Der legendäre Steppenherrscher

„Die neun Träume des Dschingis Kahn“ von Galsan Tschinag

Ein Heerlager inmitten der Steppe – Jurten, Pferde, Tausendschaften von Kriegern – weit verteilt. Im Zentrum die Palastjurte Dschingis Khans (1162-1227), des mongolischen Herrschers der, nachdem er die meisten Nomadenstämme Zentralasiens geeint und unterworfen, seine Reiterhorden bis hierher ins Land der Tanguten im heutigen Nordchina geführt hatte.

Das Umland verwüstet, die Hauptstadt des Reiches dem Erdboden gleich gemacht, der Tanguten Fürst geköpft. Nur dessen Burg ist für die Eroberer vorerst uneinnehmbar.

Doch auch auf Seiten der Mongolen sieht es nicht gut aus. Dschingis Khan liegt tödlich verletzt in seiner Palastjurte – nicht verwundet in offener Schlacht, sondern bei einem Jagdausflug aus Leichtsinn und Unachtsamkeit vom Pferd gefallen. An dieser Stelle beginnt der Roman „Die neun Träume des Dschingis Khan“ von Galsan Tschinag dem mongolischen, in deutscher Sprache schreibenden Dichter, der auch Schamane und Stammesoberhaupt des Volks der Tuwa ist. Wortgewaltig und fesselnd schildert er die letzten Tage Dschingis Khans, lässt ihn in neun Träumen seine Vergangenheit Revue passieren. Träume in denen der Begründer eines Weltreichs noch einmal den wichtigen Menschen seines Lebens begegnet – seinen Erzeugern, Frauen, und Nachkommen, engen Vertrauten und Gefährten, aber auch erbitterten Gegnern und besiegten Fürsten. Momente, in denen der Reiterfürst seine Taten reflektiert und neu beurteilt. Fragmente, die ein lebendiges, scharfes Bild Dschingis Khans und der Steppenvölker seiner Zeit zeichnen. Ein Werk wie es wohl nur aus der Feder eines Schriftstellers stammen kann, der selbst in einer Jurte und der Freiheit der Steppe aufgewachsen ist.

Geschrieben von Maximilian Fleischmann

Als die Zeit zu Ende war

„Sieben wunderbare Jahre“ von Göran Sahlberg

Nachdem die Jahrtausendwende nicht, wie von vielen erwartet, eine alles vernichtende Katastrophe mit sich brachte, hätte ein großer Teil der Erdbewohner eigentlich wieder recht zuversichtlich in die Zukunft blicken können. Gäbe es da nicht schon den nächsten Grund, ein baldiges Ende der Menschheit zu befürchten. Heute heißt er Klimawandel. So hat jede Zeit ihren Weltuntergang und Sekten und Religionen fühlen sich jedes Mal in ihren Prophezeiungen bestätigt.

Göran Sahlbergs Debütroman „Sieben wunderbare Jahre“ (Originaltitel: När tiden tog slut)  spielt im Schweden der 50er Jahre. Der sechsjährige, namenlose Ich-Erzähler wächst mit den religiösen Vorstellungen seiner Eltern auf. So scheint der Kalte Krieg und die Furcht vor einem Dritten Weltkrieg sicheres Anzeichen eines baldigen Umschwungs. Der altkluge Junge ließt Bücher, in denen das Ende der bestehenden Weltordnung angekündigt wird, und möchte Prediger werden, wie sein Vater. Als seine Eltern eines Tages nicht mehr da sind, glaubt er die Prophezeiungen hätten sich erfüllt und sie wären von einer „Luftbewegung“ vor dem Endkrieg der Welt gerettet worden, während er als Strafe für eine Lüge sein Leben im Zeitalter der „Mühsal“ fristen muss. Die hübsche Kassiererin Viola nimmt sich seiner an und der Junge erlebt einen ganz besonderen Sommer.

Der Religionspsychologe Sahlberg erzählt nicht von einer unbeschwerten Kindheit wie der deutsche Titel vermuten lässt. Mit den Eindrücken und Gedanken des Zeitgeschehens und der Religion wird ein Kind allein gelassen und das hat fatale Folgen. Obwohl der naive Kinderblick nicht konsequent durchgehalten wird und die anfänglichen Wunderkindelemente zum Teil enervieren, ist „Sieben wunderbare Jahre“ ein beeindruckender Roman, der bis zur letzten Zeile spannend bleibt.

Geschrieben von Alina Herbing

Sieg für die Menschlichkeit

Beethovens ?Fidelio? im Theater Vorpommern

In zwei Akten widmet sich Beethovens „Fidelio“, der auch 100 Jahre nach seiner Entstehung aktuellen Thematik, der politischen Willkür.

