Vergangene Bundestagswahl verpasste Georg Günther knapp den Wahlsieg in Wahlkreis 15. Dieses Jahr tritt seine SPD-Konkurrentin wieder an und die AfD führt in den Umfragen. Mit welchen Themen will der CDU-Mann bei der Wählerschaft punkten?
Der Nachfolger einer 16-jährigen Kanzlerschaft zu werden, ist kein leichtes Unterfangen. Das gilt nicht nur für die Bundespolitik, sondern auch für den Wahlkreis 15. Das ist der Wahlkreis Vorpommern-Rügen – Vorpommern-Greifswald I. Hier hat Angela Merkel seit der Wende mit meist haushohem Vorsprung das Direktmandat errungen. Zur Bundestagswahl 2021 trat der damals 33-jährige Georg Günther die Herausforderung an, den Stammplatz der CDU zu verteidigen. Es gab sogar Telefonate mit Merkel persönlich, die klarmachte, dass ihr Wahlkreis ein schwarzer Wahlkreis bleiben sollte. Günther scheiterte jedoch an dieser Mission. Vier Prozent fehlten dem Finanzbeamten im Vergleich zur Sozialdemokratin Anna Kassautzki. Anscheinend lässt sich Günther davon jedoch nicht entmutigen, denn: Auch bei der anstehenden Bundestagswahl steht er für die Christdemokraten auf dem Wahlzettel.
Aber wer ist der Mann, der den äußersten Nordosten im Bundestag vertreten möchte?
Günthers Politikkarriere begann früh
Günther hat sein ganzes Leben in eben dieser Region verbracht. Auch seinen politischen Werdegang startete er hier. Seit 2007 war er Teil der Jungen Union, der Jugendorganisation der CDU, und wurde dort Kreis- und Landesvorsitzender in Greifswald und MV. In dieser Funktion machte er sich unter anderem für ein Semesterticket für alle Studenten in Mecklenburg-Vorpommern stark. Ein Thema, das auch im letzten Jahr an der Universität Greifswald vielfach diskutiert wurde. Grundlage dafür sollte laut Günther das Modell aus Schleswig-Holstein sein. Das damalige Modell sah einen Vertrag zwischen Studierendenwerken und Verkehrsbetrieben vor, bei dem Interessierte sich das Semesterticket individuell vergünstigt hinzubuchen konnten. Das Modell existiert in dieser Form heute nicht mehr. Ein Ausbau des Nahverkehrs ist ihm ebenso ein Anliegen wie der Ausbau der Fernverkehrsanbindung Vorpommerns. Günther fordert die Umsetzung der sogenannten Vorpommern-Magistrale, was den Ausbau der Zugstrecke zwischen Berlin und Rügen bedeuten würde. Dieser Ausbau würde etwa für Studierende aus Berlin bedeuten, dass sie schneller aus Greifswald in ihrer Heimat wären.
Dieser Ausbau war als Kompensation für das Errichten des LNG-Terminals auf Rügen von der Bundesregierung versprochen worden. Das Terminal bezeichnet Günther als „sinnlos“. Es wurde unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und der Befürchtung eines Engpasses der deutschen Gasversorgung gebaut. Tatsächlich ist die Notlage nie eingetreten. Landespolitiker*innen und Umweltverbände zweifeln daher ebenfalls die weitere Sinnhaftigkeit des Projektes an.
Studierende leichter ans Lenkrad?
Georg Günther möchte jedoch nicht nur den Bahnverkehr, sondern auch das Auto als Verkehrsmittel für Studierende in Greifswald fördern. Damit ist er auf einer Linie mit der Greifswalder CDU, die ebenfalls eine Wende hin zu weniger Autoverkehr in der Stadt ablehnt. Der Vorschlag, junge Menschen beim Erwerb des immer teurer werdenden Führerscheins finanziell zu unterstützen, ist jedoch auch im Wahlprogramm der SPD und den Grünen zu finden.
Dass Günther die Clubszene in Greifswald fördern will, lässt sich zumindest mit Blick auf seine Vergangenheit als ein ernst gemeintes Anliegen charakterisieren. In seiner Gemeinde Süderholz bemühte sich Günther in jungen Jahren bereits für den Erhalt des dortigen Jugendclubs. Tatsächlich gibt es den Jugendclub auch bis heute noch, das Engagement scheint also erfolgreich gewesen zu sein.
Bei anderem Freizeitvergnügen versteht Günther jedoch keinen Spaß. Er setzt sich für die Rücknahme der Cannabis-Legalisierung ein. Damit ist er programmatisch auf Parteilinie. Das war auch der Fall beim umstrittenen Zustrombegrenzungsgesetz, dass Ende Januar von Friedrich Merz in den Bundestag eingebracht wurde. Auf seinen Social-Media-Kanälen verteidigte Günther das Gesetz zur Einschränkung illegaler Migration.
Günther sieht sich in der Mitte
Günther ist jedoch gewiss kein Hardliner unter den Konservativen. Er selbst sieht sich im liberalen Spektrum der Christdemokraten. Ebenso lehnt er eine Zusammenarbeit mit Rechtsaußen sowie Linksaußen kategorisch ab. Der Mann mit der etwas wilden Frisur passt mit seiner Programmatik (sowie mit seinem Namen) in die Mitte der CDU im Jahr 2025. Arbeitsplätze, Landwirtschaft und Familie: wer klassische CDU will, der bekommt sie bei Günther auch. Es wird jedoch nicht gerade einfacher für Günther in den Bundestag einzuziehen, da zum einen seine Widersacherin Anna Kassautzki wieder antritt. Zum anderen sind die Auswirkungen des Merz’schen Migrationsgesetzes auf die Wahlentscheidungen der Bürgerinnen und Bürger noch ungewiss.
Wer Günther auf seinen Wahlveranstaltungen beobachtet, sieht definitiv einen engagierten Kommunalpolitiker. Die Bandbreite der Themen, die der Süderholzer dabei bespielt, ist weit. Man wird sehen, ob er diese Bandbreite auch mit ausreichend inhaltlicher Stärke füllen kann, sollte er in den Bundestag einziehen dürfen. Seine Erfahrung als JU-Landesvorsitzender kann ihm parteipolitisch dabei helfen. Das Image eines bodenständigen Finanzbeamten und Familienvaters spricht eher die ältere als die jüngere Wählerschaft an. Da die ältere Generation aber bekanntermaßen immer größer wird, könnte es für Georg Günther bald durchaus von Greifswald nach Berlin gehen. Vielleicht gibt es dann wieder ein Telefonat mit Angela Merkel.
So stellt sich Georg Günther selbst vor:
moritz.medien: Wer bist du?
Georg Günther: Ich bin Georg Günther, 35 Jahre alt, und wurde in der Universitäts- und Hansestadt Greifswald geboren. Aufgewachsen bin ich hier und in Griebenow, und meiner Heimatgemeinde Süderholz bin ich immer treu geblieben. Heute lebe ich dort mit meiner Frau und meinem Sohn. Nach meinem dualen Studium zum Diplom-Finanzwirt an der Fachhochschule in Güstrow habe ich mich entschieden, mich politisch für die Menschen in unserer Region einzusetzen.
Was sind deine konkreten Ziele für Greifswald?
Greifswald ist eine junge, lebendige und dynamische Stadt, und ich möchte, dass das auch so bleibt und noch besser wird! Mein Ziel ist es, Greifswald als Forschungs-, Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort weiter zu stärken. Gleichzeitig ist es wichtig, die Lebensqualität in der Stadt zu verbessern: ein sauberes, lebenswertes Stadtbild ohne Graffitis und vor allem mehr Wohnraum für alle Generationen – denn Wohnen muss bezahlbar bleiben.
Warum sollten Greifswalder Studis dich wählen?
Ich möchte mich dafür einsetzen, dass das Studium für euch attraktiver und bezahlbarer wird. Konkret plane ich:
Zuschüsse zum Führerschein, um Mobilität zu fördern
niedrigere Zinsen für Studienkredite, damit finanzielle Sorgen nicht im Weg stehen
einen neuen Digitalpakt des Bundes, der die Ausstattung und Attraktivität von Universitätsstandorten wie Greifswald verbessert.
Außerdem finde ich, dass Greifswald dringend wieder mehr Clubs und Orte für das Nachtleben braucht. Die Stadt soll nicht nur ein Ort zum Lernen, sondern auch zum Leben und Feiern sein.
Beitragsbild: moritz.tv / Collage: Konstantin Ochsenreiter
Zur Person des Autors
Mit 21 Jahren ist der Autor 2022 aus der niedersächsischen Kleinstadt in unsere Kleinstadt am Meer gezogen. Beflügelt vom Wissen der Politik- und Kommunikationswissenschaft möchte er die Medienwelt betreten. Beflügelt ist auch sein Lieblingstier, der Weißkopfseeadler.
