Tagesrekord 2007

Wettertief an der Küste sorgte für Besucherhoch im Stralsunder Meeresmuseum

Klassisches Museumswetter herrschte gestern in Stralsund und Umgebung, das dem Meeresmuseum den bisher bestbesuchten Tag in diesem Jahr bescherte. Genau 4.942 Besucher konnten im ehemaligen Katharinenkloster gezählt werden – pro Stunde immerhin 618 Besucher. Dennoch musste kein Gast lange an der Kasse anstehen.
Dennoch ist bei jedem Wetter das Museum einen Besuch wert. Bei Sonnenschein bleibt etwas mehr Platz zwischen den Vitrinen, Aquarien und vor Deutschlands größtem Schildkrötenbecken. Im Stralsunder Meeresmuseum kann man zudem mit niedlichen Seepferdchen, bunten Korallenfischen, eleganten Haien und einem possierlichen Kraken auf Unterwasser-Entdeckungsreise gehen, ohne selber nass zu werden – und zwar täglich von 10 bis 18 Uhr

Was kann man von so einem schon erwarten?

Am 26.6.2007 spielte Lou Reed im Berliner Tempodrom sein Album „Berlin“ live – zum ersten Mal, seit dem Entstehen des Albums im Jahr 1973.

26.6.2007, 20:05 Uhr: Lou Reed betritt die Bühne im Berliner Tempodrom und wirkt dabei wie ein 60jähriger Mann. Lou Reed ist 60. Er hat einen Bauch, ein Gesicht wie ein alter Boxer und wirkt, als würde er ersteinmal in die erste Reihe klettern, um dort kurz Platz zu nehmen und zu verschnaufen. Was kann man von so einem schon erwarten?

Und gerade, als man sich über diese Gedanken ärgert, schürzt Reed die Lippen, gibt seiner Band schnelle Zeichen und beginnt schlagartig damit, jeden einzelnen Zuschauer zu packen und gefangenzunehmen.
Lou Reed spielt, von der Probeaufführung am Vortag in Dortmund abgesehen, zum ersten Mal das Album „Berlin“ live, 34 Jahre nach seinem Erscheinen, und schafft es vollkommen, die Erwartungen der vielen Fans zu erfüllen.
Das Konzert, dass die 40 Minuten der Originalaufnahme auf knapp über eine Stunde verlängert hat, fand im ausverkauften Saal statt und wurde begleitet von sieben Mitgliedern des Londoner Symphonieorchesters und zwölf Sängerinnen des Londoner Mädchenchors.
Lou Reed schien in den zwei Stunden, die er vor dem Publikum sprach, sang, flüsterte und raunte, in der Fassung seines Lebens zu sein, schien seine Songs wie nie zu beherrschen.
Bei aller Begeisterung des Publikums konnte man dennoch nicht darüber hinwegsehen, dass Reed auch hörbar gealtert ist. Einige Male verpasste er seine Einsätze, begann mit der falschen Note oder leierte seinen Vers einfach herunter, anstatt seiner Stimme wie auf seinen Alben den ihm typischen Ausdruck zu verleihen.
Alle in allem war es ein großartiges Konzert, dass einen Lou Reed zeigt, der sich noch im Klimax seines Könnens befindet, aber bereits auf dem Weg des Abstiegs ist, der ihm das Alter weist. Aber spätestens nach seinen drei begeistert aufgenommenen und mit Leidenschaft gespielten Zugaben, „sweet Jane“, „satellites of love“ und „walk on the wild side“, konnte man sich sicher sein: Jemand wie Reed kann so alt werden, wie es das Schicksal will: Er wird immer einer der wichtigsten Personen bleiben, die der Rock and Roll zu bieten hat.

Geschrieben von tw

″Das liberale Europa und der eindringliche Islam″

Europa und der Islam – ein Bild, welches Hoffnungen weckt, aber in weitaus größerem Maße Ängste in den westlichen Staaten schürt. Eine Podiumsdiskussion beleuchtete einige Aspekte des Islam etwas genauer.

