von moritz.magazin | 12.11.2010
Wie die Clowns Streusel, Stick und Co. von den Greifswalder Grypsnasen
die Kinder im Krankenhaus zum Lachen bringen. Bei der Clownsvisite versuchen sie den teils schwerstkranken Kindern die Sorgen zu nehmen.
Eine Reportage von Alexandra Mielke
Lachen ist die beste Medizin – das wissen wir schon lange. Untersuchungen zeigen, dass eine positive Einstellung manches Mal mehr bewirken kann, als tausende von Medikamenten. Geprägt wurde diese Glücksphilosophie vom amerikanischen Arzt Hunter Doherty „Patch Adams“, der schon 1971 erkannte, dass seine Patienten schneller genesen, wenn sie öfter lachen. Deshalb trat er eigens vor seinen Patienten als Clown auf. Medizinische Fachleute, wie Professor Volker Faust von der Universität Ulm, stellten fest, dass das Herz beim Lachen schneller schlägt und dabei der Blutdruck in einem gesunden Maße ansteigt. Durch die Atmung gelangt Sauerstoff ins Gehirn, wo er benötigt wird, um beispielsweise die Stimmung eines Menschen zu heben. Lachen stabilisiert das Nervensystem und der gesamte Organismus gleicht sich aus, das beweist, dass Humor nicht nur helfen kann gesund zu bleiben sondern auch gesund macht.
Martin Pierags alias „Matte“ und Nikolaus Roos alias „Klausi“ sorgen für fröhliche Momente im Leben der kleinen Patienten in der Kinderklinik
In Anlehnung an „Patch Adams“ unterstützt die 2008 von dem Kabarettisten und in erster Linie Arzt Dr. Eckart von Hirschhausen gegründete Stiftung „Humor hilft heilen“ die zumeist ehrenamtlich agierenden Clowns in Deutschland. So auch den seit fünf Jahren bestehenden Greifswalder Verein „Grypsnasen e.V. – Clowns im Krankenhaus“. Auf der Kinderstation des Uniklinikums schaffen die lustigen Clowns – ausgestattet mit bunten Seifenblasen, Luftballons, die zu witzigen Tieren werden oder auch erstaunlichen Zaubertricks heitere Momente, die die Kinder vom tristen Krankenhausalltag ablenken. Etwa 15 Mitglieder umfasst der Verein, dessen Name sich auf Greifswald bezieht: Denn „Greif“ heißt auf Latein „Gryps“ und eine rote Nase ist natürlich das Markenzeichen eines Clowns. Schirmherr der Greifswalder Nasen ist der Ministerpräsident Mecklenburg-Vorpommerns, Erwin Sellering, der schon zusammen mit den Vereinsmitgliedern auf dem Greifswalder Marktplatz Spenden gesammelt hat: „Das ist ein Verein, der großartige Arbeit leistet. Die Grypsnasen machen Kindern, die im Krankenhaus liegen eine große Freude. Ich möchte, dass die Gesellschaft mitbekommt, was für eine tolle Arbeit der Verein ehrenamtlich leistet. Und ich will dazu beitragen, dass möglichst viele Greifswalder die Grypsnasen unterstützen“, so Sellering.
So engagieren sich ebenso einige Studenten für den Verein und verwandeln sich regelmäßig in schillernd bunte Figuren, die dann den Puffer zwischen Erwachsenen und Kindern bilden. Die Lehramtsstudentin für Geographie und Kunst, Constanze Gundlack, ist sogar schon seit drei Jahren dabei; unter den Grypsnasen ist sie allerdings besser bekannt als das Clownsmädchen „Streusel“. „Es macht Spaß, aus der Alltagsvernunft herauszuschlüpfen. In der Uni muss ich mich immer so gewählt ausdrücken, aber als Streusel muss ich das nicht. Als Clown kann ich rumzappeln, wann ich will und jede Menge Blödsinn machen.“
Auch Silke Kropf hat sich vor einem halben Jahr entschieden neben ihrem Studium der Kunstgeschichte und Geschichtswissenschaft als Clown „Stick“ in der Kinderklinik die Clownsvisite mitzugestalten. Den Namen gab sie sich, weil sie nebenher noch Schlagzeug spielt. Aber bis jetzt steht Silke noch im Training, das jeden Dienstagabend in den Räumen des Studententheaters „StuThe“ in der Hans-Fallada-Straße stattfindet. Dort lernen die zukünftigen Clowns, wie sie sich in ein Kind hineinversetzen können, wie man improvisiert und auch Rhetorik spielt eine große Rolle bei ihren Auftritten.