2021 holte die SPD-Kandidatin überraschend das Direktmandat für Greifswald. Bei dieser Wahl wird es schwer, den Erfolg zu wiederholen. Doch für welche Themen setzt sich Kassautzki im Bundestag eigentlich ein?
Von Lara Sitzmann und Meryem Kocabas
Anna Kassautzki wurde 1993 in Heidelberg geboren und wuchs bei Alsfeld im Vogelsbergkreis in Hessen auf. Nach ihrem Abitur in Alsfeld studierte sie Staatswissenschaften in Passau und begann anschließend ein Masterstudium in Greifswald. Bereits mit 13 Jahren war sie in der Antifaschistischen Bildungsinitiative e.V. tätig und mit 20 Jahren trat sie der SPD bei. Vor ihrem Mandat leitete sie den Familienservice der Universität Greifswald.
Bei der Bundestagswahl 2021 gewann sie den Wahlkreis 15 und steht seitdem im Bundestag vor allem für zwei große Themen:
Digitalisierung und Daten
Das klingt zunächst natürlich etwas trocken, doch Kassautzki, die auch als stellvertretende Vorsitzende des Digitalausschusses im Bundestag tätig ist, betont die Relevanz des Themas immer wieder. Laut ihr ist das Internet und seine Infrastruktur nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken. Deswegen fordert sie konkrete Regeln. Auch eine Sicherung der Chancengleichheit, damit auch alle im digitalen Umschwung mitgenommen werden, soll gesichert sein, denn nur das wäre laut Kassautzki auch demokratisch.
In Reden im Bundestag wird auch der Schutz kritischer digitaler Infrastruktur immer wieder erwähnt, insbesondere Ereignisse der letzten Jahre, wie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, resultieren in immer mehr Angriffen auf Daten und Strukturen in Deutschland. Genau das soll unter anderem eine starke Digitalpolitik verhindern.
Doch was fordert die SPD Kandidatin konkret in diesem Themengebiet? Ihre Webseite erklärt ihre Position zu folgenden Themen:
Daten: Hier soll eine starke Unterscheidung zwischen allgemein nutzbaren und schützenswerten privaten Daten existieren. Im Internet herrscht oftmals keine Transparenz über die gespeicherten Daten und genau deswegen setzt sich Kassautzki für mehr Datenschutz ein.
Algorithmen: Diese basieren meist auf nicht komplett nachzuverfolgenden Daten und werden in vielen Branchen benutzt, um Entscheidungen zu treffen. Oftmals sind die Programmierungen dieser jedoch sehr intransparent und auf Optimierung ausgerichtet. Anna Kassautzki problematisiert dies in mehreren Aussagen und Reden stark.
Open Source: Anders als Algorithmen sind die Codes von Open-Source-Software (Bspw. Wikipedia oder Linux) frei und transparent einsehbar. Für die Förderung dieser Software, dieses „Ökosystems“, setzt sich die Kandidatin ein.
Games (-Förderung) und E-Sport: Als leidenschaftliche “Gamerin” setzt sie sich für die Förderung von Videospielen als Möglichkeit zur Bildung und Sozialisierung ein. Auch will sie das negative Bild, das viele Deutsche von Videospielen haben, verändern. Hierfür saß Anna Kassautzki 2022 zum ersten Mal in der Jury des Deutschen Computerspielpreises!
Landwirtschaft und Ernährung
Neben ihrer Arbeit in der Partei und am Thema Digitalisierung sitzt Anna Kassautzki auch im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft. Sie macht sich vor allem für Moore und die Fischerei in Mecklenburg-Vorpommern stark. Hier also eine kleine Übersicht ihrer Forderungen:
mo(o)re für Moore
Trockengelegte Moore machen in Deutschland einen beachtlichen Teil des jährlichen CO₂ Ausschusses aus und werden auch in der Landwirtschaft in MV viel genutzt. Dieses CO₂ soll aber am liebsten im Boden bleiben und da hilft es, die Böden zu nässen. Um die Landwirtschaft nicht zu überfordern, aber trotzdem etwas für den Klimaschutz zu tun, will Kassautzki eine nachhaltige Bewirtschaftung der Moore. Dabei macht sie klar, dass dies nicht ohne Zusammenarbeit mit den Landwirt*innen funktionieren könne.
Nicht ohne Fischerei!
Der gesamte Fischereisektor, nicht nur in der Ostsee, steht unter Bedrohung aufgrund der Klimakatastrophe und Überfischung. Neben Folgen für die Umwelt und das Ökosystem bringt es auch Probleme für die Fischer*innen von MV. Die Abgeordnete betont die Relevanz der Fischerei für die kulturelle Identität der Küstengebiete und für die Ernährung in Deutschland. Sie will den Fischer*innen neue Perspektiven schaffen und auf EU-Ebene an Lösungen für das Problem arbeiten.
So stellt sich Anna Kassautzki selbst vor:
moritz.medien: Wer bist du?
Anna Kassautzki: Ich bin Anna Kassautzki, seit 2021 direkt gewählte Abgeordnete des Wahlkreis 15 im Deutschen Bundestag für die SPD. Ich habe Staatswissenschaften studiert und vor dem Mandat den Familienservice hier an der Universität Greifswald geleitet. Als Abgeordnete möchte ich weiter unsere Region aktiv mitgestalten und moderne Politikansätze in Berlin vertreten. Ich sehe mich als Brückenbauerin zwischen den Bedürfnissen vor Ort und den Entscheidungsprozessen im Bundestag, um Greifswald nachhaltig voranzubringen.
Was sind deine konkreten Ziele für Greifswald?
Ich setze mich für den Ausbau der Vorpommern-Magistrale ein, um Greifswald besser mit dem Zug anzubinden und die Reisezeiten zu verkürzen. Greifswald soll Vorreiter für Bildung, Forschung und nachhaltige Wirtschaft werden. Dazu gehören bessere Studienbedingungen und digitale Infrastruktur. Mit erneuerbaren Energien haben wir ideale Voraussetzungen für grüne Industrien und die Umwälzung der Netzentgelte haben wir bereits erreicht. Zudem setze ich mich für die Wiedervernässung der Niedermoore rund um Greifswald (und überall anders) ein, um CO₂ nachhaltig zu speichern und die Klimakrise zu bekämpfen.
Warum sollten Greifswalder Studis dich wählen?
Als ehemalige Greifswalder Studentin setze ich mich für bessere Studienbedingungen ein. Bereits erreicht: BAföG-Erhöhungen, 1.000€ Studienstarthilfe für vulnerable Gruppen und erweiterter Wohngeldanspruch. Künftig will ich die Mietpreisbremse entfristen, den Mindestlohn auf 15€ erhöhen und das BAföG reformieren, damit Studierende nicht zum Arbeiten neben dem Vollzeitstudium gezwungen werden. Dafür kämpfe ich für ein elternunabhängiges BAföG als Vollzuschuss. Beim Deutschlandticket befürworte ich eine faire, freiwillige Lösung, um bundesweite Mobilität zu ermöglichen, ohne Studis finanziell zu überlasten.
Lokalpolitische Errungenschaften und Niederlagen des Jahres, die Zukunft des ÖPNV in unserer Hansestadt und die angespannte Haushaltslage. All das und noch viel mehr im Interview mit Oberbürgermeister Stefan Fassbinder.
Das Interview führten Carlotta Jarchow, Jette Boeck und Robert Wallenhauer
Mitte Dezember – der Wind bläst kalt durch die Innenstadt, durch das Fenster des Konferenzraums im Rathaus erkennt man noch die Spitze des Weihnachtsbaums auf dem Marktplatz. Oberbürgermeister Stefan Fassbinder (Grüne) wurde im Jahr 2023 wiedergewählt und erhielt dieses Jahr den Ehrentitel „Weltbürgermeister“. Im Gespräch mit den moritz.medien blickt Fassbinder zurück auf das vergangene Jahr und gibt einen Ausblick, was uns lokalpolitisch 2025 erwartet.
Greifswalds OB Stefan Fassbinder im moritz.medien-Interview
moritz.medien: Was war dieses Jahr Ihre größte lokalpolitische Errungenschaft?
Stefan Fassbinder: Das kann man nicht so pauschal beantworten. Was sicher herausragend war für die ganze Stadt, ist unser Caspar-David-Friedrich-Jubiläum, das alle Erwartungen übertroffen und alle Zahlen gesprengt hat. Es gab bisher schon 580 Veranstaltungen, in allen Einrichtungen wurden Besucherrekorde gebrochen, und wir hatten dieses wirklich grandiose Fest am Caspar-David-Friedrich-Geburtstag, wo 5000 Menschen auf dem Markt gefeiert haben. Zudem haben wir dieses Jahr die neue Sporthalle III eröffnet, zahlreiche Straßen saniert und viele Beteiligungsprojekte mit Bürgerinnen und Bürgern umgesetzt. In Summe ist dieses Jahr unheimlich viel passiert.
