moritz.vorpommern: Erdgeister im mystischen Greifswald

moritz.vorpommern: Erdgeister im mystischen Greifswald

Greifswald bietet uns allzeit eine steife Brise, Strände, Möwen und viel(es) Meer. Der webmoritz. zeigt euch die Stadt und ihre Region Vorpommern, und manchmal wagen wir uns sogar darüber hinaus. Ihr erfahrt, was wir hier lieben, welche besonderen Orte es zu entdecken gibt, was man so isst, trinkt oder worüber man spricht. Und es gibt einiges zu entdecken: egal ob Schlösser oder Erlebnisdörfer. Heute nehmen wir euch mit zu den mystischen Seiten Greifswalds.

In Greifswald gibt es einige Mythen und Sagen. So sollen vor geraumer Zeit Erdgeister (“Zwerge”) in Greifswald ihr Unwesen getrieben haben, um welche sich einige Geschichten ranken. Sie sollen sehr lange in Greifswald gelebt haben, bis sie eines Tages verschwunden waren. Wann und warum sie Greifswald verließen ist nicht bekannt, jedoch sollen sie Pommern bei Jarmen den Rücken gekehrt haben und dann weiter in die Berge gezogen sein. Festgehalten wurden diese und andere Erzählungen 1840 unter dem Titel Die Volkssagen von Pommern und Rügen von Jodocus Temme, einem Juristen, Politiker und Schriftsteller.

Sämtliche Edelsteine, die in den Bergen zu finden waren und alles Gold und Silber wurden von den Erdgeistern beherrscht. Um zu ihren unterirdischen Wohnungen zu gelangen, mussten Neugierige durch einen dreckigen Ort, wie beispielsweise Abflüsse, hindurchgehen. Tagsüber sollen die Erdgeister als Frösche oder anderes Ungeziefer ihr Unwesen getrieben haben, nachts hätten sie sich dann in ihrer wirklichen Gestalt gezeigt und bei klarem Sternenhimmel überaus vergnügt im Mondschein getanzt. Temme charakterisiert sie in seinen Beschreibungen zwar auch als positive Wesen, die den Menschen geholfen hätten, die Geschichten selbst bieten aber ein anderes Bild.

Eine von ihnen besagt, dass sich einmal ein edler Zwerg in ein hübsches Mädchen verliebte, welches er mit Gewalt zur Frau haben wollte. Das Mädchen wollte ihn aber nicht heiraten, da er klein und hässlich war. Der Zwerg versprach ihrem Vater jedoch viel Geld, weshalb sie der Verlobung doch zustimmen musste. Ganz wollte sie ihre Hoffnung allerdings nicht aufgeben, also vereinbarte sie mit dem Zwerg, dass sie ihn nicht heiraten müsste, wenn sie seinen richtigen Namen erfahren würde. Der Zwerg willigte ein, da ihr sein Name nicht bekannt war und er fest davon überzeugt war, dass sie ihn auch nie herausfinden könnte. Die Suche nach dem Namen gestaltete sich wie erwartet als eine sehr schwierige Aufgabe, das Mädchen suchte lange vergebens. Ein glücklicher Zufall sollte ihr letztlich helfen. Eines Nachts fuhr ein Fischhändler nach Greifswald, als er auf einmal viele Zwerge im Mondschein tanzen sah und bei diesem Anblick verwundert anhielt. Einer der Zwerge rief lauthals: „Wenn meine Braut wüsste, dass ich Doppeltürk heiße, sie nähme mich nicht!“ Der Fischhändler erzählte in einem Wirtshaus von seiner Beobachtung. Die Wirtstochter hörte die Geschichte und berichtete der unfreiwilligen Braut davon. Dieser war sofort klar, dass es sich dabei nur um ihren Verlobten handeln konnte, also nannte sie ihn beim nächsten Aufeinandertreffen beim Namen. Der Zwerg musste sie nun lossagen und verschwand, sehr verärgert darüber.

Eine andere Geschichte erzählt davon, dass eine Mutter eines Abends ihr Kind verwünschte, da es einfach nicht aufhören wollte zu schreien, obwohl die Mutter schon sehr müde war und schlafen wollte. Augenblicklich ging die Tür auf, ein Erdgeist schlich herein und entriss der Frau ihr Kind – sie sollte es nie wieder sehen.
Eine andere Mutter hatte mehr Glück: sie war gerade mit ihrem Kind auf dem Schoß eingeschlafen, als ein Erdgeist hereinkam und es entführen wollte. Sie bekam das Kind jedoch glücklicherweise noch an der Ferse zu fassen und konnte es dem Erdgeist in letzter Sekunde entreißen. In anderen Erzählungen berichtet Jodocus Temme, dass die Erdgeister den Menschen nach dem Diebstahl der Kinder ihre eigenen, hässlichen, “Wechselbälger” in die Bettchen legten.
Falls ihr euch beim nächsten Heimatbesuch über eure Geschwister ärgern solltet, könntet ihr also mal vorsichtig bei euren Eltern nachfragen, ob nicht vielleicht Erdgeister an der Familienplanung beteiligt waren.

