von Carsten Schönebeck | 10.04.2010
In zehn Tagen konstituiert sich das neue Studierendenparlament, dessen womöglich wichtigste Aufgabe es ist, einen neuen AStA zu wählen. Die vergangenen Legislatur bietet Gelegenheit für einen Rückblick auf die Arbeit des Allgemeinen Studierendenausschusses, den der stellvertretende Vorsitzende Pedro Sithoe im Interview mit dem webMoritz vollzieht.
webMoritz: Rückblickend auf die Legislatur: Wie sieht dein Fazit aus?
Pedro Sithoe: Ich denke, wir haben gerade nach der Rücktrittswelle im Sommer vieles überstanden. Damals war nicht klar, wie und ob es überhaupt weitergeht. Wir haben uns dann aber zusammengerauft und die einzelnen Referenten und das Team insgesamt haben sich gut entwickelt. Zum Schluss haben sich die Referenten auch mehr für die anderen Bereiche interessiert. Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Pedro Sithoe wurde im Mai 2009 als Referent für Wohnangelegenheit gewählt.
Das größte Problem, mit dem wir zu kämpfen hatten, war die geringe Unterstützung von Außerhalb. Es geht hier ja nicht nur um den AStA, sondern wir setzen uns für die gesamte Studierendenschaft ein und das können 20 Referenten allein nicht leisten. Auch aus dem Parlament kommt da immer nur die gleiche Handvoll Leute und erkundigt sich mal, wie es hier aussieht. Nach dem großen Krach zwischen AStA und StuPa im Sommer war das ein bisschen mehr, aber nach und nach ist es dann wieder abgeflacht.
webMoritz: Es wurde ja aber auch immer wieder kritisiert, dass das Parlament den AStA zu stark kontrolliert…
Pedro Sithoe: Es geht ja nicht um Kontrolle, ein bisschen mehr Interesse an der Arbeit und eine positive Haltung, mal dankbar zu sein, dass sich jemand engagiert und es nicht als selbstverständlich hinnimmt.
webMoritz: Früher hat der AStA mit deutlich weniger Referenten gearbeitet. Seit Kurzem sind es nun doppelt so viele. Ist es sinnvoll, mit einem so großen Team zu arbeiten?
Pedro Sithoe: Auf jeden Fall. Die Zeiten haben sich geändert. Was Einzelne früher noch schultern konnten, geht mit dem Bachelor einfach nicht mehr. Die Leute haben auch gar nicht die Zeit, die Erfahrungen aufzubauen, weil nur wenige es sich leisten, mehr als ein oder zwei Legislaturen in der Selbstverwaltung mitzuwirken.
Früher war es ja nichts Ungewöhnliches, zwölf oder dreizehn Semester zu studieren. Das ist heute verpönt. Allerdings stößt es mir schon sauer auf, wenn die Leute, die sich früher auch Zeit gelassen haben, heute in entscheidenden Positionen sitzen und fordern, dass die Leute in sechs Semestern fertig sind.
webMoritz: Wenn wir beim Rückblick sind, was sind denn die großen Erfolge der vergangenen Legislatur?
Pedro Sithoe: Ich denke, vor allem in der Wohnraumfrage haben wir uns sehr engagiert. Dass die WVG den zusätzlichen Block hat stehen lassen und da zusätzliche Wohnungen entstanden sind. Ein anderer Riesenerfolg war die Rechtsberatung, die von unseren Vorgängern vorbereitet wurde. Aufgrund von Problemen, die nicht bei uns lagen, mussten wir das Projekt leider einstellen, aber wir setzen uns dafür ein, dass das Studentenwerk das Angebot weiterführt.
Ich denke wir haben auch nach Außen an Profil gewonnen, uns deutlicher gezeigt und viele Abläufe professionalisiert. Dadurch werden wir von Studenten, aber auch von anderen Stellen, mit denen wir zusammenarbeiten ernster genommen.
webMoritz: Ist die höhere Professionalisierung denn nur positiv zu sehen? Beispielsweise im Rahmen der Hörsaalbesetzung gab es ja auch viel Antipathie für eure eher zurückhaltende Unterstützung.