 Florestan (Michael Renier) sitzt als politischer Gefangener des hervorragend dargestellten Don Pizarros (Benno Remling) im Kerker und einzig der Gedanke an seine geliebte Frau Leonore lässt ihn unmenschliche Haftbedingungen und Folter á la Guantánamo ertragen. An seiner Rettung scheint zunächst nur Fidelio (Anna Ryan) interessiert zu sein. Nach und nach gelingt es ihm seinem Vorgesetzten, Gefängniswärter Rocco (Bernhard Leube), die Augen für die Leiden der Häftlinge zu öffnen. Uneingeweihte verwundert zunächst die Besetzung des Fidelio mit einer Frau. Denn im stilistisch typischen Verwirrspiel klassischer Libretti offenbart sich der vermeintlich männliche Hauptdarsteller erst ganz zum Schluss als die zu Florestans Rettung eilende Leonore.

Das Theater Vorpommern gestaltete Beethovens Bühnenwerk modern, indem ein nüchterner Gefängnistrakt mit kalter Beleuchtung die Hauptkulisse bildete. Der politische Unterton wurde gewollt inszeniert und fand beim sehr zahlreich erschienenen Premierenpublikum großen Anklang, die Vorstellung war nahezu ausverkauft. Auch die musikalische Umsetzung überzeugte. Sowohl die orchestrale Interpretation Beethovens reichhaltiger Musik als auch der sehr gut arrangierte Männerchor der Gefangenen trugen wesentlich zur Erzeugung der dramatischen Stimmung bei. In den Arien und Duetts konnten die Solisten brillieren. Anstrengend wurde das Hörerlebnis jedoch durch die mäßige bis schlechte Artikulation des Fidelio. Da seine/ihre Stimme außerdem nicht genug Emotionen transportierte, war das Verfolgen der Handlung streckenweise schwer möglich. Dennoch gehört „Fidelio“ zu den Höhepunkten der Theatersaison. Eine aufwendige Bühnendynamik, perfekt platzierte Lichteffekte und die sehr guten und professionellen Leistungen der anderen Hauptdarsteller setzten Beethovens erste und einzige Oper würdig um.

Geschrieben von Sarah Bechimer

An Visionen scheitern

?Republik Vineta? vom Studententheater StuThe

„Theater Vorpommern? Interessiert mich nicht“, sagt sich der Durchschnittsstudent mit Blick auf den städtischen Veranstaltungskalender. Zu teuer. Zu schlecht. Zu provinziell. Das sind die Vorwürfe, die immer wieder zu hören sind. Bemängeln lassen sich die Auswahl der Stücke, die künstlerische Qualität und die fehlende Kreativität.

Doch im grauen Einheitsbrei der Greifswalder Theateraufführungen gibt es auch Lichtblicke. Getreu dem Motto: Ausnahmen bestätigen die Regel. Gehört „Republik Vineta“ zu diesen rühmlichen Einzelfällen oder reiht sich auch diese Aufführung in den Reigen belangloser Stücke? Die Antwort fällt schwer. Nicht gut, nicht schlecht, nicht Fisch, nicht Fleisch. Die schauspielerische Leistung ist ohne Zweifel tadellos. Die Mitglieder des Studententheaters StuThe geben sich größte Mühe dem Schauspiel „Republik Vineta“ von Moritz Rinke Leben einzuhauchen. Dieses Vorhaben lässt sich nicht leicht in die Tat umsetzen. Zu schwerfällig ist das Stück. Zu kompliziert sind die Zusammenhänge. „Was passiert hier eigentlich“, fragt sich Architekt Sebastian Färber auf der Bühne. Viele der Zuschauer stellen sich in diesem Moment vermutlich dieselbe Frage. Die ersten Szenen lassen viel Interpretationsspielraum. Geht es um Freundschaft, Hass, Träume oder Bürokratie? Alles wird angedeutet, vieles bleibt vage. Erst gegen Ende des über zweistündigen Stückes setzen sich die einzelnen Szenen zu einem Ganzen zusammen.

Fünf selbsternannte Vordenker treffen sich unter der Leitung von Robert Leonhard und seiner Assistentin zu einer geheimen Konferenz. In einer abgeschiedenen Villa planen sie das Projekt „Vineta“, eine neue Stadt und einen „Themenpark der untergegangenen Träume“, die auf einer unbewohnten Insel entstehen sollen. Die ersten Frachtschiffe sind schon auf dem Weg zur Insel. Doch Leonhard zweifelt und lässt den Stararchitekten Färber holen, der die Pläne auf den Kopf stellt. Statt einer zweckmäßigen Stadt schwebt ihm ein Ort der Harmonie und Tradition vor. Konflikte entstehen zwischen den Visionären. Es wird diskutiert, argumentiert und gestritten. Unter den Beteiligten entbrennt ein hemmungsloser Machtkampf. Eine Kette tragischkomischer Entwicklungen beginnt. Letztlich scheitert die Vision „Vineta“. Zurück bleiben Bedrückung, Verzweiflung und Enttäuschung. Robert Leonhard, der Leiter des Projektes, sagt resümierend: „Man muss auch lernen, seine Träume in Würde zu begraben.“ Bleibt nur die Frage: Dürfen wir zukünftig von einem Theater Vorpommern träumen, das mehr Zuschauer mit attraktiven Aufführungen anzieht? Oder ist auch diese Vision zum Scheitern verurteilt?