Titelbild: Darkmoon_Art auf Pixabay

Bild: Tama66 auf Pixabay

moritz.playlist – Das Lumpenpack

moritz.playlist – Das Lumpenpack

Musik – Töne mit Zusammenhang, oder gerne auch ohne. Im Prinzip systematischer Krach. Jede*r hat schon mal Musik gehört, aber was ist die Geschichte hinter den einzelnen Stücken, auch Lieder genannt, und womit verbinden wir sie? Was lösen sie in uns aus und wer hat sie erschaffen? webmoritz. lässt die Pantoffeln steppen, gibt vor, was angesagt ist und buddelt die versteckten Schätze aus. Unsere Auswahl landet in eurer moritz.playlist.

Während es für die einen nach Mittelalter klingt, assoziiere ich mit dem Ausdruck Lumpenpack viele Menschen, die zusammen eine bis oben hin vollgestopfte Mülltüte zum Altkleidercontainer bringen. Hinter Das Lumpenpack verbirgt sich allerdings vielmehr als nur ein Sack mit abgetragener Kleidung. Um genau zu sein: ein musikalisches Duo, bestehend aus Max Kennel und Jonas Frömming, welches mittlerweile zusammen mit drei weiteren Mitgliedern (Lola Schrode, Alex Eckert und Jason Bartsch) zu einer Band herangewachsen ist. Die Idee für den Bandnamen stammt nach eigenen Aussagen aus dem Kinderbuch Max und Moritz, in welchem die beiden Brüder an einer Stelle als Lumpenpack bezeichnet werden. Und weil Moritz so ein außergewöhnlich schöner Name ist – mit dem sich nicht nur der webmoritz., sondern anscheinend auch Jonas identifizieren konnte – und die beiden Künstler anderen Menschen gerne Streiche spielen, hat die Band so zu ihrem Namen gefunden.

Aber wie entstand die Band selbst? Das Duo gründete sich bereits im Jahr 2012: Beide Künstler stammen ursprünglich aus der Poetry-Slam-Szene und gewannen dort einige große Wettbewerbe, bevor sich Max mit Gitarre und Jonas mit viel tänzerischem Talent auf ihren musikalischen Werdegang begaben. Nach vier erfolgreichen Alben als Singer-Songwriter-Duo, ist 2021 das erste Album mit dem Titel emotions der nun fünfköpfigen Band erschienen, welches sich vor allem durch seinen eher rockigen Charakter von vorherigen Alben unterscheidet. Insbesondere die jüngste Entwicklung der Bandgeschichte macht deutlich, wie viel Das Lumpenpack musikalisch gewachsen ist. Spätestens jetzt ist klar geworden, dass die Band mehr als vertonte Poetry-Slam-Texte auf dem Kasten hat.

Auf die moritz.playlist kommen drei Lieder von Das Lumpenpack. Der erste Titel Dolce Wohnen vom neusten Album emotions übt Kritik am derzeitigen Wohnungsmarkt und selbstgefälligen Vermieter*innen, die durch ihr Eigentum immer reicher und reicher werden. Dagegen würdigt der Titel Miriam vom Album Die Zukunft wird groß das ab und zu in jedem von uns aufkommende Mimimi-Gefühl auf eine kreative Art und Weise und landet nicht zuletzt auch wegen seines Ohrwurmpotentials auf unserer moritz.playlist. Schließlich hat es auch Ford Fiesta aus dem Album Eine herbe Enttäuschung in unsere Sammlung geschafft. Dieser Song sorgt immer genau dann für die perfekte Stimmung, wenn man sich auf einer Autofahrt befindet. Also zum Beispiel auch demnächst, wenn ihr die derzeitigen Semesterferien für einen kleinen Roadtrip mit Freund*innen nutzten wollt.

Alles in allem treffen bei Das Lumpenpack eine große Portion Humor, ein Funken Selbstironie und viel Wortgewandtheit auf aktuelle sowie politische Themen. Dabei lässt sich die Musik keinem bestimmten Genre zuordnen, sondern ist vielmehr eine bunte Mischung aus allem, was die musikalische Welt so zu bieten hat. Für manch eine*n mag die Musik von Das Lumpenpack gewöhnungsbedürftig sein, doch wer bereit ist, sich darauf einzulassen und ihren Texten Aufmerksamkeit zu schenken, wird sicherlich nicht enttäuscht werden. Alle, die auf persönliche Gefühlsduseleien abfahren, sind bei Das Lumpenpack allerdings fehl am Platz. Ihre Musik ist zwar über alle Maße hinaus unterhaltsam, doch Details aus dem Privatleben werden bewusst nicht preisgegeben. Stattdessen erzählen die Lieder von Das Lumpenpack unterschiedlichste Geschichten, die vor allem eines machen: Lust auf mehr und gute Laune.

Titelbild: Caleb Goerge auf Unsplash

moritz.vorpommern: Nachtwächterführung

moritz.vorpommern: Nachtwächterführung

Greifswald bietet uns die Meeresbrise, die Strände, die Möwen und viel(es) Meer. Aber nicht nur das wollen wir als Redaktion in dieser Reihe mit euch teilen. Wir zeigen euch die Stadt und ihre Region Vorpommern, und gehen hier und da auch darüber hinaus. Ihr erfahrt, was wir an dieser Region lieben, welche besonderen Orte es zu entdecken gibt, was man hier so isst, trinkt oder spricht. In MV gibt es so vieles, auch außerhalb der Ostsee: egal ob Schlösser oder Erlebnisdörfer. Heute nehmen wir euch mit zu einer Nachtwächterführung in Greifswald.

ein Artikel von Maret Becker und Svenja Fischer

Spoiler-Alarm! Falls du die Nachtwächterführung in nächster Zeit mitmachen möchtest, weisen wir dich daraufhin, dass in diesem Artikel schon vorab so manche Erzählung des Nachtwächters nacherzählt wird.

