal an die Bundesbildungsministerin adressierten, haben wir bis heute leider keine direkte Antwort bekommen. Es gab zwar kurz danach eine Pressemitteilung von Anja Karliczek bezüglich der „Soforthilfe“ für Studierende, welche ja auch Teil unserer Forderung war, aber auf die konkreten und auch auf die anderen Forderungen aus dem Katalog wurde von Frau Karliczek nicht weiter eingegangen.

moritz.medien: Wie sieht es mit der finanziellen Unterstützung aus? Bleibt es bei zinslosen Darlehen? Ich habe gelesen, dass 100 Millionen Euro in die Notfonds der Studierendenwerke eingehen sollen, die dann von Studierenden beansprucht werden können, die wirklich darauf angewiesen sind. Aber wie man das beweisen soll, war bisher unklar. Weißt du da mehr?

Annalena: Also mal abgesehen davon, dass niemand aus der LKS sich über die Lösung in Form von zinslosen Darlehen freut und diese Lösung auch, so wie ich es mitbekommen habe, bei den Fraktionen im Bundestag, den Hochschulen, deren Studierendenvertretungen, den Studierendenwerken und bei vielen Studierenden selbst auf sehr viel Unmut stößt, verstehe ich ehrlich gesagt nicht, wie die Bundesbildungsministerin Anja Karliczek davon ausgehen kann, dass dieses sich als gute Lösung erweist. Es gibt einen Topf aus BAföG-Geldern, welcher eine Summe von ca. 900 Millionen Euro umfasst. Studierende haben nachhaltig ihr Einkommen verloren, vor allem durch den Ausfall ihres Nebenverdienstes. Von 900 Millionen Euro also lediglich 100 Millionen Euro als Notfonds zur Verfügung zu stellen, statt die volle Summe zu nutzen und dafür auf Darlehen zu verzichten, wäre eine weitaus effizientere Lösung. Ich als Studierende würde zumindest eher auf den Notfonds des Studierendenwerks als auf ein Darlehen zurückgreifen, das ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr zinslos ist, und ich denke, das geht vielen anderen genauso. Daher hoffe ich inständig, dass die Darlehenslösung noch einmal überdacht und durch einen großen Notfonds ersetzt wird. Über die Voraussetzungen für den Anspruch auf Geld aus dem Notfonds kann ich leider wenig sagen, ich hoffe jedoch, dass sich hierbei wenigstens an unseren Forderungen orientiert wird und ein möglichst geringer bürokratischer Aufwand nötig ist, da Studierende das Geld jetzt und nicht erst in mehreren Wochen, wenn nicht sogar Monaten, benötigen.

moritz.medien: Wie sieht es mit dem optionalen Semester aus? Sind Anwesenheit in Lehrveranstaltungen und das Absolvieren von Prüfungen immer noch verpflichtend? Bzw. wie sieht es mit dem geforderten Krisen-Freiversuch aus?

Annalena: Leider gab es hierzu noch keine weiteren Äußerungen. Die Rahmenprüfungsordnung wurde vom Land so geändert, dass einem Freiversuch in der Theorie nichts im Wege steht, da die Hochschulautonomie jedoch auf keinen Fall zu kurz kommen darf, hat unsere Bildungsministerin Frau Martin den Freiversuch nun in die Hände der Hochschulen selbst gelegt. Problematisch ist hierbei aber immer noch, dass die Möglichkeit, den Studierenden einen zusätzlichen Freiversuch zu gewähren, auch weiterhin in dem LHG aufgenommen bzw. umgeändert werden müsste, damit das Ganze auch Realität annehmen kann. Woran es hierbei aktuell scheitert, weiß ich leider auch nicht, es wurde aber auf jeden Fall besprochen und wir hoffen, dass diese Möglichkeit bald gegeben ist.
Das optionale Semester hingegen soll als bundesweite Regelung entschieden werden. Der aktuelle Stand dazu sieht so aus, dass fast alle Länder, Hochschulen und Studierenden dafür sind und auch die Kultusminster*innenkonferenz sich bereits dafür ausgesprochen hat, es nun also in der Hand der Bundesbildungsministerin liegt. Die Überlegung ist wohl, das optionale Semester nur Studierenden zuzusprechen die bestimmte Kriterien erfüllen. Unseres Erachtens nach sollte über das optionale Semester nicht nur schon vor mehreren Wochen entschieden worden sein, sondern es sollte auch jeder*m Studierenden ausnahmslos zugesprochen werden.

moritz.medien: Wir sind schon mitten im Semester. Wenn sich weiterhin nichts tut, wie werdet ihr weiter vorgehen? Wird es noch einen Brief geben?

