Kino: Heinz will endlich Sex

„Fleisch ist mein Gemüse“ von Christian Görlitz

Heinz hat Akne, fiese Akne, wohnt mit seiner verwirrten Mutter in einem runtergekommenen Reihenhaus in Hamburg Harburg und Nachbarin Rosi kommt allabendlich zum Besäufnis vorbei. Es wird sich besoffen am Schmerz des Lebens, dem Wunsch nach Zuneigung und Erfolg. Der autobiografische Bestseller „Fleisch ist mein Gemüse“ von Heinz Strunk wurde vom Norddeutschen Rundfunk co-produziert und läuft nicht nur in Hinterwäldlerkinos.

Heinz spielt Saxofon und tingelt mit einer Stimmungsmacherband durch norddeutsche Kaffs. Geplagt von seinen Hautunreinheiten und der Unfähigkeit Frauen anzusprechen, führt er ein Leben zwischen Alkoholexzessen und Selbstbefriedigung.
Der Film wird in drei Akten gezeigt, welche Strunk selbst aus dem Off kommentiert. Eigenartige Herangehensweise, denn schlussendlich treffen Strunk selbst und  der Schauspieler Maxim Mehmet, der ihn spielt, aufeinander. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge sieht man den Film. Viele Situationen sind grotesk amüsant, jedoch untermalt von harter Schwermut. Der einfache deutsche Bürger wird gezeigt, jedoch nicht vorgeführt. Das Eintauchen in eine Partykultur von der Hochzeit bis zum Schützenfest wird anschaulich demonstriert und man schämt sich. Es ist keine Scham der Peinlichkeit, sondern jeder weiß, dass es sich bei der schrecklichen Tanzkapelle, den besoffenen Grabschern und allem drum herum um ein Abbild der Wirklichkeit handelt. Teilweise wurden Szenen in den Kneipen mit Handkameras gedreht und wirken dadurch noch authentischer, als sie eh schon sind. Fiktion und Wirklichkeit verschwimmen. Ist die Mutter verwirrt, ist Rosi tot und wer ist diese Sängerin, hat Heinz nun einen Plattenvertrag? Fragen über Fragen. „Und am Ende heißt es doch nur geil abliefern, geil abliefern“. In der Tat : Der Film ist schon geil abgelaufen.

Geschrieben von Maria-Silva Villbrandt

Kino: Ritterlichkeit vs. Realität

„Der rote Baron“ von Niki Müllerschön

Niki Müllerschön, Regisseur und Drehbuchautor zahlreicher TV-Produktionen, wagte sich diesmal als Produzent des Historienepos „Der Rote Baron“ an ein weitaus größeres Projekt; mit 18 Millionen Euro Produktionskosten weit über dem deutschen Durchschnitt von fünf Millionen Euro.

Doch hat sich dieser finanzielle Aufwand wohl kaum gelohnt. Fliegerass Freiherr Manfred von Richthofen (Matthias Schweighöfer) erringt im 1. Weltkrieg zahlreiche Siege in seinem signalroten Kampfflugzeug. Als Held der Nation gefeiert, wird er elementares Mittel der Propaganda. Seine Liebe, Krankenschwester Käte (Lena Headey), öffnet ihm jedoch die Augen für den Schrecken des Krieges. Zahlreiche historische Ungenauigkeiten machen diesen Film zu einer bloßen Heldenverfilmung. In der  Realität aber muss der Mythos von Ritterlichkeit und ehrbarem militärischen Verhalten einem zwar mutigen, doch auch narzisstischen, scheuen und zerrissenen Menschen weichen, der den Luftkampf als Rausch zugleich auch als Flucht vor dem eigenen Ruhm betrachtet. In der Luft gnadenlos, fühlt sich Richthofen nach solch einer „Menschenjagd“, wie er es selbst bezeichnet, jedoch nicht als ehrbarer Held: „Mir ist nach jedem Luftkampf erbärmlich zu Mute.“ Die Liebesgeschichte, die es tatsächlich nie im Leben von Richthofen gab, wirkt klischeehaft und zudem wenig glaubhaft. So ist der Film auch für Freunde der filmerischen Romantik nicht sehenswerter. In den oft lose aneinander gereihten Szenen wirken die Schauspieler zum Teil wie H&M–Models aus Katalogen des frühen 20. Jahrhunderts. Einzig die Kampfszenen sind spektakulär und technisch gut umgesetzt, doch fehlen diese oft an essentiellen Stellen. Womöglich hätten die 18 Millionen Euro Produktionskosten besser einem gemeinnützigen Projekt zugute kommen sollen.

Geschrieben von Maria Friebel

Kino: Keanus kurzer Prozess

„Street Kings“ von David Ayer

Wecker, Knarre putzen, sich entleeren über der Kloschüssel, Wodka nachgießen – so beginnt kurz vor Sonnenuntergang der übliche Arbeitsalltag von Polizist Tom Ludlow (Keanu Reeves).