Informationen auf einen Blick: Nachtwächterführung in Greifswald

  • Datum: am ersten Freitag im Monat (Juli & August: JEDEN Freitag)
  • Uhrzeit20:00 Uhr (18:00 Uhr November bis März, im Dezember um 19:00 Uhr)
  • Preis: 12,00 € Erwachsene • 8,00 € Schüler*innen & Studierende
  • Erwerb der Tickets: in der Greifswald-Information erhältlich
  • Treffpunkt: Greifswald-Information
  • Dauer: ca. 2h

Heute Abend begeben wir uns in das nasse und verdunkelte Greifswald. Am Marktplatz treffen wir den Nachtwächterführer, der uns mit auf eine Reise zu den Geschichten der Stadt nehmen wird. Der Nachtwächter erscheint in passender Kostümierung mit seiner Hellebarde. Das ist eine Hieb- und Stichwaffe, die einen Spieß mit einer Axt kombiniert. Mit der sorgt er für Ruhe und Ordnung und schützt seine Begleiter vor Dieben und betrunkenem Gesindel. So wie auch uns in dieser Nacht.

Wir stehen bei der Greifswaldplatte, an der Greifswald-Information. Wir hören die Glocken der Pfarrkirche St. Marien. Der Nachtwächter erzählt uns, dass die Glocken dort zwei Minuten vor der Glocke des Rathauses schlagen. Auf dem Stadtmodell sind alle markanten Gebäude von Greifswald gut zu erkennen. Insbesondere die drei imposanten Kirchen, die das Stadtbild und die Stadtsilhouette dominieren. Dabei fällt auf, dass die Kirchen alle in Ost-West Richtung erbaut wurden, mit dem Turm nach Westen. Die Namen der Kirchen sind in vielen Hansestädten identisch. St. Nicolai ist der Schutzpatron aller Handelsreisenden, St. Jacobi der Fischer und Maria ist universal für alle zuständig.

Nun begeben wir uns auf dem Marktplatz, mit sieben Metern der höchste Platz der Stadt. Wenn man dort steht, sieht man tatsächlich auf das Rathaus hinab. Der Marktplatz ist dunkel und verlassen. Der Nachtwächter klärt uns darüber auf, warum es keine massiv bunte Beleuchtung gibt: Alles auf dem Marktplatz soll eine optische Einheit bilden. Auch die Schriften an der Fassade der Banken sind wegen einer Vorschrift der Stadt ausschließlich in Grautönen gehalten.

Vom Marktplatz biegen wir in die Knopfstraße ab. Dort fällt uns das erste Mal auf, dass die dort aufgestellten vereinzelten Buchstaben ein Wort ergeben: R Y C K. Für die nächste Station bleiben wir vor der Stadtbibliothek stehen. Sie ist das Geburtshaus von Hans Fallada. Dessen Name ist tatsächlich nur ein Pseudonym, welches aus einigen Märchen der Gebrüder Grimm zusammengesucht wurde. Wer weiß, welche gemeint sind?

Nach einem kurzen Zwischenstopp an der Käthe-Kollwitz-Grundschule — die Worte an der Fassade sollen anscheinend den Wortschatz von Grundschüler*innen widerspiegeln — kommen wir bei der Marienkirche an. Das Glockenläuten ist schon vor einiger Zeit verstummt. Jetzt stehen wir, versuchend uns vor dem Wind zu schützen, tatsächlich vor ihr. Der Nachtwächter erzählt uns eine wahre Geschichte aus dem Jahr 1545: ein gestrandeter Orca in Wieck. Dieser wurde in allen drei Greifswalder Kirchen aufgezeichnet. In der Marienkirche ist das Bildnis jedoch am besten erhalten.

Unser Rundgang führt uns zum Ausgang der Innenstadt Richtung Europakreuzung. Hier wurde mithilfe von Messingbändern nachgezeichnet, wo früher das Stadttor stand. Die sich im Laufe der Geschichte langsam entwickelnden Stadtteile Greifswalds außerhalb der Innenstadt wurden nach den vier Stadttoren benannt, durch welche man gehen musste, um dorthin zu gelangen. Das Mühlentor führt folgerichtig zur Mühlenvorstadt. Das “Fette Tor” — so bezeichnet, da es das größte und breiteste war — erschuf den inzwischen etwas komisch anmutenden Namen “Fettenvorstadt”. Mit dem Fleischer- und Steinbeckertor haben auch die Stadtausdehnungen im Norden und Süden ihre Namen erhalten.

