von Niklas Michel | 06.10.2023
Ein Dauerbrenner im Lehramt ist der vermeintlich fehlende Praxisbezug und das Primat des jeweiligen Fachstudiums. Dementsprechend hört man oft die Forderung nach mehr Praktika und praxisnahen Lehrveranstaltungen. Der direkte Praxisbezug beschränkt sich bisher in der Regel auf Schulpraktika und Schulpraktische Übungen, zumindest wenn man das Lehramtsstudium für Regionale Schulen, beziehungsweise jenes für Gymnasien betrachtet. Im Lehramt für Grundschulen sieht es hier deutlich besser aus, mit einem Praxistag je Woche und einem Praxissemester.
Grundschullehramt
Das Grundschullehramt wurde erstmals im Wintersemester 2020/21 angeboten, wobei 75 Studienplätze geschaffen wurden. Insgesamt studieren die angehenden Grundschullehrkräfte vier Fächer – neben den Pflichtfächern Deutsch und Mathematik können zwei Fächer frei gewählt werden. Der Studiengang wird beworben mit einer “konsequenten Verzahnung von Theorie und Praxis und mit einem idealen Betreuungsverhältnis im Vergleich zu anderen Studiengängen”. Konkret umfasst das Studium einen Praxistag je Woche ab dem ersten Semester sowie ein komplettes Praxissemester.
Allerdings gibt es schon seit geraumer Zeit Ansätze, diesen Missstand zu beheben. So existiert bereits seit sieben Jahren in Zusammenarbeit von der Schule am Bodden und dem Institut für Erziehungswissenschaften das Projekt Schule Machen. Die Projektleitung hat hier Dr. Sabine Schweder inne, welche auch das Projekt Studieneingangsphase 2021-23 verantwortet. In der Schule am Bodden übernehmen Lehramtsstudierende, die sich überwiegend in ihren ersten Semestern befinden, im Rahmen des Projekts Schule Machen drei Tage den Unterricht in der 5. bis 9. Klasse, während die Lehrkräfte sich fortbilden. Die Teilnahme ist für Studierende freiwillig, niedrigschwellig organisiert und basiert auf dem Prinzip des Peer-Mentoring.
Studieneingangsphase 2021-23
Das Projekt Studieneingangsphase hat den Anspruch, das Studienerlebnis von Lehramtsstudierenden zu verbessern und langfristig den Studienerfolg derselben zu erhöhen. Dementsprechend bedient es sich der Methode des Peer-Supports – Studierende unterstützen hier Studierende. Es werden beispielsweise semesterbegleitende Workshops, Erstsemesterplaner, Newsletter und eine generelle Hilfestellung für Erstsemester*innen angeboten.
Für Donnerstag, den 13.07., wurde ich folglich eingeladen, mir drei verschiedene Methoden in drei fünften Klassen anzusehen. Hierbei handelte es sich um die Zukunftswerkstatt, das Forschende Lernen und das Lernen mit Lernlandkarten. In allen drei Klassen unterrichteten jeweils ein halbes Dutzend Studierende. Diese wiederum wurden von älteren Studierenden unterstützt, die als Peer-Mentor*innen mit Rat und Tat zur Seite standen. Darüber hinaus waren neben Frau Dr. Schweder noch Lia Grahl, Anne Bögelsack und auch Frau Prof. Raufelder vor Ort, um die jungen Studierenden bei ihren ersten Schritten in der Praxis zu begleiten — sowie die schon erwähnten Peer-Mentor*innen in den jeweiligen Klassen.
In der Klasse, die sich mit Forschendem Lernen beschäftigte, gestalteten die Schüler*innen den Lernprozess mithilfe der Studierenden selbst. Sie trafen selbst die Entscheidung, was sie untersuchen wollten, wie sie recherchieren wollten und auch wie sie es darstellen wollten. Auffällig war hier, wie unterschiedlich die Ergebnisse am Ende waren und wie motiviert die Schüler*innen bei der Sache waren. Teilweise wollten diese gar in den Pausen weiterarbeiten. Vorgegeben war nur das Thema, in diesem Fall das Alte Ägypten.
In der Klasse, die nach der Methode Lernen mit Lernlandkarten arbeitete, hatten die Studierenden die Arbeitsaufträge durch Chat GPT erstellen lassen. Dementsprechend erhielten diese hier direkt einen Einblick in die Nutzung neuer Methoden der Unterrichtsplanung. Im Rahmen des Lernens mit Lernlandkarten hielten die Schüler*innen die Ergebnisse ihrer Arbeit selbstständig auf Plakaten fest. Die Lehrkräfte stellten lediglich die Arbeitsmaterialien. Thema war auch hier das Alte Ägypten. In dieser Klasse wurde ich Zeuge einer Situation, in der die Königsdisziplin einer jeden Lehrkraft eindrucksvoll zur Geltung kam — die Improvisation. Über Nacht hatte sich eine der Lehrlandkarten in Luft aufgelöst, sehr zum Frust der Studierenden und der unglückseligen Schülerin, die sie liebevoll erstellt hatte. Nun sprangen die Studierenden und Frau Schweder so schnell in die Bresche und organisierten ein neues Exemplar, das sowohl die Schülerin als auch ich selbst dem Verlauf der Geschehnisse kaum folgen konnten und die Situation nach wenigen Minuten schon wieder vergessen war.
Chat GPT
Die KI war angewiesen worden hierbei verschiedene Anspruchslevel zu erstellen, die Arbeitsaufträge konsequent problemorientiert zu gestalten und ferner eine ABC-Liste zu erstellen. Es zeigte sich, dass KI Fragen funktionieren können, aber es ist sehr wohl dem Feinschliff durch die Lehrkraft bedarf, um adressatengerechte und verständliche Arbeitsaufträge zu gewährleisten. Dennoch konnte hier aufgezeigt werden, welches Potential Technologie in sich trägt, um Lehrkräfte in Zukunft zu entlasten.
