Blättern oder swipen: Wie nachhaltig sind E-Reader?

Blättern oder swipen: Wie nachhaltig sind E-Reader?

Wir, die Redakteur*innen der moritz.medien, machen uns natürlich auch weiterhin Gedanken über unsere Umwelt und berichten daher in einem zweiten Teil unserer Nachhaltigkeitskolumne über weitere Themen, Tipps und Gedanken, damit ihr euer Leben (noch) nachhaltiger gestalten könnt.

Der Geruch, wenn man ein Buch öffnet, ist unverkennbar. Genauso das Gefühl, die Seiten umzublättern und diese Wehmut, wenn man das Buch zuklappt, weil man es durchgelesen hat. Sich genauer das Cover angucken zu können und ein Gefühl dafür zu haben, wie viel man schon gelesen hat und mit Vorfreude zu sehen, was einen noch alles erwartet. All das kann nur das klassische Buch. Wie soll bei diesen charmanten Eigenschaften ein E-Reader mithalten können?

Vor einigen Jahren habe ich einen dieser sagenumworbenen E-Reader geschenkt bekommen. Anfangs war ich skeptisch, aber weil ich ihn nun mal hatte, hab ich dieser modernen Alternative eine Chance gegeben. Je mehr ich mit der digitalen Form des Buches vertraut wurde, desto mehr habe ich es lieben gelernt. Neben den smarten Features, die das Gerät inzwischen anbietet, sind E-Reader nicht nur angenehmer zu handhaben. Man kann auch überall auf der Welt fast jedes existierende Buch lesen. Sie sind leicht und passen in jeden Koffer, auch wenn die Sonne scheint, kann man die Schrift angenehm entziffern, im Dunkeln wird das Display beleuchtet und inzwischen gibt es sogar wasserfeste Versionen.

Doch können E-Reader das klassische Buch auch im Aspekt Nachhaltigkeit schlagen? Das Ökoinstitut Freiburg hat vor ein paar Jahren eine Untersuchung zur Umweltverträglichkeit von E-Book-Readern vorgenommen. Faktoren wie Herkunft, Transportwege, Nutzung, Stromverbrauch und Entsorgungsmöglichkeiten spielen zwar auch eine Rolle bei der Frage nach der Nachhaltigkeit eines Produktes, aber bei der Untersuchung ist vor allem eins deutlich geworden: Die Herstellung der beiden Buchtypen ist der umweltschädlichste Teil des Lesevergnügens. 99 % des Energieverbrauchs und der Treibhausgasemissionen eines E-Readers entstehen durch den Herstellungsprozess. Allerdings werden durch das elektronische Buch bestimmte Ressourcen gespart, denn für 80 % der klassischen Bücher werden Bäume gefällt. Dafür fließen in den E-Reader verschiedene Edelmetalle wie Kupfer, Gold oder Palladium, also Rohstoffe, deren Abbau die Freisetzung von Giften und Schwermetallen zur Folge hat. Je nach Beschaffenheit und Herstellungsprozess der beiden Lesemöglichkeiten kommt man zu unterschiedlichen Ergebnissen der Umweltschädlichkeit durch die Produktion. Vergleicht man den durchschnittlichen CO2-Austoß bei der Herstellung eines Buches mit dem eines E-Readers, fällt die Rechnung zunächst ganz eindeutig aus. Während in einen E-Reader bis zu 8 kg Kohlenstoffdioxid fließen, hat ein Buch, selbst gedruckt auf Frischfaser, nur eine CO2-Bilanz von bis zu 1,1 kg.

So einfach bleibt es mit der Rechnung dann aber doch nicht. Ein Buch kann man zwar mehrmals lesen, weitergeben, in Bibliotheken ausleihen; der E-Reader kann jedoch unzählige Bücher laden und „wiederverwendet“ werden. Je öfter ein E-Book auf einem elektronischen Gerät gelesen wird, desto besser wird die Ökobilanz. Hinzu kommt, dass es selbst bei intensiver Nutzung wenig Energie verbraucht. Das Ökoinstitut kam deshalb zu diesem Ergebnis: Wer mehr als zehn Bücher jährlich liest und den E-Reader mindestens drei Jahre besitzt, für den*die wäre ein digitaler Reader eine nachhaltige Alternative. Das Institut hat übrigens auch ausgerechnet, dass der Akku des Geräts jährlich, je nach Nutzungsintensität, 20-100 mal aufgeladen werden muss. Da Akkus insgesamt eine Lebensdauer von 500-1000 Ladezyklen haben, sieht man, dass ein E-Book-Reader eine langfristige, nachhaltige Investition sein kann.

Für diejenigen, die eher selten zu einem Buch greifen und Wert auf Haptik, Optik und „das Erlebnis“ legen, ist aber wohl doch das klassische Buch die bessere Option. Um trotzdem etwas für den ökologischen Fußabdruck zu tun, könnte man das Buch kaufen, indem man zum Beispiel mit dem Fahrrad in die Innenstadt fährt und in lokalen Buchhandlungen nach nachhaltig gedruckten Exemplaren fragt. Diese werden beispielsweise mit dem „Blauen Engel“ gekennzeichnet. Alternativ gibt es auch nachhaltige Online-Handlungen, die zum Beispiel Baumpflanzungen unterstützen. Eine weitere Möglichkeit, den Lesegenuss möglichst umweltfreundlich und gleichzeitig kostengünstig zu gestalten, ist, sich Bücher aus der Bibliothek auszuleihen. Gebrauchte Bücher sind ebenfalls eine tolle Alternative, die man auf Flohmärkten oder über verschiedene Internetportale finden kann. Oder ihr fragt mal in eurem Bekanntenkreis nach: Es gibt bestimmt Leseratten, die euch gerne Bücher ausleihen oder mit euch tauschen. Das ist nicht nur umweltfreundlich, sondern sorgt auch für tolle Gespräche.

Beitragsbilder: Lilli Lipka

(Preis-)Wert – Zahlen wir genug für unsere Lebensmittel?

(Preis-)Wert – Zahlen wir genug für unsere Lebensmittel?

Wir, die Redakteur*innen der moritz.medien, machen uns natürlich auch weiterhin Gedanken über unsere Umwelt und berichten daher in einem zweiten Teil unserer Nachhaltigkeitskolumne über weitere Themen, Tipps und Gedanken, damit ihr euer Leben (noch) nachhaltiger gestalten könnt.

