Mehr Kopenhagen, weniger Schlagloch: In den nächsten Jahren möchte Greifswald mehr Zeit und Geld in seine Radinfrastruktur stecken. Das sei ein guter Anfang, aber noch lange nicht genug, sagt der örtliche Fahrradclub. Eine Drahteselreihe über große Pläne, gefährliche Problemzonen und kommende Baustellen.
Auf „Greifswalds Champs Elysee“ sammelt sich, wer sehen und gesehen werden will. Vor der Pandemie huschten hier Studierende von den Instituten zur Mensa, ältere Damen pedalten gemächlich über den Boulevard. Spaß beiseite: Unter den Pappeln ist nicht „Unter den Linden“.
Doch die Pappelallee gibt deutlich die Richtung für Greifswalds Fahrrad-Highway vor. Sichere Fahrstreifen auf der Radachse von Eldena in die Innenstadt und umgekehrt, möglichst ohne Hindernisse. 2023 soll das Projekt fertig sein.
Am Parkplatz an der Klosterruine Eldena entsteht dafür bereits eine Park-and-Ride-Station. Im Moment klaffen auf dem Schotterboden je nach Wetter noch weite Löcher oder Pfützen. Bald soll hier ein Knotenpunkt entstehen. Radfahrende können in andere Richtungen weiterfahren, etwa zum Strandbad Eldena oder nach Lubmin. Wer aus dem Umland anreist, kann vom eigenen Auto auf Rad oder Bus umsteigen.
Mehr Geld fürs Rad
Der Parkplatz bleibt nicht die einzige Baustelle, denn er muss zunächst einmal mit dem Ende der Pappelallee am Elisenhain verbunden werden. Der hintere Teil der Allee erhält außerdem die noch fehlenden Laternen. Doch auch innerhalb der Stadt müsse nachgebessert werden, sagt der Vorsitzende des Mobilitätsausschusses der Bürgerschaft, Jörg König.
Als Beispiel nennt er den Rosengarten: Die aktuelle Situation ist dort bislang nicht optimal für flüssigen Radverkehr. Besonders die Kreuzung zur Walter-Rathenau-Straße ist oft unübersichtlich. Die Stadtverwaltung soll dafür mit externen Fachkräften prüfen, wie sich die Lage am Rosengarten verbessern kann/könnte. Die genaue Planung soll laut König möglichst noch dieses Jahr beginnen und Teil des aktuellen Haushalts sein.
Generell hat sich die Bürgerschaft in puncto Radverkehr viel vorgenommen: Bis 2025 möchte die Stadt 35 Euro pro Bürger*in und Jahr für die Radinfrastruktur ausgeben. Mit diesem Betrag könnte sich Greifswald mit Fahrradmetropolen wie Kopenhagen (35,6 Euro) und Amsterdam (11 Euro) messen. Um an diesen Punkt zu kommen, hat die Bürgerschaft im städtischen Haushalt bereits einige Ideen eingebracht, die in den nächsten zwei Jahren verwirklicht werden sollen.
Wer zum Beispiel ein städtisches Lastenrad buchen möchte, soll künftig kein Papierformular mehr benötigen. Nach Rostocker Vorbild wird hierfür bald eine App eingerichtet. Außerdem sollen das Wegenetz ausgebaut und brüchige Beläge an bestehenden Strecken ersetzt werden. Besonders die maroden Straßen in Schönwalde stehen in der nächsten Zeit auf dem Plan.
Es braucht nicht nur Geld, sondern auch Umsetzung
Dass die Bürgerschaft finanzielle Mittel fürs Fahrrad bereitstellt, sei ein gutes Zeichen, sagt Gerhard Imhorst, Sachverständiger und Mitglied des örtlichen Fahrradclubs. Als Verkehrsplaner hat Imhorst lange Jahre für die Stadtverwaltung gearbeitet. Er kennt die Straßen und ihre Schlaglöcher und weiß, worauf es bei gutem Radverkehr ankommt.
Greifswald, so Imhorst, sei zwar vielen Städten weit voraus, doch das allein reiche nicht: „Die Bedeutung des Radfahrens für den Klimaschutz muss ernster genommen werden. Das heißt: Klotzen, nicht kleckern.“ Alles in allem gebe es zwar nur wenige Netzlücken, doch der Zustand vorhandener Strecken lasse manchmal zu wünschen übrig.
