Podcast: Interview mit Anne Klatt

Anne Klatt

Für viele überraschend gewann Anne Klatt (Bündniss 90/die Grünen) vor gut einem Jahr die Wahl zum Greifswalder Studierendenparlament. Es folgte ein Mandat für die Bürgerschaft und eine Kandidatur bei der Bundestagswahl. Von vielen wurden sie als Ikone engagierter Studenten in der Hansestadt gesehen. Doch für das StuPa kandidierte sie nicht noch einmal, in der Bürgerschaft gab sie nach nur wenigen Monaten ihr Mandat ab.

Wie der Fleischervorstadtblog schon richtig feststellte, haben die im Netz aktiven Grünen dazu nichts berichtet. Deshalb haben wir einfach mal Anne Klatt interviewt.

Im Podcast beantwortet sie die Fragen:

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Jobcenter auf dem Prüfstand

Ein Beitrag von Konrad Ulbrich

In den vergangenen Wochen wurde in Deutschland viel über eine anstehende Reform der Hartz-Gesetze diskutiert. Die derzeitige Kooperation zwischen Bund und Kommunen bei den Argen, oder auch Jobcenter genannt, hatte das Bundesverfassungsgericht für rechtswidrig erklärt. Zudem seien die Regelsätze von ALG II nicht korrekt bemessen worden. Bis zum Ende des Jahres muss die Regierung eine neue Lösung finden.

Ungewisse Zukunft: Die Agentur für Arbeit

Arbeitslosenhilfe II „aus einer Hand“ war das Ziel der rot-grünen Arbeitsmarktreform von 2005. Fortan wurden Argen (Arbeitsgemeinschaften gegründet, in denen die Bundesagentur für Arbeit und die Kommunen gemeinsam die Bürger betreuen, die einen Anspruch auf ALG II oder Sozialgeld haben. Eine Aufgabenverteilung existiert jedoch weiterhin: So ist die Bundesagentur für Arbeit insbesondere für die Vermittlung von Arbeitslosen und die Auszahlung des Arbeitslosengeldes und die Kommune für Wohngeld sowie Heizungs- und Umzugskosten zuständig. Daraus ergaben sich in der Folge zahlreiche Abstimmungs- und Kompetenzprobleme. Zudem ist die Finanzierung nicht abschließend geklärt.

Verfassungsgericht: Form der Mischverwaltung verfassungswidrig

Am 20. Dezember 2007 entschied sodann der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), dass die Ausgestaltung der Arbeitsgemeinschaften, in der Form der Mischverwaltung aus der Bundesagentur und den kommunalen Trägern verfassungswidrig sei. Als Grund dafür nannten die Verfassungsrichter, dass die gesetzliche Regelung die Gemeindeverbände in Ihrem Anspruch auf eigenverantwortliche Aufgabenerledigung verletze und zudem gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes verstoße. Nach der Verfassung muss klar zugeordnet sein, welcher Träger für die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben zuständig ist. Das Verfassungsgericht setzte dem Bund in dem Urteil eine Frist bis spätestens zum 31. Dezember 2010, eine gesetzliche Neuregelung zu fassen. Bis dahin bleibt die Norm anwendbar.

Urteil ein Schlag in das Gesicht der Politik

Im Urteil heißt es wörtlich „Mangelnde politische Einigungsfähigkeit kann keinen Kompromiss rechtfertigen, der mit der Verfassung nicht vereinbar ist“. Da die Frist für eine Gesetzesänderung bald abläuft, werden in der Bundespolitik nun dringend nach Lösungen gesucht. Dabei stieß die von der Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) vorgeschlagene freiwillige vertraglich geregelte Zusammenarbeit zwischen Kommunen und den Bundesagenturen, um so eine formale Trennung zu erreichen, bei den Ministerpräsidenten auf wenig Begeisterung. Als Gründe für die Ablehnung nannten diese einen bürokratischen Mehraufwand für Behörden und Arbeitslose. Sie schlagen hingegen eine Verfassungsänderung vor, damit die Hartz-Gesetze fortan mit dieser im Einklang stehen. Derzeit gibt es zwischen der Union und der SPD intensive Gespräche, da bei einer solchen Änderung des Grundgesetzes eine 2/3-Mehrheit erforderlich ist. Auch die SPD steht dem Vorhaben positiv entgegen, sodass eine solche Lösung als wahrscheinlich gilt.