Seid ihr auch schon mal durch den Supermarkt gelaufen und habt euch gewundert, wie ein halbes Kilo Fleisch nur 2,50 € kosten kann und warum Bananen aus Costa Rica so günstig sind? Wie kann das ökologisch fair sein? Um den wahren Wert von Lebensmitteln herauszufinden, hat sich die Universität Greifswald mit der Universität Augsburg und dem Discounter Penny zusammengetan.

Im wahren Wert von Nahrungsmitteln werden neben den Produktionskosten auch die ökologischen und sozialen Folgekosten einberechnet, die während der landwirtschaftlichen Produktion entstehen. Daher spielten in der Untersuchung „Faktoren der Treibhausgasemissionen, der reaktiven Stickstoffemissionen, des Energieverbrauchs und der Landnutzungsänderungen, verursacht durch biologische und konventionelle Lebensmittel“ eine Rolle. Zur Zeit wird die Differenz zum wahren Wert indirekt von der Gesellschaft gezahlt. Das kann sich zum Beispiel in Form von hohen Wasserrechnungen wegen erhöhter Nitratgehalte auswirken. Das heißt, der Konsum günstiger und nicht nachhaltiger Lebensmittel wirkt sich auf die Gesamtgesellschaft aus, aber nicht auf die Preise einzelner Produkte. Gleichzeitig wird man durch die gleichbleibenden, niedrigen Preise dazu verleitet, weiterhin günstige Produkte zu kaufen. Würden die Folgekosten also direkt in den Kaufpreis einbezogen werden, hätte das zur Folge, „dass sich Marktpreise korrigieren und sich so das Kaufverhalten entsprechend der Nachhaltigkeit anpassen würde“.

Die Untersuchung ergab, dass die Preisdifferenzen zwischen herkömmlichem Kaufpreis und wahrem Preis teilweise sehr groß sind. Interessant ist, dass sich der Preisunterschied vor allem bei tierischen Produkten bemerkbar macht. So müsste konventioneller Gouda einen Preisaufschlag von 88% bekommen, um seinen wahren Kosten gerecht zu werden. Bei Milch liegt der Aufschlag sogar bei 122% und konventionelles Fleisch müsste 173% teurer sein. „Konventionell produziertes gemischtes Hackfleisch müsste demnach circa dreimal so teuer sein, würde es auch für die Auswirkungen für die bei der Produktion entstehenden Treibhausgase, Landnutzungsänderungen, reaktiven Stickstoffe und Energieverbrauch aufkommen“, gab das Projekt bekannt. Bei biologischen Tierprodukten ist die Preisdifferenz zwar deutlich niedriger, trotzdem müsste selbst Bio-Fleisch eine Preiserhöhung um 126% erhalten. Die hohen Zahlen bei tierischen Produkten erklärt die Studie mit der ressourcenintensiven Aufzucht und Fütterung der Tiere. Ebenso spielen die Emissionen ein Rolle, die zum Beispiel durch die Verdauung der Tiere oder den Energieverbrauch von Ställen anfallen.

Der Untersuchung nach sind die Kosten pflanzlicher Nahrungsmittel hingegen verhältnismäßig angemessen berechnet. Der Preis von konventionellen Äpfeln, Bananen und Kartoffeln müsste beispielsweise „nur“ bis zu 19% erhöht werden, bei Bio-Produkten etwa die Hälfte davon. Die Differenz zwischen konventionellen und biologisch produzierten Lebensmitteln lässt sich übrigens vor allem mit den natürlichen Produktionspraktiken begründen, die im biologischen Landbau angewendet werden.

Dass Penny als günstiger Lebensmittel-Discounter Teil dieses Projekts ist, wirkt zunächst widersprüchlich. Doch das Projekt erhofft sich durch seine Untersuchung Anstoß für weitere Forschung und Diskussion über eine Einbindung der ökologischen Folgekosten in den Lebensmittelpreis. Anlässlich der Eröffnung eines nachhaltigen Penny-Erlebnismarkts Anfang September hat der Discounter für die untersuchten acht Eigenmarkt-Produkte zum Beispiel eine doppelte Preisauszeichnung vorgenommen: Neben dem herkömmlichen Preis werden dem*der Kund*in auch die wahren Kosten des Lebensmittels offenbart. So wird der Gouda mit einem Preis von 1,99 € angeboten und auf den wahren Preis von 3,74 € aufmerksam gemacht. Stefan Magel von der Penny-Markt GmbH betont: „Wir müssen dazu kommen, die Folgekosten unseres Konsums sichtbar zu machen. Nur so können Kunden am Regal entscheiden. Wir sind als Unternehmen in einem wettbewerbsintensiven Markt ohne Zweifel Teil des Problems. Ich glaube aber, dass wir mit diesem Schritt Teil der Lösung werden können.“

Weitere Informationen für euch:
Die Pressemitteilung des Projekts findet ihr auf der Website der Uni.
Wie sich Nahrungsmittelpreise ergeben, könnte ihr bei der Bundeszentrale für politische Bildung erfahren.

Beitragsbild: Raquel Martínez auf Unsplash
Banner: Jonathan Dehn

Insekten: kleine Lebensretter in Lebensgefahr

Insekten: kleine Lebensretter in Lebensgefahr

Ich lausche dem Summen einer Fliege, die gerade durch das offen stehende Fenster hinein gekommen ist. Lautstark stößt sie gegen das andere Fenster im Raum, kreist an der Decke, zieht dann noch ein paar Runden vor dem Fenster, bevor sie ihren Weg wieder hinaus findet. Sie wirkt ein bisschen benommen – vielleicht, weil auch sie merkt, dass es um sie schlecht steht, vielleicht aber auch nur, weil sie auf ihrem entspannten Flug durch die Natur plötzlich in ein für ihre Verhältnisse ziemlich pflanzenleeres und stickiges Zimmer geraten ist.

Insekten sind faszinierende Tiere. Es gibt wohl kaum eine andere Art auf der Welt, deren Ansehen bei uns Menschen und eigentliche Relevanz für uns so weit auseinander gehen. Wir sind genervt von der zehnten Wespe, die an einem heißen Sommerabend versucht, sich ihren Weg in unser Weinglas zu erschleichen, ekeln uns vor den Fruchtfliegen und Maden, die sich an dem herun­tergefallenen Apfel gütig tun, den wir gerade vom Boden aufgehoben haben. Wir sprühen unsere Pflanzen und sogar unsere eigenen Körper mit Anti-Insektenspray ein, um die Tiere möglichst weit von uns fernzuhalten. Und das alles, obwohl wahrscheinlich keine Tierart wichtiger für das Öko­system ist als die der Insekten.

