WVG-Verkauf – eine unendlichen Geschichte? Nachdem das Oberverwaltungsgericht am 18. August die Klage von drei Bürgerschaftsmitglieder gegen den Beschluss zum Verkauf der Greifswalder Wohnungsgesellschaft WVG abgelehnt hatte, frohlockte das Rathaus, müsse das Geld nun kommen.
Der Käufer – die „Kommunale Wohnungsgesellschaft AG“ (KWG) – hatte die Überweisung der Kaufsumme von 60 Mio Euro stets mit dem Verweis auf das noch schwebende Verfahren gegen die Bürgerschaft abgelehnt.
„Die Rechtssicherheit, die OB König öffentlich verkündet,
besteht hingegen für Sy Schlüter, Vorstand der KWG AG, noch immer nicht. Denn ein weiteres Bürgerschaftsmitglied der Fraktion Grüne/ok, hat einen Eil
antrag beim Verwaltungsgericht eingereicht. Wann das Verwaltungsgericht hierüber entscheidet, ist derzeit nicht absehbar. Wie der Sprecher des Gerichts mitteilte, will die zuständige Kammer „keine Erwartungen wecken, die möglicherweise nicht einzuhalten sind“.“
Die Mitglieder der Bürgerschaft hatten geklagt, weil sie Ihrer Meinung nach Verstöße gegen die Kommunalverfassung vorlagen und das Verfahren als ganzes undemokratisch ablief (siehe hier). Der Verfahren scheiterte jedoch an Formalien. Eine gerichtliche Entscheidung in der Sache gab es bisher nicht.
Ulrich Rose (Grüne) erklärte gegenüber dem webmoritz, dass im zweiten Verfahren einige Formfehler des ersten Verfahrens nicht enthalten sind.
Eigentlich war der Kaufpreis in Höhe von 60,1 Millionen Euro bereits am 31. Juli fällig. Die Stadt verlangt nun 7000,- Euro Zinsen täglich (wir berichteten). Teile der Greifswalder Linkspartei überlegen nun bereits, welche Schule man mit diesen Zinsen als erstes renovieren sollte.
CDU-Spendenaffären sind für sich genommen nicht überraschend. Wer dann und wann die Medien verfolgt, bekommt den Eindruck, dass finanzielle Zuwendungen und Steuerhinterziehung zu gängigen Methoden politischer Arbeit gehören. Ebenso wenig überraschte die Nachricht, dass auch die lokale CDU vom Einsatz solcher Methoden profitierte. Da investierte ein Konzern horrende Summen, Millionenbeträge, in den Aufbau einer arbeitgeberfreundllicheren Betriebsräte-Organisation (soll kürzlich auch 350.000€ von ALDI empfangen haben), die mit der IG Metall konkurrieren soll.
Wilhelm Schelsky wurden einst diese Gelder überlassen. Der Netzwerker sitzt seit Februar 2007 in Untersuchungshaft. Schelsky soll das Geld großzügig zur Vertiefung persönlicher Netzwerke gebraucht haben. Ulrich Adam (CDU), Mitglied des Bundestages (es sitzen dort nur vier Vertreter unseres Bundeslandes von der CDU) wird vorgeworfen, einen Teil dieses Geldes am Fiskus vorbei angenommen zu haben, um dadurch fällige Schenkungssteuern zu sparen. Gestern erschien ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung, aus dem hervorgeht, dass Adam zwar mittlerweile angenommene Spenden einräumte, er allerdings die fragliche Summe sehr stark nach unten korrigierte, den Betrag halbierte. Zudem ist herausgekommen, dass auch der Wahlkampf des Greifswalder Oberbürgermeisters Arthur König (CDU) direkt von Schelsky mitfinanziert wurde.
Das alles finde ich persönlich gar nicht so spektakulär, die Geschehenisse bestätigen meinen Eindruck von Berufspolitik. Verwerflich finde ich allein, dass die Herren Videoüberwacher und Grafittijäger ihrerseits in Unternehmungen verwickelt sind, die eines weit größeren Maßes krimineller Energie bedürfen, als es bei nächtlichem Vandalismus der Fall ist. Moralische Doppelbödigkeit nennt man sowas gemeinhin. Sie nährt erstens die Politikverdrossenheit und führt zweitens dazu, dass im öffentlichen Bewusstsein die sich zum Volkssport mausernde fiskalische Kriminalität verharmlost wird. (mehr …)
Spannend war heute ein Beitrag im NDR-Nordmagazin zur Adam-Affäre (Details hier). Darin forderte der CDU-Kreisvorsitzende und Bürgerschaftspräsident Egbert Liskow am Telefon, dass Ulrich Adam, wenn sich die Zahl von 130.000 Euro bewahrheiten sollte, nicht erneut zur Bundestagswahl aufstellen sollte. Im selben Beitrag – jedoch gefilmt am Nachmittag – widerruft Liskow dann jedoch diese Forderung und stellt sich hinter Adam. Die OZ meldet richtigerweise, dass die CDU Adam „stützt“.
Die Landes-CDU hingegen ist das Gebaren von Adam inzwischen zu bunt. Sie forderte im NDR lückenlose Aufklärung und notfalls „Konsequenzen“.