Greifswalder Arge-Geschäftsführer Bartels: „Mischverwaltung ein Erfolgsmodell“

Erich Bartels von der Greifswalder Arge

Unabhängig von der durch das BVerfG festgestellten Verfassungswidrigkeit der Mischverwaltung, stellt diese laut dem Greifswalder Arge-Geschäftsführer Erich Bartels ein Erfolgsmodell dar. „Die Zusammenarbeit mit den Vertretern der Bundesagentur für Arbeit in Stralsund und denen der Stadt Greifswald, Ulf Dembski (SPD) und Egbert Liskow (CDU), stellt sich als außerordentlich positiv dar“ so Erich Bartels. Zu Abstimmungs- und Kompetenzproblemen sei es in Greifswald nie gekommen; dies liege seiner Meinung nach maßgeblich an den Personen vor Ort. Besonders stolz ist Erich Bartels auf den Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit: „Waren es im Januar 2005 (Beginn der Arge Greifswald) noch 634 Jugendliche unter 25 ohne Job, so konnten wir diese Zahl bis zum Januar 2010 auf 261 reduzieren.“. Als Gründe nannte er seinen großen Handlungsspielraum hinsichtlich der Möglichkeiten des Forderns und Förderns. So mussten arbeitslose Jugendliche mindestens einmal im Monat im Jobcenter vorstellig werden. Es wurden zunächst 1-Euro-Jobs vermittelt und deren tatsächliche Arbeit konsequent überprüft. „1-Euro Jobs bieten eine sehr gute Möglichkeit, um wieder in einen gewissen Arbeitsrhythmus gelangen.“ und „Für viele war es seit Jahren die erste regelmäßige Beschäftigung.“ so Bartels weiter. Um die Arbeitssuchenden langsam wieder an einen „normalen“ Arbeitsalltag heranzuführen, wurden teilweise die ersten Arbeitstage zunächst um 11 Uhr begonnen, später wurde diese Zeit Woche für Woche um eine Stunde vorverlegt. Die jungen Menschen wurden zudem innerhalb dieser Maßnahmen fortgebildet und konnten so wieder in den ersten Arbeitsmarkt eingegliedert werden.

Herr Bartels erklärte uns zudem, dass den Jobcentern zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um die Arbeitssuchenden auch im Rahmen des Bewerbungsverfahrens zu unterstützen. Beispielsweise begleiten Mitarbeiter der Jobcenter die Arbeitssuchende bei ihren Vorstellungsgesprächen oder es werden Friseurbesuche vor den Vorstellungsgesprächen übernommen.

Bartels kann sich Kritik nicht erklären

Nach Bartels ist „konsequentes Fordern und Fördern in jedem Lebensalter zwingend notwendig, um jahrelanges Untätigwerden und Verlernen von geregelten Tagesabläufen zu vermeiden.“. Im Hinblick auf das kürzlich ergangene weitere Verfassungsgerichtsurteils zu den Hartz-Gesetzen, dass die Regelsätze nicht korrekt bemessen wurden, komme es nach Bartels nicht auf dessen Höhe an (z. Zt. für Volljährige: 359€). Geht es nach ihm, können die Menschen auch eine Grundstütze von bis zu 520 € bekommen. Das Wichtige sei jedoch, dass ihnen stets Beschäftigung und Förderung angeboten und sie zu keiner Zeit in ihrer Situation allein gelassen werden.

Die Kritik an der Greifswalder Arbeitsgemeinschaft, die im vergangenen Jahr „Den verbogenen Paragraphen“ erhalten hatte, kann sich Erich Bartels nicht erklären. „Ich setze lediglich die bestehenden Gesetze um.“ erklärt er. Andere Arge-Chefs verzichteten zwar auf das fortlaufende Anbieten von 1-Euro-Jobs und würden damit auch weniger kritisiert, das sei aber nicht seine Philosophie und auch nicht im Interesse der Arbeitssuchenden.

Es bleibt daher abzuwarten, wie die Regierung die Vorgaben des BVerfG umsetzen wird. Zumindest aus Sicht der Greifswalder Arge wäre die Grundgesetzänderung eine wünschenswerte Lösung, damit das aktuelle (Erfolgs-)Modell erhalten bleibt.