Nun begeben wir uns auf den Wall, mit direktem Blick auf den Dom. Unser Dom war früher tatsächlich ein gutes Stück größer als heute. Aber nachdem die hoch aufragende Spitze innerhalb von gut 100 Jahren durch Stürme zweimal heruntergepustet wurde, hat man sich schlussendlich für die etwas gedrungenere Form entschieden. Immerhin hält diese jetzt auch seit über 350 Jahren jedem Wetter stand. Auch die Stadtmauer war bedeutend höher und es gab einen Wall mehr. Außerdem hielt nicht nur der Kanal, der heute noch vielen Enten ein zu Hause gibt, Feinde auf, sondern auch ein zweiter, der zwischen dem heutigen Wall und den Resten der Stadtmauer lag.

Der Nachtwächter gibt uns auch einen kleinen Exkurs in die Geschichte von Greifswalder Straßennamen. Auch hier sind viele nach damals ansässigen Handwerksbetrieben benannt worden. Allerdings gab es auch einige Ausnahmen: Die Kapaunenstraße trägt den inzwischen nicht mehr gebräuchlichen Begriff eines kastrierten Hahnes. Und ein kleiner Funfact für die nächste Party: Als “Macker” wurden kastrierte Esel bezeichnet. Das ergibt vor allem für viele Frauen Sinn.

Als nächstes geht es in die kleine Gasse zwischen dem Fischmarkt und dem Dom. Hier steht, etwas versteckt, eine Statue von Caspar David Friedrich. Wir erfahren, dass er als Kind von seinem Bruder gerettet wurde, nachdem er im zugefroren Ryck eingebrochen war. Tragischerweise kam sein Bruder daraufhin selbst ums Leben. Diesen Schicksalsschlag hat er später immer wieder in seinen Bildern verarbeitet.

Im Nieselregen stehen wir vor dem Dom. Die breiten Granitsteine auf dem Weg ringsherum waren ursprünglich zur Beschwerung von Handelsschiffen auf dem Rückweg von Schweden genutzt worden. Aber da man sie einmal da hatte, wurden sie auch gleich einer sehr sinnvollen Betätigung zugeordnet. Aufgrund der eher schwierigen Hygieneverhältnissen zu der Zeit konnte man auf diesen Steinen trockenen und sauberen Fußes durch die Stadt kommen.

Weiter geht es zum Hauptgebäude der Uni. Diese war bereits seit ihrer Gründung eine Volluniversität mit damals noch vier Fakultäten. Eine kleine Eselsbrücke, um sich alle zu merken, findet sich in jedem Deutschunterricht:

„Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei und Medizin,
Und leider auch Theologie
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor“

Faust: Der Tragödie Erster Teil

Spätestens jetzt wissen alle, dass die vier Eingänge für die vier Fakultäten der Universität stehen. Ein Eingang ist jedoch zugesperrt. Auch zu der Uni gibt es noch allerlei zu erzählen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Unsere Führung in die Vergangenheit endet am Fischerbrunnen, wo wir erfahren, dass dieser ursprünglich ein 5 Meter hoher Brunnen auf dem Markt werden sollte. Doch dann kam die Wende, das Projekt wurde nie ganz fertiggestellt und somit wanderten die Figuren in den Rathauskeller. Irgendwann hat man einige davon ausgepackt und aufgrund von stadtplanerischen Veränderungen hier aufgestellt. Die restlichen Elemente, die auf dem Fischermarkt keinen Platz fanden, verstaubten weiterhin, bis sie ihre heutige Heimat am Ryck bekamen.

Mit kalten Füßen, aber dem Kopf voll neuem Wissen, geht es zurück zum Marktplatz, wo sich alle verabschieden können.

Beitragsbild: Svenja Fischer

Mimimi-Mittwoch: Ins Kino gehen

Mimimi-Mittwoch: Ins Kino gehen

Wut, Hass, Zorn: All diese Gefühle verbindet man so manches Mal mit seinen Mitmenschen. Genau für solche Momente ist diese Kolumne da. Wann immer wir uns mal gepflegt über Leute auslassen wollen oder uns auch generell mal der Schuh drückt, lest ihr das hier.

Ins Kino gehen – wenn 200 Leute dabei zusehen, wie Kate Winslet einfach keinen Platz auf ihrer Tür machen möchte und die Romantik trotzdem nicht versinkt. Das Kino ist wohl der Ort, an dem die meisten menschlichen Zustände parallel nebeneinander auftreten können. Manche schauen den Film und lieben es, manche schauen den Film und hassen es, manche schauen den Film und empfinden gar nichts, manche schauen den Film nicht und schlafen, manche schauen Schindlers Liste nicht und machen drei Stunden lang dabei rum und manche wollen den Film eigentlich schauen und sind dann so abgelenkt von der wilden Haarfarbe der Person drei Reihen weiter vorne leicht links (ist das rot, ist das grün, was soll das sein?). Das Kino ist also ein Ort, an dem man sich gerne etwas stoßen kann. Daher ist es an der Zeit aufzuzeigen, wo die Probleme des Kinos liegen und welche cleveren Ideen es geben kann, damit die Unterhaltung auf 21 mal 12 Metern trotzdem für die Zukunft gesichert ist.