6 Gründe, Insekten zu lieben:

  1. Es gibt verdammt viele von ihnen: Auf der Erde leben etwa 1,38 Millionen uns bekannter Tierarten. Knapp eine Million, also mehr als zwei Drittel davon, sind Insekten. In Deutschland allein kann man rund 30.000 verschiedene Arten antreffen. Die meisten davon sind Haut­flügler wie Bienen und Wespen, Zweiflügler wie Fliegen und Mücken, Käfer und Schmet­terlinge.
  2. Wir können von ihnen lernen: Ein ganzes Forschungsfeld, die Bionik, beschäftigt sich mit der Frage, wie man die Eigenschaften der Natur möglichst effektiv auf unsere Technik über­tragen kann. Dass die Funktionsweise von Helikoptern im Flug der Libellen Inspiration fand, ist relativ bekannt. Aber auch das Potential zur Bekämpfung von multiresistenten Keimen und sogar die Heilung von Krebs könnte in Insekten stecken.
  3. Sie öffnen uns die Augen: Nährstoffe für unser Nervensystem, unseren Stoffwechsel, sogar für unser Sehvermögen ziehen wir aus der Nahrung, die wir zu uns nehmen – und die stammt zum größten Teil von Pflanzen, die von den Insekten bestäubt wurden. Selbst um uns warm zu halten, sind wir auf Insekten angewiesen: Die Materialien für unsere Kleidung stellen wir aus bestäubten Baumwoll­pflanzen her, oder wir gewinnen die Wolle von Tieren, deren Nahrung wiederum durch die Bestäubung von Insekten wachsen konnte.
  4. Ihr Kot ist Gold wert: Mit ihrer Ausscheidung können Insekten maßgeblich den Nährstoff- und Energiehaushalt des Ökosystems aufrechterhalten. Sie verarbeiten ihre Nahrung zu verwertbaren Stoffen, deren Nährstoffe wiederum von Mikroorganismen freigelegt und wieder nutzbar gemacht werden. So tragen sie zur Fruchtbarkeit des Bodens bei.
  5. Kein Sterben ohne Insekten: Nicht nur Nektar, Baumrinde oder lebende Blätter stehen auf ihrem Speiseplan, sondern auch totes Material. Rinde, Holz und abgestorbene Blätter werden von ihnen zerkleinert, was es den Mikroorganismen wiederum erleichtert, sie zu zersetzen. Aber auch geschwächte Pflanzen und Tierkadaver werden von ihnen heimgesucht, wodurch sie die Ausbreitung von Krankheiten stark reduzieren.
  6. Kein Leben ohne Insekten: Insekten tragen direkt oder indirekt zu einem Großteil der Nah­rungsgrundlage bei, die diese Welt zu bieten hat. Sie sind nicht nur Futter für Frösche, Schwalben, Fledermäuse und co., sondern in erster Linie Bestäuber. Ihr Hunger nach Nektar treibt sie von einer Pflanze zur nächsten, wodurch sie deren Pollen weiter tragen – und so maßgeblich deren Erhalt und Ausbreitung verursachen. Dadurch sorgen sie nicht nur für eine stabile Biodiversität (rund 88 Prozent der Pflanzen werden weltweit durch Fremdbe­stäubung vermehrt): Auch unsere Nutzpflanzen sind von ihnen abhängig. Insgesamt sind Insekten an der Bestäubung von 91 der 107 weltweit am häufigst angebauten Kultur­pflanzen beteiligt. Ohne ihren Beitrag hätten wir kaum Getreide oder Obst, keinen Raps, keine Zwiebeln oder Möhren, nicht einmal Kaffee.

Wir lieben sie scheinbar doch nicht …

Führt man sich vor Augen, wie wichtig Insekten für unser gesamtes Ökosystem sind, erscheint es absurd, wie schlecht es gleichzeitig um sie steht. Seit 2016 hat das Stichwort „Insektensterben“ seine eigene Wikipedia-Seite. In den letzten 10 Jahren haben verschiedene Studien bewiesen, dass es einen eindeutigen Rückgang in der Insektenvielfalt gibt, sowohl in Deutschland als auch international. Vor allem Schmetterlinge und Hautflügler sind betroffen, also Ameisen, Wespen oder Bienen. Eine der wohl bekanntesten und einschneidendsten Studien stammte 2017 aus Krefeld in Nordrhein-Westfalen. „More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas“ hieß die Studie, die sich vor allem auf den Bestand in NRW bezog. Drei Viertel der Insekten in nur 27 Jahren.

Der Hauptgrund für diese drastische Entwicklung wird in erster Linie im Menschen gesehen. 66 Hektar an asphaltiertem und betoniertem Boden zerstören jeden Tag natürliche Lebensräume. Artenreiche Kulturlandschaften weichen monokulturellen, industriellen Landwirtschaftsflächen. Nicht alle Insektenarten können die großen Flächen überwinden, um zu ihrer benötigten Nahrung zu kommen. Die strukturarmen Felder und die angebauten Hochleistungssorte fördern außerdem die Ausbreitung von Schädlingen, die dann durch Glyphosat, Neonicotinoide und ähnliche giftige Pflanzenschutz­mittel bekämpft werden. Diese treffen aber nicht nur Schädlinge, sondern auch Insekten wie Bienen und deren Nahrungsgrundlagen. Neonicotinoide schwächen sogar nachweislich das Immunsystem von Bienen und beeinträchtigen ihren Orientierungssinn.

An anderen Orten führt eine Überdüngung des Bodens dazu, dass Pflanzen, die auf nährstoffarme Erde angewiesen sind, nicht länger wachsen können. In vielen Wäldern werden alte Bäume und moderndes Holz, von denen sich Insekten ernähren, sofort beseitigt. Eine Studie der Universität Mainz weist nach, dass jede Nacht etwa eine Milliarde Insekten an Straßenlaternen in Deutschland verenden, weil sie verbrennen oder durch die Störung, die das künstliche Licht in ihrem Tag-Nacht-Rhythmus verursacht, vor Erschöpfung sterben. Auch der Klimawandel trägt seinen Teil bei: Wenn Pflanzen früher (ver)blühen, finden Insekten, die je nach Tageslichtlänge aus ihrem Winterschlaf erwachen, womöglich nicht mehr die Pflanzen, die sonst ihre Nahrungsgrund­lage bilden.