Seine illegale, aber effektive Arbeitsweise lässt ihn über Leichen gehen. Wo Tom das Grobe erledigt, nehmen sich seine Kollegen und sein Captain, der wie ein väterlicher Freund wirkt, der Verschleierungsarbeit an. Korruption auf polizeilicher Seite zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Film. Mit viel Mühe lässt sich Kritik an der Schnellschusspolitik der Polizei bei Gefahr im Verzug herauslesen und auch Rassismus wird kurz und oberflächlich thematisiert. Doch der Film hat sich definitiv nicht der Gesellschaftskritik verschrieben. Stattdessen werden dem Kinopublikum detailliert zerschossene Köpfe und fleischige, blutende Wunden präsentiert. Kosten und Mühen für zu viele Einsichten wären weit besser in amüsantere Dialoge investiert worden. Hugh Laurie – besser bekannt als Dr. House – zeigt sich bezeichnenderweise in einem Krankenhaus das erste Mal auf der Leinwand. Vom Schatten seiner Paraderolle vermag er sich während des gesamten Films nicht zu lösen. Einzig Forest Whitaker in der Rolle des Captains bietet, neben einem knapp durchschnittlichen Keanu Reeves, einen Lichtblick. Wie so oft sind am Ende die Guten eigentlich die Bösen und Keanu Reeves der schöne Held mit Makeln. Wer seichte, actionreiche Unterhaltung sucht wird hier weder vom Inhalt noch durch unvorhersehbare Wendungen überrascht.

Geschrieben von Wiebke Formann

Abrechnung mit Hollywood

„Bambi vs. Godzilla“ von David Mamet

Über Filme schreiben, denken, sprechen: Das machen schon viele seit den Gebrüdern Lumiere. Mal als Versuch Kinokunst als wertvolles Kulturgut in den Rang der klassischen Künsten einzordnen, mal erklärend und verstehend, als Neubeginn oder einfach nur zum Ausdruck des gerade Gesehenen vom sich ablenkenden Zuschauer.

David Mamet, seines Zeichens Pulitzer-Preisträger, Regisseur und Drehbuchautor (auch als ungenannter Script-Doctor) rechnet in seinem neuesten Werk bittersüß mit der Filmwelt ab. Halt: Nur mit Hollywood, denn der Vorsprung der US-amerikanischen Filmwirtschaft manisfestierte sich vor allem durch die Anwendung der an Henry Ford angelegten Massenfertigung eines Guts. Dabei verliert die Kunst aber ihren Glanz, wird zur Industrie. Mamet macht sich darüber lustig. Ohne Namen zu nennen, zeichnet der Autor Gerüchte nach, beschreibt abstrakt die Funktionsweise aller an der Filmproduktion beteiligten und darf mit eigenen Erfahrungen als Filmemacher immer wieder aufwarten.

Auf 160 Seiten macht es Spaß, Mamets dramatische Fähigkeiten des detaillierten Beschreibens zu verfolgen. Wer aber ins Filmgeschäft einsteigen möchte, hält sich lieber nicht an die beschriebenen Muster. Lieber soll „Bambi vs. Godzilla: Nützliche und nutzlose Aspekte des Filmemachens“ als Innennblick eines Außenseiters verstanden werden, dessen intellektuellen Fähigkeiten in der Welt von riesigen Egos, oberflächlichem Gezank und dem Drang zur ultimativen Massenverblödung in den Kinosommermonaten einfach fehl am Platz sind. Passend dagegen ist nicht nur dieses Werk Mamets. Schon mehrfach pointierte er das Filmgeschäft, weshalb Teile seines neuen Buches wenig Neues verbreiten. Wichtiger ist aber der Hinweis, dass Kunst und Kommerz sich nicht bipolar entgegenstehen müssen.

Geschrieben von Björn Buß

Notwendiges Wachrütteln

„Professor Untat“ von Uwe Kamenz und Martin Wehrle

Gelangweilt und zu faul für die Arbeit, nur an sich selbst und den eigenen Vorteil denkend, sind deutsche Professoren Schuld an der Misere des gesamten Bildungssystems.

Übespitzt formulieren Uwe Kamenz – selbst habilitiert – und Journalist Martin Wehrle ihre Kritik an den Untätigen, füttern die Paschaulaussagen über die schlechten Professoren mit eigenen Recherchen oder dem Zusammenschreiben von Berichten aus anderen Nachrichtenquellen.

Als erster Aufhänger ihres Buches funktionierte eine Anzeige in Der Zeit. Gesucht wurden Professoren, die neben Lehre und Forschung Zeit für einen gut dotierten Nebenjob erübrigen konnten. Es kamen tatsächlich Bewerbungen: Sogar ein Hochschulrektor wollte an zwei Arbeitstagen wöchentlich beratend tätig sein und beide Hände aufhalten.

Ein weiterer Schmakerl ist der Versuch, bei meinprof.de die – teilweise – sehr negativen Bewertungen, zu löschen: Datenschutzgründe wurden nicht nur von Einzelnen angegeben. Dass manche Bedienstete des Staates mit einer öffentlichen Kontrolle und Diskussion ihrer Arbeit nicht einverstanden sind, sollte spätestens nach der hiesigen Diskussion um einen polemisierenden Blog klar sein.

Was in „Professor Untat – Was faul ist hinter den Hochschulkulissen“ auftaucht ist sehr gut recherchiert, provozierend einfach formuliert, doch nerven nach mehrern Kapiteln die rethorischen Fragen der Sachbuchautoren. Auch die zum Schluss dargestellten zehn Punkte (warum nicht neun oder elf?) zur Rettung des Bildungsystems können nicht berzeugen. Denn die Realität stellt sich komplexer dar, als es die  Vorschlage erahnen lassen. Trotzdem regen die 282 Seiten zum Nachdenken an.

Geschrieben von Björn Buß