Bilder:

Schriftzug „Jobcenter“ (Startseite) – mkorsakov via flickr

Schild „Bundesagentur für Arbeit – svensonsan via flickr

Erich Bartels – Konrad Ulbrich

Kleiner Mann in großer Depression

Einen Roman aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise während (nach?) der Finanzkrise auf die Bühne zu bringen, zeugt von Gespür für die Zeit. Oder von Humor. Oder von beidem. In Hans Falladas Kleiner Mann, was nun? wird der beschwerliche Weg des Buchhalters Pinneberg und seiner Frau Emma, genannt Lämmchen, aufgezeigt. Die zahlreichen Wendungen zum Guten und immer öfter zum Schlechten bringen Pinnebergs Rechtschaffenheit nicht ins Wanken, aber wird das ein gutes Ende nehmen? Hans Fallada (geb. 1893 als Rudolf Ditzen in Greifswald) schrieb dazu

Nun schön, man hat mir nicht nur Lobendes gesagt, man hat mich vor allem in vielen Briefen gefragt: Warum weißt du keine Antwort auf die Frage: Kleiner Mann – was nun? Ich weiß schon eine Antwort und ich habe sie auch hingeschrieben, meine Antwort heißt Lämmchen. Aber ebenso gut weiß ich, dass dies nur eine Einzelantwort ist, dass es keine Antwort gibt, die für alle gilt.

Aus dem Roman ein dreieinhalbstündiges Theaterstück zu machen, ist sicherlich nicht einfach. Ein Überbleibsel davon sind die eingeschobenen Beschreibungen der Figuren über ihre Gedanken und die Umgebung. Diese Einschübe wirken nie störend, sondern selbstverständlich und ermöglichen ein sehr reduziertes Bühnenbild, das nur aus einem sog. Plafond mit 16 Lichtfeldern besteht, die mit unterschiedlicher Beleuchtung die verschiedenen Stationen verdeutlichen.

Grian Duesberg und Eva-Maria Blumentrath und Ensemble

Grian Duesberg und Eva-Maria Blumentrath und Ensemble

Auch für Heiterkeit wird gesorgt, wenn mehrstimmige Lieder vorgetragen werden und durch die zahlreichen Verkleidungen der Nebendarsteller, z.B. Markus Voigt als Mutter Mörschel oder Marco Bahr dessen Auftreten als Kleinholz an Ekel Alfred erinnert.

Die Inszenierung von Uta Koschel erfolgte in Kooperation mit Studenten des Caspar-David-Friedrich-Instituts in Form der begleitenden Ausstellung „O Lämmchen, was haben sie aus mir gemacht?“. Darin wird neben der Liebesgeschichte der zwei Protagonisten auch auf die aktuelle Finanzkrise Bezug genommen

v.l.n.r. Andreas Kohl, Eva-Maria Blumentrath, Lukas Goldbach, Markus Voigt, Jan Bernhardt und Grian Duesberg

v.l.n.r. Andreas Kohl, Eva-Maria Blumentrath, Lukas Goldbach, Markus Voigt, Jan Bernhardt und Grian Duesberg

Wer das empfehlenswerte Stück sehen möchte, hat dazu noch mehrfach Gelegenheit:

17. März, 18:00 Uhr, Greifswald, Großes Haus
21. März, 19:30 Uhr, Putbus, Theater Putbus
28. März, 16:00 Uhr, Greifswald, Großes Haus
3. April, 19:30 Uhr, Stralsund, Großes Haus
10. April, 19:30 Uhr, Stralsund, Großes Haus

Karten gibt es im Vorverkauf direkt beim Theater oder über die Webseite.

Fotos: Vincent Leifer

„I’m with you in Rockland“ – Gedanken zur 60. Berlinale

Auch wenn ich das Filmprogramm wieder nur in bruchstückhaften Auszügen wahrnehmen konnte, so schien darüber in diesem Jubiläumsjahr der Grundtenor von „Gefangenschaft“ und „Befreiung“ zu schweben. Sei es der konkrete Umgang mit der dem Motiv der Haftanstalt, oder die Skizzierung sozialer Normen und Schranken, gegen die die Protagonisten ankämpften, an denen sie scheiterten, die sie überwanden.

„Und sperrt man mich ein

Im finsteren Kerker (…)“

Filmplakat "A somewhat gentle man"

Der norwegische Wettbewerbsbeitrag „En ganske snill mann“ („A somewhat gentle man“) von Hans Petter Moland stellte dabei mit seinem grotesk-lakonischen Humor eine gewisse Ausnahme dar, da die tragische Situation des entlassenen Schwerverbrechers – so viel sei verraten – in einem gewissen „Happy End“ der Frühlingssonne ausklingt. Um dem Klischee zu folgen, dass Verbrecher meist „Ausländer“ seien, besetzte Moland die Hauptrolle mit dem Schweden Stellan Skarsgård, der hier in seiner gebrochenen Vaterfigur an den „Fluch der Karibik“ erinnert.

Den digitalen Arabesken aus untotem Seemannsgarn steht hier aber die nüchtern-realistische Welt Skandinaviens gegenüber, die jedoch mit ihren schrägen Charakteren und „desperate housewives“ ebenso zu Amüsement und Gruseln einlädt: Dieser Film ist wärmstens für den „Nordischen Klang“ zu empfehlen!

