In Polen nennen sie ihn „Maluch“, Winzling. In sozialistischen Zeiten gehörte er wie der Trabant in der DDR zur Familie. Von 1972 bis 2000 rollten in Polen 3,5 Millionen Fiat Polski 126 p vom Band.

Es kam nicht häufig vor, dass ein Trabant auf DDR-Autobahnen einen PKW anderen Fabrikats aus eigener Kraft überholte. So freute man sich damals mit dem naiven Stolz eines Kindes, wenn am Horizont ein Polski-Fiat auftauchte. Der Überholvorgang ereignete sich zu einem Kräftemessen der Zweizylinder. Im Windschatten der frontgetriebene Trabant, 26 PS, 594,5 Kubizentimeter Hubraum und 109 km/h Spitze, davor der röhrende Polski mit zur besseren Luftkühlung geöffneter Motorheckklappe, 23 PS , 594 Kubikzentimeter Hub und 105 km/h Höchstgeschwindigkeit.

Trotz der winzigsten Ausmaße der fahrenden Hutschachtel (drei Meter Länge und jeweils 1,3 Meter Breite und Höhe) flößte die Konstruktion Respekt ein. Immerhin ein Auto aus Metall. Außerdem stand FIAT drauf und das Design wirkte irgendwie modern. In der Tat war das polnische Volksauto italienischer Abstammung. Der Fiat 126, in Polen 126 p bezeichnet, wurde zeitgleich im Jahr 1972 beim Turiner Automobilsalon und der Warschauer Plac Defilade der Öffentlichkeit vorgestellt. Im Jahr 1975 begann der Import des italienischen Kleinwagens aus polnischer Produktion auch in die DDR. Aus diesem Anlass berichtete die DDR-Fachzeitschrift Kraftfahrzeugtechnik (KFT) über eine Testfahrt mit dem Fiat 126 p.
Die Redakteure bestiegen das Fahrzeug mit Vorbehalten: „Immerhin beschäftigten wir uns 15 Jahre mit dem Trabant. Dessen Konzeption hat sich bewährt. Der Polski Fiat stellt in mancher Beziehung fast das Gegenteil dar.“ Doch die Redakteure sind am Ende der Testfahrt überrascht: „In der Summe aller Einzelheiten entstand ein besonders winziges und teilweise auch einfach gebautes Fahrzeug, das aber einen durchaus „erwachsenen“ Fahreindruck verschafft. Im Innenraum des 126 p geht es zwar aufgrund des luftgekühlten Zweizylindermotors durchaus nicht leise zu, störende Nebengeräusche aber – wie mitschwingende Instrumententafel oder klapperndes Gaspedal gab es überhaupt nicht. Diese Arbeit im Detail ist auch ein Ausdruck für die konstruktive Reife des Produktes.“
Die Redakteure machten sich mit listiger Begründung für einen Import stark. Erstens um „das Angebot in der so gefragten Trabant-Kategorie endlich zu erweitern“ und zweitens, um „unseren Trabant von einigen Bindungen zu lösen und eine technisch anspruchsvollere Weiterentwicklung zu begünstigen.“ Zwar wurde dann der Fiat aus Polen importiert, zu einer wesentlichen, technischen Weiterentwicklung des Trabant sollte es aber nicht mehr kommen.
Während die Papp-Fabrikate des VEB Sachsenring heute weitgehend von deutschen Straßen verschwunden sind, sieht man den Winzling in Polen noch relativ häufig im von Westautos dominierten Straßenverkehr.
Inzwischen werden in Polen Fiat-Kleinstmodelle jüngeren Konstruktionsdatums gebaut. Das italienische Engagement in der polnischen Automobilindustrie geht bis in die 30er Jahre zurück und beschränkte sich nicht nur auf die Produktion des 126 p. Viele andere und vor allem größere Fiat-Modelle wurden in Lizenz nachgebaut. Kultstatus in Polen erreicht aber nur der „Winzling“. Das Computerspiel „Maluch-Racer“ geht in Polen bereits in die zweite Auflage. Demnächst soll es angeblich sogar eine deutsche Version geben.

Geschrieben von Robert Tremmel