Aber fangen wir ganz vorne an. Denn bereits an der Kinokasse treten die ersten elementaren Probleme auf. Man muss es einfach mal so drastisch formulieren: Wer hat damit angefangen, die Snacktheke zum extremsten Ausläufer des Kapitalismus zu machen? Denn für ein kleines Popcorn soll es wohl zum guten Umgang gehören, sein Erstgeborenes an den*die 15-jährige*n Aushelfende*n zu opfern. Der Materialwert eines Produktes, welches aus Zucker (dazu kommen wir gleich noch) und Maiskörnern besteht, kann sich wohl nicht darauf belaufen, dass Snackfreund*innen dafür Teile des Bernsteinzimmers eintauschen müssen. So wird sich das Kino in seinem Überlegenheitskomplex bestimmt in sein vergoldetes Fäustchen lachen.
Über die Kinopreise selbst muss wohl nicht mehr viel gesagt werden, wenn man sich für einen Film mit Überlänge auch einen Monat eines beliebigen Streaminganbieters leisten kann, bei dem mitunter die Filme schon während der Kinolaufzeit verfügbar sind. Es lässt sich jedoch darüber streiten, ob Zuhause schauen und ins Kino gehen das gleiche Erlebnis bietet.

Als nächstes folgt unvermeidbar auch die Frage, warum die Kinospaßunterdrückenden ihren lieben Bürger*innen die Ideologie aufzwingen müssen, dass Popcorn süß zu sein hat. Wozu haben Menschen Jahrhunderte lang Kriege um Salz geführt, um dann nicht dessen volles Potenzial auszuschöpfen? Daher würde ich es mir von ganzem Herzen wünschen, rein salziges oder gemischtes Popcorn nicht nur in wenigen Ausläufern der großen Ketten zu sehen, sondern in jedem Kino des Landes. Zudem ist es langsam mal an der Zeit, neue Snackideen einzuführen, um die verstaubte Tüte M&M’s aus dem Regal zu vertreiben. Mein Vorschlag dazu wäre, die Modern Bowl noch einmal umzudenken und eine umso postmodernere Snackbowl daraus zu machen. Die gemischte Tüte in Zeiten von Metaspace.

Angekommen im viel zu weichen Sitz beginnt das Leinwanderlebnis mit einer angenehmen halben Stunde Werbung. Das wäre auch absolut in Ordnung, würde sich das Kino über die Werbung ausreichend finanzieren, sodass Ticket- und Snackpreise verträglich wären. Ist aber — wie besprochen — wohl nicht so. Daher ich gehe nicht ins Kino um einen Film zu sehen, der kommt natürlich auch, aber später, viel später. Nein, ich gehe ins Kino um Werbung zu schauen. Und so sehe ich: “Ooh der neue Lambogotti Fasterossa, ooh der neue Keili, das ist ja toll, uuuund Eispause.”

Auf den Film selbst hat das Kino natürlich keinen Einfluss. Dennoch schaffen sie es, mit der Erfindung der sogenannten Sneak Previews oder Sneak Peaks, bei denen man nie weiß, welchen Film es zu sehen gibt, künstlich Spannung zu erzeugen. An diesem Konzept kann trotzdem noch weitergearbeitet werden. So wäre es beispielsweise möglich, den Anfang von einem Film und dann das Ende von einem anderen Film zu zeigen. Dann könnten Zuschauer*innen erst den Anfang von Sinn und Sinnlichkeit sehen und dann das Ende von Saw. So hat wirklich niemand Spaß.

Zudem hat das Kino leider auch die Eigenschaft, dass dort von Zeit zu Zeit andere Menschen anzutreffen sind. Über Menschen braucht man eigentlich nicht mehr viel zu sagen. Aber wer ins Kino geht, um ein Gespräch zu führen, der ist fehl am Platz. Man geht doch auch nicht ins Schwimmbad, um Tennis zu spielen, oder auf ein KIZ Konzert, um gute Musik zu hören.

Zum Schluss muss noch einmal eine Frage gestellt werden: 3D ist doch wirklich nicht so das Ding, oder? Dabei meine ich, es hat gut angefangen und man konnte fliegende Gummibärchen im All fangen. Doch im Film war es schon immer eine Enttäuschung, die niemand wirklich vermissen würde. Dabei ist das Potenzial von mehr Dimensionen durchaus da. Aber wo sind die versprochenen Dimensionen 4 bis 17? Wo sind sie? Obwohl es doch so viele Ideen für ein immersiveres Erlebnis geben würde: Geruch, Wasser tropft von der Decke, bunte Lichteffekte oder deine Versagensangst schreit dich an, weil du alles falsch machst.

Somit bleibt uns nichts anderes übrig, als begeistert festzustellen, dass ein Film ins Kino kommt, den man unbedingt sehen muss, es dann zu vergessen und drei Wochen später festzustellen, dass es den Film schon bei Disney+ gibt.

Beitragsbild von Geoffrey Moffett auf unsplash.com
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Umgekrempelt: Ein Haushalt ohne Palmöl

Umgekrempelt: Ein Haushalt ohne Palmöl

Kennt ihr das, wenn man mal was Neues ausprobieren will, aber am Ende alles beim Alten bleibt? Uns jedenfalls kommt das sehr bekannt vor, deswegen haben wir uns für euch auf einen Selbstoptimierungstrip begeben. In dieser Kolumne stellen wir uns als Testobjekte zur Verfügung. Wir versuchen für euch mit unseren alten Gewohnheiten zu brechen, neue Routinen zu entwickeln und andere Lebensstile auszuprobieren. Ob wir die Challenges meistern oder kläglich scheitern, erfahrt ihr hier.

