Mehr als fünf Monate ist es nun her, dass Frau Prof. Dr. Katharina Riedel am 21.10.2020 zur neuen Rektorin unserer Universität gewählt wurde. Bevor nächste Woche das Sommersemester startet, soll Frau Riedel morgen nun auch feierlich in ihr Amt eingeführt werden. Natürlich ist aufgrund der aktuellen Situation dieses Mal dabei einiges anders, als man es von vergangenen Investituren gewohnt ist.
Eine AStA-organisierte „After-Investitur-Party“ mit ehrenvollem Bieranschlagen wie bei der scheidenden Rektorin Prof. Dr. Weber wird es wohl nicht geben. Auch wird der morgige Festakt nur in verkürzter Form und in kleinerem Kreis in der Aula stattfinden. Und selbst die namensgebende Bekleidung mit dem Rektor*innentalar muss wegen Abstands- und Hygieneregeln leider ausfallen. Die jahrhundertealten Insignien – Ring, Kette, Zepter und Mantel – werden sicher trotzdem ihre Verwendung finden. Und auch auf die Reden der beiden Rektorinnen und den Amtseid müssen wir nicht verzichten. Außerdem wird die Bildungsministerin von MV, Bettina Martin, morgen der Veranstaltung beiwohnen.
Alle, die nicht zum engsten Uni-Kreis gehören, können die Amtseinführung ab 11 Uhr live aus der Aula verfolgen. Zum Stream gelangt ihr entweder über die Startseite unserer Universität oder über die Social-Media-Kanäle auf Youtube und Facebook. Der Stream auf Youtube ist sogar schon eingerichtet – wenn ihr wollt, könnt ihr euch also jetzt schon gebannt mit einer Tasse warmem Kaffee und einer Decke vor euren Laptop setzen. Vielleicht kommen beim Warten sogar ein paar fast vergessene Konzert-Vibes wieder auf.
Auf der Veranstaltung soll u.a. auch ein Kurzfilm zur Geschichte der feierlichen Investitur gezeigt werden. Falls ihr euch vorab schon informieren wollt, findet ihr hier eine Erklärung der einzelnen Rituale und einen historischen Abriss der Veranstaltung.
Wenn ihr unsere neue Rektorin Frau Prof. Dr. Riedel etwas näher kennenlernen wollt, könnt ihr euch bei moritz.tv ein Interview mit ihr ansehen.
Morgen wird nicht nur die Rektorin selbst, sondern auch das gesamte neue Rektorat offiziell seine Arbeit aufnehmen – allerdings ohne studentische*n Prorektor*in.
Vom 12. bis zum 14. Januar 2021 finden an der Universität Greifswald die Gremienwahlen für die nächste Legislaturperiode statt. Hier findet ihr eine Liste mit allen zugelassenen Wahlvorschlägen für den Senat und die Fakultätsräte, alphabetisch und nach Fakultät sortiert, damit ihr die Kandidierenden möglichst schnell nach bekannten Namen absuchen könnt. Für alle, die auch bereit sind, jemand Unbekanntes zu wählen, haben wir den studentischen Bewerber*innen einen Fragebogen geschickt, damit ihr sie vor der Wahl noch näher kennenlernen könnt — ab dem 05.01.2021 werden wir die eingereichten Antworten auf dem webmoritz. veröffentlichen.
Senat
Hier dürft ihr insgesamt 12 Vertreter*innen wählen. Ihr könnt eure Stimmen auf mehrere Personen verteilen und dürft dabei einem*r Bewerber*in jeweils bis zu zwei Stimmen geben.
Wahlvorschlag 1: „Progressiv-Ökologische Liste“
Name
Fakultät
Annalena Mangels Lea Alexandra Siewert
Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät
Benjamin Bleis Fiedje Moritz Hannes Damm Katharina Zeterberg Luna Münster Melissa Seidel Nikolas Peter
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Enno Krüger Sandra Grubert
Philosophische Fakultät
Axel Florian Aschenbrenner Charlotte Emilia Sigel Hannah Sudharshani Wagner-Gillen Steffen Remmert
Universitätsmedizin
Wahlvorschlag 2: „Liberale Liste“
Name
Fakultät
Theodoros Weiße Tim Erik Harald Seidensticker Vincent Arndt
Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät
Bianca Mägdefrau Johannes Johnke Nicole Bössel
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Marcel Welkert Marcel Zahn Maximilian Gerhard Klaus Maximilian Schutt Rick Sobirai
Philosophische Fakultät
Hannes Keppler Susanne Schmidt
Universitätsmedizin
Bert Krames
Theologische Fakultät
Wahlvorschlag 3: „Solidarische Universität„
Name
Fakultät
Yannick van de Sand
Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät
Bennet Buchholz Friederike Pautz
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Anna Katharina Kassautzki Anna Lisa Alsleben Björn Ahlers Erik Wendlandt Fabian Fleßner Felix Willer Hennis Herbst Jonas Wolf Laura Schirrmeister Lena Elsa Droese Marvin Müller Niclas Lenhardt Niklas Michel
Philosophische Fakultät
Anna Kunow Christine Julia Drzyzga Yvonne Knoppik
Universitätsmedizin
Wahlvorschlag 4: „Theologische Liste„
Name
Fakultät
Christian-Hubertus Peters
Theologische Fakultät
Nico Angelo Witteborn
Philosophische Fakultät
FakRäte
Theologische Fakultät
Hier dürft ihr insgesamt 2 Vertreter*innen wählen. Ihr könnt eure Stimmen auf mehrere Personen verteilen und oder einem*r Bewerber*in zwei Stimmen geben.
Wahlvorschlag 1: „Golz, Hella“
Farina Sue Helmstädter Hella Golz
Wahlvorschlag 2: „Wir machen weiter!“
Christian-Hubertus Peters
Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät
Hier dürft ihr insgesamt 2 Vertreter*innen wählen. Ihr könnt eure Stimmen auf mehrere Personen verteilen und oder einem*r Bewerber*in zwei Stimmen geben.
Esther Erwin Tim Erik Harald Seidensticker Theodoros Weiße
Philosophische Fakultät
Hier dürft ihr insgesamt 2 Vertreter*innen wählen. Ihr könnt eure Stimmen auf mehrere Personen verteilen und oder einem*r Bewerber*in zwei Stimmen geben.
Wahlvorschlag 1: „Progressive Liste„
Enno Krüger Gina Gransee Josephine Winkler Marie Kamischke
Wahlvorschlag 2: „Freie Liste“
Marcel Welkert Maximilian Schutt Rick Sobirai
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Hier dürft ihr insgesamt 4 Vertreter*innen wählen. Ihr könnt einem*r Bewerber*in bis zu zwei Stimmen geben.