In der Klasse, welche die Methode Zukunftswerkstatt ausprobierte, begaben die Schüler*innen und Studierenden sich auf die Suche nach dem Perfekten Unterricht. Dazu wurden zunächst kleine Gruppen zu verschiedenen Themenkomplexen gebildet — wie Raumgestaltung, die perfekte Lehrkraft oder faire Benotung. Zu diesem Zweck formulierten sie zunächst Kritik und Träume. Im Anschluss äußerten sie eine Fantasieform, die zu diesem Zeitpunkt nicht umsetzbar war, um abschließend einen konkreten Handlungsplan aufzusetzen. Als Hilfe, um freier reden zu können, verwendeten in dieser Klasse die Schüler*innen und auch die Studierenden Spitznamen.
Insgesamt war auch dieses Jahr das Schule Machen ein voller Erfolg. Ich wurde Zeuge von eigenmotivierter Arbeit durch die Schüler*innen und folgerichtig konnte man viele kleine und große Lernerfolge beobachten. Aber auch die Studierenden waren erkennbar sehr zufrieden mit dem Einblick in die Praxis. So wurde mir zum Beispiel berichtet, dass man sehr froh sei schon im zweiten Semester mit Kindern arbeiten zu können. Die Angespanntheit, die man häufig im Umfeld einer SPÜ wahrnimmt, war hier nicht zu spüren. Wobei ich natürlich zugeben muss, dass noch weit mehr stattfand als ich zu sehen bekommen habe — zum Beispiel diverse SPÜs und Unterricht in anderen Klassenstufen. Ein weiterer Indikator für den Erfolg des Projekts ist die Tatsache, dass es mittlerweile sogar über Mecklenburg-Vorpommern hinaus ausstrahlt und zum Beispiel an der Pädagogischen Hochschule Weingarten Teil des Studiums geworden ist:
https://ew.ph-weingarten.de/das-fach/lehrende/wiedenhorn/studierende-machen-schule/
Nun muss man nicht Mathematik studiert haben, um zu begreifen, dass dieses großartige Projekt derzeit nicht in der Lage ist, allen Lehramtsstudierenden die Chance zu geben, sich frühzeitig in Lehrsituationen auszuprobieren. Würde man dies ermöglichen wollen, müsste man mehr Schulen gewinnen, ihre Klassenräume zu öffnen. Selbstredend müssten hierfür zusätzliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, um eine adäquate Betreuung der Studierenden zu gewährleisten. Diese wären meiner Meinung nach gut investiert, sind doch die Erfahrungen, welche die Studierenden hier im Umgang mit Kindern und Jugendlichen sammeln können, hochgradig motivierend und hilft auch allen, in einem frühen Stadium ihres Studiums ihren Berufswunsch auf die Probe zu stellen. Schließlich gibt es doch fürwahr nichts Schlimmeres als erst im Laufe der SPÜ oder des SPII festzustellen, dass das mit dem Unterrichten doch nicht das Richtige ist und man sich in diesem Stadium dann umorientieren muss. Zumal nicht vergessen werden darf, dass ein Fachwechsel in Mecklenburg Vorpommern auch schwieriger ist als in anderen Bundesländern, die den Bologna-Prozess im Lehramtsstudium deutlich konsequenter umgesetzt haben und wo man sich nach einem Bachelor neu orientieren kann.
Zudem könnte man darüber nachdenken, ob dieses Projekt nicht obligatorischer Bestandteil des Lehramtsstudiums für Regionale Schulen und Gymnasien werden sollte, zumal sich momentan ohnehin ein neues Lehrerbildungsgesetz in Arbeit befindet.
Beitragsbild: Kenny Eliason
von Jan-Niklas Heil | 26.09.2023
Der 24. September war ein wahrlich historischer Tag im Volksstadion. Nicht nur ist man Spitzenreiter der Regionalliga Nordost geblieben, nicht nur hat man mit 3078 Zuschauern einen neuen Zuschauerrekord für die Regionalliga aufgestellt, nicht nur hat man die Zweitvertretung von Hertha BSC Berlin mit 5:2 auf den Heimweg geschickt. Nein! Besonders für die Fans eines Mannes war es ein denkwürdiger Nachmittag, auch wenn dieser für GFC-Fans bei der falschen Mannschaft spielte.
Fans treffen ihr Idol
Aber fangen wir vorne an. Jede*r, der*die einigermaßen in den sozialen Medien aktiv ist, weiß, um wen es geht. 2 Millionen Follower auf Instagram, der familieneigene YouTube-Channel hat 1,7 Millionen Abos, beim eigenen TikTok-Account stehen 2,5 Millionen Follower auf der Uhr. Nader Jindaoui ist ein Star der sozialen Medien. Ebenjener Nader Jindaoui war am 24. September zu Gast im altehrwürdigen Volksstadion.