Der Bedarf an Palmöl in der Industrie ist groß. So groß, dass für den Anbau und für die Holzwirtschaft Regenwälder abgeholzt werden. Dies ist aus vielerlei ökologischen und sozialen Gründen problematisch. Zusammengerechnet nehmen Palmölplantagen weltweit etwa eine Fläche ein, die so groß ist wie ein Drittel von Deutschland. Die Plantagen befinden sich überwiegend in Indonesien und Malaysia, es gibt sie aber auch in Südamerika und Afrika. 

Durch das Abholzen und Trockenlegen von Regenwäldern auf Torfmoorböden werden Treibhausgase frei, die zur Erderwärmung beitragen. Außerdem entstehen durch die großflächigen Palmölplantagen riesige Monokulturen, welche für die biologische Vielfalt ungünstig sind und zahlreichen Tieren den Lebensraum nehmen. Auch soziale Probleme in den Anbauregionen werden durch die Palmölplantagen verschärft, denn die Bevölkerung profitiert gegenüber den großen Konzernen kaum von dem Ölpalmenanbau. Auf den Plantagen herrschen oft schlechte Arbeitsbedingungen, es kommt zu Kinderarbeit und Menschenrechtsverletzungen. Zudem machen sich die Konzerne ungeklärte Landrechte zu Nutze und bauen auf Land, das die Bevölkerung als Gemeindeland ansieht. Nicht selten werden für die Rodung auch Kleinbäuer*innen und Indigene aus ihrem Zuhause vertrieben. 

Aber Palmöl hat auch einige wirklich gute Eigenschaften, weswegen es ja auch so oft genutzt wird. So ist es ist zum Beispiel sehr ertragreich. Aus einem Hektar Ölpalmen lassen sich etwa 3,8 Tonnen Öl gewinnen, während es bei Raps und Sonnenblumen gerade mal 0,8 Tonnen Öl sind. Eine wirkliche Alternative gibt es also nicht, denn man könnte bei weitem nicht so viel Platz für Raps- und Sonnenblumenfelder hergeben, wie es zum Decken des Ölbedarfs nötig wäre. Zudem ist Palmöl günstig und vielfältig einsetzbar. Es ist in den meisten stark verarbeiteten Lebensmitteln, in vielen Kosmetika, Hygieneprodukten, Wasch- und Reinigungsmitteln und auch in Biokraftstoffen enthalten. Eigentlich überall, wo Fett drin ist. Und bisher gibt es keine staatlichen Siegel mit klaren Vorgaben für nachhaltig erzeugtes Palmöl. Lediglich eine Regelung existiert, dass auch die Herkunft des pflanzlichen Fettes auf der Zutatenliste bei Lebensmitteln stehen muss. Bei Kosmetika, Hygieneprodukten, Wasch- und Reinigungsmittel ist dies jedoch nicht der Fall. 

Da ich die Herstellungsbedingungen momentan für nicht vertretbar halte, versuche ich nun, auf Palmöl zu verzichten. Ich gehe mit der Einstellung in das Projekt rein, dass das doch gar nicht so schwer sein kann. Ich koche und backe sowieso schon viel selbst und für alles andere gibt es doch bestimmt auch Alternativen. 

Der Anfang.

Beim ersten Prüfen meiner bereits gekauften Lebensmittel in der Küche, fällt auf, dass es gar nicht so viel ist, das ich ersetzen muss. Das könnte damit zusammenhängen, dass ich gerade erst aus den Weihnachtsferien bei meinen Eltern zurückgekommen bin und daher sowieso nicht besonders viel an Lebensmitteln da habe. Aber ich habe einen Christstollen mitgebracht, den zuhause niemand essen wollte, weil es eben nicht der Selbstgemachte von Oma ist. Nun stellt sich heraus, dass im eh viel zu dicken Dekorzucker des Stollens, dessen Verpackung eigentlich mit großem Trara sehr viel Tradition verspricht, Palmöl drin ist und ich den jetzt eigentlich auch nicht essen möchte. Da er aber doch gegessen werden muss und ja auch ganz lecker ist (auch wenn die Zuckerschicht meiner Meinung nach auch weggelassen werden könnte), entschließe ich mich, den Stollen doch noch zu essen, bevor ich richtig mit dem Experiment beginne. Auch Erdnusscreme und Nutella, die ich noch vorrätig habe, enthalten Palmöl, auf beides kann ich momentan aber verzichten. 

Das Prüfen meiner bereits gekauften Wasch- und Putzutensilien stellt sich schon als deutlich größere Herausforderung heraus. Schließlich ist das Kauderwelsch der Inhaltsangaben auf den Packungen kaum zu verstehen. Lediglich Zutaten mit dem Wortteil „Palm-“ kann ich eindeutig identifizieren. Jedoch gibt es noch jede Menge anderer Palmölderivate, die häufig verwendet werden, aber am Namen allein nicht erkannt werden können. Nur mein Duschgel ist da etwas zuvorkommend, denn dort steht hinter jeder Zutat auch die Herkunft. Jedoch steht bei den Ölen auch nur „vegetable oil“, weshalb ich mir auch da nicht ganz sicher sein kann, ob da nicht doch eventuell Palmöl enthalten ist. Und bei meinem Badreiniger steht noch nicht einmal eine richtige Liste mit den Inhaltsstoffen drauf, lediglich eine Angabe, dass dort 5 % nichtionische Tenside drinnen sind. Aber auch Tenside sind häufig aus Palmöl. Schnell stellt sich also heraus, dass es mir eigentlich unmöglich ist, auf Palmöl in Wasch- und Putzartikeln zu verzichten, solange es nicht deutlich draufsteht.