„Mehr Geld fürs Rad allein bringt nichts“, kommentiert Imhorst die Pläne der Stadt, das Rad attraktiver machen zu wollen: „Man muss wohl oder übel auch die Förderungen überdenken, die dem Kfz einen klaren Vorzug geben“. Bei der Verkehrsplanung dürften Autos zum Beispiel nicht automatisch den Vorrang erhalten. Prinzipiell, so Imhorst, klinge das Ziel der Stadt für 2025 vielversprechend, es müsse aber auch erreicht werden.
Dazu braucht es neben Geld auch effiziente Verwaltungsabläufe und fähige Verkehrsplaner*innen. Gerade daran hapere es jedoch in vielen Städten, kritisiert der Fahrradexperte. Die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern haben zum Beispiel die Möglichkeit, in den nächsten zwei Jahren 26 Millionen Euro für Radverkehrsprojekte zu bekommen. Das Geld stammt aus dem Klimaschutzpaket „Stadt und Land“ des Bundes. Die jeweilige Kommune muss einen Radverkehrsplan vorlegen, um Förderung für ein Projekt zu erhalten. Einen solchen Plan gäbe es aber längst nicht überall, sagt Imhorst.
Es geht nicht ums Vorpreschen, sondern Aufholen
Im Bau gilt: Wenn das Geld da ist, ist das Projekt noch längst nicht in trockenen Tüchern. Das verdeutlicht der ADFC-Experte am Beispiel der Fahrradquerung. Im letzten Radverkehrsplan von 2010 tauchte die Diagonalführung über die Europakreuzung noch auf. Es gab eine Prüfung, alle Ämter hätten zugestimmt – am Ende wurde aber nichts verwirklicht. Zu vielen sei das Projekt ein Dorn im Auge gewesen.
Bei der Gestaltung des Greifswalder Radverkehrs gebe es laut ADFC keine Zeit zu verlieren, schließlich stiegen auch im Radverkehr die Anforderungen. Mit dem anhaltenden Trend zu Pedelecs – elektrischen Fahrrädern – benötigten ihre Besitzer*innen auch geeignete Lade- und Parkstationen.
Grundlage für die Entwicklung zur Fahrradstadt muss jedoch ein neuer Radverkehrsplan sein, denn der letzte Plan von 2010 ist veraltet. Jörg König, Mitglied der Fraktion der Grünen, betont, seine Fraktion habe sich in der Bürgerschaft für einen neuen Plan starkgemacht. Noch in diesem Jahr soll die Arbeit daran beginnen.
In den letzten Jahren ist in Greifswald im Bereich Radverkehr viel liegengeblieben – in diesem Punkt sind sich viele Expert*innen auf Anfrage des webmoritz. einig. Jetzt ist das Geld da, aber es fehlen vor allem Fachkräfte zur Verkehrsplanung. Um diese wird die Stadt wohl intensiv werben müssen. „Wenn man die Wahl hat, ob man nach Berlin oder Greifswald geht, um dort den Verkehr zu machen“, sagt König schmunzelnd. „Dann entscheiden sich die meisten eher für Berlin. Für mich natürlich eine unverständliche Entscheidung.“
Dieser Text ist der letzte Artikel unserer dreiteiligen Fahrradserie. In Teil 1 haben wir den Greifswalder Haushalt 2021/2022 in Bezug auf Radverkehr vorgestellt und die Meinungen der Bürgerschaftsfraktionen präsentiert. Teil 2 wirft einen Blick auf Gefahren für Greifswalds Radfahrer*innen.
Was macht die Stadt Greifswald und ihre Bewohner*innen aus? Genau, ihre Liebe zum Rad. Und perfekt zu dieser Thematik findet auch dieses Jahr wieder das dreiwöchige Event in unserer Stadt statt: Am 1. Mai hat das Stadtradeln in Greifswald begonnen. Und ihr habt noch bis zum 21. Mai Zeit, so richtig kräftig in die Pedale zu treten, um Radkilometer zu sammeln.
Aber wozu sollte ich mich von meiner gemütlichen Couch hochbewegen?