Besonders eins wurde bei dem Weg zum Stadion und auch beim Einlass deutlich: Es sind unverhältnismäßig viele Familien mit ihren Kindern im Stadion. Die erste Frage, die man sich natürlich stellt, ist folgende: Sind die alle wegen Nader Jindaoui da? Diese Frage wurde relativ schnell beantwortet, als die Aufstellung der Manschaft von Hertha II vom Stadionsprecher verlesen wurde. Auf die Ansage „Mit der 17 Nader Jindaoui“ hallte Applaus über die Haupttribüne. Gut, der war etwas verhalten, aber doch beantwortete dieser die Frage. Ja, die meisten jüngeren Menschen sind wegen Nader Jindaoui da. An dieser Stelle war man dann doch gespannt, was Nader dann auch am Ball kann. Aber zuerst mussten die Mannschaften auf das Feld einlaufen. Und man lehnt sich, glaube ich, nicht weit aus dem Fenster, wenn man sagt, dass so viele Menschen noch nie an den Sicherheitszaun gestanden haben, wenn die Mannschaften einlaufen. Für gewöhnlich stehen da einige Hardcorefans und Menschen, die auf die andere Seite des Stehbereichs der Haupttribüne gehen wollen, denen aber durch den Zaun und die Security der Durchgang verwehrt wurde. Dieses Mal standen an dieser Stelle wohl bestimmt 150 Menschen. Die meisten wegen Nader Jindaoui. Das ist wahrscheinlich die doppelte Anzahl Menschen, als dort üblicherweise stehen. Diese Situation trug aber nur mehr dazu bei, dass man wissen wollte, was Nader Jindaoui am Ball kann.
So war die Performance
Und bereits beim Aufwärmen bekam man einen leichten Vorgeschmack. Eins fiel direkt auf: Er ist schnell und trickreich. Gerade, weil Nader auf der rechten offensiven Außenbahn zu Hause ist, stellt das eine Kombination dar, die Verteidiger selbstverständlich immer gerne als Gegenspieler gegen sich haben. Das Spiel startet für alle Jindaoui-Fans denkbar schlecht. Für alle, die es mit dem GFC hielten, denkbar gut. In der siebten Minute schlägt Eshele einen langen Ball auf Benyamina, der legt wieder zurück auf Eshele, der nur ins leere Tor einschieben braucht. 1:0. In der 19. Minute aber hätte er da sein können, der Moment, weshalb so viele junge Menschen ins Stadion gekommen sind. Nader bekommt den Ball im Strafraum vor die Füße und braucht nur einschieben. Das Tor ist leer. Nader macht das, was man als Stürmer so macht, wenn man den Ball frei vor dem leeren Tor bekommt. Er will den Ball ins Tor schieben. Leider hat in dieser Situation nicht Nader Jindaoui, sondern GFC-Torwart Jakubov das letzte Wort und pariert mit einem Spagat, auf den Ballerinas neidisch geworden wären, den Schuss. Was wäre wohl im Stadion los gewesen, wir werden es nie erfahren. Über den Rest des Spiels von Nader Jindaoui lässt sich nicht viel sagen. Hier und da mal ein Dribbling. Insgesamt aber glücklos und ohne wirklich signifikanten Einfluss auf das Spiel von Hertha II. In der 80. Minute war der „Arbeitstag“ des Nader Jindaoui beendet, er wurde ausgewechselt.
Nach dem Spiel ist vor dem Foto
Mit der Auswechslung passierte etwas, bei dem man nicht weiß, wie man es in Worte fassen soll. Aber einen Versuch ist es wert. Die Jindaoui-Fans waren los. Nader war noch nicht einmal vom Spielfeld runter, da strömten schon die ersten Fans zur Ersatzbank und machten lautstark auf sich aufmerksam und wollten Fotos oder Autogramme. Die gleiche Begeisterung brachten die Fans auch mit, als das Spiel zu Ende war. Wieder wurde der Spielerduchgang am dazugehörigen Sicherheitszaun belagert. Einige hielten ihre Jindaoui-Plakate in die Luft. Es brach Ekstase aus. Auch, weil Nader Jindaoui der letzte Herthaner war, der den Gang in die Kabine antrat. Und man muss ihm an dieser Stelle echt zugute halten, dass er versuchte sich für seine Fans Zeit zu nehmen. Gerade nach einem Spiel wie diesem. Ein Spiel, welches Hertha II mit 5:2 verlor. Die Fans gingen aber nicht nach Hause, sie warteten auf ihren Star, sei es am Gebäudeausgang oder an der Ausfahrt des Mannschaftsbusses. Sie warteten. Für den einen magischen Moment mit ihrem Idol. Dem*der neutralen Beobachter*in wird an dieser Stelle eins klar geworden sein: Nader Jindaoui wird von seinen Fans verehrt wie ein Popstar. Es gab also in gewisser Weise Popstarfeeling im Volksstadion.
Beitragsbild: Jan-Niklas Heil
von Lucas Hohmeister | 22.09.2023
Am 24. September findet im Rahmen der Interkulturellen Wochen in Greifswald der sogenannte Interkulturelle Sporttag statt und bietet allen Leuten ein buntes und vielfältiges Angebot an Sportevents. Was euch genau alles erwartet, erfahrt ihr in diesem Artikel.
Vollgepacktes Programm:
Seit dem 18. September sind die Interkulturellen Wochen im Gange und laden unter dem Motto „Neue Räume” zu mehr als 40 verschiedenen Programmpunkten für Alt und Jung ein. Am Sonntag den 24. September findet im Rahmen dieser Themenwochen der Interkulturelle Sporttag statt. Geworben wird mit dem Spruch „Sport für Jedermann” und jede Menge Aktivitäten. Von einem Sportfest und einem Jahrmarkt bis hin zum Kanufahren und auch Rollstuhlbasketball ist alles dabei. Zudem wird es auch wieder ein Fußballturnier geben, welches mittlerweile zu einer fortwährende Tradition geworden ist. Der Standort des Turniers wechselt jedes Jahr, um möglichst vielen Fußballaffinen aus dem kompletten Landkreis die Möglichkeit zu geben, sich bei dem Turnier auszutoben. Das volle Programm findet ihr im Anschluss.