Johannes Hohenstein Maja Urschel Marvin Lemm Sara Kriszik
Universitätsmedizin
Hier dürft ihr insgesamt 4 Vertreter*innen wählen. Ihr könnt einem*r Bewerber*in bis zu zwei Stimmen geben.
Anna Flindt Axel Florian Aschenbrenner Frederick Valentin Ahlhaus Johanna Hagenah Lilly-Charlotte Albertsen Lisa Vossler Marvik Leich Matthias Wiemann Yola Meisel
Beitragsbild: Julia Schlichtkrull nach Avatar – Der Herr der Elemente (Nickelodeon) und Alfred J. Kwak (VARA, ZDF, TV Tokyo und TVE)
Weihnachtszeit ist Vorfreude und Geheimnistuerei, Nächstenliebe und Besinnung. Sie duftet nach heißem Glühwein, frisch gebackenen Keksen und mühsam gepellten Mandarinen. Der Dezember lebt von kleinen Aufmerksamkeiten und Traditionen, wie den Adventssonntagen mit der Familie, dem mit Süßigkeiten gefüllten Schuh am Nikolausmorgen und dem täglichen Öffnen des Adventskalenders. Weißt du noch, wie du jeden Tag vor Weihnachten aufgeregt aufgestanden bist, um vorfreudig zu deinem Schokoadventskalender zu tappen? Die moritz.medien verstecken das Weihnachtsgefühl hinter 24 Fenstern. Im heutigen Fenster: Ochse und Esel.
Seit heute bin ich stolzer Besitzer einer Katze. Oder zumindest darf ich für eine Woche auf sie aufpassen und ganz so stolz bin ich dann tatsächlich auch nicht. Immerhin sind die Katze und ich uns noch nicht so richtig grün oder zumindest scheint sie mehr Gefallen an den Bändern meines Rucksacks zu finden als an mir. Also sitze ich erst einmal hier auf dem Boden und beobachte die Katze genauso skeptisch wie sie mich über den Rand meines Laptops hinweg.
Ich denke über das unergründliche Verhalten von Tieren nach. Wie ausdruckslos ihre Gesichter manchmal zu sein scheinen, obwohl doch so viel in ihren Köpfen vor sich geht. Katze ist da genauso. Katze hat keine Emotionen in ihrem Gesicht, keine Worte für mich, Katze hat nicht einmal einen Namen. Das Argument ihrer Besitzer: Sie ist so ein eigenständiges Wesen. Warum sollten wir ihr also einen Namen geben? Weil doch jedes Tier einen Namen hat, in Filmen, Serien, Büchern, und wenn man es nach seinem Lieblingskochrezept benennt. Tiere haben Namen zu haben. Oder?
Wie hießen eigentlich Ochs und Esel? Und wieso heißen sie Ochs und Esel und nicht Esel und Ochs? Zumindest heißen sie so auf ihrer Wikipedia-Seite, die sie sich teilen. So wie ihren Platz an der Seite vom Jesuskind. Also praktisch nur Sidekicks in der Fantasy-Rom-Com Geburtstagsfeier. Wie Rosenkranz und Güldenstern. Vielleicht sind sie also doch nicht so eigenständig wie die Katze und verdienen gar keinen Namen. Oder dann erst Recht?
Katze kommt auf mich zu und stupst mir mit der Schnauze gegen den Oberschenkel, bevor sie mich zwei Mal umkreist und dann wieder in sicherem Abstand von mir Platz nimmt. Ich scheine auf der richtigen Spur zu sein.
Zwar ergänzt mein Handy die Suchfrage „Wie heißen Ochs und“ automatisch mit „Esel“, aber wirklich fündig werde ich bei der Recherche nicht. Scheint sich noch niemand gefragt zu haben. Dafür klingt der Artikel „Woher kommen Ochs und Esel?“ ganz spannend, denn das habe ich mich vorher noch gar nicht gefragt: Sind sie schon in dem Stall geboren oder erst dort hingezogen? Kommen sie aus Bethlehem oder mussten sie auch für die Volkszählung anreisen (und haben ebenfalls kein freies Hotelzimmer mehr bekommen)? Sind Ochs und Esel eigentlich zusammen?
Der Artikel gibt mir darauf keine Antworten. Oder vielleicht doch, nur indirekt. Denn irgendwie kommen Ochs und Esel weder aus Betlehem, noch wurden sie aus den Hotels der Stadt gekickt, aber ein Paar sind sie in gewisser Weise schon. Die beiden sind nämlich gar kein Teil von Jesu‘ biblischer Geburtstagsparty. Aber sie sind gemeinsam (und erst lange nach Jesu‘ Geburt) ein Teil davon geworden.
Ihren ersten Cameo haben Ochs und Esel bereits im Alten Testament. Hier werden sie gemeinsam in einem Vers im Buch Jesaja erwähnt: „Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn; Israel aber hat keine Erkenntnis, mein Volk hat keine Einsicht“ (sogar die Krippe wird hier schon mal genamedropped … sneaky). Ochs und Esel fühlen also beide die Zugehörigkeit zu ihrem Besitzer oder Herrn. Und Jesus wird als Herr der Menschen oder zumindest der christlichen Menschen angesehen, während sein Vater Gott quasi Besitzer der Menschen ist. Um zu zeigen, dass Jesus eine besondere Bedeutung für die Menschheit hat und selbst als Kind schon die Rolle ihres Herrn einnimmt, wurden später also Ochs und Esel davor gesetzt. Macht Sinn.
So einfach ist es dann aber doch nicht. Denn die beiden Tiere werden zwar in den vier Evangelien nicht erwähnt, die heute das Neue Testament der Bibel ausmachen. Das heißt aber nicht, dass es sie in biblischen Texten nicht gibt. Tatsächlich kommen sie nämlich im sogenannten Pseudo-Matthäus-Evangelium vor, einem der apokryphen Texte, also jenen, die aus inhaltlichen Gründen oder einfach aus Platzmangel nicht in die fertige Bibel mitaufgenommen wurden. Hier wird auch Jesu‘ Kindheit näher betrachtet und auch Ochs und Esel werden als Deko an seiner Krippe genannt. Im Mittelalter kannte man die apokryphen Texte noch, man nutzte sie als Grundlage für lyrische Texte und führte Mysterienspiele auf, die an ihnen orientiert waren. Sie machten sich nämlich hervorragend als beliebte Statisten – dem gemeinen Volk waren sie bekannt genug, um einen Hauch von Alltag in die Krippenszene zu bringen und Buchnerds, die das Alte Testament schätzten, freuten sich über das Comeback der alten Stars aus Jesaja.
