von Archiv | 12.12.2005
Als polnische Studentin in Greifswald
Magda und ich treffen uns an einem Montag zum Kaffee. Ihre markante Stimme und ihr Lachen fallen sofort auf. Die junge Studentin kommt aus Polen, genauer Szczecin, nur zwei bis drei Stunden mit dem Auto. Magda Plesner ist 20 Jahre alt und studiert seit dem Wintersemester ‘04/‘05 in Greifswald. Sie ist eine von insgesamt 116 polnischen Studenten, die derzeit ihr Studium in Deutschland absolvieren. Davon sind immerhin 83 Frauen. Die Mehrzahl der jungen Polen in Greifswald studieren BWL, Germanistik und Anglistik, dicht gefolgt von Jura und Medizin.
Magda, die sich selbst als Fremdsprachen-Freak bezeichnet, studiert im dritten Semester Anglistik/Amerikanistik als Hauptfach und Polonistik und Kommunikationswissenschaft in den Nebenfächern. Sprachen haben die quirlige Magda schon immer fasziniert.
Und wirklich: Magda plappert munter drauf los, nimmt kein Blatt vor dem Mund. Sie erzählt von ihrem Vater, der in Greifswald regelmäßig als Journalist für das deutsche Radio arbeitet und sie in ihrer Idee, in Greifswald zu studieren, unterstützte. Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit polnischen und deutschen Behörden kam sie im September 2004 nach Greifswald und fand schnell ein Zimmer in der Makarenkostraße. Dort wohnt die Polin mit einer deutschen Studentin zusammen, mit der sie sich gut versteht.
Beeindruckt war Magda damals vor allem von der Hilfsbereitschaft des AStA, der ihr kostenlos Möbel zu Verfügung stellte und ihr viele wichtige Fragen beantwortete. „Jeder hat mich in dem kleinen, gemütlichen Greifswald freundlich empfangen und mich unterstützt. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, im Studium gegenüber deutschen Kommilitonen bevorzugt zu werden. Ich habe hier noch nie schlechte Erfahrungen gemacht.“
Einen kleinen Nebenjob hat Magda auch schon gefunden. Sie arbeitet für ein deutsches Bauunternehmen als Übersetzerin von Dokumenten und Katalogen. In Deutschland verdient sie das Sechsfache von dem, was sie in Polen verdienen würde. Dennoch lebt Magda sparsam. Manchmal fragt sie sich, was einige mit dem vielen Geld anstellen, das ihnen im Monat zur Verfügung steht. Magda haushaltet mit etwa 300 Euro in einem Monat, mit allem drum und dran. Sie kann sich kaum vorstellen, dass in Deutschland einige Studenten monatlich mindestens 600 Euro ausgeben. „Von diesem Geld kann in Polen eine vierköpfige Familie leben.“
Die junge Polin beschreibt deutsche Studenten als pünktlich, zuverlässig, ordentlich und sauber, aber vor allem als temperamentvoll, impulsiv und: „Laut! Wenn sich die Deutschen unterhalten, sprechen sie nicht, sondern sie schreien. “
Nach ihrem Studium möchte Magda sehr gerne in Deutschland bleiben und hier arbeiten. Sie hofft, dass die polnische Sprache ihr bei der Suche nach Arbeit helfen wird.
Momentan freut sich die Studentin wieder auf die Weihnachtszeit. Die Weihnachtsmärkte haben es ihr besonders angetan, obwohl sie anfangs die vielen Lichterketten, Tannenzweige und Weihnachtskugeln als kitschig und übertrieben empfand. „Letztes Jahr war ich schockiert von dem vielen Lichterschmuck, mit dem meine Mitbewohnerin unsere Wohnung ausstaffiert hatte. Es war so hell, dass meine Augen geschmerzt haben.“ Sie grinst.
Wir trinken unseren Kaffee weiter und unterhalten uns über Polen. Magda bedauert es, dass Deutschland oft ein falsches Bild von ihrem Heimatland präsentiert wird. „In Polen wird nicht nur geklaut. Polen hat viele schöne Ecken, die man erkunden kann: Schöne Strände, historische Städte wie Warschau, Krakau, Breslau und Pozen. Dennoch muss bei uns noch viel gemacht werden.“
Geschrieben von Ina Kubbe
von Archiv | 12.12.2005
Das Nachbarland Polen war in letzter Zeit häufiger im Gespräch. Hierzulande regte man sich über die Polen auf, die Lech Kaczynski von der rechtspopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zum Sieg in der Präsidentenwahl geholfen haben. Kaczynski gewann gegen Donald Tusk von der rechtsliberalen Bürgerplattform (PO). Die Wahlbeteiligung betrug 51 Prozent. Kaczyniski will das polnische Strafrecht verschärfen sowie Polizei und Gerichte mit mehr Befugnissen versehen.