Es wird Deutschlands fahrradaktivste Kommune mit den meisten Radkilometern insgesamt sowie mit den meisten Radkilometern pro Einwohner gesucht. Natürlich steht dabei das Radfahren für das Klima im Fokus. Damit einher geht die Radförderung und die Lebensqualität in deiner Kommune. Falls dich das noch nicht überzeugen konnte, packt dich jetzt vielleicht hiermit der Ehrgeiz: Greifswald tritt nämlich gegen die US-amerikanische Partnerstadt Newport News an. Achtung Spoiler! Bisher sind wir (VIEL) besser aufgestellt als sie. Für Greifswald radeln schon 139 Teams. Tendenz steigend. Aber meinen persönlichen Anreiz stellt der Gewinn eines Pokales dar. Wer liebt keine Pokale?!
Wer darf mitmachen?
Natürlich alle Personen jeder Altersstufe, die einen fahrtüchtigen Drahtesel besitzen und in Greifswald wohnen, arbeiten, einem Verein angehören oder eine (Hoch-)Schule besuchen. Nützlich wäre es vor allem, wenn man beruflich und privat radelt.
Wie kann ich mich anmelden?
Das geht ganz einfach. Hier kannst du dich und dein Team anmelden, um für deine Kommune loszuradeln. Du kannst dich jederzeit (vom 1.-21.Mai) für das Stadtradeln anmelden. Es gibt übrigens auch eine spezielle App zum Stadtradeln. Die findest du bestimmt auch in deinem App-Store. Die App hilft dir nicht nur deine Strecken zu tracken, sondern auch die Radinfrastruktur vor deiner Haustür zu verbessern.
Manche machen es sich zu einer extra Challenge, 21 Tage auch auf das Auto zu verzichten, um aufs Rad umzusteigen. Das sollte aber für die meisten Studierenden in Greifswald kein großes Hindernis darstellen.
Erst vor ein paar Tagen erschien auf dem webmoritz. ein Artikel, in dem über den Meldeverzug der Corona-Inzidenzwerte in unserem Landkreis berichtet wurde. Was genau bedeutet das jetzt für unseren Landkreis und die Politik? Die Antworten findet ihr kurz und knapp in diesem Artikel.
Was war passiert?
Nachdem seit Mitte Februar die vom Landkreis gemeldeten 7-Tages-Inzidenzen deutlich von den Zahlen des RKI und weiterer Quellen abwichen, hatte insbesondere der lokale Kreisverband der Partei Bündnis 90/Die Grünen Ende März Kritik an Landrat Michael Sack (CDU) geäußert und eine zeitnahe Aufklärung der Diskrepanzen gefordert. Daraufhin wurde Anfang April in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGuS) eine Untersuchung eingeleitet. Das Ziel dieser Untersuchung bestand darin, mögliche Probleme im Meldeprozess der positiv Getesteten durch die lokalen Gesundheitsämtern an das LAGuS zu ermitteln. Der besagte Meldeverzug der Inzidenzzahlen nahm Einfluss auf den MV-Gipfel. Man hätte besser an der Corona-Lage arbeiten können.
Worin liegt das Problem?
Wie bereits vermutet, bestätigte sich durch die Untersuchung, dass die positiven Testergebnisse seit Mitte Februar zum Teil erst mit deutlicher Verzögerung an das LAGuS gemeldet worden waren. Dadurch gingen diese Erkrankten jedoch nicht den vollen Zeitraum von einer Woche in die 7-Tages-Inzidenz ein. Die offiziellen Statistiken des Landkreises zeigten daher Werte, die deutlich niedriger waren als die tatsächlichen Infektionszahlen in diesem Zeitraum.
Landrat Michael Sack begründete den Meldeverzug in einer Stellungnahme mit einem Missverständnis, das im Zuge des Übermittlungsvorgangs im Gesundheitsamt des Kreises aufgetreten sei. Die Behörde sei demnach davon ausgegangen, dass sie für jeden positiven Fall einen Datensatz aus 70 Einzelpunkten weitergeben müsse, damit der Fall in die Statistik des LAGuS eingehen könne. Durch den hohen Arbeitsaufwand sei es daher nicht immer möglich gewesen, die Testergebnisse zeitnah zu übermitteln. Es habe sich nun aber herausgestellt, dass initial auch einige wenige Informationen genügten, während die anderen nachgereicht werden könnten. Warum diese Probleme erst seit Mitte Februar aufgetreten waren, obwohl die Ergebnisse davor anscheinend in fast allen Fällen zeitnah mitgeteilt werden konnten, ließ Sack in seiner Erklärung unerwähnt.
Wie ist das weitere Vorgehen?