Aber auch das scheint als Antwort auf die Frage, wer Ochs und Esel überhaupt sind, nicht zu genügen. Denn andere Quellen sehen neben ihrer Popularität als alttestamentarische recurring characters aus dem einfachen Volk vielmehr eine symbolische Bedeutung der beiden. Manche halten sie für eine Mahnung, da ja auch der kurze Auftritt im Alten Testament als Kritik am Volk Israel verpackt wurde, dass diese ihren Gott nicht mehr erkennen konnten oder wollten. Franz von Assisi (ein wahrer Theaterliebhaber – er war der Erste, der zu Weihnachten ein Krippenspiel veranstalten ließ) wollte damals das gemeine Volk als Darsteller für seine Aufführung haben. Um die Schlichtheit der Krippenszene noch weiter zu verdeutlichen, forderte er die Menschen auf, auch einen Ochsen und einen Esel mitzubringen. Dabei soll ein solcher Wettkampf entstanden sein, dass ein Richter entscheiden musste, welcher Ochse und welcher Esel denn jetzt auftreten dürfe. Zum großen finalen Song des Stückes sollen übrigens auch Ochse und Esel (also die, die am Ende die Rolle bekommen haben) in lautstarkes Geschrei eingefallen sein (es ist nicht überliefert, ob ihnen vielleicht einfach die Musik nicht gefallen hat). Wieder andere sehen, beruhend auf dem Jesaja-Text, in dem Ochsen das Volk Israel und in dem Esel die Heiden. So könnte man sogar sagen, Jesus vereinigt alle Völker, unabhängig vom Glauben, vor seiner Krippe.
Katze ist mittlerweile eingeschlafen. Sie hat sich noch von mir den Bauch kraulen lassen und dabei genüsslich geschnurrt. Ich glaube, das mit der Freundschaft wird langsam. Eine Woche und sie wird der Ochse zu meinem Esel sein. Oder anders herum. Aber spielt das überhaupt eine Rolle? Egal, welche Interpretation man sich anschaut, um eines geht es dabei in allen: Gleichheit. Eine Gleichheit verschiedener Völker, eine Gleichheit des gemeinen und des besser betuchten Volkes, eine Gleichheit der Menschen und dem Jesuskind, Gott. Und wenn Ochse und Esel eine solch wichtige Funktion erfüllen – welche Bedeutung spielen dabei schon Namen?
Weihnachtszeit ist Vorfreude und Geheimnistuerei, Nächstenliebe und Besinnung. Sie duftet nach heißem Glühwein, frisch gebackenen Keksen und mühsam gepellten Mandarinen. Der Dezember lebt von kleinen Aufmerksamkeiten und Traditionen, wie den Adventssonntagen mit der Familie, dem mit Süßigkeiten gefüllten Schuh am Nikolausmorgen und dem täglichen Öffnen des Adventskalenders. Weißt du noch, wie du jeden Tag vor Weihnachten aufgeregt aufgestanden bist, um vorfreudig zu deinem Schokoadventskalender zu tappen? Die moritz.medien verstecken das Weihnachtsgefühl hinter 24 Fenstern. Im heutigen Fenster: Dein eigener persönlicher Weihnachtsmarktspaziergang.
Kein Weihnachtsmarkt in diesem Jahr? Nicht mit uns! Hier hast du die Möglichkeit, deinen Weihnachtsmarktspaziergang anzutreten und ihn genauso zu gestalten, wie du es sonst auch getan hättest. Folge dafür einfach den Zahlen (dieses Mal mit erhöhter Schwierigkeit: Musst du zur 4.1, zur 4.2 oder doch zur 4.5?).
1 Aufbruch
Du beginnst deinen Weihnachtsmarktspaziergang in Kälte und Finsternis. Aber es ist eine angenehme Kälte, eine bei der Schnee in der Luft zu liegen scheint, und die Finsternis ist von unzähligen Weihnachtslichtern durchbrochen. Eigentlich warst du mit einem Freund verabredet, aber der hat spontan absagen müssen. Egal. Machst du dir eben allein einen schönen Abend. Auch das blecherne Last Christmas aus den Lautsprechern des Riesenrads wird dir nicht die Laune verderben. Vielleicht kannst du dem Lied ja sogar eins auswischen, indem du erst recht ins Riesenrad steigst (5.1)? Oder du gehst lieber erst mal auf sicheren Abstand zu dröhnender Weihnachtsmusik und holst dir ganz entspannt eine Tüte gebrannte Mandeln am anderen (ruhigeren) Ende des Weihnachtsmarktes (2.1).
2 Gebrannte Mandeln
2.1 Die gebrannten Mandeln konnten deine Stimmung tatsächlich jetzt schon deutlich erhellen und deine Hände erwärmen. Versetzt worden zu sein fühlt sich schon gar nicht mehr so schlimm an, so ersparst du dir wenigstens den nervigen grölenden Gesang, in den dein Freund immer schon nach dem ersten Glühweinbecher einfällt. Apropos Glühwein. Der Stand sieht tatsächlich verlockend aus (4.1), andererseits hast du von dutzenden Weihnachtsmarktbesuchen mit deinem Freund eine so große PTBS, dass du überlegst, lieber nur ganz entspannt ein paar Lose zu ziehen (7.1).
2.2 Dir ist zwar noch immer etwas flau im Magen, aber der Kinderchor und die Mandeln haben deine Stimmung wenigstens wieder ein etwas auflockern können. In deinen Ohren klingelt immer noch das trällernde „Oh Tannenbaum“ wieder, und auch deine Hände und dein Bauch fühlen sich jetzt wohlig warm an. Die Süße der Mandeln (und der singenden Kinder) scheint dir gut getan zu haben. Also noch etwas Süßes? Wie wäre es mit einem Lebkuchenherz (10.4) oder einfach gleich noch einer Tüte gebrannter Mandeln (2.4)?
2.3 Die gebrannten Mandeln liegen wenigstens nicht so schwer im Magen wie die Lebkuchenherzen und ihre wohlige Wärme lässt dich langsam auch wieder die Übelkeit vom Riesenrad vergessen. Dafür wirkt der Glühweinstand nach dem ganzen Essen jetzt aber echt nicht mehr so verlockend. Du beschließt vielmehr, dass du etwas brauchst, um die Stimmung weiter zu heben. Ein kleines Weihnachtsgeschenk für dich könnte da Abhilfe schaffen und selbst schenken macht ja bekanntlich auch immer Freude. Wie wäre es also mit ein paar Losen an der Losbude (7.3)? Oder doch lieber gleich direkt vom Weihnachtsbaum in der Mitte des Marktes eins mitgehen lassen, just for fun (11.3)?