Pedro Sithoe: Wir sind eine Interessenvertretung für die gesamte Studierendenschaft und die ist ziemlich heterogen – mit jeglicher politischer Couleur. Wir sind eben kein dediziert linker AStA, wie in vielen anderen Städten. Wir sind die Mitte, nicht parteipolitisch, aber wir versuchen eben, alle mit ins Boot zu nehmen.
webMoritz: Das klingt, als seiet ihr der Mediator der Studierendenschaft.
Pedro Sithoe: Das ist ein netter Begriff, aber wir können natürlich als Allgemeine Vertretung niemanden ausschließen. Hier wird der AStA ja auch sehr unpolitisch besetzt.

Die zunächst distanzierte Haltung des AStA zu den Hörsaal-Besetzungen im November hatte für viel Kritik gesorgt.
webMoritz: Aber ist es nicht auch Aufgabe des AStA, Themen zu besetzen und mit einer klar formulierten Meinung in die Öffentlichkeit zu bringen.
Pedro Sithoe: Zum Beispiel bei der Lehrerbildung haben wir eine klare Meinung formuliert, da gibt es auch einen breiten Konsens über die politischen Gruppen hinweg. Wir organisieren da jetzt auch eine Demo.
webMoritz: Aber das Thema ist doch nichts Neues, nur, dass die Medien es derzeit noch mal aufgreifen. Wieso kommt das erst jetzt?
Pedro Sithoe: Ja, natürlich kennen wir das Thema und haben im September schon mit dem Bildungsministerium besprochen und festgestellt, dass die Standpunkte des Ministeriums und der Asten sehr unterschiedlich sind. Unsere Meinung haben wir dort auch formuliert, aber haben jetzt erstmal abgewartet und geguckt wie sich das entwickelt.
webMoritz: Habt ihr den Eindruck, dass man euch in Schwerin ernst nimmt?
Pedro Sithoe: Im Vergleich zu anderen Unis und Bundesländern auf jeden Fall. Wir haben regelmäßige Gespräche mit der Landesregierung. Unsere Position in MV ist schon recht gut und die müssen wir natürlich auch nutzen.
webMoritz: Könnte dem AStA nicht ein Hauch mehr Politisierung gut tun, ein bisschen mehr Meinung?
Pedro Sithoe: Die Meinungen sind ja da, nur in bestimmten Bereichen haben wir noch zu viel Tagesgeschäft. Ob Bürozeiten, Kassenverwaltung, das klingt alles sehr banal, muss aber gemacht werden.
webMoritz: Das heißt, ein politischerer AStA ist nicht möglich?
Pedro Sithoe: Das geht theoretisch schon, aber es setzt voraus, das man ein Team hat, in dem alle gleich toll engagiert sind.
webMoritz: Auch beim Bildungsstreik in Greifswald hat der AStA keine führende Rolle gespielt. Will man das nicht oder lehnt ihr es ab, weil ihr in der Mitte steht?

AStA-Vorsitzende Solvejg Jenssen auf der Bildungsdemo im Dezember 2009
Pedro Sithoe: Nein, wir wollen das schon. Bei der großen Demo in Rostock hat auch unsere Vorsitzende gesprochen. Das war eine ganz besonders schwierige Geschichte. In der Sache waren wir uns ja alle einig, in der Art und Weise nicht. Ich halte das aber für ein schlechtes Beispiel.
webMoritz: Anderes Beispiel: Beim Thema Namenspatron habt ihr eine Positionierung ganz klar vermieden, obwohl es ein Thema war, das die ganze Uni beschäftigt hat.
Pedro Sithoe: Das stimmt zwar, aber gerade da meine ich, war es richtig, sich nicht zu positionieren. Die Debatte hat ganz klar gezeigt, dass es ein Für und Wider gibt.
webMoritz: Kann man denn sagen, dass der etwas romantische Gedanke des politisch-kämpferischen AStA in Greifswald nicht zutrifft?
Pedro Sithoe: Das Radikale fällt natürlich auf. Man darf aber nicht vergessen, was hinter den verschlossenen Türen ausgehandelt wird. Dort erreicht man meist mehr als wenn man sich mit einem Megaphon irgendwo hin stellt.
webMoritz: Das klingt nach „Politik der ruhigen Hand“…
Pedro Sithoe: Das ist es auch. Nicht unbedingt spannend, sehr anstrengend und zeitaufwendig und auch nicht nach Außen wirksam. Vielleicht müssen wir künftig mehr große Aktionen machen die Aufmerksamkeit bringen. Aber das will alles vernünftig vorbereitet sein. Das Thema Lehrerbildung bietet da ja jetzt eine Gelegenheit.
webMoritz: Gibt es schon ein Datum für die Demo und wo wird sie stattfinden?