Laut Michael Sack soll das Meldeverfahren durch das Gesundheitsamt an das LAGuS umgestellt werden. Dadurch ließe sich die Arbeitsweise der Kontaktnachverfolgung schneller und effizienter gestalten. Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU) will den Fall prüfen.
Folgen des Meldeverzugs:
Die GRÜNEN und die Tierschutzpartei fordern ein Disziplinarverfahren gegen Michael Sack.
Der Wahlkampf für die Landtagswahl im September läuft bereits. Michael Sack selbst ist Spitzenkandidat der CDU für die Landtagswahl. Ob der Vorfall Auswirkungen auf die Wahl haben wird, bleibt abzuwarten.
Beitragsbild und Mitarbeit am Artikel: Philipp Schweikhard
Mehr Kopenhagen, weniger Schlagloch: In den nächsten Jahren möchte Greifswald mehr Zeit und Geld in seine Radinfrastruktur stecken. Das sei ein guter Anfang, aber noch lange nicht genug, sagt der örtliche Fahrradclub. Eine Drahteselreihe über große Pläne, gefährliche Problemzonen und kommende Baustellen.
Drei von vier Deutschen fahren regelmäßig mit dem Fahrrad – im Jahr 2019 überlebten 445 Personen ihre Tour nicht. Laut den Aufstellungen des Statistischen Bundesamtes waren besonders ältere Menschen betroffen. Mehr als die Hälfte aller Opfer befand sich im Rentenalter. Gerade der Vergleich mit den Vorjahren fällt besorgniserregend aus: Der Straßenverkehr als Ganzes wird in Deutschland zwar immer sicherer, das gilt aber nicht für den Fahrradverkehr.
Im Nordosten ist die Zahl der polizeibekannten Radunfälle in den letzten Jahren stabil. 2019 erfassten die Behörden in Mecklenburg-Vorpommern 1.558 verunfallte Radfahrer*innen sowie 117 Nutzer*innen von Pedelecs – Elektrofahrrädern mit einer Maximalgeschwindigkeit von 25 Kilometern pro Stunde. 215 Unfälle mit Radbeteiligung verzeichnet die Polizeiinspektion Anklam für dasselbe Jahr im Gebiet der Stadt Greifswald, im Pandemiejahr 2020 immerhin noch 154.
Erzfeind PKW
Die markante Skype-Melodie verstummt, die Verbindung baut sich auf. Am anderen Ende sind Laura und Niklas – beide kann man für Greifswalder Verhältnisse alsRad-Influencerbezeichnen. Jede Woche legen sie dutzende Kilometer auf dem Drahtesel zurück. Sie kennen die Straßen und die dazugehörigen Schlaglöcher. Auf die Frage nach Greifswalds Problemzonen haben beide sofort eine Reihe von Antworten parat: Die enge Friedrich-Löffler-Straße sei ein Problem, außerdem unübersichtliche Kreuzungen, Schlaglöcher, Fahrraddiebstähle und rasende Autos.
Eine Verkehrsbefragung des Lehrstuhls für Humangeografie aus dem Jahr 2018 kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: Geografie-Studierende befragten 421 meist junge Bürger*innen nach dem Zustand des örtlichen Radverkehrs. Vier von zehn Befragten fürchteten vor allem den Fahrraddiebstahl, gefolgt von Glasscherben und Pkw. Auch Lkw und mangelhafte Straßenbeläge schätzten viele als gefährlich ein. Jede*r vierte Befragte gab an, selbst schonmal in einen Unfall verwickelt gewesen zu sein. In 54 Fällen war dabei ein Pkw involviert.
Auch wenn am Lenkrad nicht per se größere Gefährder*innen sitzen als am Fahrradlenker, ist die Furcht vor Pkw im Radverkehr nicht unbegründet. Die Polizeiinspektion Anklam verzeichnete zwischen 2018 und 2020 im Greifswalder Stadtgebiet 274 Radunfälle, bei denen die Unfallschuld Autofahrer*innen zugerechnet wurde. Bei 251 Unfällen wurde die Schuld Radfahrenden zugeordnet. Da jedoch nicht an jedem Radunfall ein PKW beteiligt ist, lässt sich auf ein höheres Gefährdungspotenzial durch Kfz schließen. Da Radfahrende bei Kontakt mit Pkw einem größeren Verletzungsrisiko ausgesetzt sind, werden diese Unfälle allerdings womöglich auch eher gemeldet.
