Stücke der Decke lösten sich aus dem Mauerwerk des Historischen Instituts. Das Gebäude wurde wegen Einsturzgefahr vollständig gesperrt. Die Verantwortlichen schieben sich gegenseitig die Schuld zu.

Die neuen Räume des Historischen Institutes sind inzwischen technisch gut ausgestattet

Am 24. September brach die Raumplanung des Historischen Institutes komplett zusammen. Nachdem gut zwei Wochen vorher Teile des Deckenmaterials in der Fachbibliothek heruntergestürzt waren, wurde das Gebäude zunächst partiell und dann komplett gesperrt. Rostige Stahlträger und poröses traten deutlich hervor. Der Pressesprecher der Universität, Jan Meßerschmidt, erklärte, dass es sich bei der Sperrung um eine reine Vorsichtsmaßnahme gehandelt hätte. In der verbleibenden vorlesungsfreien Zeit konnte das Historische Institut in die Gebäude der ehemaligen Kinderklinik in der Soldmannstraße ausgelagert werden.

Während für alle Lehrveranstaltungen zu Semesterbeginn Räumlichkeiten zur Verfügung standen, mussten sich einige Mitarbeiter, darunter Dozenten und Professoren, kleine Räume in der Bahnhofstraße teilen oder standen komplett auf der Straße. Auch verblieben unverbesserte Hausarbeiten, Klausuren, Forschungsunterlagen sowie die Computer der Mitarbeiter im abgesperrten Gebäude. Gerade die unverbesserten Hausarbeiten waren für Bafög empfangende Studierende ein Problem, da diese ihre Ergebnisse zeitig einreichen mussten.

Das neue Gebäude der Historiker in der Soldmannstraße

Mittlerweile wurden für alle Mitarbeiter Räume in der alten Kinderklinik gefunden und nach einer Begutachtung durch einen Statiker konnten Akten und Computer aus dem Gebäude ausgeräumt werden. Der geschäftsführende Direktor des Historischen Institutes, Professor Thomas Stamm-Kuhlmann, erklärte, dass für die Seminare gut gesorgt sei und die neuen Büros zumindest teilweise von guter Qualität seien. Auch geht er davon aus, dass die Ergebnisse der Hausarbeiten und Klausuren jetzt „mit der üblichen Verzögerung“ bekannt gemacht werden. Auch die Studierenden haben ihre anfängliche Skepsis gegenüber den neuen Räumen größtenteils abgelegt, nur die abgelegene Lage wird weiterhin kritisiert.

Das größte Problem ist derzeit die Fachbibliothek des Historischen Institutes. Die Bestände befinden sich noch großteils im gesperrten Gebäude, auf sie kann nur aufwendig per Fernleihe zugegriffen werden. Teile der Bestände wurden bereits in die Zentrale Universitätsbibliothek am Beitzplatz umgelagert. Das Historische Institut kämpft laut Stamm-Kuhlmann dafür, dass die Bibliothek als geschlossener Bestand erhalten bleibt. Ob und an welchem Ort dies der Fall sein wird, steht allerdings noch nicht fest.

Zusätzlich wird die Alte Bibliothek in der Rubenowstraße ¬– auch hier sind für die Historiker interessante Bestände eingelagert – zumindest kurzfristig nicht zur Verfügung stehen. Sie ist voraussichtlich bis zum Ende des Jahres wegen Sanierungsmaßnahmen gesperrt.

Bevor der Betrieb im Stammgebäude des Historischen Institutes in der Domstraße 9a wieder aufgenommen werden kann, muss das Gebäude grundsaniert werden. Dass das Gebäude langfristig eher saniert als abgewickelt wird, hält Stamm-Kuhlmann schon auf Grund der Lage des Gebäudes für wahrscheinlich. Die Domstraße 9a liegt an exponierter Stelle auf dem historischen Campus, den die Universität als einen zentralen Standort des Lehr- und Forschungsbetriebs erhalten will.

Die Grundsanierung steht schon lange auf der Liste der geplanten Renovierungsvorhaben. Laut Stamm-Kuhlmann wurde schon 1997 bei seinem Amtsantritt an der Universität Greifswald davon geredet. Vor dem Deckensturz war die Sanierung allerdings erst für circa 2013 geplant. Stamm-Kuhlmann hofft, dass die Sanierung jetzt vorgezogen wird. Die Universität kann allerdings nur kleine Bauvorhaben selber durchführen. Größere Bauvorhaben, die aus Landesmitteln finanziert werden, führt der Betrieb für Bau und Liegenschaften (BBL) aus. Dieser wird zunächst ermitteln, welche Maßnahmen notwendig sind und dann die Kosten abschätzen. Laut dem Abteilungsleiter des Geschäftsbereiches Greifswalds, Uwe Sander, muss die Universität dann die Mittel aus ihrem Bauunterhaltungstitel auftreiben und die Maßnahme beantragen. Er könne deswegen keine Aussagen über den weiteren Zeitplan machen.

Der Charme der improvisiert wirkenden Hörsäle im alten Gebäude ging verloren, doch beklagen kann sich nach der glimpflich gelaufenen Krisenbewältigung wohl keiner.

Spricht man die Beteiligten auf Verantwortlichkeiten an, trifft man auf sehr unterschiedliche Aussagen. So kann die Universität laut Jan Messerschmidt und Waldemar Okon, der in der Bau- und Raumplanung der Universität arbeitet, nur Wünsche gegenüber dem BBL ausdrücken, die Durchführung obliegt dann diesem. Wenn den Wünschen der Universität vollauf entsprochen worden wäre, wäre das Historische Institut schon lange renoviert worden. Auch betonte Herr Okon noch einmal, dass es sich lediglich um ein kleines Stück Putz gehandelt habe, und die Sperrung eine reine Vorsichtsmaßnahme sei.

Herrn Sander vom BBL hingegen erklärt, dass der BBL lediglich die Wünsche der Universität ausführe. Weiter erklärt er, dass der bauliche Zustand der älteren Universitätsgebäude und eventueller Sanierungsbedarf gemeinsam mit der Universität unlängst in ein dickes Papier gegossen seien. Allerdings sei nicht genug Geld da, um alle notwendigen Sanierungen sofort anzugehen.

In diesem Punkt stimmen BBL und Universität überein. Rektor Rainer Westermann erklärte während seines Vortrags im Rahmen der 24-Stunden Vorlesung, dass der Sanierungsbedarf zurzeit circa 144 Millionen Euro betrage und in diesem Betrag die Gebäude Klinik nicht enthalten seien. Im weiteren Verlauf seines Vortrages kritisiert er aber wiederum die allzu bürokratischen Strukturen des BBL.

Für alle Beteiligten scheint der Schuldige festzustehen: die Anderen. Diese Form der Schuldzuweisung hilft allerdings niemandem weiter und könnte eine der Ursachen für die viel zu lange vernachlässigten Sanierungsmaßnahmen am Historischen Institut sein. Fest steht, dass eines der wichtigsten Institute der Philosophischen Fakultät kurzfristig sein Gebäude verloren hat und damit die Attraktivität und Reputation des Institutes gefährdet wurde. Der relativ glimpfliche Verlauf dürfte vor allem darauf beruhen, dass das Gebäude in der vorlesungsfreien Zeit gesperrt wurde. So hatte die Universität bis zum Anlaufen des vollen Institutsbetriebes mehrere Wochen Zeit, um Maßnahmen zu ergreifen.

Ein Bericht von Patrice Wangen und Florian Bonn mit Fotos von Roland Schmidt