In puncto Realismus ging der Rumäne Florin Şerban in „Eu cand vreu sa fluier, fluier“ („Wenn ich pfeifen will, dann pfeife ich“) noch einen Schritt weiter. Für die Geschichte eines jugendlichen Sträflings, die fast ausschließlich in der Barackenlandschaft einer Zuchtanstalt mit „agrarischer Ausrichtung“ spielt, wurden teils echte „Knastbrüder“ und Wärter eingesetzt. (mehr …)

Schnee hinterlässt Millionenschaden an Greifswalds Straßen

Der Winter und seine Stürme brachte der Stadt Greifswald ungeahnte Schneemassen. Wochenlang lag eine dicke Schnee- und Eisschicht auf den Straßen, Rad- und Gehwegen. Das Tauwetter der letzten Tage bringt jedoch erst ans Licht, welche gewaltigen Schäden der Winter auf diesen hinterlassen hat.

Gehwegräumung

Das Ausbessern bzw. Beseitigen der Schlaglöcher auf den Fahrbahnen allein wird nach Schätzungen des hiesigen Bauamts rund 1,2 Millionen Euro kosten. Dies sind allerdings noch keine abschließenden Zahlen.

An vielen Stellen hat man bereits mit den Reparaturen begonnen. Die zwölf Mitarbeiter des Bauhof waren in den vergangen  Tagen bereits am Gorzberg, in der Anklamer Straße und der Schönwalder Landstraße tätig. In dieser Woche will man sich um die Stalsunder Straße kümmern. In den meisten Fällen versuche man zunächst die Löcher mit Kaltasphalt zu füllen, erklärt der Bauhofleiter Uwe Adam. Das ist jedoch bestenfalls ein schnelles Provisorium – das Material hält im Allgemeinen nur einige Wochen.

An vielen Stellen ist der Straßenbelag jedoch so sehr beschädigt, dass Kaltasphalt keine Lösung sei. Diese Straßen müssen großflächig abgefräst und neu asphaltiert werden. Im Gegensatz zu den kleineren Reparaturen an Straßen und der Instandsetzung der Gehwege, kann die Stadt dies jedoch nicht mit eigenen Mitteln bewerkstelligen. „Wir sind gegenwärtig dabei, die Bereitstellung der dafür nötigen finanziellen Mittel mit dem Kämmerer abzustimmen. Erst dann können wir ausschreiben“, so Bauamtsleiter Fred Wixforth. Er  rechnet deshalb damit, dass diese Instandsetzungen erst nach Ostern beginnen werden.

Die Schneeschmelze selbst verursachte derweil Probleme auf den Wiesen am südlichen Stadtrand. Dort pumpen Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks tausende Hektoliter Wasser in den Stadtgraben. Der gestern noch überschwemmte Fahrradtunnel in der Scharnhorststraße ist mittlerweile auch wieder passierbar.

Spannend wird in der Tat die Frage wie diese zusätzlichen Kosten finanziert werden. Der städtische Haushalt, der im Herbst verabschiedet worden war, musste konjunkturbedingt ohnehin größere Kürzungen hinnehmen.

Fotos:

Gehwegräumung – Julia Löcherbach

Schlagloch Startseite – „sindre-wimberger“ via flickr

Die Blockade von Dresden – Innenansicht

Ein Gast-Erlebnisbericht von Stephan Schumann

Am 13. Februar kommen jedes Jahr unzählige Nazis nach Dresden. Sie benutzen die Vergangenheit um für ihre Parolen zu werben. Seit 1998 jedes Jahr dasselbe. Soweit, so bekannt. Doch dieses Mal war alles anders.

Die Stadt Dresden selber und die örtliche CDU und FDP beteiligten sich am Protest. Ok, nur durch eine Menschenkette, aber um die friedlichen „GehDenken“ Demonstrationen der letzten Jahre haben selbige immer einen größeren Bogen gemacht.

Eine hohe Polizeipräsenz sollte Ausschreitungen verhindern.

Währenddessen versuchte ein breites linkes Bündnis den Aufmarsch der Rechtsextremen zu verhindern. An deren Sammelpunkt, dem Bahnhof Neustadt, wurden Punkt 9 Uhr wichtige Knotenpunkte besetzt. Der Versuch selbiges durch das Anmelden von Spontankundgebungen wenigsten etwas legaler zu machen fiel unterschiedlich erfolgreich aus. Auf dem Albertplatz wurde eine Kundgebung „Gegen das Demonstrationsverbot für Linke in der Neustadt“ genehmigt.  (mehr …)