Wie wir ihnen Liebe zeigen können

Auf politischer Ebene soll durch Projekte wie das 2018 beschlossene „Aktionsprogramm Insekten­schutz“ dem Insektensterben entgegengewirkt werden. Die Gelder, die für solche Unternehmungen bereitgestellt werden, kommen dabei zum Beispiel dem Ausbau der Landschaft oder der Pflege besonderer Schutzgebiete zugute, aber auch besseren Optionen und damit einem weitreichenden Rückgang von Unkrautvernichtungs- und Schädlingsbekämpfungsmitteln.

Aber auch im Privaten kann jede*r einzelne von uns einen Teil beitragen. Die wohl einfachste Möglichkeit besteht darin, beim eigenen Konsumverhalten genau aufzupassen. In der ökologischen Landwirtschaft sind chemisch-synthetische Pestizide verboten. Es ist also ratsam, auf regionale und saisonale Bioprodukte zu achten oder Obst und Säfte von Streuobstwiesen zu bevorzugen. Oft wird in der Bio-Landwirtschaft auch auf Fruchtwechsel sowie Brachflächen geachtet, die Insekten einen vielfältigeren Lebensraum bieten.

Für alle, die einen eigenen Garten oder zumindest einen Balkon besitzen, sind auf den Websites des NABU (Naturschutzbund Deutschland) oder des WWF verschiedene Tipps zusammengestellt, die euch Anregun­gen geben, wie ihr euren Pflanzenanbau möglichst insektenfreundlich gestalten könnt. Wichtig ist dabei, dass ihr auf einheimische Pflanzen achtet und einen möglichst breiten Mix anbieten könnt, der von Frühling bis Herbst wenigstens mit der einen oder anderen Blüte parat steht. Worauf genau ihr dabei achten müsst, damit eure Saatpflanzen möglichst nachhaltig und tierfreundlich sind, werden wir euch in einem zukünftigen Artikel vorstellen.

Neben den Pflanzen könnt ihr außerdem flache Trinkwasserschalen aufstellen, an denen die Insekten ihren Durst stillen können, oder ihr richtet sogar einen kleinen Cocktail aus Zuckerwasser, Fruchtsaft oder reifen Früchten an, der vor allem Schmetterlinge anzieht. Auch kleine Steinhaufen oder Stapel aus totem Holz können verschiedenen Insektenarten Unterschlupf bieten. Solltet ihr neben all den Pflanzen, Schalen und Steinen noch etwas Platz auf dem Balkon oder in eurem Garten haben, könnt ihr vielleicht auch über ein Insektenhotel nachdenken. Kleine Betriebe wie der Knastladen, dessen Produkte von Insassen der Justizvollzugsanstalten Nordrhein-Westfalens hergestellt werden, bieten selbstgebaute Insektenhotels für einen kleinen Preis an. Wenn ihr euch selbst im Basteln versuchen wollt, stehen euch online die verschiedensten Bauanleitungen zur Seite.

Für diejenigen, die keinen eigenen Garten oder Balkon, aber vielleicht ein wenig Geld oder zeitliche Kapazität zur Verfügung haben, gibt es verschiedene Organisationen, die sich für den Schutz von Insekten einsetzen. In einem früheren Nachhaltigkeitsartikel haben wir euch zum Beispiel von Bienenpaten­schaften erzählt, bei denen ihr mit etwas Geld Organisationen unterstützen könnt, die sich für den Erhalt der Bienen einsetzen.

Die Fliege ist während des Schreibens dieses Artikels noch ein, zwei Mal zu mir hinein geflogen. Es ist leicht, von ihr genervt zu sein, wenn sie einem mit lautem Brummen um den Kopf schwirrt oder sich kitzelnd auf dem nächstgelegenen Arm niederlässt. Und das ist auch in Ordnung. Nur ist es dabei auch wichtig, sich in Erinnerung zu rufen, wie sehr wir von ihr und all ihren kleinen nahen und entfernten Verwandten abhängig sind. Mit wie viel Hartnäckigkeit wir ihren Lebensraum trotzdem bedrohen. Und wie leicht es eigentlich ist, ihr zu helfen.

Weiterführende Links:
Über die Wichtigkeit der Insektenbestäubung: https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/oekologisch-leben/balkon-und-garten/tiere/insekten/22683.html
Weitere Fun Facts zu Insekten: https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/insekten-und-spinnen/info/22674.html
Mehr Gründe für das Insektensterben: https://www.bund.net/themen/tiere-pflanzen/tiere/insekten/bedrohung/
Zu Neonicotinoiden und anderen Gründen für das Insektensterben: https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/insekten-und-spinnen/20997.html
FAQ: Insektensterben in Deutschland: https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/insekten-und-spinnen/insektensterben/23580.html
So könnt ihr helfen: https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/oekologisch-leben/balkon-und-garten/tiere/insekten/index.html
So könnt ihr noch mehr helfen: https://www.wwf.de/aktiv-werden/tipps-fuer-den-alltag/tipps-fuer-den-garten/so-helfen-sie-insekten

Beitragsbild: Franziska Schlichtkrull
Banner: Jonathan Dehn

Das Problem mit den Flaschen

Das Problem mit den Flaschen

Wir, die Redakteur*innen der moritz.medien, machen uns natürlich auch weiterhin Gedanken über unsere Umwelt und berichten daher in einem zweiten Teil unserer Nachhaltigkeitskolumne über weitere Themen, Tipps und Gedanken, damit ihr euer Leben (noch) nachhaltiger gestalten könnt.

Wer schnell noch eine Limo oder ein Bierchen für den Nachmittag am Hafen einkaufen geht, wird sich sicherlich nicht stundenlang mit den Fragen aufhalten, ob sein Wunschgetränk nun in Glas, Aluminium oder Plastik verpackt ist, geschweige denn, ob die Verpackung dem Einweg- oder Mehrwegsystem angehört. Warum man sich aber der Umwelt zuliebe mehr Gedanken um die Verpackung seiner (nicht nur spontan gekauften) Getränke machen sollte und was das Ganze eigentlich mit dem Pfandsystem zu tun hat, verraten wir euch in diesem Beitrag.

