Kommentar: … und jetzt alle

Ein neues Landeshochschulgesetz soll her. Effektiver, effizienter, technisch perfekt. Die Möglichkeit zu unabhängigem Schalten und Walten, in einem politisch-legitimen Raum – so wünschen es sich die Landesrektoren. Dagegen, scheint es, wird kaum jemand etwas einzuwenden haben, außer Die Linke.

Die Landesregierung zeigte sich empfänglich für den Rektorenvorstoß und nun hat das Bildungsministerium die ersten konkreten Novellierungsvorschläge gemacht. Für den Abbau von Bürokratie, das heißt Vorschriften, sieht es ganz gut aus. In punkto Autonomie der Hochschulen gibt man sich erstaunlich liberal: die Entscheidungswege innerhalb der Hochschulen sollen nach Vorschlag des Ministeriumspapiers in den Hochschulen selbst festgelegt werden. Freie Bahn für Hochschulleiter mit Macher-Qualitäten? Schwerin wäre das scheinbar Recht und billig. Alle weiteren Demokratieüberlegungen unter dem Stichwort „Akademische Selbstverwaltung“ sollen bitteschön die Betroffenen untereinander regeln. Das werden sie nach ihren Möglichkeiten auch tun. Zunächst im Versuch, den Rahmen des Gesetzes möglichst offen bzw. eng zu halten – wenngleich nur signifikante Abweichungen zur „Diskussionsgrundlage“ eine Chance auf Einfluss für den Landtagsentwurf haben werden. Letztlich wird das Argument, so viele Gestaltungsmöglichkeiten wie möglich vom Land an die Hochschulen zu transferieren, vorerst einigen Wind aus den Segeln der Diskussionsteilnehmer nehmen.

Doch ist das Gesetz erst einmal beschlossen, geht es sofort ans Eingemachte: an die Grundordnung sprich die Verfassung der Universität. Wie wollen wir unsere Universität führen (lassen)? Brauchen wir eine Verschiebung der Machtbalance zwischen Rektor, Hochschulleitung und Senat? Brauchen wir einen Rektor oder eine Rektorin mit praktischer Machtvollkommenheit oder vertrauen wir auf die Stärke der ewigen Kompromisse? Wirklich eine spannende Diskussion, die aufgrund ihrer Tragweite, unbedingt öffentlich an den Hochschulen geführt werden muss.

Geschrieben von Robert Tremmel

Interview: „Zu wenig geschafft“

Selbstkritisch und trotzdem optimistisch

Ein Verantwortungsträger steht zu Beginn und Ende seiner Amtszeit Rede und Antwort. So auch Frederic Beeskow, der seine Vorgängerin Kathrin Berger im Amt des Präsidenten des Studentenparlaments (StuPa) locker in die Tasche steckte.

moritz: Obwohl 35 Kandidaten vor einem Jahr antraten, bestand das StuPa zum Legislaturende nur noch aus 20 Mandatsträgern. War die Aufstockung von 21 auf 27 Parlamentarier wirklich sinnvoll?
Frederic Beeskow: Ich denke schon. Dass das StuPa im Verlauf der Legislatur geschrumpft ist, hing mit der geringen Zahl an Kandidaten für die Wahl 2007 zusammen. Doch es werden immer mehr Studenten nach Greifswald kommen. Mit der Anhebung ist dann auch ein größerer Meinungspluralismus im Parlament gewährleistet. Diese tragen die Arbeit des Parlaments durch ihre Freunde und Seminarbekanntschaften nach außen und sorgen so für eine breitere Öffentlichkeit.

moritz: Viele Mandatsträger gehören einer Hochschulgruppe an. Besteht die Gefahr einer gegenseitigen Blockade?
Beeskow: Ich denke eher, dass dadurch Diskussionen zielstrebiger und mit festeren Argumentationen ablaufen, da die Gruppen untereinander im Vornherein schon über die Themen diskutieren. Manche Positionen sind dabei vorhersehbar und man kann sich nötige Argumente zurechtlegen.

moritz: Warum gehörst Du keiner Hochschulgruppe an?
Beeskow: Als angehender Philosoph möchte ich mich aus absoluten Standpunkten heraushalten und unabhängig meine eigenen Anschauungen vertreten.