2.4 Was für eine dämliche Idee, gleich noch eine Tüte Mandeln zu verdrücken. Nicht nur, dass die Übelkeit vom Riesenrad zurückkommt, du bekommst auch noch so starkes Sodbrennen, dass du glaubst, dein Magen und dein Hals würden komplett in Flammen stehen. Dein nächster Schritt führt jetzt nur noch zu einer Bank, auf die du dich erschöpft sinken lässt, während du dein Handy aus der Tasche ziehst, um den Notarzt zu rufen. Diagnose: Zuckerschock. Da kann der freundliche Weihnachtsmann auch nicht mehr helfen, der dir zur Aufmunterung einen Schokololli schenken möchte. Dir wird von dem Anblick schon so schlecht, dass du dich übergeben musst.
3 Ende Variante 1
3 Plötzlich spürst du etwas Kühles und Feuchtes auf deiner Nasenspitze, das dich aufschauen lässt. Über dir hat der Himmel ein dreckiges Ocker angenommen. Und von der schlammigen Farbe rieseln ganz seicht und weiß wie Zucker die ersten Schneeflocken des Jahres zu Boden. Du kannst nicht aufhören zu lächeln bei dem Anblick. Der Kinderchor stimmt mit mittlerweile vor Kälte leicht zittrigen Stimmen „Schneeflöckchen Weißröckchen“ an. Was für ein perfektes Ende für einen gelungenen Weihnachtsmarktabend.
4 Glühweinstand
4.1 Anscheinend ist deine Alkoholtoleranz auch nicht so viel größer als die deines Freundes. Deine Hände sind immer noch warm von den gebrannten Mandeln, aber irgendwie scheinen sie nicht mehr das einzige an deinem Körper zu sein, was glüht. Vielleicht kann dir der Kinderchor ja den Kopf wieder etwas freipusten (6.2), oder du schwingst dich doch lieber aufs Riesenrad, das jetzt mit noch viel knalligeren Leuchtfarben trotz grauenvoller Musik doch ganz einladend aussieht (5.3).
4.2 Nach zwei Bechern Glühwein bist du gleich doppelt voll. Überfressen und mit schwirrendem Kopf stehst du in der Mitte des Weihnachtsmarktes und schaust dich um. Alles ist laut, alles ist grell und deine Stimmung wäre wohl ganz schön im Eimer, doch glücklicherweise kannst du nicht mehr so klar denken. Stattdessen fällt dir mit deinem berauschten Kopf ein, dass du noch ein Weihnachtsgeschenk vergessen hast – nämlich eins für dich! Glücklicherweise gibt es ja den Weihnachtsmann, der nicht weit entfernt von dir gerade zwei Kindern Schokolollis schenkt (8.2). Aber auch die Geschenke am Weihnachtsbaum glänzen dich so verlockend bunt an (11.1).
4.3 Was für eine weihnachtliche Glanzleistung. Jetzt bist du sowohl voll als auch dicht, und schwindelig ist dir auch immer noch. Schwankend kommst du vor dem großen Weihnachtsbaum zum Stehen und versuchst, einmal ruhig durchzuatmen. Doch das Funkeln der Pakete sticht dir penetrant ins Auge. Und irgendwie reizt der Anblick dich auch sehr, eins davon mitgehen zu lassen (11.1).
4.4 Wunderbar, nach zwei Bechern Glühwein kehrt sofort die Übelkeit vom Riesenrad zurück, und dein Kopf schwirrt jetzt auch noch. Und selbst der Kinderchor hört sich nach dem Alkohol gar nicht mehr so friedlich an. Das ist wirklich nicht der Weihnachtsmarktspaziergang, den du dir erhofft hast. Ein paar Schritte entfernt lässt der Weihnachtsmann ein donnerndes „HOHOHO“ vernehmen, als wäre seine Stimmung nicht so sehr ruiniert wie deine. Stattest du ihm einen Besuch ab (8.2) oder machst du lieber einen weiten Bogen um den alten Mann und gehst sofort nach Hause (9)?
5 Riesenrad
5.1 Das Riesenrad ist eines dieser kleinen, schnellen Teile und nach den unzähligen Runden, die gar nicht mehr aufzuhören schienen, ist dir jetzt wirklich übel. Außerdem hat dir die Schlagermusik wirklich die Weihnachtsstimmung ruiniert. Vielleicht kannst du sie mit ein wenig Gesang vom Kinderchor zurückbringen (6.4)? Oder du holst dir einfach ein Lebkuchenherz für das weihnachtliche Feeling (10.2)?
5.2 Mit dem schweren Gefühl der Lebkuchen im Magen wird dir von dem kleinen, schnellen Riesenrad sofort kotzübel. Außerdem rutscht dir bei dem Versuch, dich hinaus zu lehnen, um eine bessere Aussicht zu haben, auch noch dein kleiner, hässlicher Teddy aus den Händen. Deine Stimmung ist also wirklich nicht mehr die beste, als du endlich wieder unten ankommst. Vielleicht kann dich noch der weihnachtliche Kinderchor etwas aufbauen (6.3)? Oder du trinkst deine schlechte Laune einfach mit etwas Glühwein weg (4.3)?
5.3 Toll, jetzt bist du nicht nur dicht, sondern dir ist auch noch übel. Das Riesenrad hat sich viel zu schnell gedreht und die Schlagermusik wirkte nach dem Glühwein so laut wie ein Düsenjet. In deinem vernebelten Kopf gibt es nur noch zwei Optionen, um den Abend wenigstens ein wenig freudig ausklingen zu lassen: Zum Schokolollis verteilenden Weihnachtsmann, um ein Geschenk abzusahnen (8.2) oder zum Weihnachtsbaum, um ein Geschenk abzusahnen (11.1)?
5.4 Das Riesenrad wäre mit dem vollen Magen wirklich nicht auch noch nötig gewesen. Es war nicht mal groß genug, um eine schöne Aussicht zu haben und hat sich einfach nur so schnell gedreht, dass es auf deinen Kopf abgefärbt zu sein scheint. Alles, was du jetzt nur noch tun kannst, ist müde und gegen die Übelkeit ankämpfend vom Weihnachtsmarkt zu torkeln (9).