Programm:
Interkulturelles Fußballturnier im Soccer-Court:
- Austragungsort: Sportplatz alte CDF-Halle, Usedomer Weg
- Beginn: 9:30 Uhr
- Spieleranzahl: 3 + 2 Wechselspieler
Integratives Sportfest:
- Austragungsort: Neue Sporthalle an der Caspar-David-Friedrich-Schule
- 9:30 Uhr: Eröffnung
- 9:40 Uhr: Erwärmung mit Musik
- 10:00 Uhr: Sport- und Bewegungsangebote (z.B. Korbball, Büchsenwurf, Kuhhockey, Curling, Weitwurf mit dem Medizinball, Trommeln)
- 13:00 Uhr: Siegerehrung mit Urkunden und Medaillen
- 13:30 Uhr: Abschluss mit Tanz und Bewegung
Basketballturnier/Mix:
- Austragungsort: Arndt-Sporthalle
- Eröffnung: 10 Uhr
- Spieleranzahl: 6 Spieler*innen ab 7. Klasse
- Spielmodus: wird vor Ort geklärt, abhängig von der Anzahl der Teilnehmer*innen
- Ausrichter: Greifswalder Sportgemeinschaft 01 e.V.
Rollstuhl-Basketballturnier:
- Austragungsort: Arndt-Sporthalle
- Eröffnung: 10 Uhr
- Spieleranzahl: 6 Spieler*innen ab 7. Klasse
- Spielmodus: wird vor Ort geklärt, abhängig von der Anzahl der Teilnehmer*innen
- Ausrichter: Greifswalder Sportgemeinschaft 01 e.V.
Denkt daran eure eigenen Hallenschuhe mitzunehmen! Für weitere Infos checkt gerne die Website des Kreissportbund Vorpommern-Greifswald aus.
Beitragsbild: Moses Malik Roldan auf Unsplash
von Jan-Niklas Heil | 09.09.2023
Am 19. Juli fand der bundesweite Aktionstag für ein faires Praktisches Jahr (PJ) statt. Ins Leben gerufen wurde dieser von der „Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V.“, kurz bvmd, und wurde in Zusammenarbeit mit dem Hartmann- und Marburger Bund durchgeführt. Der FSR Medizin hat sich an diesem Aktionstag beteiligt und hierfür neben einer Demonstration vor der Uniklinik auch einen Vortrag zu dem Thema „Rechte und Pflichten im Praktischen Jahr“ organisiert. Gehalten wurde dieser von Lars Grabenkamp, dem Geschäftsführer des Marburger Bunds Mecklenburg-Vorpommerns. Anlass genug für den webmoritz. mal hinter das Praktische Jahr zu blicken. Also, was ist das Praktische Jahr und warum sind so viele Menschen unzufrieden mit den Umständen und setzen sich für ein faireres PJ ein?
Das ist das Praktische Jahr
Aber von Anfang an. Zuerst beschäftigen wir uns mit dem Aufbau des PJ. Um das PJ absolvieren zu können, muss jede*r Medizinstudierende das zweite von drei Staatsexamina bestanden haben. Hat man das also geschafft, kann man in das PJ gehen. Dieses gliedert sich in drei Teile (Tertiale) auf. Man verbringt jeweils 16 Wochen in der inneren Medizin, der Chirurgie, oder einem klinisch-praktischen Wahlfach. Eine 32-Stunden-Woche ist vorgeschrieben, genauso wie die Zahl der maximal zu erlaubenden Fehltage. In dieser Zeit kann man sich 30 Fehltage erlauben, allerdings nur 20 in einem Tertial. Mit einem Härtefallantrag lässt sich dies allerdings überschreiten. Auch wird bei den Fehltagen nicht zwischen Kranken- und Urlaubstagen unterschieden. Für einen einheitlichen Verdienst gibt es in der Approbationsordnung für Ärzte keine Regelung.
Das sagen die Kritiker*innen
Gerade die bvmd sieht bei diesen Regelungen Handlungsbedarf. Der FSR Medizin unterstützt die Forderungen der bvmd und hat sich auch aus diesem Grund am Aktionstag für ein faireres PJ beteiligt. Diese sehen eine einheitliche Aufwandsentschädigung, eine Trennung von Kranken- und Urlaubstagen, einen festgeschriebenen Abstand zwischen dem PJ und dem dritten Staatsexamen, sowie eine Lehre im PJ vor. Hier werden vor allem bundeseinheitliche Regelungen gefordert. Neben dem FSR Medizin erklärten auch der Ring Christlich-Demokratischer Studenten Greifswald und die Bundestagsabgeordnete Simone Borchardt (CDU) ihre Unterstützung der Forderungen der bvmd und die lokale Bundestagsabgeordnete Anna Kassautzki (SPD) war bei dem Aktionstag in Greifswald vor Ort und richtete einige Worte an die Studierenden. Der Marbuger Bund MV geht in seinen Forderungen noch weiter. Lars Grabenkamp, der Geschäftsführer des Marburger Bund MV, erklärte gegenüber dem webmoritz., dass man auch fordere, dass PJler keine Wochenend- oder Nachtarbeit leisten und genügend Zeit zum Selbststudium haben. Man fordere aber auch, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden und daraus folgend, dass es Sanktionsmöglichkeiten geben solle, sollten die gesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten werden.
Auch die Universitätsmedizin Greifswald (UMG) unterstützt eine Reihe der Forderungen der bmvd. Christian Arns, der Presseprecher der UMG, erklärte zudem auf Nachfrage, dass es ein gemeinsames Ziel sei, dass PJ fair auszugestalten. „Wünschenswert wäre zudem die bundesweite Vereinheitlichung durch entsprechende Regelungen, die auch die (Re-) Finanzierung beinhalten“, so Arns weiter.
