von Archiv | 16.04.2008
Gastgeberdienste im Internet
Die Sommersonne wirft ihre Schatten voraus. Doch beim Blick auf das geschröpfte Konto lösen sich eventuelle Urlaubspläne von sonnenbestrahlten Stränden oder aufregenden Abenteuertrips schnell wieder in Rauch auf.
Dabei ist billiges Reisen heute kein Problem mehr. Das Internet macht es möglich. Dort finden sich sogenannte Online-Gastgeberdienste. Hier können sich Abenteuerlustige mit wenig Geld, kostenlos registrieren und weltweit Reisenden kurzfristig eine Bleibe anbieten oder selbst irgendwo unterkommen.
Casey Fenton, Begründer der seit 2004 bestehenden Non-Profit-Organisation Couch Surfing, ermöglicht Reisenden mehr als den üblichen Tourismus. Das finden wohl auch die 83 Greifswalder, die auf den Seiten dieses Portals ihre ganz persönlichen Mitgliederseiten erstellt haben. Ob mit richtigem oder Fantasienamen, dazu ein paar Informationen über sich und seine Interessen, ein Foto hochgeladen und los geht’s.
Wenn nicht bei couchsurfing, dann bei einem anderem Gastgeberdienst. Sehr bekannt ist der Hospitality Club, der im Juli 2000 von Veit Kühne gegründet wurde. Neben Austauschportalen zu den unterschiedlichsten Themen rund um´s Reisen, lernen sich Menschen unterschiedlichster Kulturen kennen und knüpfen ihre ganz persönlichen internationalen Netzwerke.
Die Gastgeberdienste beruhen auf einer freiwilligen Organisationsstruktur und finanzieren sich über Spenden. Andere Arten des Gebrauchs, wie Dating, Jobsuche oder kommerzielle Nutzungen sind in den Richtlinien explizit verboten. Bewertungssysteme ermöglichen dabei eine transparente Verwendung.
Übrigens gibt es keinen Aufnahmezwang, oft reicht es schon Reisenden die Stadt zu zeigen oder ihnen ein paar gute Insider-Tipps, fernab vom Reiseführer, mit auf den Weg zu geben. Und wenn es doch mal die Übernachtung sein sollte: Vorher wird sich über Dauer des Aufenthalts geeinigt und ob Mahlzeiten oder zusätzliche Leistungen ebenfalls kostenlos sind.
Geschrieben von Franziska Korn
von Archiv | 16.04.2008
Couch Surfing-Repräsentant über Überbrückung von Grenzen und Flirtkulturen
moritz: Warum sollten Bagpacker diese Reisemöglichkeit nutzen?
Leonardo Silveira: Die Verwendung eines sozialen Netzes ist allemal besser als alleine zu reisen. Es stärkt den Sinn der personalen Identität und entwickelt eine menschliche Gemeinschaft. Es hilft, Differenzen zwischen Menschen zu überbrücken und eine Welt zu erfahren, die sie sonst nicht kennen. Zudem können zwischenmenschliche Grenzen überbrückt werden und es ermöglicht, die Welt und seine Bewohner zu entdecken und zu genießen.
moritz: Eine kurze Anmerkung: Globalisierung, Kommerzialisierung und Tourismus – wie kann Couch Surfing diese Dinge auf eine gute Weise verbinden.
Silveira: Ich neige dazu zu denken, dass der moderne Mensch ein konfuses Lebewesen ist, da er denkt, dass das Leben geführt werden sollte, wodurch er sich zu einer hilflosen Beute von sich selbst macht. Das bedeutet, ich glaube schon, dass Menschen einen Mentor im Leben haben sollten, um Liebe in dieser Welt zu sehen. Können Sie Karate ohne einen Master lernen? Ich denke nicht. Also soll ein soziales Reisenetz wie Couch Surfing der Mentor von Reisenden sein? Soll Couch Surfing eine Organisation sein, die Leute anregt humanitäre Arbeit zu tun, auffordert mit einem Gewissen zu reisen, welchen jeden persönlichen Spaß verbietet?
Im Moment sind wir eine sehr offene Organisation, ein Ort des Selbstausdrucks ohne jedes Urteil oder einer Leitung. Also wird die Zeit entscheiden, was wir sein werden. Ein einfacher Weg für junge Leute, um die Welt zu bereisen und sozial und persönlich daran zu wachsen.
moritz: Ist das Geben und Nehmen Wirklichkeit oder Trugbild von Couch Surfing?