Die Verpackung macht’s

Eine Verpackung mehrmals zu nutzen, anstatt sie jedes Mal zerstören und neu produzieren zu müssen, schont Ressourcen. Darüber war sich im Jahr 2003 auch die Politik einig, und führte deshalb das gesetzliche Pflichtpfand für Einwegflaschen ein. Damit sollte die Quote für Mehrwegflaschen auf 80 Prozent gesteigert werden. Man hoffte darauf, dass Kunden*innen so eher zu Mehrwegflaschen greifen würden, für die man der Sache nach schon immer Pfand zahlen musste, weil nun auch Einwegflaschen einem Pfand unterlagen. Doch genau das Gegenteil zum gewünschten Ziel trat ein, denn im Laufe der letzten Jahrzehnte wurden Einwegflaschen immer beliebter. Der Anteil der Mehrweggetränkeverpackungen nimmt dagegen laut dem Umweltbundesamt kontinuierlich ab. So wurden im Jahr 2017 nur etwa 42 Prozent der Getränke in Mehrwegverpackungen abgefüllt. Im Vergleich dazu lag dieser Wert 2010 immerhin noch bei 48 Prozent. Mit Inkrafttreten des neuen Verpackungsgesetzes im Januar 2019 versuchte man diesem negativen Trend nun mit einer gesetzlich vorgeschriebenen Mehrwegquote von 70 Prozent entgegenzuwirken.

Wo war nochmal der Unterschied?

Nicht ohne Grund sieht das neue Verpackungsgesetz zudem auch vor, dass Supermärkte verpflichtet sind, schon am Getränkeregal deutlich auszuweisen, welche Produkte Einweg und welche Mehrweg sind. Dies ist für Verbraucher*innen nicht immer einfach und schon gar nicht am Pfand zu erkennen. Mittlerweile werden am Markt sogar Einwegflaschen in Mehrwegkästen angeboten, die Verwirrung ist also berechtigterweise groß.

Weniger verwirrend ist die Tatsache, dass Ein- und Mehrweggetränkeverpackungen erst einmal im gleichen Pfandautomaten landen. Jedoch werden PET-Einwegflaschen direkt vom Automaten zerdrückt und später zu sogenannten Flakes weiterverarbeitet, welche wiederum in neue PET-Einwegflaschen recycelt oder zum Beispiel zu Kosmetikverpackungen oder Fleece-Kleidung downgecycelt werden. Immer häufiger in den Regalen findet man auch wieder Getränkedosen aus Aluminium, die nach der einmaligen Benutzung eingeschmolzen und recycelt werden und deshalb ebenso zum Einweg zählen. Mehrwegflaschen werden dagegen nach der Rückgabe gereinigt und wieder befüllt. Sie können sowohl aus PET (Polyethylenterephthalat, einem in den meisten Fällen aus Erdöl oder seltener aus Zuckerrohr hergestelltem Kunststoff) bestehen oder aus Glas gefertigt sein.

Einige Getränkeverpackungen wie Milch- oder Saftkartons landen natürlich nicht oder nur versehentlich im Pfandrückgabeautomaten, da sie eigentlich in die Gelbe Tonne gehören. Auch sie werden nach einmaligem Gebrauch recycelt und zählen zum Einweg, besitzen allerdings aus den verschiedensten Gründen keinen Pfand.

Einweg vs. Mehrweg

Das neue Verpackungsgesetz macht das Erkennen von Mehr- und Einweg zwar etwas leichter, hat allerdings die Debatte um die Frage, welche von beiden Optionen weniger umweltschädlich ist, neu entfacht.

PET-Mehrwegflaschen können etwa 20 bis 25 Mal wieder befüllt werden. Im Falle von Mehrwegflaschen aus Glas sind es sogar bis zu 50 Mal. Weil Mehrwegflaschen häufiger genutzt werden können, verteilt sich der Aufwand in ihrer Produktion also anders als bei Einwegflaschen auf mehrere Lebenszyklen. Laut dem Bundesumweltamt sind Mehrwegflaschen deshalb deutlich umweltfreundlicher als Einwegflaschen, zusätzlich ist der Energie- und Ressourcenverbrauch für ihren Rücktransport und ihre Reinigung geringer als der Herstellungsaufwand für neue Einwegflaschen. Laut der Deutschen Umwelthilfe (DUH) lassen sich durch den konsequenten Einsatz von Mehrwegflaschen jährlich 480.000 Tonnen Rohöl und Erdgaskondensate zur Neuherstellung von Einwegplastikflaschen einsparen.

Trotzdem setzt die Industrie vermehrt auf PET-Einwegflaschen. Das liegt vor allem am Faktor Geld. Einwegflaschen sind nicht nur in ihrer Herstellung günstiger, denn ihr Transport nach Rückgabe am Pfandautomaten ist mit deutlich weniger logistischem Aufwand und entsprechend niedrigeren Kosten verbunden. Natürlich lassen sich zusammengepresste Plastikflaschenblöcke besser transportieren als gestapelte Mehrwegkästen, weil sie zum einen weniger wiegen und sich zum anderen mehr Flaschen auf einmal transportieren lassen. Auch bei den Verbraucher*innen sind die PET-Einwegflaschen aufgrund ihres geringen Gewichts beliebt, aber letztendlich werden Getränke in Einwegflaschen vor allem aufgrund ihrer geringen Preise gekauft.

Diese können nicht nur wegen der günstigeren Logistik und den niedrigeren Herstellungskosten zustande kommen, sondern auch weil Einwegflaschen, laut einer Dokumentation des NDR, ungewollt vom Staat subventioniert werden. So führen die Befreiungen von der EEG-Umlage besonders stromintensiver Unternehmen, zu welchen vor allem Einwegflaschenhersteller und nicht Reinigungs- und Abfüllfirmen für Mehrwegflaschen gehören, zu Kosteneinsparungen dieser Betriebe. Das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die DUH fordern deshalb eine Lenkungsabgabe von 20 Cent pro gekaufter Einweggetränkeverpackung, um die Preisunterschiede zwischen Ein- und Mehrweg anzugleichen.

PET-Einweg per se schlecht?

Man kann sich durchaus einmal die Frage stellen, ob die PET-Einwegflasche ihren Ruf als Umweltsünde verdient hat. Der Lobbyverband der Bund Getränkeverpackungen der Zukunft (BGVZ) sieht gerade im geringen Gewicht der Einweggetränkeverpackung entgegen der Ansicht des Umweltbundesamts einen großen Vorteil, weil dies zusätzlich zur Einsparung von Kohlenstoffdioxid beim Transport beiträgt. Darin sieht der BGVZ zusammen mit einem hohen Recyclatanteil (Anteil des Herstellungsmaterials, welches aus zuvor recycelten Einwegflaschen stammt) in neu produzierten Einwegflaschen die Einsparung von wertvollen Rohstoffen und Energie.