Kommentar von Sebastian Jabbusch:
Es ist komplett unklar
, warum die Greifswalder CDU noch immer hinter Adam steht. Gerade Liskow müsste jetzt reinen Tisch machen und sich von Adam distanzieren. Stattdessen verteidigt Liskow den Parteifreund sogar. Er sagt, dass Adam zunächst auf die Zahlen & Unterlagen der Staatsanwaltschaft warten müsse. Was ist das für eine „lückenlose“ Aufklärung, in der man
erst wartet, was die Juristen nachweisen können?
Dieses Zögern lässt zumindest Überlegungen zu, dass Adam eventuell noch mehr Spenden erhalten hat. Auch Liskows Verhalten ist unrational. Erhielt vielleicht auch er Wahlkampfspenden, die er noch nicht zugab und schützt mit seinen Solidaritätsbekundungen für Adam in Wirklichkeit sich selbst?
So lange die Greifswalder CDU weiter auf Zeit spielt, bleibt uns ein Sommerloch wohl erspart.
Die Beschwerde der vier Bürgerschaftsmitglieder, die gegen den Beschluss der Bürgerschaft zum Anteilsverkauf der WVG vor das Greifswalder Verwaltungsgericht gingen, wurde abgewiesen. Dies bestätigte uns der Pressesprecher des Gerichtes am Telefon.
Eine Begründung zur Entscheidung wird noch als Pressemitteilung vorbereitet. Gegen den Beschluss ist eine Beschwerde in nächster Instanz möglich.
*Update – 19 uhr*:
In einem Gespräch mit Sebastian Jabbusch äußerte sich Helmut Wolf zur Entscheidung des Greifswalder Verwaltungsgerichtes:
webmoritz: Wie hat das Gericht entschieden und wie bewerten sie das?
Wolf: Die Ablehnung unseres Antrages ist eine reine Verfahrensentscheidung. Das Gericht ist der Auffassung, dass einzelne Bürgerschaftsmitglieder Vorschriften über die Herstellung der Öffentlichkeit nicht rügen können. Denn die Bürgerschaftsmitglieder seien nicht antragsberechtigt. Das Gericht hat sich jedoch nicht inhaltlich geäußert, ob Vorschriften tatsächlich verletzt wurden oder nicht.
fassung der Stadt bestätigt?
Wolf: Nein, darüber hat
das Gericht nicht entschieden – auch wenn die Stadt morgen in der Ostsee-Zeitung sicher etwas anderes sagen wird.
webmoritz: Könnten dann die Bürger Beschwerde gegen die Nicht-Öffentlichkeit der Bürgerschaftssitzung einlegen? Wolf: Nein – die können das noch weniger. Das ist das, was die Antragsteller nicht verstehen – die Bürgerschaftsmitglieder sind Vertreter der Öffentlichkeit und sollten sich unserer Auffassung nach auch auf die Rechte der Öffentlichkeit berufen dürfen.
webmoritz: Wie geht es weiter?
Wolf: Die Bürgerschaftsmitglieder werden nun diese Entscheidung durch das Oberverwaltungsgericht überprüfen lassen – wir legen also Beschwerde ein. Denn sollte diese Entscheidung bestehen bleiben, hieße das, dass bei Versagen der Rechtsaufsicht [Das Innenministerium, Anm. d. Red], niemand die schweren Fehler beanstanden könnte. Das ist für die Antragsteller nur schwer hinnehmbar.
Als Reaktion auf die neuen Vorwürfe, die heute in der Ostsee-Zeitung veröffentlicht wurden (wir berichteten), veröffentlichte der Rechtsberater der vier klagenden Bürgerschaftsmitglieder, Helmut Wolf, heute im Gegenzug die vor Gericht eingereichten Dokumente. Zitat aus der Pressemitteilung:
„Da der amtierende Oberbürgermeister [Senator Arenskrieger ist auch OB, Anm.d.R.] sich nicht zurückhält, und Dinge, die vor Gericht auszutragen sind, in die Zeitung bringt, sieht sich Herr Wolf genötigt, durch Veröffentlichung der tatsächlichen Umstände die juristischen Halbwahrheiten des amtierenden OB richtig zu stellen.
Wenn die Universitäts- und Hansestadt
best price for propecia den Fall gern jetzt auf einmal öffentlich austragen möchte, und nicht mehr geheim, wie sie es bisher betrieben hat, so müssen beide Seiten gehört werden.“
Das Dokument hat dabei sehr wohl politische Sprengkraft. So heißt es unter anderem:
„Der Rechtsstaat ist in der Verwaltung der Stadt Greifswald und im Innenministerium M-V noch nicht richtig angekommen. Bei der Befassung mit der Angelegenheit hat sich mein Erstaunen zu Befremden und dieses zu Fassungslosigkeit gesteigert.“
„Schlimm ist das Verhalten der Stadt und des Innenministeriums im gerichtlichen Verfahren. […] Mir ist aus meiner langjährigen Praxis als Vorsitzender von gerichtlichen Spruchkörpern nur ein einziger Fall erinnerlich, indem eine Behörde sich stillschweigend über eine solche Bitte hinweggesetzt […] hat. Der Fall spielte 1993 oder 1994, als relativ kurz nach der Wende das Bewusstsein für Rechtsstaatlichkeit vielfach noch unterentwickelt war […].“