Woran haben Sie sich dieses Jahr die Zähne ausgebissen?
Am Dauerthema Bauvorhaben. Vor allem der geplante Neubau des Inklusiven Schulzentrums und die Sanierung des Theaters sind nicht so schnell vorangekommen, wie wir uns das wünschen. Schwierig gestalten sich auch die neuen politischen Mehrheiten in der Bürgerschaft, wenn sie mit Beschlüssen in laufende Projekte eingreifen. Denn das hat Folgen: Umplanungen kosten Geld und Zeit und verzögern die Projekte. Zudem könnte im Fall des gestoppten Verkehrsversuchs für die Innenstadt der Ausstieg aus diesem EU-Projekt langfristig zu einem Vertrauensverlust bei unseren Partnern führen.
Gehen wir nochmal an den Anfang des Jahres zurück. Da startete die Kampagne Gesicht zeigen gegen Rassismus mit einigen Demos. Greifswalder*innen mit Migrationsgeschichte beklagten sich über häufende Anfeindungen. Was haben Sie seitdem dafür getan, dass Greifswald für Migrant*innen, die hier leben, studieren und arbeiten, ein attraktiverer Ort wird?
Das gesellschaftliche Klima entwickelt sich in keine gute Richtung – fast auf der ganzen Welt. Wir sind aber immer noch eine Stadt, in der es sehr starke Gegenbewegungen gibt. Wenn solche Vorfälle gegen Migrant*innen passieren, kommen aus der Zivilgesellschaft, der Politik und auch aus der Stadtverwaltung Initiativen, die versuchen, gegenzusteuern. Das ist nicht überall in Deutschland so.
Ich habe in diesem Jahr das Greifswalder Bündnis für Demokratie ins Leben gerufen. Zu meiner Freude haben sich nicht nur Parteien, sondern auch viele Kirchengemeinden, Firmen, Schulen, Vereine und andere Gruppen zusammengetan und klar gesagt: Es geht darum, die Werte unseres Grundgesetzes zu verteidigen. Denn sie werden deutschlandweit angegriffen.
Dass wir eine weltoffene Stadt sind, in der sich Menschen, die eine andere Hautfarbe oder Muttersprache haben, wohlfühlen, ist uns aus humanitären Gründen wichtig. Aber es hat auch ganz klar einen ökonomischen Aspekt. Wenn wir unseren Wohlstand, soziale Standards und das wirtschaftliche Wachstum in Greifswald aufrechterhalten wollen, brauchen wir für den Arbeitsmarkt Zuwanderung. Wenn Migrant*innen hier permanent angefeindet würden, wäre das ein deutlicher Standortnachteil.
Im Frühjahr dominierte noch ein anderes Thema die Lokalpolitik. Die schlechte Stimmung in der Bürgerschaft. Wie nehmen Sie gerade die Zusammenarbeit mit der neu gewählten Bürgerschaft wahr?
Die Entwicklung in den vergangenen anderthalb Jahren in der Bürgerschaft fand ich schon sehr besorgniserregend. Wir mussten das erste Mal eine Bürgerschaftssitzung unter Polizeischutz abhalten. Es gab Personen, die für demokratiefeindliche Stimmungen sorgten und das verurteile ich – auch, dass Mitglieder der Bürgerschaft sich damit solidarisierten.
Inzwischen habe ich das Gefühl, hat sich die Stimmung leicht verbessert. Die Bürgerschaft ist nach der Wahl im Juni 2024 zersplitterter und vielfältiger geworden.
Noch konkreter: Wie nehmen Sie gerade den Diskurs in der Bürgerschaft wahr?
Nach den Wahlen gab es zum Teil eine ungute Abbruchstimmung. Doch vor allem die Diskussion um den Haushalt und auch die restliche Debatte während der letzten Bürgerschaftssitzung waren überwiegend konstruktiv. Ich sehe deshalb erste Anzeichen dafür, dass sich die Gesprächskultur wieder verbessert.
Ihr wollt mehr über die Greifswalder Lokalpolitik aus Studi-Perspektive erfahren? Aktuell erscheint im moritz.magazin die Serie „Lokale Macht“, in der wir Lokalpoltiker*innen interviewen. In Ausgabe 170 sprach Madeleine Tolani (CDU), die Präsidentin der Bürgerschaft, über ihre Arbeit. In der aktuellen Ausgabe 171 erklärt Camille Damm, wie sie als Vorsitzende der Grünen-Fraktion in der Bürgerschaft mit den neuen Mehrheitsverhältnissen umgeht.
Machen wir mit einem Thema weiter, von dem viele Studierende betroffen sind. Die Wohnungsnot für neue Studis geht so weit, dass manche ihr Studium nicht antreten können. Was unternehmen Sie gegen den Wohnraummangel?
Das Thema Wohnungsmangel ist ein Dauerthema, das uns sicher noch weiter beschäftigen wird. In den letzten Jahren sind im gesamten Stadtgebiet rund 2500 neue Wohnungen in unterschiedlichen Mietpreiskategorien entstanden. Wir brauchen sowohl günstige Wohnungen als auch höherpreisige, weil diese ebenfalls nachgefragt werden. Ich freue mich jetzt auf die 700 neuen Wohnungen, die gerade am Ryck entstehen. Auch da wird es günstige und Sozialwohnungen geben. In den nächsten Jahren werden wir weitere Bebauungsgebiete entwickeln. Unzufrieden bin ich mit der Situation bei den Studierendenwohnheimen. Hier wünschte ich mir mehr Unterstützung für das Studierendenwerk durch die Regierungen in Schwerin und Berlin.
Inwiefern? Dass die bestehenden renoviert oder mehr gebaut werden?
Wir könnten locker ein, zwei neue Wohnheime gebrauchen. Dass einzelne auch saniert werden müssen, ist ebenfalls unstrittig – insbesondere in der Wilhelm-Holtz-Straße. Aber wenn das Studierendenwerk die Mittel nicht hat, ist das alles schwierig.
Die Studi-Zahlen in Greifswald gehen zurück – mittlerweile sind wir weniger als 10.000 Studierende in Greifswald. Die Uni ist aber ein Herzstück der Stadt. Wie wollen Sie Greifswald als Studienstandort generell beliebter machen?
Wir versuchen insgesamt, als Stadt attraktiv zu bleiben und noch attraktiver zu werden. Dazu gehören natürlich die Klassiker: ein vielfältiges und gutes Kulturangebot, das große Theater, aber auch andere Einrichtungen, wie die Straze, das Pommersche Landesmuseum, das Koeppenhaus oder das Caspar-David-Friedrich–Zentrum. Auch Sport spielt eine große Rolle. In den letzten Jahren haben wir immer mehr freie Sportangebote geschaffen, wie die Calisthenics-Anlage in Eldena. Damit wollen wir ein gutes Lebensumfeld schaffen. Andererseits arbeiten wir auch weiterhin daran, attraktive Arbeitsplätze in der Stadt zu schaffen. Dafür unterstützen wir beispielsweise die Start-up-Szene, in der mittlerweile zahlreiche Studierende aktiv sind.
Ein anderes Thema, was ab Herbst wieder heiß diskutiert wurde, war die Diagonalquerung an der Europakreuzung. Der geplante Ausbau wurde jetzt nach langen Diskussionen Anfang Oktober gestoppt. Was hätten Sie besser machen können, um das Projekt in der Zeit zum Laufen zu kriegen? Wie erklären Sie rückblickend, warum das Projekt unter Ihrer Führung nicht wie geplant vorankam?
Ich halte die Diagonalquerung immer noch für ein sinnvolles Projekt. Sie hat allerdings mit Blick auf die gesamtstädtische Entwicklung auch nicht die Bedeutung, die ihr manchmal zugeschrieben wird. Es ist bedauerlich, dass das Projekt nicht schneller umgesetzt werden konnte. Dann hätten wir die Diagonalquerung jetzt. Aber das hängt manchmal von vielen Faktoren ab.
An welchen Faktoren lag es in diesem Fall?