Jedes Mitglied in der Clownsfamilie entwickelt seinen eigenen Charakter, seine einzigartige Sprache, eine individuelle Gangart. Es ist ein gut gemischtes Training, das sie von ihrem Trainer, der eine professionelle Theaterausbildung hat, erhalten. Dabei soll vor allem der besondere, sensible Umgang mit den kleinen Patienten geschult werden, aber auch Zaubertricks werden einstudiert und der richtige Körperausdruck. Mit der Zeit entscheidet jeder selbst, wann er es sich zutraut und mental in der Lage fühlt, das erste Mal ins Krankenhaus zu gehen. „Natürlich ist es nicht so einfach, wenn man die vielen kranken Kinder sieht. Aber wenn ich ins Krankenhaus gehe und meinen schicken, pinken Rock anziehe, die rote Nase aufsetze und meine rosa Schleife ins Haar binde, dann bin ich Streusel und schalte einfach um, weil ich weiß, dass die Kinder in diesem Moment einfach nicht an ihre Krankheit denken müssen, da sie für diese kurze Zeit nicht wichtig ist“, beschreibt die 23-Jährige Constanze ihre Empfindungen beim Umgang mit den kranken Kindern.
Auch Silke Kropf fühlt sich jetzt bereit, das erste Mal live bei der Clownsvisite mitzuspielen: „Es ist doch auf der einen Seite auch ein schönes Gefühl zu wissen, dass man damit auch etwas Gutes bewirken kann. Als Stick lebe ich Sachen aus, die ich im normalen Leben nicht auslebe“, lacht Silke.
„Theo“ und „Streusel“ sprachen mit dem moritz über ihre Arbeit mit den Kindern
Regelmäßig sind die Grypsnasen nachmittags auf der Allgemeinmedizinischen-, der Chirurgischen-, der Onkologischen- und der Neurologischen Station anzutreffen. Vor der Visite gehen sie erst einmal alle Stationen ab und sprechen mit den Ärzten. Dabei erfragen die noch in Zivil gekleideten Clowns die Namen und das Alter der Kinder sowie eventuell einzuhaltende besondere Hygienevorschriften, dabei wird natürlich die ärztliche Schweigepflicht eingehalten. Erst jetzt geht es ans Umziehen, rein in die blumigen Strumpfhosen, viel zu großen Hemden, abgetragenen Kleider und die Hosenträger werden umgeschnallt. Jeder Clown bei den Grypsnasen will schön aussehen, wenn es in die Klinik geht, leider gelingt ihnen das nicht immer, dann ist nämlich oftmals die Hose zu kurz oder das Hemd hat ein Loch. Doch die Kinder finden das nicht schlimm, sie lieben ihre Clowns, so wie sie sind und wollen sie oftmals gar nicht wieder gehen lassen. Wenn dann ganz am Ende die rote Nase aufgesetzt wird, verwandeln sich Constanze und ihre Freunde in Streusel, Fienchen, Klausi und Co.
Nun geht es so richtig los, jedem Zimmer wird ein Besuch abgestattet. Ärzte, Eltern, Schwestern – alles und jeder wird mit einbezogen. Schläuche oder Geräte, die zunächst erschreckend wirken, werden zu einer Faszination: „Oh, das blubbert ja so lustig!“.
Constanze Gundlack alias „Streusel“ erinnert sich noch gut an ihren ersten Auftritt im neu errichteten Universitätskrankenhaus: „Damals haben wir imaginären Pudding von den gelben Wänden gekratzt und haben dann auch in allen anderen Zimmern die Zutaten für einen leckeren Kuchen gesammelt!“
Die fröhlichen Clowns finanzieren sich allein aus Spenden, die zum Beispiel für einen Workshop, Schminke oder Kleidung benötigt werden. Die Kostüme suchen sich die Ehrenamtlichen selbst aus oder nähen auch schon mal etwas Eigenes. Sie schmücken ein einfaches Hemd mit glitzernden Pailletten, allerdings ist ihnen die Mühe für das Lachen der Kinder wert.
Am 9. Dezember stellt sich der ehrenamtliche Verein mit vielen Fotos auf einer Ausstellung in der Stadtbibliothek vor. Schirmherr Erwin Sellering kann leider nicht vor Ort sein.
Wer also Interesse hat, die roten Nasen einmal persönlich kennen zu lernen und mehr über ihrer spannenden Arbeit zu erfahren, kann sich dann Anfang Dezember selbst ein Bild von ihnen machen.
Und bis dahin bleibt noch genug Zeit sich eine rote Clownsnase zu besorgen und das triste Studentenleben ein bisschen bunter und lustiger zu machen.