Rad und Auto werden vor allem dort füreinander zur Gefahr, wo sich ihre Wege kreuzen: Vorfahrtsmissachtungen, Abbiegefehler und das Einfahren in den fließenden Verkehr sorgen für den größten Teil an Radunfällen, die von Autos verursacht werden. Bei Radfahrenden als Unfallverursachenden nennt die polizeiliche Unfallstatistik besonders ungenügenden Sicherheitsabstand, Fehler beim Einfahren oder verbotswidrige Nutzungen von Fahrbahnen. Das betrifft meist Wege, die nicht für Räder ausgewiesen sind, sowie Verstöße gegen das Rechtsfahrgebot.
Getrennte Wege für höhere Sicherheit
Viele der Ursachen potenzieller Gefährdung ließen sich auf den engen Kontakt von Rad und Auto zurückführen, vor allem wenn Letztere zu schnell oder zu nah fahren, sagen die Radbegeisterten Laura und Niklas: „Wenn ich mit dreißig Stundenkilometern durch eine Tempo-30-Zone fahre, werde ich trotzdem überholt“, berichtet Laura. Mehr Radarkontrollen aufzustellen löse das Problem jedoch womöglich nicht: „Die Daumenschrauben sind schon angezogen. Da ist fraglich, ob weitere Kontrollen etwas bringen. Eine Trennung von Rad- und Fahrbahn wäre sinnvoller.“
Getrennte Radstreifen unterstützen auch die Bürgerschaftsfraktionen SPD, Linke/ Tierschutzpartei und Bündnis 90/ Die Grünen. Das geht aus den Antworten der Fraktionen auf Anfrage des webmoritz. hervor. Rad und Kfz würden sich demnach künftig Fahrbahnen nicht mehr teilen, sondern sich auf separaten Spuren bewegen. Dieses Konzept lässt sich baulich jedoch nicht überall einfach umsetzen – besonders, wenn man bei engen Straßen an die umliegenden Häuser gebunden ist, wie zum Beispiel in der Friedrich-Löffler-Straße.
Die Suche nach Problemherden
Das Statistische Bundesamt gibt seit einigen Jahren einen Unfallatlas heraus. Auf der digitalen Karte wird erfasst, auf welchen Straßen wie viele Unfälle gemeldet worden sind. Wer sich nach Unfallhotspots in Greifswald erkundigen möchte, findet aber nur einen weißen Fleck in der Form und Größe Mecklenburg-Vorpommerns. Als einziges Bundesland liegen für MV keine sogenanntengeoreferentiellen Unfalldatenvor. Auf Nachfrage teilte das Bundesamt mit, MV werde voraussichtlich ab diesem Jahr im Unfallatlas vertreten sein. Warum bislang keine Daten vorhanden sind, teilte uns das zuständige Landesamt in Schwerin auf Anfrage nicht mit.
Aus der Antwort der Polizeiinspektion Anklam gehen jedoch einige Kreuzungen hervor, an denen sich nach ihrer Einschätzung Unfälle mit Radbeteiligung häufen. Das sind vor allem die Kreuzungen entlang der Anklamer Straße sowie in Schönwalde an der Schönwalder Landstraße, der Ostrowskistraße und der Lomonossowallee. Aber auch an einigen anderen Kreuzungen mit komplizierter Verkehrsleitung häufen sich Unfälle, zum Beispiel der Neunmorgenstraße/ Gützkower Straße, der Einfahrt zur Marienstraße auf der Wolgaster Straße und an der Kreuzung Lange Reihe/Stephanistraße.
Gützkower Straße/ Neunmorgenstraße: Hier führt das Einbiegen auf die Vorfahrtsstraße zu Problemen. Aus dem Straßenende kommen vor allem Fahrräder.
Lange Reihe/ Stephanistraße: Hier treffen Ein- und Ausgang von Einbahnstraßen auf eine reguläre Straße – gekreuzt von einem Radweg.
Auf der Wolgaster Straße sind Linksabbieger in die Marienstraße aus Richtung Europakreuzung oft hektisch unterwegs, wenn sie den Radweg kreuzen.
Die Situation an der Kreuzung von Goethe- zu Arndstraße ist für Fahrräder oft unübersichtlich.
Viele Ein- und Ausfahrten in Schönwalde sind oft eng und Räder werden leicht übersehen.
Schönwalder Landstraße/ Hans-Beimler-Straße: Abbiegende Autos müssen hier den Radweg kreuzen.