Laut der Deutschen Umwelthilfe werden etwa 99 Prozent der Einwegflaschen recycelt, allerdings wird nur ein Drittel von ihnen zu neuen Flaschen verwertet. Der Rest wird downgecycelt. Das liegt vor allem daran, dass neues PET günstiger als das recycelte PET ist. Trotzdem gibt es mittlerweile Firmen, die bewusst auf einen sehr hohen Recyclatanteil ihrer Einwegflaschen hingearbeitet haben. Dem Getränkehersteller Bad Dürrheimer hat es geschafft, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem es möglich ist, eine Einwegflasche mit 100 Prozent Recyclatanteil herzustellen, und sein Sortiment dementsprechend umgestellt. Damit ist das Unternehmen allerdings eine Ausnahme, denn im Jahr 2017 lag der durchschnittliche Anteil von Recyclat in Einwegflaschen bei nur 26,6 Prozent. Ressourcen wie Erdöl werden derzeitig also nur zum Teil geschont. Die DUH hält daneben selbst Flaschen aus 100 Prozent Recyclat für keine geeignete Lösung, weil bei der Aufbereitung der Recyclate viel Energie verbraucht wird. Sie bestreitet, dass es einen geschlossenen Materialkreislauf gibt, wie es der BGVZ behauptet.

Das neue Verpackungsgesetz schreibt übrigens einen Recyclatanteil von 58,8 Prozent vor. Was aber passiert, wenn das und die geforderte Mehrwegquote von 70 Prozent von den Herstellern nicht umgesetzt werden, steht nicht im Gesetz geschrieben. Es heißt also erst einmal abwarten und [hier beliebiges Getränk einfügen] trinken. Genauso müssen wir weiterhin auf eine neue Ökobilanz (Verfahren, das umweltrelevante Vorgänge erfasst und bewertet) warten, um mit Sicherheit sagen zu können, ob Einwegflaschen und ihr sehr hoher Recyclatanteil mit der Ökobilanz von Mehrwegflaschen mithalten können.

Einweg, Mehrweg, Ausweg?

Weil momentan nur einzelne Hersteller PET-Flaschen mit einem Recyclatanteil von 100 Prozent anbieten und noch nicht geklärt ist, welche Ökobilanz diese gegenüber herkömmlichen Mehrwegflaschen besitzen, sollten wir auf dem Weg zum Hafen lieber zur Mehrwegflasche aus Glas oder PET greifen. Zusätzlich dazu sollten wir auch Getränke so regional wie möglich kaufen. Wer sich bei seiner Kaufentscheidung jetzt immer noch nicht sicher fühlt, der Umwelt aber trotzdem etwas Gutes tun will, trinkt am besten Leitungswasser. Das hat in Deutschland nicht nur eine hervorragende Qualität, sondern ist auch günstig und kann am Wasserhahn eurer Region gezapft werden.

Mehr Infos für euch:

Seite des Umweltbundesamtes: https://www.umweltbundesamt.de/umwelttipps-fuer-den-alltag/essen-trinken/mehrwegflaschen

Seite der Deutschen Umwelthilfe (DUH): https://www.duh.de/mehrweg-klimaschutz0/

Seite des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU): https://www.bmu.de/faqs/einweg-und-mehrweg/

Seite der Bundeszentrale für politische Bildung: https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/152198/10-jahre-dosenpfand-28-12-2012

Seite des Natursschutzbund (NABU): https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/ressourcenschonung/einzelhandel-und-umwelt/mehrweg/nabumehrwegguide.html

Seite der Verbraucherzentrale: https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/umwelt-haushalt/abfall/mehrweg-oder-einweg-verwirrung-total-beim-pfand-11504

Seite des Bund Getränkeverpackung der Zukunft (BVGZ): https://www.bgvz.de/

Seite des Deutschen Pfandsystems (DPG): https://dpg-pfandsystem.de/index.php/de/

Für ganz Interessierte:

Doku des ZDF: „Ab in die Presse – das Mehrwegmärchen“

Doku des Handelsblatt: „Einweg-Pfandflaschen: Auf der Spur der PET-Flasche“

Doku des NDR: „Einwegflaschen bevorzugt gegenüber Mehrwegflaschen: Subventionen durch EEG“

Doku von Puls: „Warum verschwinden so viele Bierflaschen? Dem Pfand auf der Spur“

Beitragsbild: Nick Fewings auf Unsplash

Sonnencreme – Ein Schutz, der schadet?

Sonnencreme – Ein Schutz, der schadet?

Wir, die Redakteur*innen der moritz.medien, machen uns natürlich auch weiterhin Gedanken über unsere Umwelt und berichten daher in einem zweiten Teil unserer Nachhaltigkeitskolumne über weitere Themen, Tipps und Gedanken, damit ihr euer Leben (noch) nachhaltiger gestalten könnt.

Ein Mittel, das uns vor den Einflüssen der Umwelt schützen soll, richtet im Meer Schaden an. Paradox, oder? Aber leider wahr. Sonnencreme ist eine der Ursachen, dass der „Regenwald der Meere“ stirbt. Dabei sind Korallenriffe doch so wichtig für die Umwelt und für uns. Als Lebensraum für tausende Fische, Krebse und andere Tiere sind Korallenriffe neben dem Regenwald das größte Ökosystem der Erde.

Konsequenzen für die Umwelt

Wie die ganze Erde werden auch Korallenriffe nicht von der Klimakrise verschont. Neben der Erderwärmung machen sich die Folgen der Überfischung, Verschmutzung der Meere und von bestimmten Krankheiten bemerkbar. Zusätzlich tragen auch die Inhaltsstoffe von Sonnenschutzmitteln zum Sterben der Korallenriffe bei. Diese Stoffe gelangen entweder durch das Abwasser oder auf direktem Weg ins Meer. Habt ihr schon einmal beobachtet, wie die Meeresoberfläche beim Baden von einer leichten Fettschicht bedeckt wurde, die faszinierend schillernd ihre Schlieren zieht? Das ist die Sonnencreme, die über eure Haut ins Wasser gelangt.

Chemische Stoffe in der Creme, wie zum Beispiel Oxybenzon, sollen die UV-Strahlen filtern und absorbieren – allerdings sind sie Gift für die Umwelt. Die wasserunlöslichen Partikel bauen sich nur sehr schwer ab. Sie sammeln sich im Gewebe von Fischen und Korallen, und richten so Schäden im Erbgut der Larven an. Weitere Konsequenzen sind ein abnormales Skelettwachstum oder Deformitäten der Babykorallen. Einige Stoffe (Benzophenon-2 oder BP-2) sind sogar so schädlich, dass sie Jungkorallen abtöten. Wenn die symbiotischen Meeresbewohner und Mikroorganismen sterben oder die Riffe verlassen, bleibt nur noch das helle Kalkskelett der Korallen zurück. Dieses Phänomen nennt man Korallenbleiche. Hält diese Bleiche länger an, sterben die Korallen ab, was zum Zusammenbruch ganzer Ökosysteme führen kann. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen schätzt, dass schon jetzt bis zu 50% der Korallenriffe auf der ganzen Welt zerstört wurden – und die Sonnencreme, die wir so leichtfertig für unseren Schutz benutzen, trägt dazu bei.