Pedro Sithoe: Ein Datum gibt es nicht, aber die Demo wird wohl in Greifswald stattfinden. Nach Schwerin zu fahren bringt nichts, da kommen zu wenige Leute mit.
webMoritz: Gibt es Projekte, die der künftige AStA deiner Meinung nach angehen sollte?
Pedro Sithoe: Auf jeden Fall sollte eine Aktion zum Thema Wohnen kommen. Da darf man nicht nachgeben.
Eine andere Thematik, die man angehen müsste, ist das Verhältnis von Studenten zu den Bürgern. Die Arndt-Debatte hat gezeigt, dass viele Bürger es nicht gerne sehen, wenn sich Studenten einmischen. Vielleicht könnte die Studierendenschaft quasi Zertifikate für studentenfreundliche Läden ausgeben. Studenten testen dann die Geschäfte, ob die Verkäufer freundlich sind, gibt es vielleicht Rabatte für Studenten oder Ähnliches. Das könnte für beide Seiten eine gute Sache sein, weil es natürlich auch eine Werbung für die Läden ist.
Noch ein Thema ist der Regelabschluss. Im Moment arbeitet man politisch darauf hin, dass der Bachelor der normale Abschluss ist. Das halte ich für falsch. Eigentlich sollte jeder die Möglichkeit haben, einen Master zu machen. Nur wer das absolut nicht will, kann eben früher aufhören.
webMoritz: Zum Abschluss: Wie sieht es aus mit der neuen Legislatur: Wirst du dich wieder für ein Referat im AStA bewerben oder hörst du auf?
Pedro Sithoe: Mal sehen, das werde ich noch entscheiden.
Bilder:
Pedro Sithoe – AStA Greifswald
Gruppenbild Startseite – Korbinian Geiger via AStA Greifswald
Demo in Rostock – Luisa Wetzel
Hörsaalbesetzung – Gabriel Kords
von Carsten Schönebeck | 06.04.2010
Ein Kommentar von Carsten Schönebeck
Als der Senat vor einigen Wochen entschied, dass die Greifswalder Universität ihren umstrittenen Namenspatron behält, gab es naturgemäß geteilte Meinungen zum Ausgang des Tagesordnungspunktes. Allerdings machte sich auch das Gefühl eines kommunalen Aufatmens breit. Selbst viele der aktiven Debattenteilnehmer schienen froh, dass die Senatsentscheidung einen vorläufigen Waffenstillstand zwischen Befürwortern und Gegnern des Namens in Aussicht stellte.

Pressesprecher Meßerschmidt (seit Juni 2008 im Amt): Arndt ist kein Thema
Was sich niemand wünschen konnte, ist allerdings der Rückfall in die Zeiten vor der studentischen Vollversammlung 2009, die als Stein des Anstoßes für eine neunmonatige Debatte gedient hatte: Eine Universität, die ihren Namenspatron in der untersten Schmuddelschublade zu verstecken versucht. Doch wer vergangene Woche die Ostseezeitung las, musste feststellen, dass genau dies das Ansinnen der Universitätsleitung ist. Weder eine Überarbeitung des umstrittenen Infotextes zu Arndt auf der Uni-Homepage, noch eine mögliche Würdigung des pommerschen Volkshelden sei laut Uni-Pressesprecher Jan Meßerschmidt „ein Thema“. Für jeden, ob Student, Professor oder Bürger, der sich in den letzten Monaten mit der causa Arndt befasst hat muss dies wie ein Schlag ins Gesicht wirken. Neun Monate Diskussionen – Vollversammlung, Urabstimmung, Unterschriftensammlungen, Senatsdebatten- und -komissionen, öffentliche Anhörungen – für die Uni-Leitung aber ist Arndt „kein Thema“.
Es scheint, als hätte man aus dem Rektoratspalast die Ereignisse des letzten Jahres maximal mit einem amüsierten Lächeln betrachtet, eventuell darauf bedacht, den universitären und städtischen Pöbel nicht zu nahe herankommen zu lassen – auf dass die weißen Fassade des Hauptgebäudes möglichst nicht mit dem Blut der verbalen Straßenschlachten beschmutzt werde. Das ist, wie erwähnt, noch die freundliche Interpretation, die voraussetzt, dass am Rubenowplatz noch ein funktionstüchtiger, wenn auch nicht zwingend wacher Geist haust.