moritz: Zeigt die gestiegene  Wahlbeteiligung ein höheres Interesse der Studenten?
Beeskow: So hoch ist die Beteiligung nicht gestiegen. Es ist natürlich erfreulich, doch ich habe eigentlich um die 20 Prozent erwartet.

moritz: Das klingt aber sehr, sehr optimistisch.
Beeskow: Warum nicht? Es gab einen relativ großen und breiten Wahlkampf mit mehr Kandidaten. Es wurde provoziert, polarisiert und sehr viel für Aufmerksamkeit getan, auch finanziell. Mich verwundert, dass es nicht zu öffentlichem Meinungsaustausch zum Beispiel im Rahmen einer Podiumsdiskussion gekommen ist.

moritz: Zu Beginn der Legislatur gab es großartige Pläne. Bis auf eine zögerliche Behandlung der Zukunft des Hochschulsports wurde keines der Vorhaben je wieder erwähnt. Sonnte sich das Studentenparlament ein ganzes Jahr lang in Untätigkeit?
Beeskow: Natürlich kann immer mehr passieren. Ein bisschen haben wir versucht zu gestalten, so beispielsweise die LHG-Änderungsanträge. Da sollte jeder einzelne StuPist sich selbst hinterfragen, warum die Verfolgung dieser Ziele nicht in Angriff genommen wurde. Wir sind ihnen in dieser Legislatur nicht genügend nachgekommen und haben wirklich ein bisschen zu wenig geschafft.

moritz: Wird in der neuen Legislatur also alles besser?
Beeskow: Zumindest können wir nicht mehr die Ausrede benutzen, dass wir uns in einer Übergangsphase befinden. Die strukturellen Veränderungen sind durchgesetzt.

Geschrieben von Maria Trixa

Kompetenzcharakter?

Das neue Studentenparlament

„Mehr Stellungnahmen, mehr Protest, mehr Polarisierung“ sind die erklärten Ziele von Sebastian Jabbusch, seines Zeichens Wahlsieger der diesjährigen Wahl zum Studierendenparlament (StuPa). 219 Stimmen erhielt der selbsternannte Gesellschaftskritiker. Für den Magisterstudenten ist es wichtig, „das, was die Studenten bewegt, ins StuPa zu bringen und die Stimme der Studenten an der Uni insgesamt zu stärken.“

Damit das politische Auseinanderdriften nicht eintritt, müssen „Debatten um Sachthemen“ geführt werden. Diese Forderung stellt Thomas Schattschneider auf. Der angehende Lehrer trat ebenfalls bei der Wahl im Januar an, wird sein Mandat aber erst nach dem Amtszeitende als Vorsitzender des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) antreten können. Die Trennung von AStA-Amt und StuPa-Mandat ist der Grund. Da die Greifswalder Uni einige Probleme wie marode Bauten oder Engpässe bei der Lehrkapazität aufweist, fordert Schattschneider vom StuPa „eine deutliche Positionierung“, auch wenn es „die Probleme nicht alle lösen könne.“

Die Wahlversprechen eines im Jahr der Ratte Geborenen

Obwohl Studenten vor 40 Jahren hart für die Teilhabe an den Entscheidungsprozessen an Hochschulen kämpften, werden die Wahlen zum StuPa mehr oder weniger ignoriert. Und dass, obwohl das Studentenparlament das höchste beschlussfassende Organ aller zukünftigen Akademiker ist.

Mehr ignoriert, weil nur jeder Zehnte die Wahlkabine aufsuchte – auch wenn die Beteiligung um 1,6 Prozent höher als bei der vorherigen  Wahl ausfiel. Dass aber noch Potential nach oben vorhanden ist, zeigen die 12,2 Prozent aus dem Jahr 2006.

Weniger ignoriert wurde die StuPa-Wahl dagegen von den Kandidaten:  Es wurden tausende von Flyern gedruckt und verteilt, Hochglanzplakate aufgehängt und schöne Wahlversprechen abgegeben. Trat zum Beispiel das alte und auch neue StuPa-Mitglied Florian Bonn vor einem Jahr noch mit dem Wahlversprechen an, einen Boxring anzuschaffen, um die Debatten zu verkürzen, liegen seine Absichten für diese Legislaturperiode darin, „den AStA zu verkleinern und in Zukunft besser zu kontrollieren.“ In diesem Jahr wird sich der Biochemie-Student auch für eine Antibürokratieabgabe bei Personaldebatten und Satzungsänderungsanträgen einsetzen. Die Wähler dürfen gespannt sein.

