Dr. Konrad Ott skeptisch gegenüber embryonaler Stammzellforschung

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das ist ein Grund, warum in Deutschland die Herstellung von embryonalen Stammzellen zu Forschungszwecken verboten ist. Trotzdem experimentieren unter anderem Zellbiologen und Mediziner in der Bundesrepublik mit solchen menschlichen Körperzellen.

„Für uns ist die Stammzellforschung von immenser Bedeutung“, sagt ein Mediziner aus Greifswald, der aus beruflichem Grund unbekannt bleiben möchte. „Wir leben in einer alternden Gesellschaft und haben den Auftrag, sie gesund zu erhalten. Von der Stammzellforschung profitiert im Prinzip jeder medizinische Bereich“, fährt er fort. In Zukunft sei es möglich, die besonderen Fähigkeiten der Stammzellen zur Heilung von Krankheiten wie Parkinson oder Alzheimer einzusetzen. Eine wichtige Eigenschaft der embryonalen Stammzellen ist nämlich ihre so genannte Pluripotenz, („zu Vielem mächtig“). Das heißt, dass sie sich in spezifische Gewebezellen, zum Beispiel Herzmuskel- oder Nervenzellen verwandeln können.

„Menschenfreundliche Medizin völlig deplatziert“

Darf man für die Heilungswünsche zukünftiger Generationen die absolute Schützungswürdigkeit menschlichen Lebens ausspielen? Dr. Konrad Ott verneint diese Frage. Der Professor für Umweltethik und angewandte Ethik an der Uni Greifswald findet, dass die „Formulierung für eine menschenfreundliche Medizin“ völlig deplatziert ist. „Ich persönlich sehe diesen Forschungsbereich mit Befürchtungen unliebsamer Überraschungen und Dammbruch-Risiken“, sagt er.

Trotzdem: Es ist  in Deutschland erlaubt, an embryonalen Stammzellen zu forschen. Allerdings dürfen die Wissenschaftler nur Zellen benutzen, die sie vor dem 1. Januar 2002 aus dem Ausland importiert haben. Das ist gesetzlich vorgeschrieben. Seit einiger Zeit klagen Experten, dass die eingeführten Stammzelllinien verknappen oder veraltern. Die Stammzellen wurden über Jahre gehalten und kultiviert. „Sie haben in dieser Zeit bestimmte Eigenschaften, wie zum Beispiel Pluripotenz, verloren“, erklärt der Greifswalder Medizinprofessor. „Dies ist der Punkt, weshalb permanent über neue Stichtage nachgedacht und diskutiert wird“, sagt er.

„Im Vergleich zu den USA im Mittelalter“

Genau das geschieht zurzeit im Bundestag. Die Politiker diskutieren über vier Gesetzesvorschläge. Die Positionen der Abgeordneten liegen zum Teil so stark auseinander, dass sie die Fraktionen spalten. Petra Sitte von den Linken paktiert zum Beispiel mit Ulrike Flach von der FDP. Die meisten Befürworter hat der Vorschlag des SPD-Politikers René Röspel. Er möchte den Stichtag einmalig auf den 1. Mai 2007 verschieben. Die Gruppe um Ulrike Flach will den Stichtag wegfallen lassen. Hubert Hüppe (CDU) schlägt vor, die Einfuhr von Stammzellen ganz zu verbieten; und Anhänger des Vorschlages von Julia Klöckner (CDU) wollen keine Stichtagsveränderung. Bei der Debatte haben die Politiker mehr im Blick als nur moralische Aspekte. Sie wollen auch sicherstellen, dass sich der Forschungsstandort Deutschland im internationalen Wettbewerb behaupten kann. „Was Deutschland betrifft, so befinden wir uns bei der Stammzellforschung im Vergleich zu den USA im Mittelalter“, sagt der Mediziner aus der Hansestadt; nicht zuletzt stecken wirtschaftliche Interessen einer großen Industrielobby hinter den Bemühungen der Wissenschaftler.

Für Dr. Konrad Ott geht es bei der Diskussion vor allem um die Frage, ob embryonale Stammzellen einfuhrfähig sind. „Wir importieren einiges, dessen Produktion im deutschen Recht unzulässig ist, zum Beispiel Kinderarbeit oder Umweltstandards. Insofern finde ich, nur die beiden Lösungen, entweder Importe ganz zu verbieten oder ohne Stichtagsregelung freizugeben, in sich schlüssig“. Ein Verbot der Forschung kann man aus Sicht des Ethikprofessors mit Kant rechtfertigen. Nämlich: Der menschliche Embryo besitzt die volle Menschenwürde und bei der Tötung von Embryonen zu Forschungszwecken liegt ein schwerer Verstoß gegen die Menschenwürde vor.  „Die liberale Position wird eine andere Prämisse setzen“, erklärt Ott, „Hier sind Früh-Embryonen“ Schutzgüter, die mit anderen Schutzgütern – wie das Grundrecht auf Forschungsfreiheit oder das Anspruchsrecht der Patienten auf Heilung- abgewogen werden dürfen.“

Geschrieben von Benjamin Vorhölter