6 Kinderchor
6.1 Was für ein besinnliches Weihnachtsfest! Zufrieden lächelnd lauschst du den Klängen des Kinderchores. Ihre Stimmen sind etwas zittrig und schwach, aber dafür strahlen die Kinderaugen, und das ist es doch, worum an Weihnachten geht! Noch mehr strahlende Augen leuchten dich von zwei anderen Enden des Weihnachtsmarktes an – ein paar von ihnen schauen zum Tannenbaum hinauf (11.2), vier andere starren erwartungsvoll auf die Schokolollis, die ihnen der Weihnachtsmann mit einem lauten „HOHOHO“ überreicht (8.3).
6.2 Deine Hände sind von der Tüte mit den Mandeln immer noch warm, deine Gedanken sind auch noch etwas träge, aber der Gesang der Kinder ist dafür umso besinnlicher. Als nächstes beschließt du, dich noch weiter zu amüsieren, indem du etwas typisch Weihnachtsmarktliches tust. Kaufst du dir lieber ein Lebkuchenherz (10.3) oder versuchst du mit ein paar Losen dein Glück, den großen flauschigen Teddy zu erhaschen (7.2)?
6.3 Puh, noch mal gerettet. Bei den friedlichen Gesängen der Kinder ist die Übelkeit von Riesenrad und Lebkuchenherzen auf der Stelle wie weggeblasen. Apropos weggeblasen: Du spürst einen sanften Luftzug an deinen kühlen Wangen, der dich direkt zum Weihnachtsmann mit den Schokolollis zu führen scheint (8.3)? Oder doch vom Weihnachtsmarkt hinunter und nach Hause (der dicke Mann ist dir ein bisschen suspekt …) (3)?
6.4 Nach dem schrillen aber heiteren „Lasst uns froh und munter sein“ ist dir wieder etwas wohliger zumute. Außerdem hat dich der Anblick der Kinder in ihren weißen Kleidchen mit den dicken Wollhandschuhen und Bommelmützen deutlich aufgemuntert. Um gleich bei der munteren Stimmung zu bleiben: Wie wäre es jetzt mit etwas Glühwein (4.4)? Oder doch lieber eine schöne warme Tüte gebrannter Mandeln (2.2)?
7 Losbude
7.1 Du gewinnst, aber nur so viel, wie jeder andere um dich herum auch zu gewinnen scheint, nämlich einen kleinen, hässlichen Teddybär, dessen Augen aussehen, als wäre eine OP schief gelaufen. Du freust dich trotzdem und beschließt, ihn Pilpert zu nennen. Pilpert möchte als nächstes zum Kinderchor (6.1) oder ein groooßes Lebkuchenherz verdrücken (10.1), er lässt dich aber entscheiden (vielleicht schielen seine Augen aber auch nur so sehr, dass er sowieso nicht selbst den Weg bestimmen könnte).
7.2 Der Teddy, den du von deinen Losen bekommst, ist zwar weder besonders groß noch besonders schön, aber das macht dir nichts aus. Auch ein kleiner hässlicher Bär hat liebende Eltern verdient. Und liebende Eltern gönnen ihren Kindern etwas Schönes: Wie wäre es also mit einem friedlichen Spaziergang zum Tannenbaum (11.2)? Oder einem Gang zum Weihnachtsmann, mit der Aussicht auf einen Schokololli (8.3)?
7.3 Du ziehst tatsächlich nur Gewinne und gehst mit dem größten Kuscheltier an der Losbude nach Hause. Das war am Ende doch noch ein ganz gelungener Weihnachtsmarktabend. Außerdem erfüllt es dich mit ein wenig Stolz, deinen überdimensionalen Teddy für alle anderen sichtbar im Arm zu halten. Willst du ihn noch ein wenig weiter ausführen und zuerst noch mal dem Weihnachtsmann einen Besuch abstatten (8.3), oder führt dich dein Weg doch gleich zurück nach Hause, um deinen Hauptgewinn schnell in Sicherheit zu bringen (3)?
7.4 Dass du den Hauptgewinn ziehst, hat gerade noch mal deine Stimmung gerettet. Mit wieder völlig gebesserter Laune und einem riesengroßen Plüschteddy im Arm, beschließt du dennoch, dass es langsam Zeit für den Heimweg wird, immerhin klingt die Übelkeit noch ein wenig nach (3). Ein kleiner Umweg zum Weihnachtsmann kann doch aber auch nicht schaden, oder? (8.3)
8 Weihnachtsmann
8.1 Der Weihnachtsmann schaut von den beiden Kindern, denen er gerade zwei Schokolollis überreicht hat, zu dir auf. Du grinst breit und fragst nach der leckeren Süßigkeit, aber irgendwie gehen seine Augen nur zu dem Geschenk in deinen Händen. Etwas beschämt versuchst du, es unter deinem Mantel zu verstecken, aber es ist bereits zu spät. Der Weihnachtsmann zieht anstelle eines Mini-Weihnachtsmanns am Stiel sein Handy aus dem Sack. Du kannst nicht sehen, welche Nummer er eintippt, aber dass es nur drei Ziffern sind, bemerkst du sogar in deinem benommenen Zustand. Das ist nicht unbedingt das Ende, das du dir von deinem Weihnachtsmarktspaziergang erhofft hattest.
8.2 Deine Schritte führen dich torkelnd zum Weihnachtsmann hinüber. Als er die Kinder beide mit einem Mini-Weihnachtsmann am Stiel fortgeschickt hat, wandert sein Blick auch zu dir. Er schenkt dir ein mitleidiges Lächeln, aber tatsächlich auch einen Schokololli. Du hättest dich gerne bedankt, wenn deine Zunge da noch mitgemacht hätte. Stattdessen grinst du nur dämlich und wankst mit deiner Beute vom Weihnachtsmarkt.
8.3 Du stellst dich brav in die Schlange hinter die Kinder (Schlangestehen und an der Schlange Vordrängeln sind immerhin zwei altbekannte Tugenden in Deutschland). Als du endlich an der Reihe bist und fragst, ob du auch einen Schokoweihnachtsmann am Stiel bekommen könntest, lacht der echte fleischliche Weihnachtsmann donnernd. Er greift aber trotzdem unbeirrt in seinen großen Sack und zieht einen Lolli für dich hervor. Du bedankst dich und wünschst ihm beschwingt Frohe Weihnachten, bevor du dich glücklich mit deinem Geschenk auf den Weg nach Hause machst (3).
9 Ende Variante 2
9 Über dir leuchtet der Himmel in einem dreckigen Ockerton und es ist noch etwas kälter geworden. Dann erklingt Kinderlachen, als die ersten dicken Flocken des Jahres sanft vom Himmel rieseln. Du bekommst davon nichts mehr mit. Statt dich über den Schnee zu freuen, hockst du zitternd und kotzend vor der Weihnachtspyramide.
