von Juli Böhm | 26.01.2023
Am Mittwoch, den 18.01.2023, wurden vom Senat die neuen Prorektor*innen gewählt. Dabei wurde Professorin Dr. Annelie Ramsbrock als neue Prorektorin für Kommunikationskultur, Personal- und Organisationsentwicklung und Gleichstellung/Diversität gewählt. Dorthe G. A. Hartmann wurde als Prorektorin für Lehre, Lehrer*innenbildung und Internationalisierung wiedergewählt und Hennis Herbst als studentischer Prorektor wiedergewählt.
Das Rektorat ist für die Leitung der Universität zuständig und setzt sich aus der Rektorin, der Kanzlerin und vier Prorektor*innen zusammen, die jeweils unterschiedliche Aufgabenbereiche innehaben. Die Amtszeiten unterscheiden sich je nach Position. Dabei hat der*die Rektor*in eine Amtszeit von vier Jahren, der*die Kanzler*in eine lebenslange Amtszeit und die Prorektor*innen haben, außer dem*der studentischen Prorektor*in, eine Amtszeit von zwei Jahren. Bei dem*der studentischen Prorektor*in ist die Amtszeit auf ein Jahr begrenzt.
Professor Dr. Ralf Schneider ist erst seit einem Jahr Prorektor für Forschung, Digitalisierung und Transfer, weshalb seine Amtszeit noch ein Jahr weiterläuft und seine Position nicht neu gewählt wurde. Professorin Dr. Konstanze Marx ist die derzeitige Prorektorin für Kommunikationskultur, Personalentwicklung und Gleichstellung, sie ist aber nicht zur Wiederwahl angetreten. Mit der Neubesetzung durch Professorin Dr. Annelie Ramsbrock hat das Prorektorat eine Namenserweiterung bekommen und die Punkte Organisationsentwicklung und Diversität sind hinzugekommen. Die neue Amtszeit startet im April.
Prorektorin für Kommunikationskultur, Personal- und Organisationsentwicklung und Gleichstellung/Diversität
Professorin Dr. Annelie Ramsbrock ist seit April 2022 Inhaberin des Lehrstuhls für Allgemeine Geschichte der Neuesten Zeit am Historischen Institut der Universität Greifswald. Dort betreibt sie vor allem Forschung zu Süchtigen im 19. und 20. Jahrhundert. Nun wurde sie mit 30 von 33 Stimmen vom Senat zur Prorektorin für Kommunikationskultur, Personal- und Organisationsentwicklung und Gleichstellung/Diversität gewählt.
Ihre Vorhaben für die Amtszeit:
Kommunikationskultur: In diesem Bereich möchte sich Professorin Dr. Annelie Ramsbrock erst einmal zurückhalten, weil sie findet, dass dieser Bereich im Moment gut läuft. Sie findet das Rektoratsforum sehr hilfreich und auch das Format “Wissenschaftler*innen lesen Wissenschaftler*innen” findet sie sehr spannend. Zudem soll in diesem Jahr erstmals der Dies Academicus als eine Form akademischer Feiertag stattfinden, an dem sie gerne beteiligt sein möchte.
Personal- und Organisationsentwicklung: Personal- und Organisationsentwicklung sind, laut Professorin Dr. Annelie Ramsbrock, eng miteinander verbunden, weshalb der Name dementsprechend erweitert wurde. Hier sind ihr Arbeitgebermarketing, also Rekrutierung und Personalbindung, und Entlastungs- und Wertschätzungsmaßnahmen besonders wichtig. Sie möchte die Uni noch weiter zu einem “Ort des Kommens und des Bleibens” entwickeln. Hierfür möchte sie zunächst mit den einzelnen Statusgruppen über deren Belastungen und Entlastungsvorschläge sprechen, um sich anschließend als Universität mit der Umsetzbarkeit auseinanderzusetzen. Mögliche Maßnahmen wären Leistungsprämien, die Ermöglichung von flexiblen Arbeitszeiten, die Optimierung von Arbeitsprozessen einschließlich der Verteilung von Verantwortung, Aufgabenkritik, Mitarbeiter*innengespräche und Coaching- und Weiterbildungsangebote.