Silveira: Couch Surfing ist sicher ein Experiment, das gegen das Gewöhnliche geht. Die Menschen heutzutage misstrauen sich sehr stark, verklagen sich und fordern Geld. Daher ist es ungewohnt, irgendetwas von Leuten frei anzunehmen ohne zu zweifeln. Ich denke, dass es Zeit wird, sich zu ändern, da wir immer mehr sehen, dass wir alle gleich sind. Daher ist das Geben und Nehmen und sein endloser Zyklus meine Wirklichkeit.
moritz: In einigen Fällen wurde Couch Surfing zur Flirt-Plattform und einige Reisende hatten schlechte Erfahrungen mit ihren Gastgebern. Wie ernst und sicher kann Couch Surfing sein?
Silveira: Couch Surfing ist äußerst sicher und negative Vorkommnisse sind selten. Wir sind in einer Welt des Statistikmissbrauchs. Die Gesellschaft schafft sich ein Trugbild von der Sicherheit. Das ist nicht das, was wir wollen. Wir versuchen Transparenz zu schaffen und eine sichere Umgebung zu fördern. Wir haben auch eine freiwillige Sicherheitsmannschaft, die 24 Stunden am Tag arbeitet und bestimmte Sicherheitseigenschaften erfüllt. Natürlich können wir weder kontrollieren, ob sich zwei Menschen verstehen, noch ob wir sie attraktiv finden. Was wir tun können, ist die Förderung interkulturellen Verstehens. Einige Länder haben eine Flirtkultur, die vielleicht andere nicht haben. Also ich glaube, dass wir uns in die Leute hineinversetzen müssen und ihnen notfalls sagen: „Hey, das kenne ich nicht so, tut mir leid aber daran bin ich nicht interessiert.“ Aber, solange es Männer und Frauen in diesem Weltall gibt … .
Geschrieben von Franziska Korn
von Archiv | 16.04.2008
Studie über den übermäßigen Alkoholkonsum unter Studenten
An einem grauen Mittwoch sitzt Joshua*, Student der Politikwissenschaft, in einem Seminarraum. Sein Kopf dröhnt. Er hat nur zwei Stunden geschlafen. Gestern fand eine ausschweifende Feier in seiner Wohnung statt. An Details kann er sich nicht erinnern. Seine Augenlider werden schwer und er schläft ein.
Joshua bestätigt die Ergebnisse einer Studie über den Alkoholkonsum. Das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim hat sie unter der Leitung von Josef Bailer durchgeführt und im Januar veröffentlicht. Demnach besuchen Studenten teilweise noch betrunken oder verkatert Lehrveranstaltungen. Sie vernachlässigen Studium oder Arbeit und sind einsam. Auch Joshua fühlt sich oft alleine, er führt eine Fernbeziehung. Laut der Studie hat fast jeder dritte Student von den 1130 Befragten in Mannheim ein Alkoholproblem. Das sind 44 Prozent der Männer und 19 Prozent der Frauen. Der Konsum ist bereits dann kritisch, wenn ein Befragter angibt, im letzten halben Jahr sein Studium oder andere Pflichten auf Grund von Alkohol vernachlässigt zu haben. Das trifft allerdings auf einen Großteil der Studenten zu.
Auch in Greifswald
„Studenten fallen oft durch einen hohen Alkoholkonsum auf, aber der Umgang mit Alkohol ist generell problematisch in dieser Altersgruppe und nicht nur auf Studenten begrenzt“, sagt Bailer in einem Interview mit morgenweb.de. Auch Untersuchungen an anderen deutschen Universitäten kamen zu ähnlichen Schlüssen. Beobachtungen im eigenen Umfeld bestätigen das.
In Greifswald gibt es 110 Kneipen, vergleicht man die Preise für Getränke in den Bars und Clubs mit anderen Städten, fallen sie gering aus. Im Mensaclub gibt es Bier ab studentenfreundlichen 1,50 Euro, Wasser kostet 50 Cent. Doch nur wenige tanzen mit einem Glas Wasser in der Hand. Auch Joshua nicht.
Als er nach Hause kommt, lädt seine Mitbewohnerin gerade die Fotos vom gestrigen Abend bei StudiVZ hoch. Auf vielen Fotos ist der Student zu sehen. Wie er tanzt und auf fast jedem Bild ein Bier in der Hand hält. Er nimmt eine Aspirin und geht ins Bett.