Vor allem an personellen Kapazitäten. Für die Beauftragung und Planung braucht man zum Beispiel Planungsbüros, die zuarbeiten. Denen fehlt auch das Personal. Das verzögert einfach viele Prozesse. Es gab jedoch ein Bündel an Gründen, die dazu geführt haben, dass sie nicht schon früher umgesetzt worden ist.
moritz.medien-Redakteur*innen im Interview mit Stefan Fassbinder. (Quelle:Janne Koch / moritz.tv)
Lassen Sie uns jetzt einmal kurz über den ÖPNV in Greifswald sprechen. Es gibt einen Vertrag, der regelt, mit wie viel Geld der Landkreis den ÖPNV der Stadt Greifswald bezuschusst. Dieser musste bis Ende des Jahres neu verhandelt werden. Die Bürgerschaft hat in ihrer letzten Sitzung jetzt kurz vor knapp einem Vertragsangebot zugestimmt. Warum hat es bis Mitte Dezember gedauert, bis dieses erste Angebot ausgehandelt wurde?
Es stimmt, dass seit Jahren feststand, dass wir den Vertrag bis Ende 2024 neu verhandeln müssen. Wir haben uns Anfang 2023 an den Landkreis gewandt. Aber die Gespräche liefen schwierig und haben auch gewisse Wendungen vollzogen, die für uns nicht immer vorhersehbar waren.
Warum waren die Gespräche so schwierig?
Wir haben in diesen Verhandlungen einen Partner – den Landkreis. Und mit ihm ist es bis heute nicht einfach, auf eine gemeinsame Linie zu kommen. Wir haben beispielsweise damit gerechnet, dass am 03. Dezember im Kreistag eine Entscheidung fällt. Die entsprechende Vorlage wurde aber kurz vor knapp vom Landrat von der Tagesordnung gestrichen. Ich verstehe bis heute nicht, warum das passiert ist. Deswegen kommen wir jetzt in den Zeitstress, weil wir bis Ende des Jahres kündigen müssen, sollte es zu keiner Einigung kommen.
Ich bin jetzt erstmal froh, dass die Bürgerschaft das Vertragsangebot des Kreises angenommen hat. Auch, wenn es nicht ganz dem entspricht, was wir für notwendig halten. Jetzt hängt es am Kreistag und am Landrat, dass dieser Vertrag auch Realität wird.
Würde dieser Vertrag den Status quo sichern? Oder müssen ÖPNV-Nutzer*innen mit Einsparung bei Taktung oder Liniennetz rechnen?
Wir hatten bereits geplant und in der Bürgerschaft beschlossen, dass das Liniennetz ausgebaut werden sollte. Diese Änderung hätte eine Ausweitung der Fahrbahnkilometer um 25 Prozent bedeutet, was für die Nutzer*innen positiv gewesen wäre. Mit dem Geld, was uns nun durch den neuen Vertrag zur Verfügung stehen würde, können wir das in dem geplanten Umfang leider nicht umsetzen.
Nichtsdestotrotz müssen wir zeitnah das bestehende Liniennetz überarbeiten. Die Bürgerschaft hat bereits beschlossen, dass wir dieses überplanen. Wir wollen ein überarbeitetes Liniennetz anbieten, was den Status quo sichert und gewisse Verbesserungen bringt. Der genaue Umfang ist noch nicht absehbar. Weitere Unwägbarkeiten spielen da hinein. So wissen wir nicht, wie hoch die neuen Tarifabschlüsse für die Busfahrer*innen sein werden – das ist ein Riesenfaktor. Wir wissen auch nicht, wie sich die Energiepreise entwickeln.
Beim Thema ÖPNV haben Sie in der Bürgerschaft auf den Erfolg des neuen Shuttle-Service Friedrich verwiesen. Haben Sie diesbezüglich genaue Zahlen?
Wir hatten lange das Problem, Ladebow und Friedrichshagen an den ÖPNV anzubinden. Dort einen normalen Bus alle Stunde hinfahren zu lassen, der dann häufig leer ist, wäre keine gute Lösung. Deswegen bin ich sehr froh über Friedrich. Mittlerweile wurde die zugehörige App rund 8000 Mal heruntergeladen. Und die Nutzerzahlen steigen an. Im Moment haben wir zwischen 35 und 50 Fahrten mit insgesamt 50 bis 70 Personen pro Tag. Und auch da zeigen unsere Erhebungen, dass die Nachfrage weiterhin ansteigt. Inzwischen kann es sogar passieren, dass man zu Stoßzeiten eine Woche im Voraus buchen muss, weil die Nachfrage so hoch ist. Das ist übrigens auch einer der Gründe, warum ich dafür kämpfe, dass die Verantwortung für den ÖPNV bei der Stadt Greifswald bleibt. Ich bin mir nicht sicher, ob der Landkreis solche spezifischen Angebote weiterführt und entwickeln kann.
Ich bin sehr froh, dass die Bürgerschaft dem Doppelhaushalt für 2025/26 zugestimmt hat. Es sah zwischenzeitlich nicht so aus, dass die Bürgerschaft ihrer Aufgabe gerecht wird. Um kurz den Prozess zu erläutern: Es ist unsere Aufgabe als Stadtverwaltung, einen Vorschlag bezüglich des Haushalts zu unterbreiten. Natürlich ist es das Königsrecht der Bürgerschaft, über den Haushalt zu entscheiden – und damit andere Schwerpunkte zu setzen als die Verwaltung. Wir können jetzt mit dem verabschiedeten Haushaltsbeschluss weiterarbeiten und erstmal sehr gut damit leben.
Unter anderem wurde das Personalbudget der Verwaltung beschränkt…
Genau, das Budget für Personal wird jetzt nur noch um jährlich zwei Prozent steigen, wobei wir meistens Tarifabschlüsse haben, die deutlich höher liegen. Ich kann verstehen, dass die Bürgerschaft in dem Bereich sparen will. Mir ist es aber wichtig darauf hinzuweisen, dass das irgendwann auch zu Leistungskürzungen für die Bürger*innen und die Wirtschaft führt. Sei es die Bearbeitung von Bauanträgen, der Geigenunterricht in der Musikschule oder die Beantragung des Führerscheins. Wenn ich weniger Menschen habe, die diese Themen bearbeiten, werden die Wartezeiten länger. Ein anderer Klassiker dahingehend sind die Mülleimer. Es wird häufig gefordert, dass wir diese in der Stadt häufiger leeren. Das machen nun mal Menschen. Wenn ich diese Menschen nicht habe, dann werden die Mülleimer seltener gelehrt.
Ist das der größte Effekt, den die Bürger*innen direkt spüren werden?
Es wird nicht sofort direkt spürbar. Wir haben es mit keiner dramatischen Kürzung zu tun. Ich weise nur darauf hin, dass diese Folgen langfristig auftreten können. Wir versuchen natürlich, diese Effekte möglichst gering zu halten. Aber das Personal ist nicht irgendeine abstrakte Zahl – da stehen Leistungen für Bürger*innen und Wirtschaft dahinter.
Zum Abschluss noch kurz ein Ausblick auf nächstes Jahr: Wo sehen Sie die größten Herausforderungen, die da auf uns zukommen werden?
Das sind natürlich die sinkenden finanziellen Möglichkeiten. Wir haben fallende Einnahmen und steigende Ausgaben. Das wird sich die nächsten ein, zwei Jahre auch nicht ändern. Ich wünsche mir, dass wir unsere großen Bauprojekte trotzdem umsetzen können. Gleichzeitig sollen all die Punkte, die ich vorhin bei Lebensqualität erwähnt habe, aufrechterhalten werden. Ein weiteres Beispiel: Der Kinder- und Jugend-Sport soll kostenlos bleiben. Das ist in vielen Städten nicht der Fall und eine große soziale Leistung hier in Greifswald. Die zweite riesige Herausforderung wird mittelfristig der Arbeitskräftemangel sein, auf den wir rasant zusteuern.
Und worauf freuen Sie sich nächstes Jahr?
Auf viele Sachen. Das Caspar-David-Friedrich-Jubiläum wird uns noch bis zum Sommer begleiten. Im Mai feiert Greifswald 775 Jahre Stadtrecht, im Juni den MV-Tag. Wir werden auch dieses Jahr wieder wunderbare Festivals zelebrieren und hochkarätige Sportveranstaltungen erleben. Ich hoffe außerdem, dass die Sporthalle 2 eröffnet wird. Und ich hoffe eben auch, dass wir zusammen mit einer konstruktiven Mehrheit in der Bürgerschaft die schweren Aufgaben des kommenden Jahres lösen werden.
Ob im Landtag, der Greifswalder Lokalpolitik oder jetzt neu im Studierendenparlament: Die Burschenschaft Markomannia Aachen Greifswald will überall mitmischen. Wer steht dahinter?
Von Konstantin Ochsenreiter, Leoni Gau und Robert Wallenhauer
Die hochschulpolitische Landschaft in Greifswald verschiebt sich nach rechts. Heute wurde bekannt, dass eine neue Hochschulgruppe zu den kommenden Gremienwahlen im Januar antreten wird: die „Werte-Konservative Hochschulgruppe“ um den Greifswalder Burschenschafter Luis Weber. Noch ist unklar, wer genau sich für die neue Gruppe engagieren wird. Doch das weitverzweigte Netzwerk der Markomannia Aachen legt nahe, dass die Ambitionen der Burschenschafter inzwischen auch die Hochschulpolitik umfassen.