Gleichstellung/Diversität: Für Professorin Dr. Annelie Ramsbrock sind die Bereiche Gleichstellung und Diversität sehr eng verknüpft. Auch hier möchte sie sich mit den einzelnen Statusgruppen auseinandersetzen, um so anschließend als Universität Maßnahmen zu ergreifen.
“Mir scheint es wichtig zu sein, dass wir Gleichstellung noch stärker als bisher intersektional denken, dass wir nicht nur vom binären Geschlechtermodell ausgehen, wenn wir nach Chancengleichheit fragen, sondern dass wir soziale Herkunft, regionale Herkunft, […] ernst nehmen und das alles unter Gleichstellung packen.”
Professorin Dr. Annelie Ramsbrock
Prorektorin für Lehre, Leher*innenbildung und Internationalisierung
Dorthe G. A. Hartmann ist seit Oktober 2001 wissenschaftliche Mitarbeiterin mit dem Schwerpunkt Lehre an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Greifswald. Dort ist sie an der Fachsprachenausbildung in Englisch beteiligt. Sie wurde bereits 2021 zur Prorektorin für Lehre, Lehrer*innenbildung und Internationalisierung gewählt und wurde nun mit 27 von 33 Stimmen vom Senat wiedergewählt.
Ihre Vorhaben für die Amtszeit:
Lehre: Bereits in Dorthe G. A. Hartmanns jetziger Amtszeit hat sich einiges rund um digitale Lehre und Prüfungen getan. Dieser Bereich soll auch in ihrer kommenden Amtszeit weiterentwickelt werden. Bereits bestehende (digitale) Lehrkonzepte sollen evaluiert und weiterentwickelt werden. Hierfür sollen auch weitere Infrastrukturen angeschafft werden können.
“Lehre nach Corona ist nicht mehr dasselbe, wie Lehre vor Corona. Wir sind eine Präsenzuniversität und wir wollen das sein, aber wir haben auch erfahren, wie wichtig digitale Lehrformate sind, um unter anderem Teilhabe zu ermöglichen.”
Dorthe G. A. Hartmann
Lehrer*innenbildung: Hier soll unter anderem das Campusschulnetzwerk weiter ausgebaut werden. Zudem wurde ein neues Lehrer*innenbildungsgesetz auf den Weg gebracht, über dessen Vorbereitung und Umsetzung diskutiert werden soll. Auch die Internationalisierung ist, laut Dorthe G. A. Hartmann, wichtig für die Lehrer*innenbildung und sie möchte sich für mehr Sichtbarkeit über die Möglichkeiten der “physischen” Mobilität einsetzen.
Internationalisierung: Im letzten Jahr wurde die neue Internationalisierungsstrategie beschlossen, deren Maßnahmen weiterhin umgesetzt werden sollen. Dabei soll der Fokus auf wenigen strategischen Partnerschaften liegen. Gerade hier sollen auch die neuen digitalen Formate genutzt werden. Zudem sollen noch weitere internationale Studiengänge aufgebaut werden.
Studentischer Prorektor
Hennis Herbst studiert seit Oktober 2019 Politikwissenschaft und Öffentliches Recht an der Universität Greifswald. Zudem ist er stellvertretender Landesvorsitzender der Linken in Mecklenburg-Vorpommern. Er wurde bereits im letzten Jahr zum studentischen Prorektor gewählt und wurde nun mit 33 von 33 Stimmen vom Senat wiedergewählt.
Seine Vorhaben für die Amtszeit:
Als Bindeglied zwischen der Studierendenschaft und der Universitätsleitung ist es Hennis Herbst ein Anspruch, dass er erreicht, dass die Studierendenschaft mehr Verständnis für die Entscheidungen der Hochschulleitung hat und die Hochschulleitung die Interessen der Studierenden noch umsichtiger berücksichtigt. Aufgrund der Rückmeldungen, die er bekommen hat, ist er zuversichtlich, dass er dies bereits geschafft hat und hofft, dass ihm das auch weiterhin gelingt. Aufgrund der Energiekrise wurde ein Netzwerk aus Energiebeauftragten aufgebaut, die sich in zahlreichen Einrichtungen der Universität mit der Linderung des Energie- und Ressourcenbedarfs auseinandersetzen. Dieses Netzwerk möchte Hennis Herbst gerne auf weitere Einrichtungen ausweiten und zusätzliche Unterstützungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen. Dies ergibt auch in Anbetracht mit dem Bestreben der Uni, bis 2030 klimaneutral zu werden, Sinn. Zudem soll 2024 ein Landesklimaschutzgesetz verabschiedet werden. Zusammen mit der Nachhaltigkeitskommission und anderen Hochschulen möchte er ein Papier erarbeiten, das die Vorstellungen und Wünsche der Hochschulen diesbezüglich aufgreift und dieses anschließend gemeinsam an die Landesregierung übergeben. Auch mit den Alumnistrukturen der Universität möchte er sich noch weiter beschäftigen.