Fühlt sich nicht zuständig: Rektor Professor Westermann
Der Namenspatron einer weltlichen Institution erlangt seine Daseinsberechtigung über zwei Aspekte: Die Würdigung einer herausragenden Persönlichkeit und die Identifikation mit einem personifizierten Ideal, für all jene, die sich mit dieser Einrichtung verbunden fühlen. Der zweite Punkt kann meist nur durch den ersten erreicht werden.
Rektor Prof. Rainer Westermann hatte bereits vor ziemlich genau einem Jahr gegenüber dem webMoritz geäußert, dass Arndt für ihn „kein Vorbild“ ist. Der Name sei für ihn aber auch kein Problem, denn: „Ich habe mir den Namen nicht ausgesucht und ich bin für die Namensgebung nicht zuständig.“ Etwas ungewöhnlich für einen Rektor, der sonst nicht gerade dafür bekannt ist, vor dem Senat den Bückling zu mimen, im Gegenteil den Eindruck vermittelt, es handle sich dabei um ein für ihn eher lästiges Kontrollgremium.
Wenn es dabei bleibt, dass trotz des Festhaltens am Patron eine Würdigung Arndts für die Universität kein Thema ist, ist das nicht nur peinlich und enttäuschend, sondern die gesellschaftlich-kommunikative Bankrotterklärung der Universitätsleitung: für beide Fraktionen des Streits das wohl schlechtmöglichste Ergebnis.
Fotos:
- Prof. Westermann – Arik Platzek
- Foto Jan Meßerschmidt – Uni-Pressestelle via webMoritz-Archiv
- Montage „Hauptgebäude“ – webMoritz-Archiv
von Gastautor*in | 11.03.2010
Ein Beitrag von Konrad Ulbrich
In den vergangenen Wochen wurde in Deutschland viel über eine anstehende Reform der Hartz-Gesetze diskutiert. Die derzeitige Kooperation zwischen Bund und Kommunen bei den Argen, oder auch Jobcenter genannt, hatte das Bundesverfassungsgericht für rechtswidrig erklärt. Zudem seien die Regelsätze von ALG II nicht korrekt bemessen worden. Bis zum Ende des Jahres muss die Regierung eine neue Lösung finden.

Ungewisse Zukunft: Die Agentur für Arbeit
Arbeitslosenhilfe II „aus einer Hand“ war das Ziel der rot-grünen Arbeitsmarktreform von 2005. Fortan wurden Argen (Arbeitsgemeinschaften gegründet, in denen die Bundesagentur für Arbeit und die Kommunen gemeinsam die Bürger betreuen, die einen Anspruch auf ALG II oder Sozialgeld haben. Eine Aufgabenverteilung existiert jedoch weiterhin: So ist die Bundesagentur für Arbeit insbesondere für die Vermittlung von Arbeitslosen und die Auszahlung des Arbeitslosengeldes und die Kommune für Wohngeld sowie Heizungs- und Umzugskosten zuständig. Daraus ergaben sich in der Folge zahlreiche Abstimmungs- und Kompetenzprobleme. Zudem ist die Finanzierung nicht abschließend geklärt.
Verfassungsgericht: Form der Mischverwaltung verfassungswidrig
Am 20. Dezember 2007 entschied sodann der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), dass die Ausgestaltung der Arbeitsgemeinschaften, in der Form der Mischverwaltung aus der Bundesagentur und den kommunalen Trägern verfassungswidrig sei. Als Grund dafür nannten die Verfassungsrichter, dass die gesetzliche Regelung die Gemeindeverbände in Ihrem Anspruch auf eigenverantwortliche Aufgabenerledigung verletze und zudem gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes verstoße. Nach der Verfassung muss klar zugeordnet sein, welcher Träger für die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben zuständig ist. Das Verfassungsgericht setzte dem Bund in dem Urteil eine Frist bis spätestens zum 31. Dezember 2010, eine gesetzliche Neuregelung zu fassen. Bis dahin bleibt die Norm anwendbar.