Fotos: Grypsnasen e.V. – Kein CC
von moritz.magazin | 06.10.2010
Ein Wissenschaftler appelliert an den freundlichen Affen in uns
Die Fähigkeit zur Empathie war entscheidend, damit die Menschheit an die Spitze des evolutionären Stammbaums gelangen konnte. Frans De Waal, renommierter Zoologe und Verhaltensforscher, plädiert darum für eine gütigere Gesellschaft. Er fordert, dass die menschliche Kompetenz, sich in die Gefühlslagen und Vorstellungswelt anderer Lebewesen hinein versetzen zu können, nicht länger unterschätzt werden darf. Der Naturwissenschaftler warnt vor der Fokussierung auf den Egoismus bei der Betrachtung evolutionärer Prozesse. Die Schlussfolgerungen mancher Ökonomen für die menschliche Gesellschaft seien „extrem gefährlich.“
Jeder ist sich selbst der Nächste. Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht. Das sind populäre Redewendungen im Alltag. Wenn nicht zu zustimmendem Gelächter, führen sie vielleicht zur Überlegung, ob da nicht etwas dran sein könnte. Charles Darwin ist schließlich damit berühmt geworden, gleichgültig und egoistisch wirkende Mechanismen als fundamentale Grundlage des ewigen Wettbewerbs der Individuen und einer evolutionären Entwicklung wissenschaftlich zu belegen.
Egoistische Prinzipien und der natürliche Sinn zum Eigennutz werden überschätzt, meint dazu Frans De Waal. In seinem Buch „The Age of Empathy: Nature’s Lesson for a kinder society“ erklärt er, warum Merkmale evolutionärer Prozesse nicht zu simplen und vorschnellen Schlüssen führen dürfen. Er warnt dabei vor drastischen Konsequenzen.
Der Naturwissenschaftler Frans de Waal warnt vor der Fokussierung auf den Egoismus bei der Betrachtung evolutionärer Prozesse.
Der 61-Jährige ist Lehrstuhlinhaber für Psychobiologie an der US-amerikanischen Emory University und Leiter eines Primatenforschungszentrums. Der Forschungsschwerpunkt des gebürtigen Niederländers liegt bei Schimpansen und Bonobos. Die Erforschung der tierischen und menschlichen Entwicklung von Kultur und Moral steht im Mittelpunkt seiner Arbeit und dabei beschäftigt er sich auch mit der Entstehung von Empathie und Altruismus. De Waal verfasste ein Plädoyer, den empathischen Fähigkeiten mehr Bedeutung zu zumessen.
Bekannt ist zwar, dass in erster Linie ein natürlicher Egoismus die treibende Kraft im täglichen Konkurrenzkampf ist. So einfach ist es allerdings nicht. Wer die Entwicklung der Menschen verstehen will, muss die Evolution differenzierter betrachten, betont De Waal. Und warnt vor falschen Schlussfolgerungen. Die Blindheit gegenüber der Bedeutung kooperativem und einfühlendem Verhaltens könne nur eine der Folgen sein, meint er.
Denn wie ein bleierner Schleier legt sich ein Generalverdacht über jede zwischenmenschliche Handlung: Es steckt doch nur ein egoistisches Motiv dahinter, bewusst oder unbewusst. Echten Altruismus gibt es nicht, so ein Argument mit dem Verweis auf wissenschaftliche Befunde. Das Dasein war und ist ein blutiger Kampf von allen gegen alle.
Andere beziehen sich auf religiöse Vorgaben zur unbedingten Nächstenliebe, um uneigennützige Handlungen zu motivieren. Eine gottlose Welt wäre von Egoismus und Hass geprägt, predigte zum Weltjugendtag in Madrid vor einigen Wochen etwa Papst Benedikt XVI. den Tausenden Jugendlichen in seiner Botschaft und warb für seine Kirche. Er sieht in westlichen Ländern eine „Gottesfinsternis“. Sind deren Bewohner ohne die Hypothese „Gott“ also wirklich so voll Egoismus und Hass? Ein Blick auf den Global Peace Index lässt daran zweifeln. Dort zeigt sich: Säkulare und wenig religiöse Gesellschaften gehören zu den friedlichsten der Welt.
Und diesen liefert Frans de Waals vielleicht auch gleich noch neue Inspirationen für eine stärkere Wahrnehmung der menschlichen Empathie. Denn wohl jeder spürt, dass zwischenmenschliches Handeln glücklich machen kann und nicht bei jeder Kooperation ausschließlich der Gedanke an den individuellen Vorteil im Vordergrund steht. Oder wirkt hinter allem doch nur ein unbewusster Wahn? (mehr …)
von moritz.magazin | 06.10.2010
Unwillige Einwanderer, dumme Unterschichtler und „Judengene“: Thilo Sarrazin nimmt alle mit in seinem Debatten-Rundumschlag. Er liebt die Provokation – vor allem, wenn alle mitmachen.
Schafft Deutschland sich selbst ab?