Bei den Vorhaben für die Amtszeiten handelt es sich bei allen Kandidat*innen um Auszüge aus deren Vorstellung im Senat vor der Wahl. Somit ist keine Vollständigkeit der Vorhaben garantiert. Nun bleibt abzuwarten, welche Vorsätze tatsächlich von den Prorektor*innen umgesetzt werden.
Beitragsbild: Juli Böhm
von Lucas Hohmeister | 25.01.2023
Der 27. Januar gilt seit 1996 als bundesweit gesetzlich verankerter Gedenktag für alle Opfer des Nationalsozialismus. Seine Anfänge hat dieser geschichtlich wichtige Tag im Jahr 1945, als die Rote Armee das deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager Ausschwitz befreite. Mehr als eine Millionen Menschen waren dort auf grausamste Art und Weise gefoltert, gequält und getötet worden. Opfer waren diejenigen, die nicht der auf Rassenwahn basierenden Ideologie des Nationalsozialismus entsprochen oder sich dem damaligen Regime widersetzten. Der 27. Januar ist dafür da, um genau diesen Opfern zu gedenken. Auch die Universitäts- und Hansestadt Greifswald trägt ihren Teil zum Gedenken bei, indem sie eine Vielzahl an Veranstaltungen anbietet. Seit 2009 wird dabei immer wieder eine andere Opfergruppe in den Fokus gerückt.
Auch dieses Jahr sind wieder mehrere Veranstaltungen geplant:
- Am Freitag, den 27. Januar, werden Dr. Philipp Neumann-Thein und Dr. Cornelius Lehmann zwei individuelle Vorträge halten, die sich mit dem diesjährigen Thema, der Opfergruppe der Kommunist*innen, beschäftigen. Dr. Philipp Neumann-Thein wird sich mit der Verfolgung kommunistischer Gruppen durch die nationalsozialistische Herrschaft und der sich daraus entwickelnden Erinnerungspolitik beschäftigen. Im Anschluss wird Dr. Cornelius Lehmann das individuelle Schicksal des niederländischen Kommunisten Johannes ter Morsche, der in Zinnowitz lebte, genauer thematisieren. Die Vorträge starten um 19:00 Uhr im Bürgerschaftssaal des Rathauses.
- Am Montag, den 30. Januar, wird es eine Filmvorführung für den Film „YOU LOOK SO GERMAN!“ im Kultur- und Initiativenhaus STRAZE geben. In dem Film trifft eine israelische Reiseführerin in Berlin eine entfernte Verwandte und macht dabei eine Erkenntnis, die sie auf eine Reise in ihre eigene Familiengeschichte schickt. Die Vorführung beginnt um 20 Uhr.
- Am Mittwoch, den 01. Februar, gibt es eine Lesung mit Andrea von Treuenfeld aus „Leben mit Auschwitz“. Thematisch setzt sich das Buch mit den Überlebenden des zweiten Weltkrieges und deren Nachkommen, speziell den Enkeln und Enkelinnen, auseinander. Die Frage dabei ist, was der Name Auschwitz für eben diese dritte Generation bedeutet. Stattfinden wird die Lesung im Koeppenhaus um 19:30 Uhr.
Es wird an diesem Freitag auch wieder ganztägig Spaziergänge zum Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz geben.
Beitragsbild: Ranurte auf Unsplash
von Wiebke Pley | 19.01.2023
Neal Shusterman verführt Leser*innen in einer fantastischen Science-Fiction-Welt, die einer Utopie so nah kommt, wie kaum eine andere in seiner „Arc of a Scythe“ Reihe. „Das Vermächtnis der Ältesten“ schließt die Reihe ab und wurde von uns kritisch unter die Lupe genommen.