So lief der Aktionstag
Den bereits angesprochenen Aktionstag organisierte der FSR Medizin in Zusammenarbeit mit dem Marburger Bund MV. Der FSR Medizin bezeichnete den Aktionstag in Greifswald als „erfolgreich“. Rund 150 Teilnehmende waren bei der Demonstration inmitten der Prüfungsphase und bei regnerischem Wetter anwesend. Auch der Marburger Bund zeigt sich auf Nachfrage „sehr zufrieden“ mit dem Aktionstag. Lars Grabenkamp, der Geschäftsführer des Marburger Bund MV, erklärte zudem, es habe eine gute Beteiligung, eine gelungene Organisation sowie tolle Wortbeiträge gegeben. Auch die Universitätsmedizin Greifswald (UMG) erklärte auf Nachfrage, dass es eine Selbstverständlichkeit sei, dass Studierende an einer solchen Veranstaltung teilnehmen würden.
Erste Entwicklungen sind auch schon zu verzeichnen. So teilten, wie schon angesprochen, der RCDS Greifswald und Simone Borchardt (CDU) als Bundestagsabgeordnete ihre Unterstützung der Forderungen, nach dem Aktionstag, mit. Lars Grabenkamp zufolge hat das Thema durch den Aktionstag vor allem Aufmerksamkeit bekommen. So habe es u. a. interessierte Nachfragen von Studierenden gegeben.
So ist die Situation in der Praxis
Einen Einblick in den Praxisalltag liefert das PJ-Barometer des Marburger Bund. Dieses ist eine Umfrage, welche vom Marburger Bund durchgeführt wird und an der rund 1.700 PJler und ehemalige PJler, deren PJ nicht länger als drei Jahre zurückliegt, teilgenommen haben. Die Ergebnisse zeichnen ein Bild, welches schockieren sollte.
So geben knapp 55 Prozent der Teilnehmenden an, dass sie zwischen 40 und 50 Stunden im ersten Tertial im Rahmen des PJ in einem Krankenhaus arbeiteten. Dementsprechend fanden auch 39 Prozent nicht ausreichend Zeit zum Selbststudium. Auch sind nach der Befragung knapp 78 Prozent auf elterliche Zuwendungen angewiesen. 17 Prozent erhalten bis zu 300 Euro im Monat an Aufwandsentschädigung, während 11 Prozent keine Geld- oder Sachleistungen erhalten. Die große Mehrheit der Befragten (61 Prozent) erhält eine Aufwandentschädigung ab 300 bis 649 Euro. Nur einmal zum Vergleich: Die durchschnittliche Miete kostete im Jahr 2021 779 Euro. Mit einer durchschnittlichen Aufwandentschädigung kann man also nicht mal die Miete zahlen, wenn man Pech hat. Das Ergebnis der Umfrage zeige auch, dass der klassische PJler meist als Lückenfüller dort arbeitet, wo Bedarf auf der Station bestehe, so der Marburger Bund in der Erklärung des Ergebnisses.
Erfreulich ist hingegen, dass die Lehre in ihrer Qualität als mehrheitlich gut bis sehr gut bewertet wird. Auch gibt es bei einer Mehrheit der Befragten (59 Prozent) Unterricht oder Seminare für PJler. Weiterhin fühlen sich 6 Prozent der Befragten ausreichend durch Kolleg*innen wertgeschätzt.
So ist die Situation an der Universitätsmedizin Greifswald
Aber schaut das PJ in Greifswald genauso aus, wie in der Umfrage dargestellt? Um diese Frage zu beantworten, haben wir bei der UMG nachgefragt. Diese rangiert auf der Seite pj-ranking, wo PJler ihr Praktisches Jahr anonym bewerten, auf Rang 275 von 360 bewerteten Kliniken (Stand: 22.8.2023). Auf Nachfrage erklärte Christian Arns hierzu, dass der UMG dieser Umstand bewusst sei und die UMG sich verbessern und die inhaltliche Ausgestaltung optimieren müsse, damit diese ein beliebter PJ-Standort werde. „Darüber hinaus würde durch Festlegung und Sicherstellung einer bundesweit einheitlichen Vergütung das Bewertungskriterium Gehalt und damit die Kritik an der niedrigen Aufwandsentschädigung entfallen“, so Arns weiter. Gerade wird von der UMG eine Aufwandsentschädigung von 400 Euro pro Monat ausbezahlt. Eine Summe, mit der selbst die UMG nicht zufrieden ist. Allerdings zahle man die Aufwandsentschädigungen aus Eigenmitteln der UMG. „Weswegen wir diese nicht aus eigener Kraft erhöhen können“, meint Christian Arns hierzu.
Wie genau ein PJ an der UMG abläuft, lasse sich nicht schnell beantworten, da die konkreten Abläufe in den 21 Kliniken der UMG nicht identisch seien. Allerdings gebe es nach Wissen der UMG keine großen Abweichungen zu der Durchführung an anderen Kliniken. Im Mittelpunkt stehe aber die Ausbildung an der Patientin oder dem Patienten. „Die PJ-Studierenden sollen unter Anleitung, Aufsicht und Verantwortung der ausbildenden Ärzt*innen auf den Stationen, in den Ambulanzen oder im OP ärztliche Tätigkeiten ausüben. Die Studierenden sind darüber hinaus an Lehrvisiten, klinischen Besprechungen und Demonstrationen beteiligt“, so Christian Arns hierzu. Auch sei ein wichtiges Ziel der UMG die Mitarbeit im Klinikalltag in all seinen Facetten.