Am Dienstag, dem 26.07.2007, fand mit Unterstützung der Pommerschen Literatur-Gesellschaft im St.-Spiritus-Kulturzentrum eine Podiumsdiskussion mit dem bereits provokant formulierten Titel „Das liberale Europa und der eindringliche Islam“. Der Althistoriker Prof. Egon Flaig von der Universität Greifswald stellte dort seine bereits zuvor unter Wissenschaftlern kontrovers diskutierten Thesen zum Heiligen Krieg („djihad“) und der systematischen Diskriminierung anderer Religionen im Islam vor. Zusammen mit dem Politikwissenschaftler Prof. Walter Rotholz, ebenfalls aus Greifswald, sowie dem Politik- und Islamwissenschaftler Prof. Friedemann Büttner aus Berlin wurden diese Thesen unter verschiedenen Gesichtspunkten debattiert.

Nur wenige Minuten nach dem offiziellen Veranstaltungsbeginn und der Begrüßung der zahlreichen Gäste durch die Moderatorin Petra Huse begann Prof. Flaig seinen Beitrag mit den Worten: „Ich bin kein Islamwissenschaftler.“ Er machte klar, dass seine folgenden Thesen aus rein historischen Fakten hervorgingen und er den Sachverhalt „radikal menschenrechtlich“ und demokratisch beurteile.

Als Erstes widmete er sich dem Djihad und erläuterte die Leitideen, die diesem seiner Meinung nach zugrunde liegen: So wurde die von der Scharia gemachte Einteilung der Welt in ein ‚Haus des Islam’ und ein ‚Haus des Krieges’ (welches bis zur völligen Eroberung bekriegt werden müsse) angeführt, die gleichzeitig auch eine theologisch-rechtliche Legitimierung des islamischen Strebens nach der Weltherrschaft bedeute. So hätten muslimische Herrscher vom 8. bis zum 18. Jahrhundert keine Friedensverträge mit Nicht-Muslime ausgehandelt, sondern nur Waffenstillstände – in Einklang mit der Pflicht zur Unterwerfung aller Ungläubigen, wie die Sure 9, Vers 29 [auch Sure 9, Vers 5 als Pflicht zum Kampf gegen Ungläubige; Anm. d. Autors] zu interpretieren sei. Weiterhin seien kriegerisches Märtyrertum in Sure 4, Vers 74 und viele Varianten des Terrorismus durch die individuellen Pflichten, die der Djihad jedem Muslime auferlegt, gerechtfertigt. Für Prof. Flaig steht die Al-Qaida deshalb in der Tradition des Islam – sie sei eine Organisation, die sich auf Dinge berufe, die auch für die meisten anderen Muslime selbstverständlich seien.

Im zweiten Teil seiner Argumentation ging es Prof. Flaig um die Diskriminierung der anderen mono- und polytheistischen Religionen im Islam. Die muslimische Eroberung sei eine Abfolge härtester Angriffskriege gewesen, in denen lange vor den christlichen Kreuzzügen Städte vernichtet, Landschaften verwüstet und Menschen versklavt worden seien. Sie habe Afrika durch permanente Djihads zum Sklavenkontinent gemacht – die Sklaverei sei überhaupt erst durch die Muslime schwarz. Religiöse Säuberungen in Arabien und Spanien sowie Pogrome gegen Juden und Christen wären als erstes von Muslimen durchgeführt worden, jedoch heftiger als die späteren Taten der Christen. Die ‚dhimmi’, meist Juden und Christen, welche auf islamisch verwaltetem Gebiet lebten, wurden diskriminiert: Sie durften unter anderem keine Waffen tragen, mussten spezielle Kleidung und Farben tragen (daher stamme der Judenstern), durften kein Pferd besitzen, sich nicht gegen Muslime wehren und mussten Tribut zahlen. Somit sei durch die Scharia die erste Apartheid der Geschichte herbeigeführt worden, die eine Kolonialisierung und Islamisierung der Gebiete vorantrieb, die zuvor erobert worden waren. Diese Ordnung habe dazu gedient, die islamische Bevölkerungszahl zu erhöhen und die Zahl der Christen zu verringern, und wurde erst mit dem Kolonialismus durch europäische Mächte abgeschafft. Doch auch heute noch würden die islamischen Staaten und viele Wissenschaftler diese Fakten leugnen.