Die Reihe erzählt die Geschichte von Citra Terranova und Rowan Scythe Luzifer, die in unserer zukünftigen Welt leben und die von einer künstlichen Intelligenz, dem Thunderhead, regiert wird. Wer jetzt denkt, dass dieser den Konflikt auslöst, befindet sich auf dem Holzweg. Der Thunderhead handelt so perfekt, dass der Tod ausgelöscht wurde. Stattdessen wurde das Scythetum eingeführt, die Bürger*innen „nachlesen“ sollen, um eine Überbevölkerung zu vermeiden. Citra und Rowan werden beide ausgewählt, Scythes zu werden. Dabei finden sie sich auf unterschiedlichen Seiten wieder, da Rowan von Scythe Robert Goddard ausgebildet wird, der das Scythetum an sich reißen will.
Citra Terranova nimmt ihre neue Rolle als Scythe Anastasia an. Rowan stellt sich als Scythe Luzifer gegen das System. Die beiden entwickeln sich zu Schlüsselfiguren in dem Kampf darum, die augenscheinlich perfekte Welt zu verändern.
Nachdem der Autor völlig vergessen hat, dass Scythe Anastasia und Scythe Luzifer die Protagonist*innen der Reihe sind, fällt es ihm schließlich nach 100 Seiten doch wieder ein. Dabei konnte ich noch nie so gut die Anmerkung des Lektors hören, diese auf Seite 100 vorzuziehen. Genauso wie man den Protest des Autors hören konnte, dass es die ganze zeitliche Abfolge durcheinander bringt. Das ist definitiv ein Versuch, die Leser*innen zu verwirren.
Denn das tut es. Sehr.
Am schlimmsten trifft es die erste Hälfte des Buches, in der man wild durch die Zeiten springt, sodass man als Leser*in nur hoffen kann, die richtige Reihenfolge der Ereignisse erraten zu können. Genauso wie man hofft, sich zwischen all den Charakteren wieder zurechtzufinden.
Kann man sich überhaupt einen ordentlichen Autor nennen, wenn man nicht mindestens 25 verschiedene Perspektiven beschreibt?
Für alle, die das Buch noch nicht gelesen haben: Nein, diese Zahl ist nicht übertrieben. Das webmoritz. Team hat natürlich keinerlei Kosten und Mühen gescheut, aufzulisten, durch wessen Augen man sehen darf:
- Citra Terranova/ Scythe Anastasia
- Rowan /Scythe Luzifer
- Scythe Robert Goddard
- Scythe Faraday
- Scythe Rand
- Scythe Constantine
- Scythe Jim Morrison
- Greyson Tollinger
- Thunderhead
- Kurat Mendoza
- Jerico Soberanis
- Scythe Possuelo,
- Scythe Tenkamenin
- Scythe Alighieri
- Loriana Barchok
- Cirrus
- Tyger
- Munira
- Astrid
- Ezra Van Otterloo
Selbstverständlich kommen noch ein paar random Hafenmeister, Feuerwehrleute, Schweißer, Tonisten, Zischer, Techniker und Bauarbeiter dazu. Wo würden wir denn sonst hinkommen?
Das Buch erzählt nun den finalen Kampf gegen Robert Goddard, der seine Schreckensherrschaft nach dem Untergang Eduras begann. Neal Shusterman ist dabei der erste Autor, der es schafft, den gewaltfreiesten, gewaltigsten Kampf ohne eigentlichen Kampf zu haben, aber irgendwie doch. Es ist hochgradig faszinierend.
Die meiste Zeit befinden sich alle Protagonist*innen auf der Flucht, in Verstecken oder versuchen sogar, Leute davon abzuhalten, Robert Goddard zu bekämpfen. Dieser spaltet in der Abwesenheit von Scythe Anastasia und Sycthe Luzifer die Gesellschaft, indem er Wörterbücher umschreibt. Nein, das ist kein Witz. Das passiert. Wirklich. Dies erlaubt es ihm, religiöse Gruppen zu jagen, wobei besonders schöne Menschen als geschützte Gruppe zählen. Und da sag noch einmal einer pretty privilege existiert nicht…
Sycthe Luzifer hingegen macht nichts anderes, als zu existieren. Es beginnt damit, dass er gerettet, von A nach B gebracht, eingesperrt und gerettet wird – in einer Endlosschleife. Solange er nicht mit seiner Mutter sprechen muss, ist ihm dies sehr recht.