So schaut’s aus
Rund um das Praktische Jahr besteht also deutlicher Handlungsbedarf. Gerade wird dieser Handlungsbedarf in letzter Konsequenz auf dem Rücken der PJler ausgetragen. Aber auch Kliniken müssen sich weiter nach Verbesserungsmöglichkeiten umsehen, zumindest solange es keine bundeseinheitlichen Standards gibt. Auch über die Finanzierung muss nicht erst ab 2027 nachgedacht werden, sondern schon vorher muss eine Lösung stehen, die einheitlich regelt, wie und in welcher Höhe PJler bezahlt werden. Solange Kliniken wie die UMG ihre begrenzten Eigenmittel verwenden müssen, um sich Aufwandsentschädigungen leisten zu können, können diese bei der breiten Masse der Kliniken nicht in einer Höhe sein, welche für alle Seiten zufriedenstellend ist. Hier sind die entsprechenden Stellen gefragt, eine Lösung zu finden. Eine erste Reform der Approbationsordnung für Ärzte könnte bereits 2027 kommen. Es bleibt abzuwarten, ob diese Reform das PJ zum Besseren beeinflusst.
Beitragsbild: Luis Melendez auf Unsplash
von Marthe Pelz | 06.09.2023
Am 12. September findet der Gesundheitstag 2023 der Universität Greifswald statt. Neben spannenden Impulsvorträgen, sportlichen Aktivitäten und gemeinsamem Grillen könnt ihr miteinander ins Gespräch kommen und sowohl physische als auch psychische Gesundheit für einen Tag besonders in den Fokus rücken lassen.
Der Gesundheitstag 2023 steht unter dem Motto „gemeinschaftlich – nachhaltig – gesund“ und fokussiert sich dabei ganz auf das eigene Wohlbefinden. Von 10 bis 16 Uhr soll eine Vielzahl an Angeboten Studierende und Mitarbeitende dabei unterstützen, die eigene Gesundheit nachhaltig zu fördern und für das Thema zu sensibilisieren. Dabei gibt es neben dem Markt der Möglichkeiten mit verschiedenen Infoständen auch Sportangebote wie Yoga und Sportspiele. Außerdem bekommt ihr die einmalige Gelegenheit, ein Wirbelsäulenscreening machen zu lassen, Beweglichkeit und Stresslevel zu messen oder bei einer Bio-Impedanzanalyse auszuprobieren, wie euer eigener Körper genau zusammengesetzt ist.
Unter anderem werden auch Impulsvorträge auf verschiedene Themen wie kollegiale Suchtberatung, Konfliktmanagement oder Prokrastination eingehen. Darüber hinaus könnt ihr in Workshops wie „The Working Mind“ hineinschnuppern und z.B. einen Einblick in das Thema der Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen im beruflichen Kontext erlangen. Und wen eher die kulinarische Seite anzieht, ist eingeladen, zur Mittagspause oder zum gesunden Grillen vorbeizuschauen (bitte mit eigenem Besteck, Teller, Gemüsemesser und Brett im Gepäck).
Die Teilnahme gilt für Mitarbeitende der Universität als Arbeitszeit, ausgenommen Mitarbeitende in der Universitätsmedizin. Organisiert wird der Tag übrigens von der Gesunden Uni, die sich aus dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM), und dem Studentischen Gesundheitsmanagement (SGM) zusammensetzt.
Hier findet ihr eine Übersicht des Programms. Für die Uhrzeiten sowie weitere Informationen und Anmeldungen schaut bitte hier vorbei.
Auf dem Sportplatzgelände
- Markt der Möglichkeiten mit vielen Infoständen
- Mini-Symposium – Impulsvorträge
- Gesundes Grillen – 2 Durchgänge (mit Anmeldung)
- Smoothie-Bike
- Mobee-Fit Beweglichkeitsmessung (mit Anmeldung)
- Sportspiele
- Tobezeit des Famiienservice
- Wasser für alle von den Stadtwerken
Im Bürogebäude des Hochschulsports Hans-Fallada-Str. 11
- Bewegtes mobiles Arbeiten – ein Raumkonzept
- Bio-Impedanzanalyse (mit Anmeldung)
- Ergonomische Arbeitsplatzberatung
- Impfberatung
- Stressmessung
- Wirbelsäulenscreening (mit Anmeldung)
Im Sporthallengebäude
- Fitnessstudio Einweisung (mit Anmeldung)
- Workshop: The Working Mind (mit Anmeldung)
- Yoga (mit Anmeldung)
Das Wichtigste auf einen Blick:
Was? Gesundheitstag 2023
Wann? am Dienstag, den 12. September, von 10 bis 16 Uhr
Wo? Hans-Fallada-Straße 11 (auf dem Sportplatz und in den Sport- und Büroräumen)
Programm? Das Programm findet ihr hier (Anmeldungen sind bis einschließlich 08. September möglich)
Beitragsbild: Gesunde Universität Greisfwald
von Allan Kant | 29.08.2023
Am 26. Juni 2023 fand ein Bürger*innengespräch mit dem Ostbeauftragten der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), in der Straze statt. Auf dem Podium waren außerdem die Leiterin des Kulturzentrums St. Spiritus, ein Mitgründer des Greifswalder Vereins „Gründungswerft“, der Start-ups in Mecklenburg-Vorpommern untersützt, die Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Vorpommern-Rügen-Vorpommern-Greifswald, Anna Kassautzki (SPD), und eine Moderatorin.