Inoffizielle Fraktionsbildung

Auffällig am diesjährigen Wahlergebnis ist die Zunahme an Hochschulgruppenzugehörigkeit unter den gewählten StuPa-Mitgliedern. In der letzten Legislatur waren noch 60 Prozent keiner politischen Hochschulgruppe zuzuordnen. Jetzt sind es nur noch 41 Prozent. Durch das Mehrheitswahlsystem soll der Einfluss hochschulpolitischer Gruppen beschränkt werden. Auch wenn Kandidaten einzeln antraten, sich ebenfalls einzeln wählen ließen: Kummuliert man deren politische Einstellung, stellt der CDU-nahe Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS) fünf der insgesamt 27 Studentenvertreter. Die  Liberale Hochschulgruppe (LHG) entsendet vier Mitglieder. Beide arbeiteten schon in der Vergangenheit zusammen, um ihre Interessen und Ziele im Parlament durchzusetzen. Ebenfalls vier Kandidaten kommen von den Jungen Sozialisten (Jusos). Die Grüne Hochschulgruppe (GHG) sowie Die Linke.SDS errangen jeweils ein Mandat.

Ob sich die Zugehörigkeit zu Hochschulgruppen auf den Aufbau des AStA und dessen zukünftige Besetzung auswirkt, bleibt abzuwarten. Für Sebastian Jabbusch stehen  bei der AStA-Wahl Kompetenz und Charakter im Vordergrund. „Ich gehe aber davon aus, dass wieder diejenigen gewählt werden, die sich aufstellen – mangels Alternativen“, bedauert der Wahlsieger. „Dann könnten wieder gewisse inkompetente Kader und politische Hardliner gewählt werden, die  ich gern endlich in den Hörsälen sehen würde“, fährt der angehende Politikwissenschaftler fort. Frische Köpfe würden seine Unterstützung erhalten. Florian Bonn hält die Fraktionsbildung nicht für bedrohlich, da „Grüne in Sachfragen auch mal mit RCDSlern zusammenarbeiteten.“  Jetzt würden zu viele darauf gucken was der Rest macht, deshalb fordert Bonn auf: „Ihr seid Studenten, keine Schafe!“

Geschrieben von Isabel Bock

Wahlkampf 2.0

Der Blog des Sebastian Jabbusch – kommentiert

Der diesjährige Wahlkampf zu den Stupa-, Fakultätsrats- und Senatswahlen war hitziger als es der gegenüber der Hochschulpolitik gleichmütig desinteressierte Durchschnittsstudierende gewohnt ist. Aufgestachelt durch den provokant bis polemischen Wahlkampf Sebastian Jabbuschs, der mit seinen Wahlplakaten („Ich hasse Hochschulpolitiker!“, „Alles nur großes Bla Bla!“) voll auf die hochschulpolitische Verdrossenheit der studentischen Wählerschaft setzte, entwickelten sich wilde Wahlkampfgefechte: Nicht nur wurden nach physischen Attacken gegen Wahlmittel (unter denen allerdings auch die Hochglanzprodukte des RCDS zu leiden hatten) parodierende Gegenkampagnen gestartet, sondern auch die politische Auseinandersetzung in nicht unerheblichen Maße in den virtuellen Raum verlegt, in den von Jabbusch zu diesem Zweck ins Leben gerufenen „StuPa-Info-Blog“ (inzwischen: Uni-Greifswald-Blog.de).

Wohl auch angesichts des unbestreitbaren Erfolges von Jabbuschs Kampagne bei StuPa- und Senatswahlen konnte der amtierende StuPa-Präsident Frederic Beeskow gegenüber unseren Kollegen von MoritzWeb nur noch konstatieren, dass der „Erfolg der Wahlwerbung kritisch hinterfragt“ werden solle.
Bei den im Blog ausgetragenen Kommentarschlachten ging es nicht selten heiß zu. Thomas Schattschneider, Vorsitzender des AStA, bezeichnet den Blog als eine „Plattform, um Frust abzubauen.“ Der „Blog“ sei „kein geeignetes Diskussionsforum“ (ebenfalls gegenüber MoritzWeb).