Urteil ein Schlag in das Gesicht der Politik
Im Urteil heißt es wörtlich „Mangelnde politische Einigungsfähigkeit kann keinen Kompromiss rechtfertigen, der mit der Verfassung nicht vereinbar ist“. Da die Frist für eine Gesetzesänderung bald abläuft, werden in der Bundespolitik nun dringend nach Lösungen gesucht. Dabei stieß die von der Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) vorgeschlagene freiwillige vertraglich geregelte Zusammenarbeit zwischen Kommunen und den Bundesagenturen, um so eine formale Trennung zu erreichen, bei den Ministerpräsidenten auf wenig Begeisterung. Als Gründe für die Ablehnung nannten diese einen bürokratischen Mehraufwand für Behörden und Arbeitslose. Sie schlagen hingegen eine Verfassungsänderung vor, damit die Hartz-Gesetze fortan mit dieser im Einklang stehen. Derzeit gibt es zwischen der Union und der SPD intensive Gespräche, da bei einer solchen Änderung des Grundgesetzes eine 2/3-Mehrheit erforderlich ist. Auch die SPD steht dem Vorhaben positiv entgegen, sodass eine solche Lösung als wahrscheinlich gilt.
Greifswalder Arge-Geschäftsführer Bartels: „Mischverwaltung ein Erfolgsmodell“

Erich Bartels von der Greifswalder Arge
Unabhängig von der durch das BVerfG festgestellten Verfassungswidrigkeit der Mischverwaltung, stellt diese laut dem Greifswalder Arge-Geschäftsführer Erich Bartels ein Erfolgsmodell dar. „Die Zusammenarbeit mit den Vertretern der Bundesagentur für Arbeit in Stralsund und denen der Stadt Greifswald, Ulf Dembski (SPD) und Egbert Liskow (CDU), stellt sich als außerordentlich positiv dar“ so Erich Bartels. Zu Abstimmungs- und Kompetenzproblemen sei es in Greifswald nie gekommen; dies liege seiner Meinung nach maßgeblich an den Personen vor Ort. Besonders stolz ist Erich Bartels auf den Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit: „Waren es im Januar 2005 (Beginn der Arge Greifswald) noch 634 Jugendliche unter 25 ohne Job, so konnten wir diese Zahl bis zum Januar 2010 auf 261 reduzieren.“. Als Gründe nannte er seinen großen Handlungsspielraum hinsichtlich der Möglichkeiten des Forderns und Förderns. So mussten arbeitslose Jugendliche mindestens einmal im Monat im Jobcenter vorstellig werden. Es wurden zunächst 1-Euro-Jobs vermittelt und deren tatsächliche Arbeit konsequent überprüft. „1-Euro Jobs bieten eine sehr gute Möglichkeit, um wieder in einen gewissen Arbeitsrhythmus gelangen.“ und „Für viele war es seit Jahren die erste regelmäßige Beschäftigung.“ so Bartels weiter. Um die Arbeitssuchenden langsam wieder an einen „normalen“ Arbeitsalltag heranzuführen, wurden teilweise die ersten Arbeitstage zunächst um 11 Uhr begonnen, später wurde diese Zeit Woche für Woche um eine Stunde vorverlegt. Die jungen Menschen wurden zudem innerhalb dieser Maßnahmen fortgebildet und konnten so wieder in den ersten Arbeitsmarkt eingegliedert werden.
Herr Bartels erklärte uns zudem, dass den Jobcentern zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um die Arbeitssuchenden auch im Rahmen des Bewerbungsverfahrens zu unterstützen. Beispielsweise begleiten Mitarbeiter der Jobcenter die Arbeitssuchende bei ihren Vorstellungsgesprächen oder es werden Friseurbesuche vor den Vorstellungsgesprächen übernommen.
Bartels kann sich Kritik nicht erklären
Nach Bartels ist „konsequentes Fordern und Fördern in jedem Lebensalter zwingend notwendig, um jahrelanges Untätigwerden und Verlernen von geregelten Tagesabläufen zu vermeiden.“. Im Hinblick auf das kürzlich ergangene weitere Verfassungsgerichtsurteils zu den Hartz-Gesetzen, dass die Regelsätze nicht korrekt bemessen wurden, komme es nach Bartels nicht auf dessen Höhe an (z. Zt. für Volljährige: 359€). Geht es nach ihm, können die Menschen auch eine Grundstütze von bis zu 520 € bekommen. Das Wichtige sei jedoch, dass ihnen stets Beschäftigung und Förderung angeboten und sie zu keiner Zeit in ihrer Situation allein gelassen werden.