Knapp die Hälfte der wichtigen Personen beschließt, dass sie keine Lust auf Massenmorde haben. Urlaub auf einer tropischen Insel klingt doch viel besser. Dafür lassen sie sich vom Thunderhead auch extra ein Resort und ein paar andere Gebäude bauen.
Scythe Anastasia lernt derweil, dass es mehr als nur Katzenvideos im Internet – ich meine natürlich Thunderhead – gibt und teilt diese bahnbrechende Erkenntnis mit der Menschheit. Die gesamte Welt ist so schockiert, dass sie diese am liebsten verlassen würde, begnügt sich aber mit einer Rebellion. Die Tatsache, dass Robert Goddard das Wörterbuch geändert hat und ein Leben vor seinem Amt als Scythe hatte, sind einfach zu viel. Gut, seine Verbrechen an der Menschheit und Massenmorde haben vielleicht auch etwas damit zu tun.
Nah, ausschlaggebend waren die Videobotschaften von Scythe Anastasia.
Die Reihe findet ein wundervolles und auch unerwartetes Ende, das die Vielschichtigkeit des Lebens sowie die Komplexität der Romane widerspiegelt.
Ganz besonders das letzte Buch der Reihe zeigt auf, wie viele Gedanken sich Neal Shusterman bereits vor dem Schreiben des ersten Teils gemacht haben muss. Alleine die Namen sind wahrlich auf die Geschichte maßgeschneidert. Auch fand ich Jerico Soberanis einen sehr interessanten neuen Charakter. Die Tatsache, dass Jerico Soberanis Geschlecht nie direkt genannt wurde, hat die Gender-Fluidität des Charakters besonders hervorgehoben. Ich hatte mich beim Lesen bereits darauf vorbereitet, sehr viele offene Fragen bezüglich des Konzeptes dahinter zu haben. Die Antworten dazu wurden allerdings vorbildlich in die Geschichte integriert. Obwohl es in dem Buch um religiöse Verfolgung und Massenmorde geht, ist es doch Jerico als Charakter, der den Stoff aus Albträumen erleben musste.
Allerdings das Buch besonders zu Beginn recht verwirrend aufgrund der hohen Anzahl an Charakteren und verschiedenen Zeitsträngen, die durcheinander laufen. Neal Shusterman hat versucht, diese Übergänge leichter für die Lesenden zu gestalten, indem ein Kapitelende oftmals mit der Erwähnung der Person, um die sich das folgende Kapitel dreht, endet. Man kann die Mühe und die Gedanken dahinter erkennen, aber dieser Trick funktioniert nur ein paar Mal und nicht 600 Seiten lang.
Der größte Kritikpunkt an dem Buch sind bedauerlicherweise die beiden Protagonist*innen: Scythe Anastasia und Scythe Luzifer. Die beiden fallen dem Indiana-Jones-Effekt zum Opfer.
Unglücklicherweise sind beide in diesem letzten Buch absolut unnötig. Die Story hätte genauso geendet, wenn die beiden nicht aus den Ruinen geborgen worden wären. Der Antagonist hatte bereits die halbe Welt gegen sich, bevor die beiden geborgen wurden. Die Tatsache, dass er Edura zerstört hat, hat keinen interessiert.
Ebenso hat Scythe Anastasia die Informationen innerhalb des Thunderheads nicht als erste gefunden. Sie waren bereits bekannt. Anastasia hat sie nur verbreitet. Wie jede*r andere es auch gekonnt hätte. Es ist prinzipiell verwunderlich, wie dies so lange geheim bleiben konnte. Ohne sie wäre der Höhepunkt des Buches weitaus friedlicher verlaufen. Ihre Kleidung trägt mehr zu der Geschichte bei als Scythe Anastasia.
Scythe Luzifer war das ganze Buch eigentlich nur da. Seine Fähigkeit, knapp 60 Kilo tragen zu können, stach positiv hervor.
Die Passivität der Charaktere zieht sich zwar durch das Buch, mit Ausnahme von dem Thunderhead und Robert Goddard, was anderen Charakteren die Möglichkeit gab zu strahlen.