Mittlerweile wurden die durch die Präsidentenwahl unterbrochenen Koalitionsverhandlungen fortgesetzt, ausgesetzt und wieder angesetzt. Man konnte sich nicht einigen, profilierte sich doch Präsident Kaczynski immer mal wieder als „Euroskeptiker“ (Kwasniewski) und Rechtsaußen. Doch mit der Aussprache des Vertrauens durch die Mehrheit des Parlamentes kann Kazimierz Marcinkiewicz von der PiS nun in einer Minderheitsregierung im Amt des Ministerpräsidenten schalten und walten.
In Polen erhitzten sich die Gemüter über die Gaspipeline, die durch die Ostsee anstatt durch die zwischen Russland und Deutschland liegenden Staaten verlegt werden soll. Die Pipeline, die vom russischen Wyborg bis nach Greifswald verlaufen soll, wird der erste direkte Anschluss EONs an das russische Gasnetz sein. Dass man sich in Polen über den „Schröder-Putin-Pakt“ aufregt, ist verständlich. Polen ist in hohem Maße abhängig von russischen Öl- und Gaslieferungen. Neben höheren ökologischen Risiken, die beim Verlegen der Pipeline unter der Ostsee drohen, gehen den Staaten, durch die sie hätte verlegt werden können, auch Einnahmen verloren.
Pikant wirkt da besonders der Satz, den Bundespräsident Horst Köhler kürzlich noch zum Festakt der Solidarnosc in Danzig sprach: „Nichts über uns ohne uns – diesen Anspruch hat Polen, und wir Deutsche wollen gerne dabei helfen, dass er als selbstverständlich akzeptiert wird.“
Geschrieben von Stephan Kosa
von Archiv | 12.12.2005
Die erfolgreichen Zeiten der „Weißen Adler“, der polnischen Nationalmannschaft, liegen über ein Vierteljahrhundert zurück. Beim Championat 1974 in München wäre man sogar fast Weltmeister geworden, schied jedoch in der „Wasserschlacht von München“ gegen den späteren Weltmeister BRD mit 2:3 aus. Zwei Jahre zuvor holte die Mannschaft an gleichem Ort Olympisches Gold.
Die Bayernmetropole könnte demnach eine Wunschstation für die polnische Endrundenteilnahme im nächsten Juni sein. Vielleicht sogar mit Deutschland in einer Vorgruppe. Man könnte sich zwischen Szczecin und Warschau sogar berechtigte Hoffnungen auf das Achtelfinale machen, betrachtet man die letzten Leistungen der Klinsmann-Elf.
Doch in punkto Zuversicht sind die Fans der Reprezentacja Polski zurückhaltend geworden. Feierte man bei der letzten WM in Fernost anfangs noch das beeindruckende Qualifikationsergebnis, folgte die Blamage auf den Fuß: 0:2 gegen Südkorea, 0:4 gegen Portugal. Das Rückflugticket war gebucht, ehe man sich versah.
Nach der erneuten Qualifikation will jenseits von Oder und Neiße niemand mehr das Wort „Geheimfavorit“ in den Mund nehmen. Zu Recht, denn bei der Gruppenausscheidung um das WM-Ticket war England der einzige Rivale, gegen den dann auch Hin- und Rückspiel verloren gingen. Aserbaidschan, Nord-irland, Wales und Österreich reichten als Punktelieferanten für einen zweiten Gruppenplatz und somit für den Flug nach Deutschland.
Vielleicht fiebert Fußball-Polen aber auch für die deutsche Elf. Die Tore schießen dort bekanntlich zwei, die sich Lukas Podolski und Miroslav Klose nennen.
Geschrieben von Robert Tremmel
von Archiv | 12.12.2005
In Polen nennen sie ihn „Maluch“, Winzling. In sozialistischen Zeiten gehörte er wie der Trabant in der DDR zur Familie. Von 1972 bis 2000 rollten in Polen 3,5 Millionen Fiat Polski 126 p vom Band.
Es kam nicht häufig vor, dass ein Trabant auf DDR-Autobahnen einen PKW anderen Fabrikats aus eigener Kraft überholte. So freute man sich damals mit dem naiven Stolz eines Kindes, wenn am Horizont ein Polski-Fiat auftauchte. Der Überholvorgang ereignete sich zu einem Kräftemessen der Zweizylinder. Im Windschatten der frontgetriebene Trabant, 26 PS, 594,5 Kubizentimeter Hubraum und 109 km/h Spitze, davor der röhrende Polski mit zur besseren Luftkühlung geöffneter Motorheckklappe, 23 PS , 594 Kubikzentimeter Hub und 105 km/h Höchstgeschwindigkeit.
Trotz der winzigsten Ausmaße der fahrenden Hutschachtel (drei Meter Länge und jeweils 1,3 Meter Breite und Höhe) flößte die Konstruktion Respekt ein. Immerhin ein Auto aus Metall. Außerdem stand FIAT drauf und das Design wirkte irgendwie modern. In der Tat war das polnische Volksauto italienischer Abstammung. Der Fiat 126, in Polen 126 p bezeichnet, wurde zeitgleich im Jahr 1972 beim Turiner Automobilsalon und der Warschauer Plac Defilade der Öffentlichkeit vorgestellt. Im Jahr 1975 begann der Import des italienischen Kleinwagens aus polnischer Produktion auch in die DDR. Aus diesem Anlass berichtete die DDR-Fachzeitschrift Kraftfahrzeugtechnik (KFT) über eine Testfahrt mit dem Fiat 126 p.