10 Lebkuchenherzen
10.1 Das Lebkuchenherz war lecker, aber auch viel gewaltiger, als du es dir vorgestellt hast und es liegt erstaunlich schwer im Magen. Vielleicht kannst du ja hoffen, es mit etwas Glühwein hinunter zu spülen (4.2)? Oder denkst du, eine Runde Riesenrad könnte dir bei der Verdauung helfen? (5.2)
10.2 Nach dem unfassbar großen und viel zu süßen Lebkuchenherz ist dir nicht nur übel, du fühlst dich auch noch voll wie ein Weihnachtsgeschenk. Wie wäre es, noch etwas voller zu werden, und dir einen Becher Glühwein zu besorgen (4.3)? Oder vielleicht solltest du deinem Körper auch einfach mit einer Tüte warmer Mandeln etwas Gutes tun? (2.3)
10.3 Nach dem unfassbar großen Lebkuchenherz bist du jetzt richtig voll, und zwar im doppelten Sinne. Riesenrad zu fahren, scheint dir zwar jetzt wirklich nicht mehr die beste Idee zu sein, aber vielleicht ist die Aussicht von da oben ja ganz nett (5.4)? Oder du gehst zu etwas friedlicherem über und ziehst ein paar Lose (7.4).
10.4 Nach dem großen Lebkuchenherz fühlst du dich, als würdest du fast platzen, und nahe am Zuckerschock scheinst du mittlerweile auch noch zu stehen. Vielleicht kannst du die Schwere der Süßigkeiten ja mit etwas Glühwein vertreiben (4.3)? Oder doch lieber mit einem entspannenden Spaziergang zum Weihnachtsbaum? (11.2)
11 Tannenbaum
11.1 Du kicherst betrunken und fühlst dich wie ein richtiger Gangster, als du mit eingefrorenen Fingern das Band eines Weihnachtsgeschenks löst. Das kleine, bunte Päckchen fühlt sich zwar eindeutig leer an, aber das ist dir egal, stolz bist du trotzdem. Stolz und noch immer völlig dicht. Eigentlich solltest du jetzt sofort nach Hause gehen (9), aber gleichzeitig ist da auch noch dieser dicke lachende Mann im roten Mantel, der dich in seinen Bann gezogen hat (8.1).
11.2 Über dir leuchten die vielen kleinen in Glanzfolie eingewickelten Weihnachtsgeschenke am Tannenbaum, angestrahlt von den unzähligen strahlenden Lampen einer Lichterkette. Was für ein friedlicher Anblick. Der Moment ist so schön, dass du dich kaum dazu durchringen kannst, zu gehen, aber schließlich werden deine Füße doch ein wenig zu kalt vom bloßen Rumstehen. Eine Frage bleibt aber noch: Machst du dich sofort nach Hause auf (3) oder stattest du vorher dem freundlich lachenden Weihnachtsmann mit den Schokolollis noch einen Besuch ab (8.3)?
11.3 Du fühlst dich noch etwas benommen vom Zuckerschock und vom Riesenrad, aber vielleicht kann ja ein Geschenk vom Weihnachtsbaum deine Stimmung aufheitern? Die kleine Plastikkiste ist zwar leer, das merkst du, sobald du sie in die Hand nimmst, aber sie glänzt so verlockend. Deine eingefrorenen Finger brauchen ein bisschen, um das Band aufzuknoten, aber dann ist es geschafft. Diebesbeute sollte man eigentlich schnell in Sicherheit bringen (3), aber das „HOHOHO“ vom Weihnachtsmann in einigen Schritten Entfernung ist auch so verlockend, genauso wie die Aussicht auf einen Schokololli … (8.1)
Etwas verloren sitzt der kleine Messingklotz zwischen den Pflastersteinen. Die goldene Farbe glänzt aus dem matten Grau hervor, das gleiche Grau wie das des trüben Dezemberhimmels. Wer mit dem Fahrrad die Robert-Blum-Straße entlang kommt, fährt wohl leicht an dem Stein vorbei und auch als Fußgänger stolpert man eher über den noch leicht staubigen Fleck drum herum, der durch das Aufbrechen des Bodens entstanden sein muss. Aber es ist eine Anerkennung, so ein Stolperstein. Er erzählt von einem Menschen, der gelebt und gelitten hat, nur aufgrund dessen, was er ist. Kurt Brüssows „Verbrechen“ ist unter seinem Namen, seinem Geburtsdatum und Beruf angegeben: verurteilt nach §175.
So unauffällig wie der Stolperstein war für die breite Allgemeinheit wohl auch Kurt Brüssows Leben. Als Jürgen Wenke im Zuge seiner Nachforschungen zu dem Greifswalder Schauspieler 2020 auch auf Brüssows Enkelkinder trifft, sind selbst diese überrascht von dem Leben, das ihr Großvater geführt hat. Überrascht, überwältigt, aber auch stolz. Stolz, eine so starke Persönlichkeit in der Familienlinie zu haben.
Stärke spricht auch aus allen Lebensabschnitten, die Wenke in seiner Recherche über Kurt Brüssow zu Tage fördern konnte. Kurt Brüssow wurde am 9. Dezember 1910 in Stettin geboren. Er erlernte zuerst das Konditorhandwerk, bevor er sich ab 1931 am Theater Greifswald seiner wahren Leidenschaft widmete und Schauspiel studierte. Bis 1937 arbeitete er hier als Schauspieler, Sänger und Statistenführer. Dann, am 27. Juni 1937, die erste Verhaftung. Das Urteil: „widernatürliche Unzucht“. Kurt Brüssow ist für 6 Monate im Gefängnis und gilt ab jetzt als vorbestraft. Auch seine Anstellung am Theater verliert er, und da er zudem aus der Reichstheaterkammer ausgeschlossen wird, ist ihm auch die Option verweigert, eine weitere Anstellung als Schauspieler zu finden.