Anlass zur Hemmungslosigkeit
Laut der Studie ist der hohe Alkoholkonsum auf private Probleme, wie Schwierigkeiten mit den Eltern, Partnern oder Einsamkeit zurückzuführen. Aber auch Prüfungsängste und der stressige Studienalltag sind mögliche Ursachen. „Meine privaten Probleme vergesse ich, wenn ich mit Freunden trinke. Außerdem kann ich dann endlich vom Lernen abschalten“, meint der 20-Jährige, „und manchmal möchte ich einfach nur Spaß haben.“ Studienleiter Bailer stellt fest, dass Studenten Alkohol oft wegen seiner stimulierenden oder enthemmenden Wirkung trinken. „Außerdem wird Alkohol hauptsächlich dann getrunken, wenn er leicht verfügbar ist und es einen Trinkanlass gibt“, so Bailer, „ zudem steigt die Kontakt- und Kommunikationsbereitschaft.“ Seit Joshua studiert, ist sein Konsum gestiegen. „Das hat mit den zahlreichen feierlichen Anlässen und der erreichten Unabhängigkeit von meinen Eltern zu tun“, vermutet er.
Folgenreich
„Ich trinke ein- bis zweimal wöchentlich, etwa vier Bier und hochprozentigen Alkohol“, sagt der Greifswalder Student. Auch bei dieser Menge können Folgen für den Konsumenten auftreten, so die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). Auf gesundheitlicher Ebene bedeutet dies eine sinkende Lebenserwartung, Organschäden und ein erhöhtes Krebsrisiko. Zu dem wird das Gehirn gefährdet. So zerstört jeder Rausch Millionen von Gehirnzellen. Darunter leiden Gedächtnis, Konzentration, Kritik- und Urteilsfähigkeit, später die Intelligenz.
Auch psychische Folgen während eines länger dauernden Alkoholkonsums können auftreten. Reizbarkeit, Depressionen bis zu einer Suizidgefährdung sind nur einige Beispiele.
Ein Wegweiser
Bailer fordert, dass Studenten dringend mehr psychologisch versorgt werden sollten, wie mit einer speziellen Suchthilfe. In Greifswald bietet das Studentenwerk eine allgemeine bzw. psychologische Beratung an, die Studenten auch bei privaten Problemen nutzen können. Dr. Jana Kolbe von der Sozialberatung berichtet, dass in ihrer beruflichen Laufbahn bisher nur ein oder zwei Studenten wegen des Alkoholkonsums zu ihr kamen. „Die Beratung sieht sich daher auch als erste Anlaufstelle, als einen Wegweiser, der die Studenten mit einem Alkoholproblem an bestimmte Institutionen weiterleitet“, sagt Kolbe. „Zum Beispiel pflegen wir die Zusammenarbeit mit der Suchtberatungsstelle oder leiten an die psychische Beratung des Studentenwerks weiter.?
*Name geändert
Geschrieben von Christine Fratzke
von Archiv | 16.04.2008
Dr. Konrad Ott skeptisch gegenüber embryonaler Stammzellforschung
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das ist ein Grund, warum in Deutschland die Herstellung von embryonalen Stammzellen zu Forschungszwecken verboten ist. Trotzdem experimentieren unter anderem Zellbiologen und Mediziner in der Bundesrepublik mit solchen menschlichen Körperzellen.
„Für uns ist die Stammzellforschung von immenser Bedeutung“, sagt ein Mediziner aus Greifswald, der aus beruflichem Grund unbekannt bleiben möchte. „Wir leben in einer alternden Gesellschaft und haben den Auftrag, sie gesund zu erhalten. Von der Stammzellforschung profitiert im Prinzip jeder medizinische Bereich“, fährt er fort. In Zukunft sei es möglich, die besonderen Fähigkeiten der Stammzellen zur Heilung von Krankheiten wie Parkinson oder Alzheimer einzusetzen. Eine wichtige Eigenschaft der embryonalen Stammzellen ist nämlich ihre so genannte Pluripotenz, („zu Vielem mächtig“). Das heißt, dass sie sich in spezifische Gewebezellen, zum Beispiel Herzmuskel- oder Nervenzellen verwandeln können.
„Menschenfreundliche Medizin völlig deplatziert“
Darf man für die Heilungswünsche zukünftiger Generationen die absolute Schützungswürdigkeit menschlichen Lebens ausspielen? Dr. Konrad Ott verneint diese Frage. Der Professor für Umweltethik und angewandte Ethik an der Uni Greifswald findet, dass die „Formulierung für eine menschenfreundliche Medizin“ völlig deplatziert ist. „Ich persönlich sehe diesen Forschungsbereich mit Befürchtungen unliebsamer Überraschungen und Dammbruch-Risiken“, sagt er.