Der Mangel an Daten sei ein großes Problem für die Verkehrsplanung, sagt der Vorsitzende des Mobilitätsausschusses der Bürgerschaft, Jörg König. Viele Daten seien veraltet, der Straßenzustandsbericht bislang nicht maschinenlesbar. Sinnvolle Sanierungen brauchen jedoch eine genaue Einschätzung, welche Straßen Unfallhotspots sind oder über schlechte Beläge verfügen. Gerade in Schönwalde hätten viele Straßen jedoch dringend eine Belagssanierung nötig, sagt Laura: „In Schönwalde II kann es gefährlich sein, wenn es dunkel ist und man die Schlaglöcher nicht kennt. Da tut mir mein Rennrad oft leid”. Einige dieser Schlaglöcher könnten in den kommenden beiden Jahren verschwinden: Die Sanierungspläne der Stadt sehen unter anderem Ausbauten im Gebiet um die Lomonossowallee vor.
Konfliktthema Diagonalquerung
Auch die Europakreuzung findet sich auf der Liste, die uns die Polizeiinspektion Anklam zukommen ließ. Bereits die Verkehrsstudie des Institutes für Geografie aus dem Jahr 2018 stellte Greifswalds wohl wichtigster Kreuzung ein schlechtes Zeugnis aus: Nach der Anklamer Straße nannten die Befragten vor allem die Europakreuzung sowie die engen Innenstadtstraßen als Hindernisse. Niklas und Laura empfinden sie außerdem als Störung eines flüssigen Radverkehrs: „Man muss zwangsläufig warten. Als Autofahrer ist man schnell drüber. Als Radfahrer steht man potenziell eine Weile im Regen oder bei Minusgraden.“
Eine Diagonalquerung von der Innenstadt zur gegenüberliegenden Fahrradstraße war im städtischen Radverkehrsplan 2010 noch vorgesehen. In der Bürgerschaft führte das Thema in den letzten zehn Jahren aber regelmäßig zu Streit. Deswegen hätte man das Projekt lieber nicht mehr aufgegriffen, sagt der ehemalige Verkehrsplaner Gerhard Imhorst, der heute für den örtlichen Fahrradclub aktiv ist. Alle Ämter hätten zugestimmt, nur das Geld sei nicht geflossen. Dass die Querung ganz aus dem Plan gestrichen wurde, habe man gerade noch verhindert. Für den ADFC sei die Überquerungsmöglichkeit für Radfahrer deshalb weiterhin ein zentrales Ziel ihrer politischen Lobbyarbeit. Auch Niklas und Laura würden einen Weg direkt über die Kreuzung gutheißen: „So ein Projekt wäre sicherlich sehr teuer, aber sein Geld auf jeden Fall wert. Eine Diagonalquerung würde sehr vielen Leuten das Leben sehr viel leichter machen.“
Diebstahl: Keine Hochburg, aber nervig
Weder neue Straßenbeläge noch eine Diagonalquerung helfen jedoch, wenn das Fahrrad nicht mehr da ist. Die Befragten der Verkehrsstudie 2018 sahen im Fahrraddiebstahl den größten Unsicherheitsfaktor in Greifswald. Auch im Fahrradklima-Test des ADFC, in dem die Stadt verhältnismäßig gut abschneidet, sorgt der verbreitete Radklau für Punktabzug. „Vielen unserer Freunde ist das schon passiert“, betonen Niklas und Laura. „Einige meiner Kollegen nehmen ihre Räder deswegen sogar mit ins Gebäude.“ Daher benötige die Radinfrastruktur auch Stellplätze – sicher, überdacht und abschließbar.
38 Fahrräder werden jede Stunde in Deutschland geklaut, nur jedes zehnte findet laut einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland seinen Weg zum Eigentümer zurück (Stand 2016). Greifswald ist einer Aufstellung des Verbraucherportals billiger.de zwar als Stadt keine Diebstahlhochburg. Der Kreis Vorpommern-Greifswald schafft es jedoch deutschlandweit tatsächlich auf Platz 10 unter den Landkreisen. Aber auch wenn die Lage in der Stadt damit nicht so gravierend ist, wie man es sich oft erzählt, bleibt der Diebstahl zumindest eins: ärgerlich.