Kaum erforscht wurden bisher übrigens die Schäden durch Sonnencreme im Süßwasser. In den Mengen, die derzeit in die Seen und Flüsse gelangen, sollen die Stoffe nicht schädlich wirken. Bei erhöhter Konzentration der UV-Filter sieht das aber schon ganz anders aus: Der Biologe Prof. Dr. Jörg Oehlmann von der Uni Konstanz konnte in ersten Versuchen feststellen, dass die Stoffe in der Sonnencreme Lebewesen hormonell beeinflussen können.

Was können wir also tun, um uns und die Umwelt zu schützen?

Die einfachste Maßnahme wäre, keine Sonnencreme mehr zu benutzen. Doch so leicht ist es natürlich nicht, denn Sonnencreme ist unerlässlich, um Hautkrebs und weiteren Hautkrankheiten vorzubeugen – also nicht falsch verstehen!

Es gibt auch andere, gesunde Alternativen: Eine wirksame Möglichkeit, sich vor der Sonneneinstrahlung zu schützen, ist zum Beispiel das Tragen von Kleidung. Neben Stoffen, die extra zum Sonnenschutz produziert werden, eignen sich vor allem dunkle Teile: Schwarze Kleidung kann bis zu 97% der Sonneneinstrahlung absorbieren.

Eine weitere Alternative, auf die oft zurückgegriffen wird, sind Sonnencremes, die anhand mineralischer Filter vor der UV-Strahlung schützen. Sehr wichtig dabei ist, auf Cremes mit Nanopartikeln zu verzichten. Oftmals sind in mineralischen Cremes nämlich Nanoteilchen wie Zinkoxid oder Titanoxid enthalten. Durch die kleinen Partikel lässt sich die Creme zwar leichter verteilen und hinterlässt keine weiße Schicht, allerdings können auch sie Mikroorganismen oder Fischen schaden, die sie über die Nahrung aufnehmen. Unklar ist außerdem, ob sich diese Nanopartikel schädlich auf den Menschen auswirken oder sogar Krebs hervorrufen können. Übrigens sind Produkte mit Nanopartikeln inzwischen mit einem „nano“ im Kleingedruckten gekennzeichnet.

Glücklicherweise arbeiten einige innovative Unternehmen an umweltfreundlichen Sonnencremes. Wichtig ist darauf zu achten, dass keine Stoffe wie Oxybenzon bzw. „Benzophenon 3-5“, Octinoxat bzw. „Ethylhexyl Methoxycinnamat“ oder „ 4-Methylbenzyliden Camphor“ in den Cremes enthalten sind. Kleiner Tipp: Mit der App „Codecheck“ könnt ihr beim Einkaufen das Produkt scannen und erkennen, ob kritische Inhaltsstoffe enthalten sind.

Ja, es ist nervig. Schon wieder ein Vorschlag, unser Verhalten zu ändern. Wahrscheinlich müssen wir uns darauf einstellen, unsere Gewohnheiten immer wieder zu überdenken. Und ja, es ist nur eine kleine Änderung, die die Riffe allein nicht retten wird. Aber es lohnt doch, sich seinem Verhalten bewusst zu werden und vielleicht etwas mehr Geld in eine umweltfreundliche Sonnencreme zu investieren. Denn was bringt ein gesunder Körper in einer kaputten Umwelt?

Weitere Infos für euch

Mehr zu Korallenriffen: https://www.planet-wissen.de/natur/meer/korallenriffe/index.html

Wie schädlich ist Sonnencreme für den Menschen: https://www.tagesspiegel.de/wissen/uv-filter-koennen-ins-blut-uebergehen-wie-gefaehrlich-ist-sonnencreme-wirklich/24687860.html

Alternative mineralische Sonnencremes: https://utopia.de/ratgeber/was-taugen-bio-sonnencremes-wirklich-mineralisch-uv-filter-nano-lichtschutzfaktor/

Eine Übersicht über die Folgen für Korallenriffe der chemischen Inhaltstoffe in Sonnenschutzsmitteln: https://oceanservice.noaa.gov/news/sunscreen-corals.html

Mehr zu Nanopartikeln in Sonnencreme: https://www.sueddeutsche.de/wissen/umstrittene-nanopartikel-sand-in-der-sonnenmilch-1.1994845

Warum ein Sonnencreme-Verbot alleine nicht ausreichen würde: https://www.quarks.de/umwelt/darum-wird-ein-sonnencreme-verbot-keine-korallen-retten/

Beitragsbild:  Dimitris Vetsikas auf Pixabay
Bild: Daniel Pelaez Duque auf Unsplash
Banner: Jonathan Dehn

Containern gehört verboten!

Containern gehört verboten!

Weshalb die Bestätigung der Strafbarkeit des “Containerns” durch das Bundesverfassungsgericht zu einem Schlüsselmoment für eine nachhaltigere Lebensmittelpolitik werden könnte.

Wir, die Redakteur*innen der moritz.medien, machen uns natürlich auch weiterhin Gedanken über unsere Umwelt und berichten daher in einem zweiten Teil unserer Nachhaltigkeitskolumne über weitere Themen, Tipps und Gedanken, damit ihr euer Leben (noch) nachhaltiger gestalten könnt.

Containern ist strafbar. So lautet die Quintessenz der Ablehnung der Verfassungsbeschwerde durch das Bundesverfassungsgerichts vom 18.08.2020. Die 3. Kammer des zweiten Senats hat die Verfassungsbeschwerden zweier Studentinnen zur Strafbarkeit des Containerns nicht zur Entscheidung angenommen. Doch ein genauerer Blick auf diese Entscheidung lohnt sich!