Deutlich konkreter werden die unzähligen ablehnenden Kommentare auf dem Blog, die oftmals, wenn auch meist den Schutz der Anonymität suchend, bei den Autoren einen hochschulpolitischen Hintergrund und viel verletzte Eitelkeit erkennen ließen. Es wird gemunkelt, dass AStA-Referenten wie Christian Müller ihre Sprechstunde genau dazu verwendeten.

„Ich kann nix, ich bin nix, wo bitte geht´s zum AStA“

Als politischer Schaumschläger abgestempelt wird Jabbusch in den Kommentaren zumeist jegliche Fähigkeit zu konstruktiver Mitarbeit jenseits der provozierenden Kritik abgesprochen. Jenen Stimmen entgegnet Jabbusch: „Es gibt einen Grund für die zahlreichen Protestwähler. Dieser Grund liegt im Frust über die Hochschulpolitik, die sich entweder undurchsichtig gibt und faktisch nicht-öffentlich handelt oder die Studierenden durch das, was nach ‚außen‘ dringt, schlicht deprimiert. Ich war selbst deprimiert. Ich bin aber nicht Ursache der studentischen Politikverdrossenheit, wie mir meine Kritiker vorwerfen, ich habe den Frust bloß kanalisiert. Das Problem liegt bei jenen, die über meinen Populismus klagen.“

Auch wenn man Jabbusch, der als eines von zehn Geschwistern aufgewachsen ist, bei all seinen Aktivitäten eine gewisse aufmerksamkeitsheischende Geltungssucht gepaart mit dem Hang zur polarisierenden Polemik nicht ganz absprechen kann, so traf sein Ansatz doch einen empfindlichen Nerv bei den Studierenden.

Denn die studentische Hochschulpolitik hat ein ernsthaftes Imageproblem. Dafür spricht nicht nur die geringe Wahlbeteiligung: Auch StudiVZ-Gruppen wie „Ich kann nix, ich bin nix, wo bitte geht’s zum Asta“ erfreuen sich steigender Beliebtheit. Kein Wunder, wenn die Greifswalder Hochschulpolitiker vor allem durch das Basteln lustiger Parteiwimpel (RCDS) oder durch die Verbreitung von E-Mails mit schlüpfrigen Details über die sexuellen Aktivitäten von anderen Hochschulpolitikern von sich reden machen. Gleichzeitig wird die Fortführung der Diskussion um den umstrittenen Namenspatron unserer Uni nicht als „treibendes Thema“ angesehen, dass es wert wäre die knappen Kräfte der Studentischen Selbstverwaltung zu belasten (sinngemäß: Schattschneider auf Uni-Greifswald-Blog.de), während andererseits eben jene Ressourcen in das – anscheinend äußerst dringliche – Anliegen investiert werden, der Landesregierung per Postkartenaktion für etwas zu danken, was selbstverständlich sein sollte: für die Nichteinführung von Studiengebühren. Spätestens jetzt fragt sich der anfangs erwähnte gleichmütig desinteressierte Durchschnittsstudierende schließlich doch mal: „Was soll der Scheiß?“

Hochschulpolitischer Raum?

Dass AStA-Chef Schattschneider in Bezug auf den Blog der Ansicht ist, „Debatten sollten lieber im hochschulpolitischen Raum geführt werden“, ist bezeichnend für das geringe Problembewusstsein hinsichtlich der mangelnden Transparenz. Dass eine gesonderte Öffentlichkeit jenseits der unattraktiven Sitzungstermine durchaus ihre Berechtigung hat, zeigen nicht zuletzt auch die bisweilen selbst entlarvenden Kommentare der Blog-Kritiker, die trotz filternder Moderation irgendwie an einen aufgescheuchten Kindergarten erinnern.

Derweil plant Jabbusch den Ausbau des Blogs über die Themen der Hochschulpolitik hinaus, hin zu allgemeinen studentischen Themen. Da dazu auch weitere Redakteure angeworben werden sollen, scheint eine Konkurrenzsituation zu anderen lokalen – studentischen! – Internetmedien nicht ganz unwahrscheinlich.

Geschrieben von Johannes Kühl