Die Veranstaltung begann mit einer kurzen Vorstellung dieser Personen, bei der Schneider betonte, es sei sein Ziel, Eindrücke von den Meinungen der Bürger*innen zu erhalten und dazu zu animieren, Kontroversen zu ertragen. Die Leiterin des Kulturzentrums St. Spiritus gab einen kurzen Überblick über die Kulturszene in Mecklenburg-Vorpommern, die relativ umfangreich sei und den Anspruch habe, Teilhabe, Engagement und Demokratie zu fördern. Das größte Problem sei momentan die Sorge vor dem wirtschaftlichen Ruin durch Sparmaßnahmen der Regierung. Vor allem die freie Kultursezene sei gefährdet.
Anschließend stellte der Mitgründer des Vereins „Gründungswerft“ sich selbst und den Verein vor. Dieser sei ein Zusammenschluss innovativer Unternehmer*innen, die Start-ups gründen wollen würden und dazu risikobereit seien. Das Ziel des Vereins sei es, ihnen zu Erfolg zu verhelfen. Er sei daher von einer massiven Aufbruchs- und Fortschrittsstimmung geprägt.
Fragen aus dem Publikum
Nach diesen Vorstellungen begann das eigentliche Bürger*innengespräch, bei dem möglichst viele Personen aus dem Publikum Schneider ihre Fragen stellen sollten.
Die erste Person wollte wissen, ob Schneider, der momentan etliche Bürger*innengespräche an verschiedenen Orten der neuen Bundesländer führt, hierbei Wiederholungen bestimmter Fragen festselle. Dieser antwortete darauf zunächst mit der Erklärung, dass ökonomische Perspektiven durch Vernetzung entstünden, dazu also keine Zentren notwendig seien und, dass für ein angenehmes Lebensumfeld Kultur unabdingbar sei. Da dies der Person, die die Frage gestellt hatte, als Antwort nicht ausreichte, wiederholt sie diese. Schneider erklärte nun, dass Vergleiche schwierig seien. Die Gespräche seien verschieden, weil auch die Regionen, die er besuche, verschieden seien.
Die zweite Frage war, wie das Ziel des Aufbruchs, das der Verein „Gründungswerft“ verfolge, gelingen könne. Dazu sei, laut Schneider, eine Kombination aus kurzen Wegen und effektiver Kommunikation zwischen innovativen Personen, die dies ermöglich könnten, die Voraussetzung.
Die nächste Frage war von einer Angestellten in der Pflege der Universitätsmedizin Greifswald. Sie schilderte, dass ein Tochterunternehmen der Universitätsmedizin Greifswald zusammen mit anderen Uni-Kliniken in den alten und den neuen Bundesländern einen Tarif beschlossen habe, durch den die Angestellten in den neuen Bundesländern erheblich schlechter bezahlt werden würden. Die Frau wollte von Schneider wissen, wieso dies immer noch möglich sei, obwohl die deutsche Einheit mittlerweile schon über 30 Jahre zurückliege. Schneider gab hier die Antwort, dass die in Deutschland vorherrschende Tarifautonomie ein hohes Gut und zentrales sozialdemokratisches Ziel sei, weshalb die Politik sich in Tarifstreite nicht einmischen werde. Man könne nur moralische Unterstützung bei Protesten und Streiks leisten. Schneider riet den Gästen, den Mut zu haben, in Konfrontationen zu geraten und zu drohen. Kündigungen seien anders als in den 1990er und 2000er Jahren heute keine Gefahr mehr, da Fachkräftemangel herrsche. Er gab zu, dass Gewinne momentan zu keiner Lohn-Preis-Spirale führen würden, betonte aber erneut, dass Politiker im Tarifstreit nicht helfen könnten.
In Bezug darauf wurde eine weitere Frage gestellt. Jemand warf in ziemlich rauem Ton ein, dass der Staat in anderen Kontexten durchaus Tarifvorgaben erlassen hätte. Schneider erklärte erneut, ebenfalls gereizt, dass die Tarifautonomie einerseits gesetzlich festgelegt sei und sogar im Grundgesetz stehe und andererseits auch von Gewerkschaften und dementsprechend auch der SPD befürwortet werde.
Nach einer Ermahnung der Moderaterin an beide zu einem freundlicheren Tonfall konnte die Person eine weitere Frage stellen. Der Mann war Auszubildender und wollte wissen, was die Bundesregierung für diese Gruppe tut. Er erhalte nur Schüler-BAföG und könne keiner Gewerkschaft beitreten, da es für Mediengestalter*innen, seinen Ausbildungsbereich, keine gebe. Da seine Ausbildung kostenpflichtig sei, komme er so in finanzielle Probleme. Es gebe aber keine Hilfen, die mit denen für Studierende vergleichbar wären. Hierauf antwortete Schneider, dass es wichtig sei, kostenpflichtige Ausbildungen abzuschaffen.
Später wurde die Frage gestellt, wie mit der hohen gesellschaftlichen Fluktuation in Greifswald, teuren Wohnungen und Parallelwelten zwischen verschiedenen Stadtteilen mit sehr verschiedenen sozialen Milieus umgegangen werden könne. Schneider erklärte zunächst, dass diese Probleme zwar sehr wichtig, aber schon Luxusprobleme seien. Schließlich würden sie bedeuten, dass Menschen in der Stadt wohnen möchten. Um ausreichend Wohnungsangebot zu ermöglichen, müssten 30 Prozent Sozialwohnungen gebaut werden. Jemand erklärte, das sei der Fall. Er sagte zudem, dass die Vermischung sozialer Milieus Mittel für sozialen Wohnungsbau schaffe. Abschließend erklärte er, er fände Wachstum, also auch demographisches, positiv, trotz teilweise stark steigender Preise.