Die „Arc of a Scythe” Reihe von Neal Shusterman ist dementsprechend durch die Komplexität der Handlung, Welt und Charaktere sehr empfehlenswert. Das Ende war unerwartet und durch seine Vielschichtigkeit positiv abweichend von einem Standardende.
Ohne schlechtes Gewissen kann „Arc of a Scythe“ weiterempfohlen werden.
Beitragsbild: Astrid Wiebke Pley
von Jan-Niklas Heil | 18.01.2023
Kennt ihr das, wenn man mal was Neues ausprobieren will, aber am Ende alles beim Alten bleibt? Uns jedenfalls kommt das sehr bekannt vor, deswegen haben wir uns für euch auf einen Selbstoptimierungstrip begeben. In dieser Kolumne stellen wir uns sieben Tage als Testobjekte zur Verfügung. Wir versuchen für euch mit unseren alten Gewohnheiten zu brechen, neue Routinen zu entwickeln und andere Lebensstile auszuprobieren. Ob wir die Challenges meistern oder kläglich scheitern, erfahrt ihr hier.
Wenn das Erkunden aus dem Ruder läuft
Gleich am Anfang muss ich ein Geständnis machen. Dieser Artikel ist ein reines Zufallsprodukt. Als ich Anfang Oktober letzten Jahres mein Studium hier begann, war der Plan erstmal ganz einfach: Die Stadt so schnell wie möglich kennenlernen. Also machte ich mich, nur mit Google Maps und meinen Füßen bewaffnet, auf den Weg. Hier ergibt sich vielleicht schon die erste Frage – warum habe ich nicht das Fahrrad genommen? Die Antwort darauf ist relativ simpel. In meinem Heimatdorf in Niedersachsen ist das Fahrrad fast schon überflüssig. In 5 Minuten war ich beim Supermarkt meines Vertrauens und in knapp drei Minuten bei der Bushaltestelle von der der Schulbus losfuhr. Für alles andere, wie z.B Hobbys, brauchte man sowieso das Auto, da die dafür benötigten Sportstätten in anderen Orten lagen. Ich war es also nicht gewohnt, mit dem Fahrrad zu fahren. Außerdem sollte es, wenn ich mich peinlicherweise trotz Google Maps verirren sollte, nicht gleich für alle ersichtlich sein. Also siegte die Gewohnheit doch über die Verlockung des Fahrrads und die Erkundung Greifswalds begann per pedes.
Und so lernte ich die verschiedenen Orte dieser Stadt kennen: Das Strandbad Eldena und die Klosterruine, den Museumshafen, den Hafen in Wieck und natürlich – am wichtigsten – meinen Campus und die Innenstadt. Ich fand mich in Greifswald relativ schnell zurecht. Und zwar weiterhin zu Fuß, denn zur Gewohnheit hatte sich ein hohes Maß an Unvermögen die Strecken einzuschätzen gesellt. Lange war mir gar nicht bewusst, wie weit die Distanzen wirklich waren, weil ich nie darauf geachtet habe. Ich wusste nur, wie viel Zeit ich für die Strecken brauchte und Zeit war damals kein Problem. Außerdem konnte ich so auch gleichzeitig verhindern, dass ich verschlafe. So musste ich meist mindestens 45 Minuten eher aufstehen als eigentlich notwendig, da ich die Zeit für den Fußweg einkalkulieren musste, wenn ich meinen Wecker stellte.
Von einem Boxkampf und wilden Fahrradfahrer*innen
Auf meinen täglichen Wegen habe ich natürlich auch allerlei erlebt. Es gab lustige, verstörende und auch komische Ereignisse. Zum Beispiel habe ich gelernt, dass Möwen stärker sind als Krähen. Woher ich das weiß? Ich habe sie morgens an einem Mittwoch um eine Brotkrume einen flügelfesten Streit austragen sehen. Und es ging wirklich hoch her. Einem kurzen Staredown folgten ein paar wirklich harte Haken der Möwe. Dann gab es die Antwort der Krähe. Bis dieser Streit durch ein Kind aufgelöst wurde. Die Möwe ging aber als Sieger hervor. Ein Kampf, der an den “Thrilla in Manila“ erinnerte.