Der Ausschluss aus dem Berufsleben hat bereits 1933 mit der Machtübernahme der Nationalsozialist*innen jüdische Menschen getroffen, die im öffentlichen Dienst angestellt waren. Den Anti-Schwulen-Paragraphen 175 gibt es bereits seit der Kaiserzeit, 1935 wird er aber noch weiter verschärft: Strafbar sind nicht nur sexuelle Kontakte, sondern auch Küsse und sogar „wollüstige Blicke“. Die Strafe wird von Gefängnis auf bis zu 10 Jahre Zuchthaus erweitert. Treffpunkte von Homosexuellen werden durch Gestapo und Polizei bespitzelt, Razzien werden durchgeführt, Listen von namentlich bekannten Homosexuellen angelegt, Zeitschriften verboten, Vereine zerschlagen. Auch in der Presse wird öffentlich gegen Homosexuelle gehetzt, um die Vorurteile, die in der deutschen Bevölkerung ohnehin vorherrschen, weiter zu befeuern und Schwule zu „Volksfeinden“ zu erklären. Das Sonderdezernat Homosexualität der Gestapo, das 1934 geschaffen wird, bekommt 1936 Unterstützung durch die Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung. Das Ziel: die Zucht „arischer“ Menschen. Wer zu dieser Zucht nicht beitragen kann oder will, hat keinen Platz in der Gesellschaft.
Kurt Brüssow wird der Verbrecher-Klasse „homosexuell“ zugeordnet. Als er wieder aus dem Gefängnis entlassen wird, fängt er bei einer Versicherungsgesellschaft an, doch die Arbeit ist nicht von Dauer. Bereits 1938 wird er wieder verhaftet, diesmal wegen „fortgesetzten Verbrechens“ zu anderthalb Jahren Zuchthaus. Während dieser Zeit werden Brüssow und Kontakte von ihm so lange befragt, bis sie weitere Namen preisgeben. Dass Brüssow noch öfter „straffällig“ geworden ist, veranlasst das Landesgericht Stettin 1939 zu einer erneuten Strafe: In seinem „kriminellen Lebenslauf“ werden die Straftaten festgehalten, denen er sich schuldig gemacht hat, darunter homosexuelle Kontakte seit seiner Jugend. Er ist für die nationalsozialistische Regierung ein zu großer Dorn im Auge. 1939 wird Brüssow zu weiteren zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt, doch er wird anschließend nicht entlassen. Stattdessen bringt man ihn ins Konzentrationslager Auschwitz. Der Polizeibericht vom 11. April 1941 hält fest:
„Aus seinem ganzen Verhalten ist zu schließen, dass er auch nach Strafentlassung nicht von seiner anormalen Neigung lassen wird. Es ist daher angebracht, Brüssow bei Entlassung aus der Strafhaft wieder festzunehmen und in polizeiliche Vorbeugungshaft zu bringen.“
Heinrich Himmler, SS-Reichsführer und Chef der deutschen Polizei, hatte im Jahr zuvor erklärt, dass er homosexuelle „Mehrfachtäter“ nach dem Absitzen ihrer Strafe nicht mehr entlassen würde. Stattdessen werden sie unmittelbar in ein KZ deportiert, finden anstelle von Freiheit höchstens den Tod. Kurt Brüssow überlebt – als einer der wenigen. Die meisten kommen durch Erschießung, durch Folter oder durch langsame Auszehrung um, und wenn sie die Unterernährung überstehen, bringen es die schlechten hygienischen Bedingungen oder die schwere Sklavenarbeit zu Ende. Die Opfer des Nationalsozialismus sind nicht nur Homosexuelle und Jüd*innen. Es sind politische Gegner*innen und Kritiker*innen, Intellektuelle, Künstler*innen oder Wehrdienstverweigerer, Sinti und Roma und Behinderte. Das Prinzip ist simpel und gerade deshalb vielleicht so effektiv: „Teile und herrsche“, das betont Wenke in seiner biografischen Abhandlung über Kurt Brüssow immer wieder. Teile eine Gesellschaft in Gruppen mit unterschiedlichen Privilegien, unterschiedlichem Wert. Sorge so dafür, dass sie sich gegenseitig misstrauen, dass Uneinigkeit und Hass herrscht. Deine Macht ist gesichert.
Kurt Brüssow erhält die Häftlingsnummer 16642. Er bekommt zuerst den rosa Winkel, der ihn als Homosexuellen brandmarkt, später den roten Winkel der politischen Häftlinge, womit er zumindest darauf hoffen kann, bei den anderen im Ansehen zu steigen. Am 31. Januar 1942, nachdem Brüssow sich bereits drei Mal geweigert hat, freiwillig zuzustimmen, wird er zwangskastriert. Nicht sterilisiert, kastriert. Die Entfernung der Hoden geht nicht nur mit psychischen Schäden einher, vor allem auch die hormonellen Funktionen des Körpers leiden darunter. Brüssow ist von nun an auf eine hormonelle Behandlung angewiesen. Die freiwillige Kastration ist für viele Homosexuelle im KZ der letzte Hoffnungsschimmer auf Freiheit. Vom Arzt wird auf Brüssows Akte vermerkt, er habe sich gegen die Operation geweigert, da er glaube, bereits durch den Aufenthalt im KZ „geheilt“ zu sein. Vielleicht rettet ihm dieser Kommentar, gemeinsam mit den Bemühungen seiner Eltern, am Ende das Leben.
Im Februar 1944 wird Kurt Brüssow ins KZ Flossenbürg gebracht, im März 1944 entlassen und in Stettin unter Polizeiaufsicht gestellt. Die Reichstheaterkammer nimmt ihn zunächst nicht wieder auf, doch mit dem Ende der NS-Diktatur 1945 kehrt Brüssow nach Greifswald und damit auch ans Theater zurück. Hier heiratet er 1946, seine verwitwete Frau Margarete Gutjahr bringt zwei Kinder mit in die Ehe. Gemeinsam ziehen sie nach Putbus, wo Brüssow versucht, als neuer Leiter das Theater wieder aufzubauen, doch auch hier bleiben sie nur bis 1947, bevor sie aus der sowjetischen in die amerikanische Zone nach München ziehen. Hier wird Brüssow zuerst im Bayerischen Staatsministerium für Sonderaufgaben als Ermittler angestellt, wo er sich mit NS-Täter*innen befasst, dann steigt er zum öffentlichen Kläger auf und macht sich nach der Auflösung der Spruchkammern mit einem eigenen Kurierunternehmen selbstständig.
In seinen Bewerbungen, sowohl an den Theatern in Greifswald und Putbus als auch später in München, erwähnt Brüssow in seinem Lebenslauf zwar seine Gefängnis-, Zuchthaus- und KZ-Aufenthalte, nennt als Grund aber immer nur „staatsfeindliches Verhalten“. Denn bis auf die Abschaffung der Konzentrationslager hat sich kaum etwas getan im Nachkriegsdeutschland. Der von der nationalsozialistischen Regierung erweiterte §175a wird sogar bis 1969 unverändert in der BRD fortgeführt. Bis zu diesem Tag hätte Brüssow auch hier verfolgt und bestraft werden können, wegen der ihm angeborenen Art zu lieben, und hätte kaum eine Anstellung gefunden.