Annalena: Die Idee, einen weiteren Brief zu schreiben, haben wir auch schon gehabt. Aktuell ist ein weiterer offener Brief, dieses Mal aber mit verschiedenen Hochschulen aus ganz Deutschland, in Arbeit. Wir arbeiten aber auch intern mit unseren Vertreter*innen weiter an Lösungsansätzen. Briefe und Forderungskataloge haben wir zumindest aus M-V aber bereits hinter uns gelassen, da wir der Auffassung sind, dass es dort sowieso wieder keine Antwort darauf geben wird. Der Druck, der sich mit jedem Tag für Studierende und auch uns als Vertreter*innen erhöht, da keine Entscheidungen getroffen werden, die unseren Studierenden helfen sollen, wird auf jeden Fall von Tag zu Tag spürbarer, wir versuchen dem aber Stand zu halten und weiterhin alles erdenklich Mögliche zu tun, damit den Studierenden ihre Existenzgrundlage nicht in Form von Darlehen gegeben wird und um Chancengleichheit zu erhalten, die denjenigen genommen wird, die vielleicht keinen Zugriff auf Internet, internetfähige Geräte und Laptops/PCs haben, weil Frau Karliczek keine dringend nötige Entscheidung bezüglich des optionalen Semesters trifft. Ideen, um weiterhin Aufmerksamkeit auf die Probleme, die für alle Hochschulen in ganz Deutschland spürbar sind, zu lenken, sind jedenfalls in Arbeit und hoffentlich bald umsetzbar.

moritz.medien: Wie können Studierende die Forderungen unterstützen? Gibt es eine Petition? Ich kenne bisher die von change.org.

Annalena: Neben deiner genannten Petition haben wir aktuell leider keine weitere, die unterzeichnet werden kann.
Weitere unserer Meinung nach unterstützenswerte Petitionen sind leider bereits beendet, obwohl die Forderungen noch lange nicht durchgesetzt sind und wir jede einzelne Stimme gebrauchen können. Die meisten dieser Petitionen wurden allerdings mit über 55.000 Stimmen abgeschlossen, worauf wir schon etwas bauen können. Wir sind aber jederzeit offen für Vorschläge neuer Petitionen und sehen uns diese genauer an, danach schicken wir sie gerne durch den Verteiler.

moritz.medien: Wie geht unsere Uni bzw. gehen die Unis und Hochschulen in MV mit der Lage um? Stehen sie hinter euch und den Forderungen oder halten sie sich raus?

Annalena: Bisher habe ich von den meisten Hochschulen nur positive Rückmeldungen gehört. Wie oben erwähnt möchte jede*r, dass die Ziele des optionalen Semesters und der Finanzierungen endlich durchgesetzt werden, denn ohne Studierende auch keine Hochschule!
Die Universität Greifswald findet die Forderungen unterstützenswert und teilt diese auch, hält sich jedoch leider eher zurück, wenn es an die Umsetzung geht.

(Antworten Stand 18. Mai 2020)

Das Semester in Greifswald

Mittlerweile ist die Prüfungsanmeldung vorbei und wir mussten uns alle entscheiden, welche Prüfungen wir dieses Semester trotz der ungewöhnlichen Lern- und Arbeitsform schreiben wollen, können und müssen. Ich bekomme kein BAföG und kann es mir deshalb leisten, dieses Semester nicht alle Leistungspunkte zu erreichen. Freund*innen von mir geht es da aber ganz anders. Sie müssen alle Prüfungen schreiben. Neulich hat eine Freundin ihrem Ärger bei einer Freundin aus Wuppertal Luft gemacht und stieß dabei zunächst auf Unverständnis. Bis den beiden auffiel, dass Bildung in Deutschland ja Ländersache ist. In NRW wird dieses Semester bereits für alle Studierenden als optionales Semester gewertet. Das heißt: keine verpflichtenden Prüfungen und keine regulären Versuche, die bei Nicht-Bestehen einer Prüfung draufgehen. Wir befinden uns momentan also in einer Art Glücksspiel, bei dem die Faktoren in welchem Bundesland du studierst, wie deine Universität ihre Karten spielt und wie dein eigenes Ass im Ärmel aussieht, bestimmen, wie sich dieses Semester auf dich als Studierende*n auswirken wird.

Beitragsbild: unsplash
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