Das Einkaufen.

Im Supermarkt muss ich jetzt auf jedes Etikett gucken und jede noch so kleine Zutatenliste durchlesen. Dadurch stehe ich nicht nur dauernd im Weg rum, sondern stelle auch meine eigene Geduld auf die Probe. Ich ärgere mich jedes Mal, wenn ich das Wort Palmöl entdecke. Oft kann ich aber auch Alternativen finden. Aber es hängt auch damit zusammen, wo ich einkaufen gehe. So gibt es im Discounter ziemlich viele Produkte mit Palmöl und wenige Alternativen, während sich im übergroßen Edeka hingegen deutlich häufiger Produkte ohne Palmöl bzw. mehr Alternativen finden lassen. Und nicht immer (wenn auch häufig) sind die palmölfreien Produkte die teureren.

Oft sind es die etwas süßeren Lebensmittel, in denen Palmöl enthalten ist. So habe ich kaum Kekse ohne Palmöl gefunden und auch meine Lieblingsschokolade sowie zahlreiche bekannte Marken (Hanuta, Raffaelo und kinder Schokolade zum Beispiel) enthalten Palmöl. Kekse habe ich also kurzerhand selbstgebacken und meine Lieblingsschokolade diesmal gegen eine andere Sorte ausgewechselt. Erstmal kein Problem. Auch die Nutella habe ich gegen eine „echte“ Schokoladencreme ohne Palmöl austauschen können. 

Im Drogeriemarkt ist es schon deutlich schwieriger. Dort ist es mir meistens nicht möglich, Produkte zu kaufen, die ganz sicher ohne Palmöl sind. Jede Zutatenliste mit einer über 100 Punkten langen Liste an Palmölderivaten abzugleichen, scheint mir auch nur bedingt sinnvoll. Schließlich ist in fast jedem Produkt etwas davon enthalten und es könnte ja auch eine andere Herkunft haben. Meistens greife ich dann also auf die Bio-Produkte zurück, solange nicht auch diese eindeutig mit Palmöl hergestellt wurden.

Der Lauf der Dinge.

Meine Hände sind inzwischen sehr trocken, denn in meiner alten Handcreme ist eindeutig Palmöl drin und durch die neue Handcreme sind meine Hände so lange fettig, dass ich nie einen passenden Moment zum Eincremen finde. Ansonsten fällt es mir bisher aber nicht so schwer, die palmölhaltigen Produkte im Laden zu lassen. Mein Frühstücksmüsli, das Brot zum Mittag und mein gekochtes Abendessen sind meistens überhaupt kein Problem. Aber mit der Zeit fallen gerade die Kleinigkeiten auf, auf die ich doch verzichten muss. Außerdem fällt es mir dann auch recht schwer, mich beim Essen zurückzuhalten und nicht gleich alles zu essen, das lecker ist.

An einem Tag gehe ich zur Bäckerei. Dort wird es kompliziert, denn dort hat nicht jedes Brötchen eine Zutatenliste, die ich mir selbstständig angucken kann. Also muss ich die Verkäuferin fragen, zum Glück ist nicht so viel los. Ich habe Lust auf ein Schokoladencroissant. Aber da ist Palmöl drin. Dann vielleicht ein Franzbrötchen? Nein, da ist auch Palmöl drin. Es stellt sich heraus, dass die süßen Teilchen fast alle mit Palmöl sind. Letztendlich wird mir ein Mandelhörnchen empfohlen. Das stellt sich dann zwar auch als lecker heraus, aber ist aber nun einmal kein Croissant. Für das nächste Mal weiß ich jetzt immerhin, dass in den normalen Brötchen und Brot kein Palmöl drin sein sollte.

Das Fazit.

Letztendlich stelle ich fest, dass es manchmal doch gar nicht so leicht ist, auf Palmöl zu verzichten. Zum einen liegt das an mir, weil mein Wille zuweilen nicht stark genug ist, um auf die leckeren Sachen zu verzichten. Zum anderen liegt es aber auch an den teilweise wenigen Alternativen, vor allem bei den Drogerieartikeln und Süßwaren. Zum Beispiel möchte ich meine Kekse nicht immer selbst backen müssen oder auch einfach mal ein Schokoladencroissant essen, wenn ich Lust dazu habe. Aber eigentlich musste ich meine Essensgewohnheiten insgesamt nicht allzu sehr umstellen. Daher nehme ich mir vor, mehr darauf zu achten und auch in Zukunft zumindest deutlich weniger Palmöl zu konsumieren.