Die Burschenschaft Markomannia Aachen Greifswald
Weber selbst ist Mitglied der Greifswalder Burschenschaft Markomannia Aachen. Burschenschaften gelten als national-konservative Studentenverbindungen. Sie nehmen ausschließlich Männer auf, vorzugsweise mit deutscher Staatsangehörigkeit, und sind bekannt für ihre strengen Aufnahmekriterien und ihre Verbundenheit zu den Grundsätzen „Ehre, Freiheit, Vaterland“.1
Laut der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) wahren Burschenschaften nicht immer Distanz zum Rechtsextremismus. So tauchen einige Burschenschaften in Verfassungsschutzberichten aufgrund von Verbindungen zu rechtsextremen Organisationen auf.2 Auch die Greifswalder Burschenschaften Rugia und Markomannia Aachen zogen 2019 den Blick des Landesamtes für Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern auf sich.3
Bereits 2011 geriet deren Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ (DB) wegen des sogenannten „Ariernachweises“ in die Kritik. Ein Mitglied sollte aufgrund seiner chinesischen Herkunft ausgeschlossen werden.4 Nach öffentlichem Druck zog man den Antrag zurück.
Seitdem ist die Greifswalder Burschenschaft Markomannia Aachen immer wieder durch ihre Verbindungen zu rechtsextremen Akteuren5 aufgefallen. So hielten in den vergangenen Jahren unter anderem Benedikt Kaiser (Autor des neurechten Magazins Sezession), Erik Lehnert (Mitgründer des 2024 formal aufgelösten neurechten Think Tanks Institut für Staatspolitik) sowie Martin Sellner (Identitäre Bewegung) Vorträge in der Burschenschaft.6
Luis Weber: Dein Vertreter in der Greifswalder Bürgerschaft
(Luis Weber am Mikrofon während der studentischen Vollversammlung WiSe 24/25 (Quelle: moritz.medien)
Bei der vergangenen Bürgerschaftswahl vom 9. Juni 2024 erhielt die AfD 16,2 Prozent der Stimmen. Damit zogen sie als zweitstärkste Kraft in die Bürgerschaft ein.7 Dieses Ergebnis nutzte die Partei, um junge Burschenschafter in wichtige Positionen zu bringen. Künftig werden diese nicht nur in den Gremien der Greifswalder Lokalpolitik vertreten sein, sondern könnten auch in das Studierendenparlament einziehen.
Womit wir wieder bei Luis Weber sind. Der Burschenschafter der Markomannia Aachen zog mit den wenigsten Stimmen für die AfD in die Greifswalder Bürgerschaft ein. Nach eigener Aussage sei er selbst jedoch kein AfD-Mitglied.8 Weber sitzt im Bildungsausschuss als Vollmitglied, im Wirtschafts- und Sozialausschuss ist er stellvertretendes Mitglied. Er engagiert sich zudem in den Ortsteilvertretungen Schönwalde II, Groß Schönwalde und der Innenstadt.9
Seine Mitgliedschaft in der Burschenschaft Markomannia Aachen Greifswald zeigt er offen. Dies wird in einem von der Burschenschaft selbst publizierten Werbeclip deutlich.10 Auch an der Universität sorgte Weber zuletzt für Diskussionen. Bei derdiesjährigen Vollversammlung enthielt er sich, nach Aussage mehrerer Zeugen, als eine von zwei Personen einem Antrag11, der die Rolle der Universität im Nationalsozialismus aufarbeiten will.Des Weiteren sieht der Antrag eine jährliche Gedenkveranstaltung vor, um gemeinsam gegen nationalistische, rassistische und reaktionäre Strömungen einzustehen.
Joseph Makowski: Dein Vertreter für die Innenstadt
Bild 1: Joseph Makowski (Mitte) auf dem Weihnachtsmarkt in Couleur der Greifswalder Burschenschaft Markomannia Aachen. (Quelle: moritz.medien)
Auf AfD-Listenplatz 5, direkt vor Luis Weber, stand ein weiterer Markomanne: Joseph Makowski. Dieser zog zwar nicht in die Greifswalder Bürgerschaft ein, sitzt seither jedoch für die AfD-Bürgerschaftsfraktion als stellvertretendes Mitglied im Bildungsausschuss. Darüber hinaus ist er Mitglied der Ortsteilvertretung Innenstadt.12 Auf einem Instagram-Post der Jungen Alternative Vorpommern-Greifswald (JA) ist außerdem mutmaßlich Makowski beim Verteilen von Flyern der AfD MV zu sehen. Die JA wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz seit vergangenem Jahr als gesichert rechtsextremistische Bestrebung beobachtet.13
Paul Fingerhut: Dein Stellvertreter für die Innenstadt
Bild 1: Paul Fingerhut (hinten) und Joseph Makowski (vorne) in der Greifswalder Studierendenkneipe „Falle“: Makowski trägt das Band der Greifswalder Burschenschaft Markomannia Aachen in den Farben schwarz-gelb-rot.14 (Quelle: moritz.medien) Bild 2: Paul Fingerhut (rechts) und Joseph Makowski (links) in der Greifswalder Studierendenkneipe „Falle“, beide unter anderem in Couleur der Burschenschaft Markomannia Aachen. (Quelle: moritz.medien)
Paul Fingerhut ist stellvertretendes Mitglied der Ortsteilvertretung Innenstadt für die AfD-Fraktion in der Greifswalder Bürgerschaft und ebenfalls Mitglied der Burschenschaft Markomannia Aachen.14
Auch wenn aktuell noch unklar ist, wer sich für die neue Greifswalder „Werte-Konservative Hochschulgruppe“ engagieren wird, Fingerhut dürfte jedenfalls als Experte gelten, wenn es um rechte Hochschulgruppen geht. Als Student in Bielefeld gehörte er der AfD-nahen Hochschulgruppe „Konservative Revolution“ an.15
Die sogenannte „Konservative Revolution“, auf die sich der Name der Gruppe bezieht, war eine von Armin Mohler, Vordenker der deutschen Neuen Rechten, konstruierten Denkschule rechtsnationaler Autoren in der Weimarer Republik. Sie richtete sich gegen die liberale Demokratie und den Parlamentarismus. Mit der „Konservativen Revolution“, der Mohler eine gemeinsame Distanz zum Nationalsozialismus nachweisen wollte, ist es ihm gelungen, der extremen Rechte der jungen Bundesrepublik die Möglichkeit eines Neubeginns zu schaffen (Weiß, Volker. Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes. Stuttgart: Klett-Cotta).
Der Mann, der die Fäden in der Hand hält? – Nikolaus Kramer: Dein Vertreter für den Landtag
Nikolaus Kramer ist Vorsitzender der AfD-Landtagsfraktion sowie der AfD-Fraktion in der Greifswalder Bürgerschaft. Zudem ist er Mitglied des Hauptausschusses, des Rechnungsprüfungsausschusses und der Ortsteilvertretung Schönwalde I/Südstadt.16
Seine Mitgliedschaften beschränken sich jedoch nicht auf politische Ämter. Kramer ist nicht nur Mitglied der Pennalen Burschenschaft Ernst Moritz Arndt Greifswald und der Berliner Burschenschaft Gothia, sondern auch der Greifswalder Burschenschaft Markomannia Aachen.17 Er zeigt außerdem besonders großes Engagement für den politischen Nachwuchs.
In seinem Podcast „Kramers Klare Kante“ verdeutlicht der AfD-Landesvorsitzende immer wieder seine Unterstützung der Jungen Alternative MV. In der zweiten Folge „Jugend in Bewegung” spricht Kramer mit den JA-Landesvorsitzenden Alexander Tschich aus Mecklenburg-Vorpommern und Severin Köhler aus Baden-Württemberg. Er berichtet von einer auf Bundesebene beschlossenen „Professionalisierungsoffensive” der AfD, um Mitglieder der JA für die Teilnahme an politischen Vorträgen, Workshops und Schulungsmaßnahmen durch Patenschaften mit AfD-Abgeordneten zu gewinnen.
So bezeichnet sich Kramer in der Podcast-Folge als Pate für Alexander Tschich und verkündet den Beginn von Veranstaltungen in MV für den Herbst dieses Jahres. Das bestätigte die Vortragsreihe in Schwerin, Greifswald, Güstrow und Stralsund von Daniel Fiß, neuerdings Referent von Kramer im Landtag18 sowie Aktivist der Identitären Bewegung und ehemaliger NPD-Funktionär.19
Und jetzt?