In Teil 1haben wir den Greifswalder Haushalt 2021/2022 in Bezug auf Radverkehr vorgestellt und die Meinungen der Bürgerschaftsfraktionen präsentiert. In Teil 3 dieser Reihe werfen wir einen Blick auf die geplanten Maßnahmen, die das Radfahren künftig besser machen sollen.
Mehr Kopenhagen, weniger Schlagloch: In den nächsten Jahren möchte Greifswald mehr Zeit und Geld in seine Radinfrastruktur stecken. Das sei ein guter Anfang, aber noch lange nicht genug, sagt der örtliche Fahrradclub. Eine Drahteselreihe über große Pläne, gefährliche Problemzonen und kommende Baustellen.
Greifswald ist die Nummer 1 in MV. Keine andere Stadt im Nordosten schnitt im kürzlich veröffentlichten ADFC-Test besser ab. In der Umfrage erfassen der Fahrradclub und das Verkehrsministerium alle zwei Jahre den Stand des Radverkehrs in deutschen Kommunen. Bundesweit liegt Greifswald in seiner Größenklasse auf Rang 4. Den Fahrradexperten Gerhard Imhorst begeistert das Testergebnis aber nur wenig.
Wir, die Redakteur*innen der moritz.medien, machen uns natürlich auch weiterhin Gedanken über unsere Umwelt und berichten daher in einem zweiten Teil unserer Nachhaltigkeitskolumne über weitere Themen, Tipps und Gedanken, damit ihr euer Leben (noch) nachhaltiger gestalten könnt.Inwiefern Nachhaltigkeit innerhalb des universitären Rahmens umsetzbar ist, besprachen Vertreter*innen der AG Ökologie.
Als Arbeitsgruppe GreenOffice der AStA-AG Ökologie haben wir im Februar und März den Austausch mit der Leuphana Universität in Lüneburg gesucht. In zwei Gesprächen haben wir uns mit dem Dekan Hendrik von Wehrden und der Geschäftsführerin Fabienne Gralla der Nachhaltigkeitsfakultät sowie mit der Nachhaltigkeitsbeauftragten Irmhild Brüggen darüber ausgetauscht, wie unsere Universitäten Nachhaltigkeit umsetzen.
Besonders im Fokus stand dabei die geplante Gründung eines studentisch geführten Nachhaltigkeitsbüros, dem GreenOffice in Greifswald. Die Leuphana Universität ist seit 2014 klimaneutral und denkt den Aspekt der ökologischen Nachhaltigkeit in allen Bereichen mit. Bis dahin war es ein langer Weg. Im Gespräch legte Hendrik von Wehrden uns nahe, Nachhaltigkeit nicht als zu erreichendes Ziel, sondern als Prozess zu verstehen. Auch unsere Universität befindet sich mitten in diesem Prozess und will unter anderem bis 2035 klimaneutral werden. Nachhaltigkeit ist allerdings nicht auf CO2-Neutralität zu beschränken, sondern muss transdisziplinär gedacht und umgesetzt werden. Irmhild Brüggen betonte, wie wichtig es sei, dezentral zu denken, aber lokal zu handeln. Dazu müssen die Institutionen und Menschen vor Ort effektiv zusammenarbeiten.
Unser Greifswalder GreenOffice soll als Schnittstelle zwischen Stadt und Universität fungieren und den Wissenstransfer vorantreiben. Diese Funktion macht das GreenOffice Greifswald zu etwas Besonderem und begeisterte im Gespräch. Irmhild Brüggen verglich unser Nachhaltigkeitsbüro mit dem Fallstudienbüro der Leuphana und berichtete von ihren Erfahrungen im Projekt Zukunftsstadt 2030 aus Lüneburg. Das Wissensmanagement und die Kommunikation zwischen Universität, Stadt und Projektpartner*Innen stellt immer wieder eine Herausforderung und gleichzeitig einen zentralen Baustein für das Gelingen von gemeinschaftlichen Projekten dar. Aktuell wird unser GreenOffice auch in der Nachhaltigkeitsstrategie der Stadt Greifswald diskutiert. Im nächsten Schritt gilt es, einen geeigneten Büroraum zu finden, den uns die Universität zur Verfügung stellen kann. Bereits im Sommer 2021 könnte dann das GreenOffice Greifswald als gemeinsames Leuchtturmprojekt gegründet sein und den Prozess der Nachhaltigkeit voranbringen.
Beitragsbild: Annica Brommann Banner: Jonathan Dehn