Quellen und weitere Informationen:

Beitragsbild: Juli Böhm

Eine Liebeserklärung an … Lichter in der Advents- und Weihnachtszeit

Eine Liebeserklärung an … Lichter in der Advents- und Weihnachtszeit

Ein Kribbeln im Bauch, ein unverhoffter Glücksmoment, ein wohlig warmes Gefühl. Dafür braucht es nicht immer ein großes Ereignis, vielmehr liegen diese magischen Momente oft verdeckt unter einem Mantel der Gewohnheit und der Selbstverständlichkeit. „Eine Liebeserklärung“ ist unsere neue Kolumne, in der es darum gehen soll, die vermeintlich einfachsten Dinge dieser Welt wertzuschätzen. Mit ihr bauen wir euch eine zynismusfreie Nische, in die sich hineingekuschelt werden kann, wenn der Alltag einem mal wieder die Daunendecke der guten Laune zu klauen versucht. In diesem Artikel geht es um die wundervolle Tradition der Weihnachtslichter.

Es ist der Abend des 30. Dezembers und ich mache mit meiner Familie einen Spaziergang durch die verschneiten Straßen meines kleinen Heimatdorfs in Mecklenburg. Weihnachten ist fast vorbei, denke ich, und wie in jedem Jahr überkommt mich ein seltsam sehnsüchtiges Gefühl, wenn ich in die Fenster der Häuser mit ihren goldenen, silbernen oder auch bunt funkelnden Lichterketten und Sternen blicke. Seit Anfang Dezember brachten mich die kleinen Lichter auf meinen Wegen zum Einkaufen, zur Uni oder zum Hochschulsport jedes Mal ein wenig zum Lächeln. Denn für mich bedeuten sie mehr als nur erhöhte Stromkosten in der dunklen Jahreszeit.

Neben der reinen Freude am Betrachten der hübschen Lichtdekorationen spielt für mich auch die mit ihnen verbundene Hoffnung auf eine Zeit der Ruhe und Besinnlichkeit nach den rastlosen Tagen der Vorweihnachtszeit eine Rolle. Außerdem erinnern sie mich jedes Jahr, wenn ich kurz vor Weihnachten noch in Greifswald bin, an die Vorfreude auf meinen Heimatort, meine Familie und all die schönen Momente, die das Fest mit sich bringt.

Doch warum stellen die Menschen eigentlich Lichter in der Advents- und Weihnachtszeit auf? Aus dem Gedanken der Vorfreude heraus entstand bereits im 7. Jahrhundert nach Christus der Brauch, Lichter zur Dekoration von Innenräumen und Außenbereichen zu verwenden. Denn in der “tempus ante natale Domini” (Zeit vor der Geburt des Herrn), die uns heute als Adventszeit bekannt ist, bereiten sich Christ*innen auf die Geburt Jesu vor, der dem Glauben nach als Licht in die Welt gekommen ist und diese erhellt.

Unabhängig davon, ob man nun religiös ist oder nicht, kann ich besonders in den kalten und dunklen Wintermonaten in Norddeutschland nachvollziehen, warum die Menschen teilweise an Lichtdekorationen gar nicht sparen wollen und diese erst im Januar wieder abbauen. Meine Familie und ich bleiben beim Anblick eines mit besonders knalligen, bunt-blinkenden LEDs dekorierten Hauses kurz stehen und müssen unwillkürlich schmunzeln. Was dem*der einen angesichts der grellen Farbenvielfalt die Tränen in die Augen treibt, sorgt bei den Installateur*innen offenbar für ein festliches Gefühl – eben für Weihnachtsstimmung.

Ich merke, dass die kleinen, noch aufgebauten Weihnachtslichter gerade jetzt nach dem Fest und kurz vor dem Jahresende in besonderer Weise weiter nachklingen. Im Schimmer der kleinen Sterne und Lichterketten wandern wir weiter durch die dunklen Straßen. Irgendwo hört man das Zischen einer abgefeuerten Silvesterrakete und der Himmel wird durch einen Schauer aus gold-glitzernden Funken und Lichtfäden erhellt. Gemeinsam erinnert man sich daran, wie schön die Tage im Kreis der Familie waren und welche kleineren und größeren Hürden das Jahr 2021 mit sich brachte. Es ist schon eigenartig, was für ein Gefühl aus Freude und Nachdenklichkeit die kleinen Lämpchen bei mir auslösen. Aber vielleicht ergeht es anderen ja ähnlich. Die Tradition der Weihnachtslichter lädt die Menschen dazu ein, der Hektik des Alltags zu entfliehen und sich sowohl auf die Bedeutung von Weihnachten als auch auf die schönen und möglicherweise auch weniger schönen Erlebnisse des fast vergangenen Jahres zu besinnen.

Stundenlang könnte ich, beinahe mit kindlicher Freude, den festlich beleuchteten Baum in der Wohnstube betrachten oder aus meinem Fenster auf die kleinen Lichtpunkte in der Straße blicken. Für mich ist es die Tradition der Weihnachtslichter auf jeden Fall wert, einmal diese kleine Liebeserklärung zu schreiben. Auch wenn Weihnachtssterne, Lichterketten und Schwippbögen bald wieder in Kisten und auf Dachböden verschwinden, wünsche ich allen webmoritz.-Leser*innen für das neue Jahr, dass die schöne Stimmung der Weihnachtslichter auch in den kommenden Wochen noch etwas nachklingen möge.

Beitragsbild: neelam279 und blueartpapelaria auf pixabay