Die Verbindungen zwischen der AfD, der Burschenschaft Markomannia Aachen und politischen Akteuren wie Luis Weber, Joseph Makowski, Paul Fingerhut und Nikolaus Kramer sind in Hinblick auf die Greifswalder Lokal- und Hochschulpolitik besorgniserregend. Während ihre politischen Ziele zunehmend Gehör finden, stellen ihre ideologischen Vorstellungen eine Herausforderung für die demokratischen Werte dar, die Hochschulen und politische Institutionen sichern sollen.
Droht nun also die Gefahr, dass sich extremistische und antidemokratische Positionen noch erfolgreicher verbreiten und einen stärkeren Einfluss auf die politische Kultur der Universität und der Stadt nehmen? All das wird davon abhängig sein, wie diese Akteure zukünftig in den politischen Gremien akzeptiert werden.
moritz.Millennium ist das kleine, aber engagierte Rechercheteam der moritz.medien. Tipps und Hinweise könnt ihr uns gern per Mail an moritz-millennium@uni-greifswald.de oder anonym über Signal an mlnm.50 senden.
Aktuell gehören unter anderem Leoni Gau, Robert Wallenhauer, Lina Goldschmidt und Konstantin Ochsenreiter zum Team.
Lieber Leser*innen, liebe Kommentator*innen, diese Kommentarspalte wurde am 12.12.2024 um 18:55Uhr geschlossen, da es wiederholt zu Verstößen gegen die Netiquette und strafrechtlich relevanten Äußerungen gekommen ist. Wir bedanken uns bei allen Kommentarschreiber*innen, die sich anständig verhalten und mitdiskutiert haben. Mit freundlichen Grüßen Die Chefredaktion des webmoritz.
For over 1,000 days Russia’s war of aggression has raged on in Ukraine. An entire nation lives in a constant state of suffering and fear, coupled with remarkable courage in the face of this threat. Amid this uncertainty, focusing on their studies is no easy task for young people. Yet Liuda and Zlata are doing just that. The two 19-year-old students from Ukraine are spending a semester abroad in Greifswald. In an interview with webmoritz., they share insights into what studying in Ukraine is currently like, what has surprised them about Greifswald, and how planning the future works in times of uncertainty.
Editorial note: To make the subject accessible to more readers, the interview, which was held in English, is published in German and English.
Seit über 1000 Tagen tobt der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Ein ganzes Land lebt in einem Dauerzustand von Leid und Angst, gepaart mit hoher Tapferkeit im Angesicht der Bedrohung. Sich inmitten dieser Ungewissheit um ein Studium zu bemühen, ist für junge Menschen nicht einfach. Liuda und Zlata machen es trotzdem. Die beiden 19-Jährigen Studentinnen kommen aus der Ukraine und machen ein Auslandssemester in Greifswald. Im Gespräch mit dem webmoritz. erzählen sie, wie Studieren in der Ukraine derzeit abläuft, was sie an Greifswald überrascht hat und wie Zukunftsplanung in Zeiten großer Ungewissheit funktioniert.
Hinweis der Redaktion: Um möglichst vielen Leser*innen einen Einblick in die Thematik zu geben, wird das auf Englisch geführte Interview auf Deutsch und Englisch veröffentlicht.
webmoritz.:Ihr seid seit September in Greifswald. Wie waren eure bisherigen Erfahrungen?
Zlata: Es war bisher wirklich gut, sowohl was das Studium als auch das soziale Leben betrifft
Liuda: Es gibt hier viel mehr, als ich erwartet hatte, da es viele Veranstaltungen gibt, zu denen wir als internationale Studierende eingeladen werden. Die Leute sind wirklich offen, und wir haben bereits Freunde gefunden. Daher genieße ich es sehr. Meistens sind wir mit anderen internationalen Studierenden zusammen, aber der Austausch mit den Einheimischen aus Greifswald ist auch ein sehr schöner Teil.
Habt ihr andere Austauschstudierende aus der Ukraine in Greifswald getroffen?
Was hat euch an Greifswald und dem Studium in Deutschland überrascht?
Liuda: Der Studienprozess ist anders als in der Ukraine. Hier können wir die Fächer und Kurse, die wir belegen, tatsächlich selbst auswählen. In der Ukraine gibt es nur eine feste Liste, aus der man nicht wählen kann. Hier kann ich wirklich das auswählen, was mich interessiert.
Zlata: Was Liuda erwähnt hat, ist der wichtigste Unterschied. Es macht das alles viel interessanter. Für mich ist es deshalb in manchen Bereichen sogar einfacher als in der Ukraine.
Wie lange bleibt ihr in Greifswald?
Zlata: Bis März. Leider verpassen wir den Sommer hier.
Ihr kommt aus Lwiw und Drohobytsch. Der Krieg dauert nun schon über 1000 Tage. Wie ist die Situation zu Hause, und wie haltet ihr Kontakt zu euren Familien?
Liuda (oben) und Zlatas Unversitäten befinden sich im Westen der Ukraine, an der Grenze zu Polen. (Quelle: Google Maps)
Liuda: Es ist ein schwieriges Thema, denn obwohl wir weit weg von der Front leben, gibt es jeden Tag Raketenangriffe aus Russland. Erst gestern (21.11.) hat Russland erstmals eine Interkontinentalrakete in der Ukraine eingesetzt. Das war schrecklich. Ich glaube nicht, dass es besser wird, weil die russische Aggression weiterhin besteht und schon über 1000 Tage anhält. Menschen, Soldaten, Zivilisten und sogar Kinder sterben unter den Trümmern. Ich hoffe, dass die Europäische Union und Deutschland uns unterstützen werden, damit wir tatsächlich den Krieg gewinnen können.
Was hat euch trotz dieser Situation dazu bewogen, ein Austauschsemester zu machen? Gab es zusätzliche Herausforderungen oder hat euch die Situation eher ermutigt?
Liuda: Wegen des Krieges haben sich, auch wenn es schrecklich klingt, viele Türen für Ukrainer:innen geöffnet. Es gibt viel Unterstützung für uns, was großartig ist. Länder nehmen Austauschstudierende aus der Ukraine gerne auf. Jetzt sind sogar die Türen für männliche Studenten offen, was vorher nicht möglich war. Aber obwohl ich jetzt hier bin, vermisse ich die Ukraine und möchte definitiv zurückkehren und dort mein Leben leben. Meine Eltern sind froh, dass ich hier in Sicherheit bin, aber ich möchte trotzdem zurück.
Gibt es an eurer Heimatuniversität noch regulären Unterricht?
Zlata: Ja, unsere Region wird als "friedlich" angesehen, weil es keine aktive Kriegsführung gibt. Wir haben Präsenzunterricht. In den östlichen Teilen der Ukraine lernen die Studierenden online, wegen der Kriegsbedingungen. Aber wenn ein Luftalarm ist, gehen wir in den Schutzraum, und natürlich gibt es dann keinen Unterricht.
Liuda: Die meisten Universitäten in den zentralen und östlichen Teilen der Ukraine sind für den Präsenzunterricht geschlossen. Wir können uns nicht beschweren, denn wir verpassen das Studierendenleben nicht. Bei Alarm müssen wir aber in den Schutzraum und manchmal sogar dort lernen.
Gibt es für alle Studierenden Schutzräume?
Zlata: Ja, jede Fakultät hat einen. Ohne Schutzraum kann kein Unterricht stattfinden.
Also gab es keine zusätzlichen Herausforderungen für euch, am Austausch teilzunehmen?
Zlata: Für die internationale Abteilung unserer Universität ist es derzeit vielleicht sogar einfacher, Vereinbarungen mit anderen Universitäten zu treffen. Für uns Studierende gibt es trotzdem einen Konkurrenzkampf, bei dem man ein Interview machen muss. Wir müssen Dokumente vorbereiten und gute Noten haben. Aber das war auch vor dem Krieg so.
Warum habt ihr euch für Greifswald entschieden? Hattet ihr viele Universitäten zur Auswahl?
Zlata: Das hängt von der Heimatuniversität ab. Ich habe Greifswald gewählt, weil meine zweite Sprache in der Uni Deutsch ist. Aber wir haben viele Optionen in verschiedenen Ländern.
Liuda: Ich studiere Deutsch als erste Sprache und Englisch als zweite, also wollte ich nach Deutschland kommen, um meine Sprachkenntnisse in beiden Sprachen zu verbessern. Überraschenderweise sprechen die Leute hier wirklich gut Englisch, daher war es eine großartige Wahl. Eine Freundin von mir war schon in Greifswald und hat mir gutes Feedback gegeben, also dachte ich, warum nicht?
Was habt ihr außer Greifswald gesehen? Seid ihr gereist?