Die Redakteure bestiegen das Fahrzeug mit Vorbehalten: „Immerhin beschäftigten wir uns 15 Jahre mit dem Trabant. Dessen Konzeption hat sich bewährt. Der Polski Fiat stellt in mancher Beziehung fast das Gegenteil dar.“ Doch die Redakteure sind am Ende der Testfahrt überrascht: „In der Summe aller Einzelheiten entstand ein besonders winziges und teilweise auch einfach gebautes Fahrzeug, das aber einen durchaus „erwachsenen“ Fahreindruck verschafft. Im Innenraum des 126 p geht es zwar aufgrund des luftgekühlten Zweizylindermotors durchaus nicht leise zu, störende Nebengeräusche aber – wie mitschwingende Instrumententafel oder klapperndes Gaspedal gab es überhaupt nicht. Diese Arbeit im Detail ist auch ein Ausdruck für die konstruktive Reife des Produktes.“
Die Redakteure machten sich mit listiger Begründung für einen Import stark. Erstens um „das Angebot in der so gefragten Trabant-Kategorie endlich zu erweitern“ und zweitens, um „unseren Trabant von einigen Bindungen zu lösen und eine technisch anspruchsvollere Weiterentwicklung zu begünstigen.“ Zwar wurde dann der Fiat aus Polen importiert, zu einer wesentlichen, technischen Weiterentwicklung des Trabant sollte es aber nicht mehr kommen.
Während die Papp-Fabrikate des VEB Sachsenring heute weitgehend von deutschen Straßen verschwunden sind, sieht man den Winzling in Polen noch relativ häufig im von Westautos dominierten Straßenverkehr.
Inzwischen werden in Polen Fiat-Kleinstmodelle jüngeren Konstruktionsdatums gebaut. Das italienische Engagement in der polnischen Automobilindustrie geht bis in die 30er Jahre zurück und beschränkte sich nicht nur auf die Produktion des 126 p. Viele andere und vor allem größere Fiat-Modelle wurden in Lizenz nachgebaut. Kultstatus in Polen erreicht aber nur der „Winzling“. Das Computerspiel „Maluch-Racer“ geht in Polen bereits in die zweite Auflage. Demnächst soll es angeblich sogar eine deutsche Version geben.
Geschrieben von Robert Tremmel
von Archiv | 12.12.2005
Weihnachtsbräuche in Polen
Das Weihnachtsfest wird neben Ostern in Polen wohl am feierlichsten begangen. Die zentrale Rolle spielt hier das Essen, das zum heiligen Abend gehört wie der Adler ins Staatswappen. Bereits Tage vorher wird gekocht, gebacken und vorbereitet, damit die Familie am 24. Dezember nicht Hunger leiden muss. Tagsüber wird gefastet, doch mit Einbruch der Dunkelheit geht es dann los. Sobald der erste Stern aufleuchtet, lässt sich die Familie am Esstisch nieder.
Der Festschmaus besteht in Polen traditionell aus zwölf Gängen, die an die zwölf Apostel erinnern sollen. Häufig gibt es Fisch in verschiedenen Variationen. Bevor es jedoch ans Schlemmen geht, teilt die Familie die Weihnachtsoblaten untereinander und verzeiht sich alle Kränkungen und Verfehlungen des Jahres. Außerdem ist die Oblate ein Zeichen dafür, dass alle in der Familie ihr Leben miteinander teilen möchten.
Viele Bräuche in Polen haben ihren Ursprung im slawischen Brauchtum. Dies ist zu Weihnachten nicht anders. Besonders beliebt ist die Tradition, ein Geldstück beim weihnachtlichen Festschmaus unter einem Teller zu verstecken. Wer es findet, dem ist für das kommende Jahr Glück garantiert. In manchen Orten hat auch die Tradition überdauert, den Haustieren nach dem Festmahl Oblatenstückchen zu geben, damit sie gesund bleiben und sich gut vermehren.
Schließlich sind in Polen auch die oft sehr alten Weihnachtslieder untrennbar mit dem Fest verbunden. Die Texte sind humoristisch, satirisch oder sogar gesellschaftskritisch. Für viele Polen, die fern der Heimat leben, sind die Weihnachtslieder der Inbegriff alles Polnischen. Doch nicht nur im Kreis der Familie wird gesungen. Bereits im 17. Jahrhundert zogen Sänger in der Vorweihnachtszeit von Haus zu Haus und trugen an einer Stange einen großen, bunten, von innen erleuchteten Stern.
Auch wenn in Polen inzwischen in großem Maße eine Verwestlichung stattgefunden hat, konnten viele dieser Traditionen glücklicherweise überleben. Natürlich schreiben sich die Polen auch Weihnachtskarten und darauf steht dann „Wesolych Swiat!“
Geschrieben von Kai Doering