Hartmut Lutz, Lehrstuhlinhaber für Amerikanistik/Kanadistik geht nach 16 Jahren in den Ruhestand. moritz sprach mit ihm über seine Erfahrungen mit der Universität, sowohl die negativen als auch die positiven.

moritz Sie gehen ab April nächsten Jahres in den Ruhestand. Haben sie sich schon etwas Bestimmtes vorgenommen?
Hartmut Lutz Die ersten Träume sind mal richtig faul zu sein. Das ist natürlich kein abendfüllendes Programm. Aber ich würde gerne Wochenenden für mich selbst haben. Ich würde auch gerne sehr viel Zeit mit meiner Frau verbringen. Seit ein paar Jahren arbeite ich an einem Buch über die Geschichte der indianischen und indigenen Literatur in Kanada, welches ich gerne fortführen würde. Ebenfalls wird die wissenschaftliche Arbeit weitergehen. Da ich Auslandsbeauftragter war, werde ich sicher auch im Rahmen des Erasmus Programms Gastdozenturen in Island und Finnland antreten. Außerdem habe ich eine Anfrage aus Stettin.

moritz Gibt es Dinge, die sie an der Universität vermissen werden?
Hartmut Lutz Was ich sicherlich vermissen werde, sind die Studierenden. Ich arbeite sehr gerne mit Studierenden zusammen. Auch einige meiner Kollegen und Kolleginnen sowie arbeitsbedingte Rituale, wie Frau Möllers Tee, werde ich vermissen. Ebenfalls fehlen werden mir die Diskussionen und die Lehre. Es ist ein Privileg mit jungen Menschen zusammenarbeiten zu können und mitzuerleben wie diese sich entwickeln. Ich sage immer, die Studierenden sind an der Uni, damit das Licht zwischen den Ohren angeknipst wird. Selbst in einer Vorlesung von über 100 Leuten sehe ich manchmal an den Reaktionen und Gesichtern – jemand fängt an nachzudenken oder hat ein Erlebnis. Und diese Momente sind die Momente, für die man als Lehrender lebt. Mein Ziel ist es, dass die Universität ein Ort ist, in dem man sich verständigen kann, in dem man Gedanken entwickeln kann, in dem man sich selbst entwickeln kann und sich austauscht. 

moritz Und das ist im Moment nicht der Fall?
Hartmut Lutz Manche Strukturen, die wir haben sind da eher kontraproduktiv. Das liegt nicht an der Universität, sondern an Bologna und an der stärkeren curricularen Durchstrukturierung der Studiengänge. Viele Freiräume, die wir früher hatten, verschwinden und Zeit zum Lernen und Nachdenken ohne Zeitdruck bleibt immer weniger. Von daher bin ich froh, dass ich die weiteren Entwicklungen nicht mit vorantreiben muss. Ich habe damals auch für die Bachelor Studiengänge gestimmt. Irgendwo leuchteten mir die Argumente ein, dass wir weniger Studienabbrecher haben würden, da die Leute schneller durch das Studium kommen und sie kumulativ ihre Punkte sammeln. Aber ich habe den Eindruck, dass es in dem Sinne nicht eingetreten ist. Mir tun manchmal die Bachelor-Studenten leid, wie sie unter permanentem Zeitdruck Erfolge ablegen müssen, ohne Freiräume zu haben. Das Semester 1969 in Tübingen war ein Streiksemester. Und ich habe nie so viel gelernt und gelesen wie in diesem Semester. Ich verstehe auch völlig die Sorgen der Studierenden, die angesichts hoher Arbeitslosigkeit und Existenzsorgen sagen: „Ich muss da so schnell wie möglich durch.“

moritz Was werden sie denn an der Universität nicht vermissen?
Hartmut Lutz Den stetigen Kampf ums Überleben. Schon damals als ich anfing ging es los mit Diskussionen, dass unser Fach, die Anglistik/Amerikanistik, reduziert werden sollte. Wir haben dann eine internationale Kampagne gestartet. Wir haben sehr viel Unterstützung bekommen und das war dann vom Tisch. Doch dann kamen Vorschläge auf, wenigstens die Amerikanistik zu streichen, teilweise sogar aus dem eigenen Haus. Dieser Umgang miteinander hat Kraft gekostet und es war einfach ärgerlich. Es wird auch immer mehr Arbeit aus der Verwaltung in das Institut zu den Lehrenden verlagert. Was ich auch nicht vermissen werde, ist der Name dieser Universität. Wir haben uns bemüht vor zehn Jahren schon eine Diskussion zu beginnen. Diese hat nicht stattgefunden, stattdessen wurden wir in der Öffentlichkeit abgestraft. Als die Studierenden es jetzt wieder aufgegriffen haben, war ich sehr froh. Dass der Senat sich letztendlich für den Erhalt entschieden hat, finde ich bedauerlich, aber es ist eine Entscheidung.
Ich möchte mich an dieser Stelle bedanken bei allen Studierenden und Kolleginnen, die das Glück mit in meine Richtung geschoben haben.

moritz Herr Lutz, vielen Dank für das Gespräch.

Interview und Foto von  Roland Schmidt