Liuda: Ich war in Dänemark und den Niederlanden, aber auch in deutschen Städten wie Hamburg, Berlin und Nürnberg. Es war wirklich schön. Auf meiner Wunschliste stehen noch Köln oder Düsseldorf, aber Greifswalds relativ isolierte Lage macht das häufige Reisen etwas schwierig.
Zlata: Ich war noch nicht im Ausland, aber wir haben eine Wanderung nach Rügen gemacht, die für Internationals organisiert wurde, sowie eine Reise nach Lübeck. Nächste Woche fahren wir nach Berlin, was auch eine organisierte Reise für Internationals ist.
Ein Blick in die Zukunft: Was sind eure Ziele in Bezug auf Uni oder Beruf? Wie arbeitet ihr daran, wenn die Lage in der Heimat so unsicher ist?
Zlata: Das ist eine schwierige Frage. Ich hatte nicht vor, einen Master zu machen, aber jetzt denke ich, dass ich das in Betracht ziehen werde. Vielleicht nicht in der Ukraine, sondern im Ausland. Beruflich möchte ich gerne als Übersetzerin arbeiten. Natürlich könnte das in der Ukraine wegen der Situation schwieriger sein, aber Übersetzer*innen sind dort gerade sehr gefragt. Ich hoffe einfach, dass es klappt.
Liuda: Es ist heutzutage wirklich schwer, Pläne zu machen. Vor dem Krieg habe ich für die nächsten Jahre geplant, aber jetzt plane ich nur noch für die nächsten fünf Monate. Da mein Hauptfach auch Übersetzen ist, möchte ich in diesem Bereich arbeiten, hoffentlich als Übersetzerin für Deutsch und Englisch. Für mich ist die Ukraine trotz allem der beste Ort, um zu arbeiten.
Gibt es etwas, das ihr den Leser*innen sagen möchtet?
Liuda: Habt keine Angst, Risiken einzugehen, auch wenn es nicht klappt. Macht etwas, verlasst eure Komfortzone und lernt neue Leute kennen.
Zlata: Dem habe ich nichts hinzuzufügen!
Wir danken Zlata und Liuda für das Gespräch.
webmoritz.: You two have been in Greifswald since September. How has the experience been so far?
Zlata: It was really good so far. Both in terms of studying and in terms of social life.
Liuda: There is much more than I expected, as there are a lot of events that we as Internationals are invited to. People are really open and we have made friends already, so I enjoy it so far. We are mostly with other Internationals, but the exchange with local people from Greifswald is also a very nice part.
Have you met other exchange students from Ukraine in Greifswald?
What surprised you about Greifswald and studying in Germany in general?
Liuda: The study process is not like it is in Ukraine. We can actually choose the subjects and courses we study here. In Ukraine you only have a fixed list. You can’t choose between courses. Here I can actually select what I am interested in.
Zlata: What Liuda mentioned is the most important difference. It just makes everything more interesting. For me it is easier than in Ukraine in some parts.
How long will you be in Greifswald?
Zlata: Until march. We will miss the Summer here sadly..
You are from Lviv and Drohobych. The war has been going on for over 1000 days now. How is the situation at home, how do you stay in contact with your families?
Liuda: It is a tough topic to talk about, because even though we live away from the front line, there are still missiles from Russia everyday. Just yesterday (21.11), Russia striked with an intercontinental missile for the first time in Ukraine. That was horrific. I don’t think it is gonna get any better, because the Russian aggression is still there and it has been there for over 1000 days. People, soldiers, civilians, and even children are dying under the rubble. I hope that the European Union and Germany will support us, so we can actually win the war.
Liuda’s (top) and Zlata’s universities are in the western Part of Ukraine, near the Polish border. (Source: Google Maps)
With this situation in mind, what made you still do an exchange semester? Were there any extra challenges or were you even more encouraged to do it?
Liuda: Because of the war, even though it sounds horrible, there are a lot of doors that were opened to Ukrainians. There is a lot of support for us, which is great. Countries are happy to accept exchange students from Ukraine. Now, the doors are even open for male students to do exchanges. That was not possible before. But I have to say, even though I am here now, I still miss Ukraine and I will definitely come back and live my life there. My parents are happy that I am here because I am in safety here, but I still want to come back.
Are there still regular lessons being held at your home university?
Zlata: Yes, it is considered „peaceful“ because we don’t have active warfare in the region. We have offline-studying. In the eastern part of Ukraine, they study online because of the war-conditions. But if we have an air alarm then we go to the shelter and then of course there is no lecture.
Liuda: Most universities in the central and eastern parts of Ukraine are closed. We can’t complain because we don’t miss any student life. When there is an alarm we have to go to the shelter or even study there.
So there is a shelter for all students?
Zlata: Yes, for every faculty there is one. If you don’t have a shelter, there can be no studying.
Were there no extra challenges for you to do the exchange?
Zlata: For the International Department of our university it may be easier to do the agreements with other universities. For us students there is still a contest, where you must do an interview. We have to prepare documents and have good grades. But that was the same before the war.
Why did you choose Greifswald? Could you choose between many universities?
Zlata: It depends on the university. For me I chose Greifswald because the second language I learn is German. But we do have a lot of options from multiple countries.
Liuda: I study German as my first language and English as my second, so I wanted to come to Germany to improve my skills in both languages. People here surprisingly talk really good English, so it was a great choice. A friend of mine was in Greifswald before and she gave me great feedback, so I decided, why should I not try it?
What did you see outside of Greifswald? Did you go an any trips?
Liuda: I traveled to Denmark and the Netherlands, but also German cities like Hamburg, Berlin, and Nürnberg. It was really beautiful. The other things on my wish list are far away, given Greifswald’s relatively isolated geography. Köln or Düsseldorf come to my mind there.
Zlata: I wasn’t abroad yet but we went on a hiking trip to Rügen which was organized for Internationals as well as a trip to Lübeck. Next week we will go to Berlin, which is also a trip organized for the Internationals.
Looking into your future: What are your goals regarding university or jobs? How do you work towards these goals if the situation at home is so unknown?
Zlata: It is a hard question. I didn’t think of getting a masters degree but now I think that I will do a masters degree. Maybe not in Ukraine but somewhere abroad. When talking about a job, I would like to work as a translator. Of course it could be harder to do that in Ukraine because of the situation, but the field of translating is in high demand there right now. I just really hope it works out.
Liuda: It is really hard to plan things out these days. Before the war I set plans for the next few years, but now I only plan things for like the next five months. But as my my major is also in the field of translating I will work in that field, hopefully as a German and English translator. For me, the best place to work is still in Ukraine.
Is there anything that you would like to say to the people reading?
Liuda: Don’t be afraid to take a risk, even if it doesn’t work out. Do something, leave your comfort zone and meet new people.
Zlata: Nothing to add to that!
We thank Zlata und Liuda for the interview.
Beitragsbild: Simon Fortmann
Zur Person des Autoren
Mit 21 Jahren ist der Autor 2022 aus der niedersächsischen Kleinstadt in unsere Kleinstadt am Meer gezogen. Beflügelt vom Wissen der Politik- und Kommunikationswissenschaft möchte er die Medienwelt betreten. Beflügelt ist auch sein Lieblingstier, der Weißkopfseeadler.
Die Entwicklungen im Nahen Osten nehmen jeden Tag neue Ausmaße an. Seit dem Terrorangriff der Hamas am 07. Oktober 2023 steigen die Zahlen der palästinensischen zivilen Todesopfer jeden Tag, und ein Ende des Krieges ist vorerst nicht in Sicht. Vor dem Internationalen Gerichtshof wurde Klage wegen Völkermordes gegen Israel eingereicht – eine Entscheidung steht aus. Die Debatten über all dies werden in Deutschland hitzig geführt und die gegenseitigen Vorwürfe noch hitziger vorgetragen. Der AStA der Universität Greifswald greift dieses Thema auf und hat eine Informationsreihe zu Israel und Palästina organisiert. Der webmoritz. hat den Hauptinitiator Kevin Wang getroffen. Im Gespräch ging es um die Organisation, die aktuellen Debatten, und den Umgang von Universitäten und anderen Allgemeinen Studierendenausschüssen (Asten) mit dem Krieg.
Redaktioneller Hinweis: Der aktuelle Krieg ist der Gipfel einer weit zurückreichenden Konfliktlage in Nahost, die bereits vor dem 07. Oktober 2023 zahlreiche Menschenleben gekostet hat. Den einen „Nahostkonflikt“ gibt es daher nicht, dennoch wird der Begriff im folgenden Interview angelehnt an die Verwendung in der breiten Öffentlichkeit genutzt.
webmoritz.: Was hat dich dazu bewogen diese Informationsreihe zu organisieren?