Eine weitere Frage war, wie es Schneider möglich sei, Lösungen für ihm berichtete Probleme politisch umzusetzen. Er machte deutlich, dass er Mitglied des Bundeskabinetts sei und sich so im Haushaltsausschuss für finanzielle Mittel für bestimmte Forderungen einsetzen könne. Das habe er beispielsweise beim Aufbau einer Raffinerie im Rostocker Hafen getan. Die Bundesregierung habe ein Interesse an den neuen Bundesländern, da hier Enegie produziert werde, was Grundvoraussetzung für eine funktionierende Wirtschaft sei. Als Mitgleid des Bundeskabinetts könne Schneider außerdem schon während der Entwicklung eines Gesetzesentwurfs, bevor dieser in den Bundestag eingebracht werde, Hinweise geben und in den Text einfließen lassen. Zudem werde sich in Zukunft die Lage wirtschaftlich starker Standorte in Deutschland ändern, da dazu zunehmend Fläche notwendig werde, die in den neuen Bundesländern vorhanden sei.
Als nächstes wurde die Frage gestellt, wie das Problem der Spaltung der Gesellschaft behoben werden könne. Rassistische und rechtsextreme Gruppen würden zunehmend Einfluss gewinnen, beispielsweise beim Bürgerentscheid. Zudem stelle der Klimawandel eine zunehmende Bedrohung besonders für die Küste dar, auch wegen des sich erwärmenden Atlantiks. Zugleich entstünden Verschwörungstheorien, die den Klimawandel leugnen würden, um Klimaschutzmaßnahmen zu verhindern. Die Person sei froh über den Einsatz von Kassautzki für die mecklenburg-vorpommerschen Moore, aber es seien auch Flächen zur Ökologisierung der Landwirtschaft notwendig. Schneider erklärte zunächst, das Waldsterben sei beispielsweise im Freistaat Thüringen offen sichtbar. Sein Ziel sei es, den „Kulturkampf“ zu beenden. Die gesamte Gesellschaft stünde vor Herausforderungen; daher sei Zusammenhalt notwendig.
Eine Person wollte dazu mitteilen, dass die Gesellschaft auch insofern gespalten sei, als dass manche Personen Probleme hätten, Kulturveranstaltungen oder sogar das eigene Leben grundsätzlich zu finanzieren. Sie forderte, dass Politiker*innen, die Personen erreichen müssten, die sich abgehängt fühlen würden. Schneider erklärte darauf, die Spaltung sei eher kulturell als sozioökonomisch. So würden beispielsweise in seinem Wahlkreis Eigenheimbesitzer*innen die AfD wählen und sozial schwächere Personen, die in Plattenbauten leben, die SPD.
Hierzu kam ein Einwand eines Mannes, der bei dem Greifswalder Bürgerentscheid über die Verpachtung städtischer Flächen für Geflüchtetenunterkünfte in Containern intensiv für die „ja-Seite“ geworben hatte. Er erklärte, ihm falle die politische Diskussion zunehmend schwer, seitdem sein Auto im Zuge des Bürgerentscheids von Gegnern seiner Position angezündet worden sei. Er erklärte, dass er zwar zu Diskussionen bereit sei, aber nicht mit „Nazis“.
Die nächste Frage bezog sich ebenfalls auf Geflüchtete. Eine Unterbringung in Containerdörfern hielt der*die Fragende für inhuman. Außerdem erklärte er*sie, es sei unzureichend, sich nur mit Unterkünften für Geflüchtete zu beschäftigen. Integration sei ebenfalls notwendig, wozu Migrant*innen Teil des deutschen Arbeitsmarktes werden müssten. Hierbei seien sprachliche Barrieren ein Problem. Politiker*innen müssten sich auch darum bemühen.
Hierauf wurde erklärt, dass Kultur eine Aufgabe des Landkreises sei, aber momentan keine Lösung vorliege. Im Anschluss entstand eine kürzere Diskussion über den Bürgerentscheid. Hiebei erklärte der Greifswalder Kommunalpolitiker Daniel Seiffert (DIE LINKE), die „ja-Seite“ sei im Wahlkampf daran gescheitert, der Bevölkerung deutlich zu machen, dass auch sie Gemeinschaftsunterkünfte nur als letztes Mittel ansehe. Ihre Informationskampagnen hätten die Bürger*innen nicht erreicht.
Die letzte Frage war, welche guten Ideen Schneider bei seinen bisherigen Gesprächen erfahren habe. Er erklärte, Diskussionen seien interessant. Positiv empfinde er eine größere Akzeptanz gegenüber der Ukraine. Er forderte dazu auf, wählen zu gehen, und erklärte, es brauche Mehrheiten für vorwärtsgewandte Politik. Ausländische Unternehmen würden nicht in Städte mit einer Mehrheit der AfD investieren wollen.
Atmosphäre
Die Diskussion wurde immer wieder sehr kontrovers. Trotz der zeitweisen Hitzigkeit der Debatte, konnte aber ein höflicher Umgangston überwiegend beibehalten werden. Dennoch war auch eine Emotionalität in der Diskussion immer wieder spürbar. In einigen Punkten wirkte das Publikum aber auch sehr einig in seinen Haltungen und Emotionen. Insgesamt sorgte die Veranstaltung für einen intensiven Austausch zwischen sehr verschiedenen politischen Lagern. Diese Diskussionen wurden teilweise auch auf dem Heimweg fortgesetzt. Zudem bestand im Anschluss an die Diskussionrunde die Möglichkeit, ein persönliches Abgeordnetengespräch mit Schneider oder Kassautzki zu führen, wozu sich so viele Gäste entschlossen, dass einige recht lange anstehen mussten.
Beitragsbild: Allan Kant