Trotzdem: Es ist in Deutschland erlaubt, an embryonalen Stammzellen zu forschen. Allerdings dürfen die Wissenschaftler nur Zellen benutzen, die sie vor dem 1. Januar 2002 aus dem Ausland importiert haben. Das ist gesetzlich vorgeschrieben. Seit einiger Zeit klagen Experten, dass die eingeführten Stammzelllinien verknappen oder veraltern. Die Stammzellen wurden über Jahre gehalten und kultiviert. „Sie haben in dieser Zeit bestimmte Eigenschaften, wie zum Beispiel Pluripotenz, verloren“, erklärt der Greifswalder Medizinprofessor. „Dies ist der Punkt, weshalb permanent über neue Stichtage nachgedacht und diskutiert wird“, sagt er.
„Im Vergleich zu den USA im Mittelalter“
Genau das geschieht zurzeit im Bundestag. Die Politiker diskutieren über vier Gesetzesvorschläge. Die Positionen der Abgeordneten liegen zum Teil so stark auseinander, dass sie die Fraktionen spalten. Petra Sitte von den Linken paktiert zum Beispiel mit Ulrike Flach von der FDP. Die meisten Befürworter hat der Vorschlag des SPD-Politikers René Röspel. Er möchte den Stichtag einmalig auf den 1. Mai 2007 verschieben. Die Gruppe um Ulrike Flach will den Stichtag wegfallen lassen. Hubert Hüppe (CDU) schlägt vor, die Einfuhr von Stammzellen ganz zu verbieten; und Anhänger des Vorschlages von Julia Klöckner (CDU) wollen keine Stichtagsveränderung. Bei der Debatte haben die Politiker mehr im Blick als nur moralische Aspekte. Sie wollen auch sicherstellen, dass sich der Forschungsstandort Deutschland im internationalen Wettbewerb behaupten kann. „Was Deutschland betrifft, so befinden wir uns bei der Stammzellforschung im Vergleich zu den USA im Mittelalter“, sagt der Mediziner aus der Hansestadt; nicht zuletzt stecken wirtschaftliche Interessen einer großen Industrielobby hinter den Bemühungen der Wissenschaftler.
Für Dr. Konrad Ott geht es bei der Diskussion vor allem um die Frage, ob embryonale Stammzellen einfuhrfähig sind. „Wir importieren einiges, dessen Produktion im deutschen Recht unzulässig ist, zum Beispiel Kinderarbeit oder Umweltstandards. Insofern finde ich, nur die beiden Lösungen, entweder Importe ganz zu verbieten oder ohne Stichtagsregelung freizugeben, in sich schlüssig“. Ein Verbot der Forschung kann man aus Sicht des Ethikprofessors mit Kant rechtfertigen. Nämlich: Der menschliche Embryo besitzt die volle Menschenwürde und bei der Tötung von Embryonen zu Forschungszwecken liegt ein schwerer Verstoß gegen die Menschenwürde vor. „Die liberale Position wird eine andere Prämisse setzen“, erklärt Ott, „Hier sind Früh-Embryonen“ Schutzgüter, die mit anderen Schutzgütern – wie das Grundrecht auf Forschungsfreiheit oder das Anspruchsrecht der Patienten auf Heilung- abgewogen werden dürfen.“
Geschrieben von Benjamin Vorhölter
von Archiv | 16.04.2008
Als Ulrich Adam 1990 CDU-Mitglied wurde, ahnte er noch nichts. Und als er im selben Jahr das Direktmandat im Bundestag gewann, freute sich der gebürtige Mecklenburger zwar, fuhr aber am nächsten Tag wie gewohnt zu seinem Arbeitsplatz in die Greifswalder Möbel GmbH. Dort wunderten sich seine Mitarbeiter nur, ihren Geschäftsführer zu sehen. Kurz darauf wurde ihm per Anruf mitgeteilt, dass er am Abend zu einer ersten Sitzung im Bundestag in Bonn erscheinen sollte. In einer Kurzschlussaktion besorgte sich der studierte Mathematiker noch ein halbwegs neues und schnelles Auto und erreichte seinen Termin. In der inzwischen fünften Amtszeit nutzt der heute 58-Jährige doch lieber den Flieger.
Privat lebt Adam mit seiner Frau in Greifswald. Seine zwei erwachsenen Kinder studierten hier auch Jura. Inzwischen leben beide, zum Bedauern ihres Vaters, in Hamburg.
Geschrieben von Maria Trixa