Nachdem Prof. Flaig diese beiden Themenschwerpunkte dargelegt hatte, ergriff Prof. Rotholz das Wort. Er gab zu bedenken, dass der Islam nicht mit Gewalt begann, sondern mit dem Zusammenschluss der Anhänger Mohammeds mit Wüstenstämmen aus Medina – hier sei die Frage, wie sich Religion denn überhaupt in einer Gesellschaft konstituiert. Außerdem läge allen Religionen eine Idee zugrunde. Diese Ideen ähnelten sich oftmals und es würde fast immer versucht werden, diese mit Gewalt durchzusetzen, wenngleich Prof. Rotholz mit Gewalt geführte Auseinandersetzungen von vornherein als sinnlos betrachtet. Er resümiert wenig später, dass der Islam keineswegs nur durch das Schwert verbreitet worden wäre. Zudem brauche es die Religion, da mit dem Rückzug des Staates (während der Aufklärung in Europa) von seinen freiheitsregulierenden Praktiken unter mit Gott legitimierter Herrschaft zwar die Freiheit des Einzelnen gewährleistet wird, aus dieser aber keine paradigmatischen sozialen und politischen Leitideen hervorgehen. Dies wäre erst durch eine Religion der Fall, die in der Gesellschaft verankert ist – auch die Menschenrechte seien zwar pluralistisch, aber nicht gemeinschaftsbildend.

Prof. Büttner erklärte zu Beginn die Zustimmung zu vielen Thesen Flaig’s, registrierte das vom Islam gezeichnete Bild jedoch mit „Unbehagen“. Seiner Meinung nach würden die Aspekte, die die Religion nicht mit Gewalt in Verbindung bringen, außen vorgelassen. In diesem Zusammenhang sollte man sich darauf besinnen, dass ‚Allah’ auch nur ‚Gott’ bedeute (was eine gleiche Erfahrung von Transzendenz vermuten lasse) und dass die Etymologie des Wortes ‚djihad’ nicht auf das Wort für ‚Krieg’ (arab. ‚harb’) im Arabischen hinweise. Es sei hier vielmehr auch mit ‚Anstrengung’ oder ‚Einsatz’ „auf dem Wege Gottes“ zu übersetzen: die vorbildliche Lebensführung, die Religiosität und die Wohltätigkeit hinsichtlich seiner Mitmenschen seien die Ziele, die den individuellen Djihad ausmachen [eine Form des Djihad, dessen praktische Bedeutung jedoch bei vielen Islamwissenschaftlern nicht als nennenswert angesehen wird; Anm. d. Autors]. Prof. Büttner zitiert in dem Zusammenhang auch eine internationale Konferenz von mehr als 40 islamischen Staaten zur Festlegung, wie der Begriff ‚djihad’ im nicht-islamischen Ausland zu deuten sei, um diese Komponenten ebenfalls in den westlichen Diskurs einzubringen.

Nun war Prof. Flaig noch einmal die Chance gegeben, auf die Beiträge seiner zwei Kollegen zu antworten – was er auch vehement tat. Er bezeichnete den Gedanken Prof. Büttners, dass Staaten die Bedeutung des persönlichen Djihad auf einer internationalen Konferenz festlegen müssten, als „Witz“ und vollkommen „lächerlich“. Auf solch einer Konferenz könne es nur um politische Koordinierung und somit um den Djihad des Schwertes gehen, denn die Bedeutung des individuellen Djihads müsse wohl nicht von Staaten erörtert werden.

Zu den Kommentaren von Prof. Rotholz signalisierte er weitgehende Übereinstimmung, vermisse aber „die Pointe“. Als Gegenüberstellung zum Missionierungsanspruch des Islam bei der Eroberung entsprechender Gebiete gab er das Beispiel der spanischen Eroberung Südamerikas. Diese sei keinesfalls mit einem Missionierungsanspruch der christlichen Kirche vonstatten gegangen, selbst wenn es natürlich Missionierung gegeben habe – aber die Eroberungen islamischer Herrscher waren immer ausdrücklich damit verbunden, Menschen zu missionieren und den Islam näher zur Weltherrschaft zu bringen.

Zur Theorie, dass soziale und politische Leitideen in einer Gesellschaft nur mittel- oder unmittelbar durch die Religion entstehen könnten, hielt er die griechische Polis entgegen. Diese habe zwar Religion als gemeinschaftsbildenden Aspekt ausgeübt, jedoch wäre keine einzige politische oder soziale Idee jemals aus religiösen Gesichtspunkten hervorgegangen, sondern immer aus praktischen Gesichtspunkten und aus der Mitte der griechischen Bürger. Hier wäre Religion nicht zur Weiterentwicklung der Gesellschaft nötig gewesen. Zudem seien die Menschenrechte sehr wohl ein Quell neuer Leitideen, da bei allen Aktionen darauf geachtet werden müsse, ob diese im Einklang mit Menschenrechten stattfänden – und somit würden die Menschen sozial und politisch voran gebracht werden.