Ebenfalls in Erinnerung blieben mir die ein oder anderen wilden Fahrradfahrer*innen. Einige fahren, als stünde ihr Leben auf dem Spiel, andere als wären sie Max Verstappen. Sei es enges Überholen, fehlendes Klingeln beim Überholen oder Fahrer*innen, die auf dem Fußweg eine Geschwindigkeit an den Tag legen, die nicht nur unangebracht ist, sondern so wirkt als seien sie auf der Flucht. Dennoch ist mir hierbei wichtig zu sagen, dass es natürlich nur Einzelfälle sind.
Musik als “bester Freund”
Ein wichtiger Begleiter waren für mich bei jedem “Spaziergang“ meine Kopfhörer. Hierbei lernte ich über mich selbst, dass ich kein wirklicher Podcastmensch bin. Dafür wurde dann einmal beinahe das komplette Spektrum der Musik gehört. (Außer Schlager, aber welcher nüchterne Mensch hört die schon?) Von Klassik über R’n’B bis HipHop und den 70s/ 80s, alles war dabei. Und alles war angenehm zu hören, was dann dazu führte, dass ich das eine oder andere Mal merkte, wie ich an einer Ampel stand und mindestens mitsummte. Und auch wenn man sich einmal an einem Genre satt gehört haben sollte, bieten die gängigen Streamingplattformen immer eine passende Alternative, damit der Gang zur Uni kein langweiliger wird.
Kopfschütteln und ein Schuhproblem
Die Reaktionen meiner Mitmenschen waren dennoch meist von Unverständnis geprägt. Sätze, wie “Besitzt du kein Fahrrad?” oder ” Ist das nicht anstrengend?” waren nicht ungewöhnlich. Besonders im Kopf geblieben ist mir eine Begegnung mit einer Rentnerin am Sonntag der Ersti-Woche. Ich war auf dem Rückweg vom Strandbad Eldena, so weit so normal. Sie kam mir entgegen und begann mit dem Kopf zu schütteln, als sie sah, was ich ich in der Hand hielt – eine Getränkedose. Dabei handelte es sich allerdings nicht um eine Bier-, sondern eine Spezi-Dose. Dies war aber nicht sofort ersichtlich. Unter diesem Umstand und dem Fakt des gerade gegen Mittag war, kann ich sogar verstehen, warum sie mir eine Mischung aus Enttäuschung und Verachtung entgegenbrachte. Wäre ich mit dem Fahrrad unterwegs gewesen, wäre mir diese Begegnung vielleicht nicht so unangenehm gewesen.
Ebenfalls besonders in Erinnerung bleiben wird mir mein Schuhproblem. Nun könnte man meinen, dass sie den weiten Fußwegen zum Opfer gefallen seien, aber dem ist nicht so: Stattdessen habe ich feststellen müssen, dass ich ein Paar Schuhe besitze, dessen Sohlen bei Nässe zu quietschen beginnen. Eigentlich ist das kein Problem, bemerkt habe ich das Quietschen aber leider erst, als ich die Bibliothek gegangen bin und keine Musik hörte. Nur zum Verständnis, wir reden hier nicht von einem leisen, sondern von einem – Die-anderen-drehen-sich-nach-mir-um-Quietschen. In der Retrospektive ist mir das schon ein wenig unangenehm. Also wurden für die Wege bei feuchtem Untergrund die Schuhe gewechselt.
Fazit
Abschließend kann ich über diese 60 Tage sagen, dass ich hier keine klare Empfehlung aussprechen kann, mal eine Weile den Alltag zu Fuß zu bestreiten. Es erfordert schließlich doch schon einiges, was man an seinem Lebensstil anpassen muss. Je nach Wohnort kann es schon aus zeitlicher Sicht aufwendig sein. Ich für meinen Teil werde jedoch nun selbst auch auf das Fahrrad umsteigen. Zum einen, um Zeit zu sparen. Schließlich bin ich dann schneller von A nach B als zu Fuß und kann morgens länger schlafen. Zum anderen möchte ich jetzt auch die andere Seite, des typischen Weges zur Uni kennenlernen. Einen Tipp kann ich aber allen Interessierten mitgeben: Habt immer einen Regenschirm griffbereit! Es gibt nichts Schlimmeres, als während eines Fußwegs nicht gegen den Regen gewappnet zu sein.
Beitragsbild: Timothy Dachraoui auf unsplash