Auch die Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus wird ihm verweigert. Durch seine unerbittlichen Bemühungen und die Unterstützung durch seine Frau wird ihm zwar in der sowjetischen Zone schließlich der Status des OdF (Opfer des Faschismus) gewährt (als „aus Mecklenburg der einzige, der wegen Vergehen nach §175 bestraft ist und als O.d.F. anerkannt wurde“), in München laufen all seine Versuche aber ins Leere. Für vier lange Jahre kämpft Brüssow um Gerechtigkeit. In einem Schreiben von 1949 erklärt er, es ginge ihm nicht „um die Ehre und nicht um materialistische Vorteile […] Aus meinem Ehrgefühl heraus kann ich nicht einfach meine Nicht-Anerkennung hinnehmen“. Die Sympathien zur KPD, auf die Brüssow beharrt, genügen nicht, um als politischer Gegner anerkannt zu werden, denn die Behörden bestehen allein auf seine Verurteilung nach §175, an der sie nichts Falsches zu erkennen scheinen. Brüssow war und bleibt Straftäter und somit steht ihm keine Anerkennung des erfahrenen Unrechts zu. Während sozialdemokratische und kommunistische Inhaftierte, Jüd*innen und Zeugen Jehovas auf eine „Entschädigung“ hoffen können, bleibt diese Schwulen, „Asozialen“, Sinti und Roma, Behinderten und Kleinkriminellen verwehrt. Als deutlich wird, dass seine Bemühungen scheitern, schreibt Brüssow in einem Brief an die staatliche Ausführungsbehörde für Unfallversicherung:
„Meine Herren, es ist traurig, dass man als Heimatvertriebener und langjähriger KZ-Insasse den Gedanken hat, wärst du doch bloß im Lager umgekommen. So hättest du doch noch einen guten Zweck erfüllt, indem die Asche deiner Leiche als Felddünger Verwendung gefunden hätte.“
1969 wird der Paragraph 175 zwar nicht aufgehoben, aber abgeschwächt. Einvernehmliche sexuelle Handlungen zwischen erwachsenen Männern stehen zwar juristisch nicht mehr unter Strafe, doch es folgen auch weiterhin Berufsverbote und Stigmatisierungen. Von der Anerkennung Homosexueller als vollwertiger Teil der Gesellschaft und der Würdigung ihrer Leiden im Nationalsozialismus bekommt Brüssow nichts mehr mit. Er stirbt am 14. März 1988, dem 13. Geburtstag seiner Enkeltochter. Sechs Jahre später wird §175 endlich aus dem Strafgesetzbuch der BRD gestrichen. Die Urteile nach §175 werden erst 2002 aufgehoben, 57 Jahre nach dem Ende der NS-Zeit. Es wurde „die biologische Lösung abgewartet“, schreibt Wenke mit zynischem Unterton in seiner Brüssow-Biografie, „fast alle Männer, die in der NS-Zeit als Homosexuelle verfolgt und zu Unrecht verurteilt worden sind und überlebt haben, erfahren von der Einstellungsveränderung und der Aufhebung nicht mehr. Sie sind verstorben.“
Auch heute sind wir noch weit entfernt von einer gleichberechtigten Stellung in unserer Gesellschaft. Juristisch dürfen wir heiraten und adoptieren, werden von Teilen der Bevölkerung aber dafür belächelt oder verurteilt. Politiker*innen wie der Greifswalder Sascha Ott bezeichnen uns als „mikroskopische Randgruppe“, nennen die Toleranz, die uns und anderen Minderheiten zurecht entgegengebracht wird, so groß, dass es „bald bis zur Selbstverleumdung reicht“, und verbieten uns ein einfaches Stück Stoff zu zeigen, um nicht nur uns, sondern auch Menschen wie Kurt Brüssow gebührend zu ehren. Auch Jürgen Wenke stößt 2005 auf diese Ungerechtigkeit. Als er durch seine Heimatstadt Bochum geht, findet er zum damaligen Zeitpunkt etwa 70 Stolpersteine für die Opfer des Nationalsozialismus, keiner davon ehrt einen homosexuellen Verurteilten. Er beschließt, dass er sich über diesen Zustand entweder beschweren oder etwas tun könne, um ihn zu ändern: „Ich habe mich für ‚was tun‘ entschieden.“
Kurt Brüssows Stolperstein ist der 46., den Wenke für schwule Männer hat verlegen lassen. Am 9. Dezember, Brüssows 110. Geburtstag, wurde der Stein vor dem Theater verlegt, in dem Brüssow den Beruf ausgeübt hat, der ihn in seinem Leben wohl am meisten bewegen konnte. Gefördert wurde die Verlegung von der Stadt Greifswald, dem Theater und der evangelischen Studierendengemeinde, die auch die Kosten für den vom Künstler Gunter Demnig erstellten Stolperstein übernommen hat. Die Website Stolpersteine Homosexuelle, auf der Wenke die Biografien der gewürdigten schwulen Männer festhält, betreibt er gemeinsam mit Mediengestalter Dirk Konert. Die Website und die Stolpersteine sind nicht nur eine Möglichkeit, um sich der Vergangenheit bewusst zu werden. Denn Erinnerungskultur wirft ihre Schatten immer auch auf die Gegenwartskultur. Sie ist wichtig, um heute aktiv zu werden,
„[g]egen das Vergessen [und] für die Erinnerung niemals wieder barbarische Willkür zu tolerieren, die die Welt schon einmal in Trümmern zurückgelassen und unzählige Leben zerstört hat.“
Dirk Konert
Ein Artikel kann auf etwas aufmerksam machen, aber er ist immer nur eine verkürzte Darstellung des Erzählten und neigt in seinem selektierten Charakter schnell dazu, die Person auf ihre Opferrolle zu reduzieren. Wer also mehr über Kurt Brüssow erfahren möchte, kann dies durch Jürgen Wenkes Biografie „Was bleibt, wenn der Vorhang fällt?“ tun, hier auch einsehbar als PDF.
Ebenso lesenswert ist das Buch aus diesem Jahr: Erinnern in Auschwitz: Auch an sexuelle Minderheiten (Querverlag Berlin), von Joanna Ostrowska, Joanna Talewicz-Kwiatkowska und Lutz van Dijk.
Auf der Website von Jürgen Wenke findet ihr außerdem Tipps, wie auch ihr etwas zu dem Projekt beitragen könnt (inklusive einer Putzanleitung für Stolpersteine).
Beitragsbilder: Julia Schlichtkrull und das Amt für Bildung, Kultur und Sport