Damit waren dann auch die letzten Minuten der doch sehr intensiven Podiumsdiskussion angebrochen. Nach einer Pause für Verständnisfragen leitete die Moderatorin noch eine kurze „Blitzlichtrunde“ zum Thema Djihad und zum Zusammenhang zwischen Menschenrechten und Sklaverei ein, um den Abend mit einer letzten Frage an ihre drei Gäste zu beenden: Ist der Islam nun wirklich eine Bedrohung für Europa? Während Prof. Rotholz ablehnte, diese Problematik nur schwarz-weiß zu sehen und für Verständnisversuche auf beiden Seiten warb, führte Prof. Büttner die Sure 112 des Koran an, um die Chance einet höheren Religiosität bei den Menschen hervorzuheben – ob nun im Islam oder in einer anderen Religion. Prof. Flaig’s Schlussworte waren zwiespältig: Einerseits halte er die rein theologische Seite des Islam für eine immense spirituelle Bereicherung. Die Scharia jedoch sei eine „faschistische Strömung zur Zerstörung der europäischen Demokratie und Kultur“. Bleibt abzuwarten, wie sich die Geschichte – und auch der Islam – weiterentwickelt.Geschrieben von Daniel Förster

Stettiner Hofmusik

Konzert im Pommerschen Landesmuesum brachte am vergangenen Montag die einistige Klangpracht des pommerschen Hofes eindrucksvoll zu Gehör

In der Regierungszeit Philipp II. von Stettin-Pommern erlebten die Künste im 17. Jahrhundert an seinem Hofe eine große Blüte. In Bibliotheken und Archiven verstreut ruht das dem pommerschen Herzogshaus gewidmeten Musikrepertoires bis heute und wartet auf seine Entdeckung und Aufführung. Studierende und Mitarbeiter des Greifswalder Institutes für Kirchenmusik und Musikwissenschaft bereiteten das musikalische Material in einer Projektarbeit für eine Ausstellung des Pommerschen Landesmuseums mit den Stammbuchblättern des Herzogs Philipp II. sorgfältig auf.

Angesichts einer großen Nachfrage bei der musikalischen Umrahmung der Ausstellungseröffnung Anfang Dezember des vergangenen Jahres fand am vergangenen Montagabend eine Neuauflage des Konzerts und zugleich der Abschluss der musikhistorischen und -praktischen Projektarbeit statt. Eindrucksvoll und multimedial stellten die Studierenden der Greifswalder Universität das bunte musikalische Leben am Hofe in Stettin unter der Leitung von Beate Bugenhagen, Martin Loeser und PD Dr. Peter Tenhaef vor. Ausdrucksstark und frisch bot das Collegium Musicum Vocale unter der Leitung des UMD i. R. Ekkehard Ochs die vorrangigen Vokalkompositionen der Stettiner Musiker des 16. und 17. Jahrhunderts dar. Doch umfasste die Reise in das 17. Jahrhundert auch einen Einblick in die Situation der Bläser, Stadtmusiker, Kantoren und Organisten. Ein Ohrenschmaus stellte dabei Capriccio für zwei Zinken des Stralsunder Organisten Johann Vierdank dar. Mit der Paduane des Stettiner Kunstpfeifers Paul Luetkemann brachte sich das Ensemble Amalthea ein. Abgerundet von zeitgenössischen Quellen bot das Gemeinschaftskonzert in der Museumshalle des Pommerschen Landesmuseum eine gelungene zeithistorische Rundschau und ein nicht ganz alltägliches Konzert aus der einstigen regionalen Musikkultur.

Geschrieben von Uwe Roßner

Die lange Nacht der jungen Literatur

Auch der Samstagabend stand unter dem Thema „Erste Liebe“, Liebe zu Menschen, zum Lesen und natürlich zum Schreiben. Einer dieser Aspekte sollte sich in den Texten der jungen Autoren wiederfinden.