Eine kurze Zusammenfassung des Falles: Die Studentinnen hatten in Olching (Bayern) auf dem Gelände eines Supermarktes Lebensmittel aus einer zur Abholung durch die Entsorgungsgesellschaft bereitstehenden, verschlossenen Mülltonne entnommen. Daraufhin waren sie zu jeweils 8 Sozialstunden und einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen auf Bewährung verurteilt worden. Das Gericht entschied jetzt in höchster deutscher Instanz, dass der Gesetzgeber “das zivilrechtliche Eigentum grundsätzlich auch an wirtschaftlich wertlosen Sachen strafrechtlich schützen” dürfe. In der Urteilsbegründung des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom Januar 2019 heißt es, dass der Supermarkt durch die Beauftragung der Abfallentsorgungsgesellschaft und das Verschließen der Mülltonne seinen Eigentumsanspruch an den Lebensmitteln nach § 969 BGB nicht aufgegeben habe. Dieser Einschätzung gab das Bundesverfassungsgericht statt. Zudem bestätigte es die Einschätzung, dass eine Strafbarkeit des Containerns als Diebstahl nach § 242 Abs. 1 StGB rechtmäßig sei.

Auch wenn die Begründung in sich schlüssig ist und die Richter*innen in Karlsruhe inhaltlich kaum eine andere Entscheidungsmöglichkeit hatten, liest sich die Erklärung auf den ersten Blick wie ein herber Rückschlag für alle Menschen, die sich dafür einsetzen, die Lebensmittelverschwendung im Einzelhandel zu reduzieren. Wer versucht, durch Containern Lebensmittel vor der Vernichtung zu retten, muss sich spätestens jetzt darüber im Klaren sein, dass im schlimmsten Fall eine Verurteilung wegen Diebstahls droht. Gerade für Studierende mit einem Berufswunsch, für den ein polizeiliches Führungszeugnis oder eine Erklärung über die Straffreiheit nötig ist, kann das ein Problem werden. Der Versuch, Gutes zu tun, kann im ungünstigsten und gerade im wiederholten Fall weitreichende Konsequenzen haben (auch wenn in der Erklärung ausdrücklich die straf- und prozessrechtlichen “Möglichkeiten, im Einzelfall der geringen Schuld des Täters Rechnung zu tragen” angeführt werden).

Noch schwerer dürfte an diesem Urteil jedoch wiegen, dass es kein gutes Signal an die Supermärkte sendet. Diese können sich nun auch in letzter Instanz in ihrer Vorgehensweise bestätigt sehen, Lebensmittel zu vernichten und müssen dafür in Zukunft nicht einmal mehr auf fadenscheinige Argumente wie die Haftungsfrage bei der Entstehung von Gesundheitsschäden durch Lebensmittel aus Müllcontainern zurückgreifen.

Trotz dieses vermeintlichen Rückschlags im Kampf um einen freiwilligen nachhaltigeren Umgang mit Lebensmitteln steckt in der Beurteilung des Sachverhaltes durch das Bundesverfassungsgericht aber auch großes Potential für eine positive Entwicklung. Das Urteil kann und sollte bei genauerem Hinsehen nämlich durchaus ganz anders verstanden werden, denn:

Containern gehört tatsächlich verboten.

Der ganze Vorgang ist vollkommen absurd: Niemand sollte nachts auf fremde Grundstücke eindringen, Schlösser an Mülltonnen überwinden und sich durch Berge von Abfall wühlen müssen, um zu verhindern, dass genießbare Lebensmittel vernichtet werden. Diese Lebensmittel sind kein Abfall und dürften entsprechend auch gar nicht so behandelt werden.

Laut der WWF-Studie “Das große Wegschmeißen” aus dem Jahr 2015 werden in Deutschland jährlich ca. 2,58 Millionen Tonnen an Lebensmitteln durch den Groß- und Einzelhandel vernichtet. Das sind im Jahr gut 30 kg pro in Deutschland lebender Person, etwa 80 g pro Tag. Auch wenn es offensichtlich nicht möglich ist, eine Lebensmittelverwertung von 100% zu erreichen, verdeutlichen diese Zahlen, dass wir alle, jede einzelne Person, jährlich mehrere Kilogramm Lebensmittel containern müssten, um die Lebensmittelvernichtung im Groß- und Einzelhandel auf ein akzeptables Maß zu reduzieren.

Es ist also eindeutig, dass das Containern nicht die Lösung für dieses weitreichende Problem sein kann. Supermärkte müssen, schon im eigenen wirtschaftlichen Interesse, ihre Mengenplanung und Lieferketten optimieren. Zusätzlich ist es jedoch absolut notwendig, den Umgang mit abgelaufenen, aber noch genießbaren Lebensmitteln auch gesetzlich besser zu regulieren. Die Ansätze sind vielfältig und reichen von privaten Anbietern wie der App “too good to go” (inzwischen auch in Greifswald nutzbar!) oder der „Foodsharing“-Initiative bis hin zu staatlichen Reformen wie dem französischen Modell. Dort wurde vor etwa vier Jahren statt der Rettung die Vernichtung von Lebensmitteln unter Strafe gestellt – mit der positiven Folge, dass Einrichtungen wie die Tafel nun deutlich größere Mengen an Lebensmittelspenden erhalten.

Die strukturellen Probleme sind auch den Richter*innen in Karlsruhe nicht entgangen, weshalb sie gerade zum Ende der Erklärung im Rahmen ihrer amtlichen Möglichkeiten auch sehr deutliche Kritik üben: Sie erwähnen explizit, dass der Gesetzgeber “bisher Initiativen zur Entkriminalisierung des Containerns nicht aufgegriffen hat.” Der letzte Absatz der Erklärung muss insbesondere aufgrund seiner Stellung im Text als direkte Handlungsaufforderung an die Politik verstanden werden: “Ob der Gesetzgeber im Hinblick auf andere Grundrechte oder Staatszielbestimmungen wie beispielsweise den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen nach Art. 20a GG und im Rahmen einer Fortentwicklung von Inhalt und Schranken des Eigentums auch eine alternative Regelung hinsichtlich des Umgangs mit entsorgten Lebensmitteln treffen könnte, ist vorliegend ohne Bedeutung.”

Nach diesem Steilpass des Bundesverfassungsgerichts liegt der Ball jetzt also bei den Abgeordneten des Bundestages, die nun dafür verantwortlich sind, dass das, was richtig ist, auch endlich zu Recht wird.

Art. 20a GG: Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.

Weiterführende Links
Übers Containern innerhalb und außerhalb Greifswalds: https://webmoritz.de/2020/01/06/late-night-shopping/
Die ganze Geschichte der beiden Studentinnen: http://olchiscontainern1.blogsport.de/

Titelbild: Free-Photos auf Pixabay
Banner: Jonathan Dehn
Beitragsbilder: Philipp Schweikhard