Der „Spalter der Nation“ (Der Spiegel) hat geniest. Laut und sehr unhöflich – wie immer. Keiner ist bereit, ihm ein Taschentuch zu geben. Angeekelte Gesichter meiden ihn, Unverständnis, erstes kritisches Gemurmel macht sich breit. So etwas macht man einfach nicht in der Öffentlichkeit. Nicht vor den Kindern. Nicht so – das hat Konsequenzen. Der Mann muss weg.
Sarrazin – Biologe, Bildungspolitiker, Eugeniker? Ernährungsberater, Bundesbanker, Sozialdarwinist, Rassist? Ausländerbeauftragter? Auf jeden Fall: Sarrazin gegen den Rest der Welt.
Der 65-jährige hält nicht still, muss andauernd Zustände kommentieren – ob aus fundierter Sachkenntnis, egozentrischer Überzeugung oder vielleicht sogar einer gewissen Erheiterung gegen vorhandene und scheinbare Tabus vorzugehen. Warum also nicht aus jemanden mit großer Klappe Profit schlagen?
Denn neben dem Autor kann sich auch der Bertelsmann-Konzern über den erfolgreichen Bestseller freuen. Eine Auflage von über 650 000 Exemplaren ist erreicht. Unkommentierte Auszüge im Spiegel und eine voreilige oberflächliche Kritik durch die Politik helfen gerne. Kanzlerin, Bundespräsident und der SPD-Parteivorsitzende reihten sich schnell in die immer größer werdende Kritikerschar ein. Die Pressewelt kann sich durch Sarrazin über starke Auflagen freuen. Eine Medienkampagne hat erfolgreich funktioniert. (mehr …)
von moritz.magazin | 06.10.2010
Das Zwischenlager Nord nahe Lubmin erwartet in den nächsten Monaten radioaktiven Müll aus Südfrankreich und Karlsruhe
Das stillgelegte Atomkraftwerk Greifswald in der Nähe von Lubmin aus der Luft
Laute Sirenen tönen und fiepen bis in jede Synapse der Ohren. Mit viel Druck ertönt während des Störgeräusches eine undeutliche dröhnende Frauenstimme: „Bitte verlassen Sie sofort das Gelände“ oder ähnliches ist noch knapp verständlich in der 28000 Quadratmeter großen Halle, die von grauen, ungeheuerlich wirkenden – zehn Meter großen – Betonwänden umgeben ist. Blaue Riesenquader sind bis zu Vierer-Reihen aufeinander gestapelt. Gelbe Tonnen mit dem radioaktiven Warnsymbol stehen geordnet in Reih und Glied. Steriles grelles Licht beleuchtet das Innere der überdimensionalen Halle, welche am Rand des Naturschutzgebiets Lubminer Heide liegt. In direkter Nachbarschaft ragen die großen tristen Quaderblöcke des abgeschalteten Kernkraftwerks bei Lubmin in den Himmel. Von dort werden abgebrannte Brennelemente und andere – mit Strahlung kontaminierte – Maschinenteile in das eigens dafür angelegte Zwischenlager Nord (ZLN) transportiert, damit sie dort abgeschottet von der Außenwelt ausstrahlen können und einen Großteil ihrer Strahlung verlieren.
Während alle, die sich im ZLN befinden, eine ebenso grau in grau wirkende Tür öffnen und sich vor dem grollenden Warnsignal im Umkleideraum sichern, verbietet das Feueralarmgeräusch jegliche Konversationen. Am Kontrollpunkt zum ZLN wirkt die Situation entspannt, es scheint offensichtlich, dass Begebenheiten wie diese Routine sind bei den Mitarbeitenden. Es wird gelacht, sich ausgetauscht, eine Zigarette geraucht, bis der Alarm vorbei ist. Es käme öfter vor, dass Probealarme stattfinden, erfahren wir während des gemeinsamen Abwartens. Allerdings nur Fehlalarm, wie Marlies Phillip, Pressesprecherin der Energiewerke Nord GmbH (EWN) uns später mitteilen wird. (mehr …)
von moritz.magazin | 06.10.2010
Eine Studie aus Nordrhein-Westfalen ermittelte Greifswald zur kreativsten Stadt in Mecklenburg-Vorpommern
Greifswald ist die kreativste Stadt in Mecklenburg-Vorpommern. Das zumindest behauptete die Greifswalder Ostsee-Zeitung Ende August auf ihrer Internetplattform sowie der NDR 1 in seinen Nachrichten. Sie stützen sich damit auf eine Studie der Beratungsfirma „agiplan“ (Nordrhein-Westfalen), die das kreative Potenzial von kreisfreien Städten in ganz Deutschland untersuchte. Gemessen wurde dieser Ideenreichtum anhand der Theorie der „Kreativen Klasse“ von Richard Florida (USA), bei der es sich um eine Wirtschaftstheorie handelt. Kreativität und Innovation werden hier als Standortsfaktor für Unternehmen und das ökonomische Wachstum einer Region festgelegt. (mehr …)