Kevin Wang: Ich beschäftige mich seit etwa zweieinhalb Jahren mit dem Konflikt. Vor allem nach dem 07. Oktober 2023 ist mir aufgefallen, dass in Greifswald kaum öffentliche Debatten dazu stattgefunden haben. Ich habe jetzt erfahren, dass es ein oder zwei Veranstaltungen von Instituten gab. Ich persönlich sehe es auch als Aufgabe des AStA, die Räume zu schaffen, um über Themen zu reden, mit denen sich nicht alle unbedingt wohl fühlen, aber über die geredet werden muss. Nachdem ich dann AStA Referent geworden bin, habe ich mir diese Organisation zur Aufgabe gemacht. Vor allem weil ich dann auch die Ressourcen hatte.
Was war das Hauptziel für diese Veranstaltungsreihe?
Es sollte informiert werden. Ich hab viele Freunde, die keine Berührungspunkte mit dem Thema haben und nicht wissen, was vor dem 07. Oktober 2023 passiert ist, vor allem was die Geschichte angeht. Nur durch eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit lassen sich aktuelle Dynamiken begreifen und einordnen. Deshalb war auch der erste Vortrag über die Geschichte des Nahostkonflikts bis heute.
Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Missverständnisse oder Wissenslücken, die Menschen über die schon so lang anhaltenden Israel-Palästina-Konflikte und die vielen damit verbundenen Kriege haben?
Zum einen die Geschichte des Ganzen. Es gibt Missverständnisse auf beiden Seiten über die jeweils andere Seite. Beim ersten Vortrag sagte der Referent ganz klar, wie wichtig es ist, das Leid auf beiden Seiten anzuerkennen, was oft nicht getan wird und was es zu kritisieren gilt. Wir sehen das ja auch in den aktuellen Debatten. Die werden heute auch anders geführt als vor einem Jahr, weil der Stand ein ganz anderer ist als jetzt. Heute sollte man das zivile Leid in Gaza und auch der West Bank mehr hervorheben als den 07. Oktober. Das ist auch immer abzuwägen, die Extreme sind aber auch trotzdem noch zu oft sichtbar.
Die einzelnen Konflikte und Kriege sind vor allem in Deutschland sehr emotionale und kontroverse Themen. Welche Herausforderungen sind dir bei der Organisation der Reihe begegnet?
Die Wahl der Referierenden war natürlich sehr heikel. Da hat sicherlich auch meine persönliche Meinung mit reingespielt. Das ist auch nicht zu vermeiden gewesen. Da ich mir aus meiner Sicht Mühe gebe, das Ganze reflektiert zu betrachten, habe ich bei der Suche nach Referierenden darauf geachtet, welche Artikel diese Personen geschrieben haben. Also ob es hier zu problematischen Äußerungen gekommen ist. Beispielsweise, ob Referierende internationales Recht nicht anerkennen oder die UN bei kritischen Äußerungen pauschal als Antisemiten bezeichnen. Das wäre aus meiner Sicht unseriös gewesen und solche Menschen hätte ich nicht eingeladen. Rückblickend haben wir für die bisherigen drei von vier Referierenden auch nur sehr positives Feedback bekommen. Da scheine ich die richtige Wahl getroffen zu haben.
Wenn auch deine persönliche Meinung einen Einfluss hatte: Wie hast Du sichergestellt, dass die Reihe ausgewogen und differenziert ist?
Ich wollte beide Perspektiven vertreten haben – die israelische und auch die palästinensische Sicht. Gleichzeitig habe ich mir da Sorgen gemacht, dass es vielleicht zu Diffamierungen der referierenden Person kommen könnte. Dass ein*e Referent*in auf Grund der eigenen Herkunft keine neutrale Meinung haben könnte. Da wollte ich auf jeden Fall rassistische Diskurse vermeiden. Beispielsweise haben wir zum Thema Antisemitismus einen in Israel geborenen Professor eingeladen aber keinen palästinensischen Referenten.
Hattet ihr (Sicherheits-) Bedenken dabei, dieses hochkomplexe Themenfeld im Rahmen einer Informationsreihe abzubilden?
Tatsächlich hatte ich das gar nicht. Vor allem, weil das Thema in Greifswald nicht so präsent aufgekommen ist, hatte ich keine Befürchtung, dass es zu physischen Auseinandersetzungen kommen könnte. Wozu es bisher auch nicht kam. Das Maximum wären hitzige Debatten gewesen oder eventuell antisemitische oder rassistische Beleidigungen, das ist bisher auch nicht der Fall gewesen.
Weshalb wurden genau diese Vortragsthemen ausgewählt?
Das zweite Thema nach der geschichtlichen Einführung war Antisemitismus und Israel. Das sehe ich als eine der grundlegendsten Debatten, die gerade geführt werden. Der Antisemitismusvorwurf ist etwas, womit man sich aktuell zuerst auseinandersetzen muss, bevor man zu den anderen Themen kommen kann. Das sah ich als wichtig an: sowohl für die Seriosität der Veranstaltungsreihe als auch für einen Input zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Antisemitismusvorwurf in Debatten. Der Referent Dr. Elad Lapidot hat auch darauf hingewiesen, dass in der Antisemitismusforschung ein ganz anderes Verständnis von Antisemitismus herrscht als in politischen Diskursen. Der Begriff „Antisemitismus“ ist grad vor allem ein politisch sehr aufgeladener Begriff und weniger eine wissenschaftlich fundierte Analyse.
Gab es grundsätzliche Bedenken seitens der Studierenden aus dem AStA oder der Universitätsverwaltung hinsichtlich der Durchführung dieser Informationsreihe?
Ich glaube nicht. Zuerst hatte ich selber Bedenken, ab wann ich wem mitteile, dass ich diese Informationsreihe plane. Kurz vor Beginn der Reihe haben wir auch noch beschlossen die Uni zu informieren. Das war eher ein Bescheid geben, als ein um Erlaubnis bitten, weil wir als AStA die Studierendenschaft vertreten und uns die Uni da nichts zu sagen hat. Soweit ich weiß, wurde das von der Uni positiv aufgenommen und es gab keine großen Bedenken.
Bei den Studierendenprotesten weltweit kommt es häufig zu Ausschreitungen und Räumungen. Unterschiedliche Medien wie zum Beispiel der rbb oder die Tagesschau berichten von emotionalen Auseinandersetzungen anstatt eines Diskurses. Wie kann ein ausgewogener Diskurs an Universitäten ermöglicht werden?
Ich sehe Studierendenproteste als Symptom fehlender Diskurse. Propalästinensische Stimmen tauchen meiner Wahrnehmung nach weniger in den Medien auf. Aus diesem Grund werden mit solchen Protesten auch überhaupt erst mal die Diskurse gesucht. An den Forderungen einiger Protestcamps sieht man auch, dass oft ein Gespräch mit dem oder der Rektorin gefordert wird. Und dass besprochen werden soll, welche Verbindungen der Universität zum Staat Israel bestehen.
Wie können Universitäten und auch der AStA anderer Universitäten im zunehmenden Krisenzeitalter zu einem konstruktivem Umgang mit hitzig diskutierten Konflikten und Kriegen beitragen?
Das hängt ganz davon ab, wie man die Rolle eines AStA wahrnimmt. Ich habe recherchiert und von anderen Asten gab es keine Vortragsreihen oder Räume für Debatten. Es gab nicht vieles außer Statements gegen Antisemitismus. Ich sehe die Rolle des AStAs auch als eine, die aufklärt, zum Beispiel durch Vorträge. Dazu kommt natürlich noch, in welcher Stadt man ist und welche Verantwortung die eigene Uni trägt. Also, ob eine Uni auch Verbindungen zu israelischen Universitäten hat, die aktiv Militärforschung betreiben. In vielen Fällen ist es auch so, dass die Unis das nicht gut geregelt haben. Wenn es zu Protestcamps in großen Ausmaßen kommt, dann scheint es so, als hätte es die Zusammenarbeit zwischen dem AStA und der Uni nicht gegeben. Da müsste man die Unis auch in die Verantwortung nehmen, differenziert aufzuklären. Die Verantwortung, mit dem Nahostkonflikt umzugehen, kann man nicht allein dem AStA aufbürden.
Gibt es etwas, das du den Studierenden und der Universitätsgemeinschaft als abschließende Botschaft mit auf den Weg geben möchtest?
Ich würde sagen, dass vor allem Studierende und Menschen in Wissenschaftsbetrieben es als Verantwortung sehen sollten, reflektiert und faktenbasiert über aktuelle Konflikte nachzudenken. Und sich weniger von politischen Äußerungen, sondern mehr von Zahlen und Statements seriöser Quellen, also keine kriegsbeteiligten Staaten, leiten zu lassen.
Hier könnt ihr das aktuelle Video von moritz.tv sehen.
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