Zwar konnte die Lesung wegen des Wetters nicht wie angekündigt im Hof des Koeppenhauses stattfinden, aber es gab eine Live-Übertragung ins Café. Kurz nach 20 Uhr rückten die Besucher dann im kleinen Lesesaal eng zusammen und in gemütlicher Atmosphäre begann der erste Teil der Lesenacht mit fünf Autoren des Greifswalder Universitäts- Studentischen Autorenverbands (GUStAV).
Sinnlich ging es los mit Doreen Schneider. Sie nahm die Zuhörer mit an einen See, um ihrer unerwiderten Liebe heimlich beim Baden zuzusehen und davon zu träumen, das Salz auf seiner Haut zu schmecken.
Katharina Hamacher verstand es besonders gut, mit dem Publikum zu flirten. Bei ihr ging es natürlich auch ums Verliebtsein, aber in Verbindung mit sehr viel Mayonnaise, Nudelsalat und Krümeln brachte sie damit viele zum Schmunzeln.
Etwas ernster ging es mit Andreas Budzier weiter. Er philosophierte über das Intime in der Öffentlichkeit, verschwendete Zeit und unglücklich endende Beziehungen.
Mathias Archut erzählte von einer Begegnung mit einer ganz speziellen Frau, die etwas von einer Stute hatte und scheinbar mit einer Bombe in der Tüte unterwegs war.
Für einen humorvollen Abschluss sorgte Michel Kenzler. Die recht spezielle und humorvolle Beschreibung seiner Traumfrau forderte Erklärung. So konnte dem jungen Autor entlockt werden, dass es sich bei seinem Text um eine „ironische Distanzierung von der krampfhaften Suche nach der perfekten Frau“ handelt.

Nach einer kleinen Pause, in der man sich zu Klängen von DJ Leo mit neuen Getränken und Büchern eindecken konnte, ging es weiter mit Heike Geißler. In ihrem Roman „Nichts was tragisch wäre“ geht es um Differenzen zwischen einer Autorin und ihrer Lieblingsfigur, der es nicht passt, was ihre Schöpferin mit ihr vorhat. Mit ruhiger Stimme setzte Geißler dem Publikum ihre Bilder in den Kopf, von der Erzählerin im Kleid auf einem Flachdach und einer Frau, die mit einem Pferd durch die Stadt läuft.
Der Literaturkritiker Kolja Mensing las aus seinem literarischen Debüt „Minibar“, einer Sammlung von kurzen Erzählungen. Inspiriert von Gehörtem und Erlebtem, haben alle Texte ein Thema: Menschen Mitte Dreißig, die alles haben und denen doch etwas fehlt. Szenen aus dem Alltag lässt Kolja Mensing durch die nüchterne Sprache und eine fast fremd wirkende Ehrlichkeit in einer anderen Perspektive erscheinen. Ob der Autor jemals einen Roman schreiben wird, ist jedoch fraglich, da er, wie er am Ende erklärt, jede unnötige Ausschweifung aus seinen Texten herausstreicht, die dann deutlich zusammenschrumpfen.

Nach einer letzten kleinen Pause und schon recht weit fortgeschrittener Zeit, hatten sich die interessierten Zuhörer wieder eingefunden, um den letzten beiden Autoren dieses Abends zu lauschen. Lucy Fricke las exklusiv aus ihrem ersten Roman vor. In „Durst ist schlimmer als Heimweh“ schildert sie mit ernster Stimme das Leben der 16jährigen Judith, die jahrelang missbraucht wurde. Dabei lässt die Autorin den Leser mit ihrer präzisen Darstellung so nah heran, dass es manchmal unangenehm wird, dem Mädchen auf ihrem Irrweg zu folgen. Dennoch fesselt die Geschichte und man wird sie bestimmt nicht vergessen haben, wenn der Roman im September erscheint.
Den Abschluss der Lesenacht bildete Saša Staniši?, der dem Publikum erstmal auf liebevolle Weise die wichtigsten Protagonisten aus seinem Roman „Wie der Soldat das Grammophon repariert“ vorstellte und sie dann selbst zu Wort kommen lies. Der Junge Alexandar flieht mit seinen Eltern in den Wirren des Bürgerkriegs aus Bosnien nach Deutschland. Mit den Erfahrungen aus seiner Heimat und Tipps seiner Verwandten muss er nun das neue Leben meistern und das alte verarbeiten. So geht es um Lieblingseis, die umgefallene Mauer und den Schrecken des Krieges, der immer dann am größten ist, wenn er im Gesicht eines anderen geschrieben steht.
Um 00:07 endete die „Lange Nacht der jungen Literatur“ dann mit einer kurzen Dankesrede der Veranstalter. „Möge das Institut und die Fachschaft noch lange existieren.“ Anschließend fanden die Autoren noch Zeit, um Bücher zu signieren und kleine Fragen zu beantworten.

Geschrieben von Alina Herbing