Geschrieben von Grit Preibisch

m. trifft… Ursula Müller

Mittagsblumen, Stiefmütterchen, Margariten, Sellerie oder Löwenmäulchen. Ursula Müller ist umringt von Beet- und Balkonpflanzen. Seit 18 Jahren steht die 39-Jährige jeden Dienstag, Donnerstag und Freitag auf dem Greifswalder Marktplatz, um Pflanzen an den gartenbegeisterten Laubenpieper zu verkaufen. Vor der Touristeninformation und neben dem Hähnchenstand ist der feste Platz der Gärtnerin und Naturliebhaberin. Im Winter und im Sommer. Nach einer abgeschlossenen Gärtnerlehre, einem Studium der Ingenieurspädagogik in Schwerin und zehnjähriger Anstellung in einer Gärtnerei hat sich die gebürtige Rüganerin selbständig gemacht. Zwei Betriebe nennt sie inzwischen ihr Eigen.

moritz: Sie haben täglich mit Pflanzen zu tun. Wie nahe steht Ihnen die Natur?
Ursula Müller: Ich liebe die Natur. Das ist mir wohl schon in die Wiege gelegt worden. Meine Eltern waren in einer Gärtnerei tätig. Und ich wusste schon seit meiner Kindheit, dass ich in die gleiche Richtung gehen will.

moritz: Traumberuf Gärtnerin?
Müller: Für mich eindeutig ja. Ich habe großen Spaß daran.

moritz: Was sind die schönen und die schlechten Seiten des Gärtnerdaseins?
Müller: Schön ist die Arbeit mit den Pflanzen und der Umgang mit den Kunden. Weniger gut ist der hohe Zeitaufwand, den ich als Selbständige in Kauf nehmen muss. Ein Arbeitstag kann schon mal um vier Uhr früh anfangen und erst am nächsten Tag um ein Uhr vorbei sein, denn die Anfahrt von Rügen, das Ein- und Auspacken und die Verwaltung müssen immer wieder aufs Neue erledigt werden.

moritz: Ist Greifswald grün genug?
Müller: Schwer zu sagen. Eigentlich gefällt mir Greifswald sehr gut. Vor ungefähr zehn Jahren war der Marktplatz allerdings schöner, weil er von Bäumen umringt war. Heute ist hier das Grün leider fast komplett verschwunden.

moritz: Sie stehen dreimal in der Woche auf dem Markt. Im Sommer und Winter. Wie hält man einen Markttag in Eiseskälte und sommerlicher Hitze durch?
Müller: Im Winter hilft nur dicke Kleidung. Drei Paar Socken, Strumpfhose, Jogginghose, Jeans, vier bis fünf Pullover, Jacke. Dazu viel Kaffee. Heute habe ich fünf Becher getrunken. Aber im Winter kommen noch einige dazu. Im Sommer habe ich weniger Probleme. Mein Zelt schützt gut vor der Sonne. Und kühle Getränke sind dann natürlich ein Muss.

moritz: Sie haben mit vielen Kunden zu tun. Wie würden Sie den typischen Greifswalder beschreiben?
Müller: Die Greifswalder sind nette und liebe Leute. Sie kommen oft mit konkreten Fragen, die ich ihnen gern beantworte. Aber dumm darf mir keiner kommen. Manche Kunden wollen ihren Ärger an den Händlern auslassen. Aber in solchen Fällen schalte ich auf Durchzug.

moritz: Kaufen viele Studenten bei Ihnen ein?
Müller: Mein Kundenstamm ist sehr gemischt. Von Student bis Rentner. Jeder ist dabei. Aber früher kamen mehr Studenten, um Kräuter oder Ähnliches zu kaufen. Das hat nachgelassen.

moritz: Wie erklären Sie sich das schwindende Interesse der Studenten?
Müller: Wahrscheinlich kochen die Studenten nicht mehr so viel für sich selbst. Und die wenigsten haben einen Garten, höchstens einen Balkon. Außerdem wird das Geld in andere Sachen investiert. Pflanzen stehen wohl eher an letzter Stelle.

moritz: Haben Sie eine Tipp für alle Studenten ohne grünen Daumen?
Müller: Die Tipps gebe ich gern, wenn sie bei mir vorbeikommen. Dann helfe ich jedem. Auch dem Studenten, der noch nicht mal Kerbel kennt. Das ist mir neulich passiert.

moritz: Ein vertrockneter Kaktus. Wie kommt das zustande?
Müller: Vertrocknen kann ein Kaktus nie. Die Sukkulenten leiden vor allem unter Schädlingsbefall oder zu großer Feuchte.

moritz: Gehen Ihnen auch trotz grünem Daumen Pflanzen ein?
Müller: Ja, das passiert auch mir. Vor allem am Stand knicken oft Pflanzen um. Oder es kommt zum Schädlingsbefall. Aber dann hilft oft schon ein Brennnesselsud. Auf die Chemiekeule verzichte ich.

moritz: Wie sieht Ihr Plan für die Zukunft aus?
Müller: So lange ich Licht am Ende des Tunnels sehe, wird weiter gemacht. Arbeit, Geld verdienen, leben. Geschrieben von Grit Preibisch