Die Kritik an der Greifswalder Arbeitsgemeinschaft, die im vergangenen Jahr „Den verbogenen Paragraphen“ erhalten hatte, kann sich Erich Bartels nicht erklären. „Ich setze lediglich die bestehenden Gesetze um.“ erklärt er. Andere Arge-Chefs verzichteten zwar auf das fortlaufende Anbieten von 1-Euro-Jobs und würden damit auch weniger kritisiert, das sei aber nicht seine Philosophie und auch nicht im Interesse der Arbeitssuchenden.
Es bleibt daher abzuwarten, wie die Regierung die Vorgaben des BVerfG umsetzen wird. Zumindest aus Sicht der Greifswalder Arge wäre die Grundgesetzänderung eine wünschenswerte Lösung, damit das aktuelle (Erfolgs-)Modell erhalten bleibt.
Bilder:
Schriftzug „Jobcenter“ (Startseite) – mkorsakov via flickr
Schild „Bundesagentur für Arbeit – svensonsan via flickr
Erich Bartels – Konrad Ulbrich
von Julia | 09.03.2010
Einen Roman aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise während (nach?) der Finanzkrise auf die Bühne zu bringen, zeugt von Gespür für die Zeit. Oder von Humor. Oder von beidem. In Hans Falladas Kleiner Mann, was nun? wird der beschwerliche Weg des Buchhalters Pinneberg und seiner Frau Emma, genannt Lämmchen, aufgezeigt. Die zahlreichen Wendungen zum Guten und immer öfter zum Schlechten bringen Pinnebergs Rechtschaffenheit nicht ins Wanken, aber wird das ein gutes Ende nehmen? Hans Fallada (geb. 1893 als Rudolf Ditzen in Greifswald) schrieb dazu
Nun schön, man hat mir nicht nur Lobendes gesagt, man hat mich vor allem in vielen Briefen gefragt: Warum weißt du keine Antwort auf die Frage: Kleiner Mann – was nun? Ich weiß schon eine Antwort und ich habe sie auch hingeschrieben, meine Antwort heißt Lämmchen. Aber ebenso gut weiß ich, dass dies nur eine Einzelantwort ist, dass es keine Antwort gibt, die für alle gilt.
Aus dem Roman ein dreieinhalbstündiges Theaterstück zu machen, ist sicherlich nicht einfach. Ein Überbleibsel davon sind die eingeschobenen Beschreibungen der Figuren über ihre Gedanken und die Umgebung. Diese Einschübe wirken nie störend, sondern selbstverständlich und ermöglichen ein sehr reduziertes Bühnenbild, das nur aus einem sog. Plafond mit 16 Lichtfeldern besteht, die mit unterschiedlicher Beleuchtung die verschiedenen Stationen verdeutlichen.

Grian Duesberg und Eva-Maria Blumentrath und Ensemble
Auch für Heiterkeit wird gesorgt, wenn mehrstimmige Lieder vorgetragen werden und durch die zahlreichen Verkleidungen der Nebendarsteller, z.B. Markus Voigt als Mutter Mörschel oder Marco Bahr dessen Auftreten als Kleinholz an Ekel Alfred erinnert.
Die Inszenierung von Uta Koschel erfolgte in Kooperation mit Studenten des Caspar-David-Friedrich-Instituts in Form der begleitenden Ausstellung „O Lämmchen, was haben sie aus mir gemacht?“. Darin wird neben der Liebesgeschichte der zwei Protagonisten auch auf die aktuelle Finanzkrise Bezug genommen

v.l.n.r. Andreas Kohl, Eva-Maria Blumentrath, Lukas Goldbach, Markus Voigt, Jan Bernhardt und Grian Duesberg
Wer das empfehlenswerte Stück sehen möchte, hat dazu noch mehrfach Gelegenheit:
17. März, 18:00 Uhr, Greifswald, Großes Haus
21. März, 19:30 Uhr, Putbus, Theater Putbus
28. März, 16:00 Uhr, Greifswald, Großes Haus
3. April, 19:30 Uhr, Stralsund, Großes Haus
10. April, 19:30 Uhr, Stralsund, Großes Haus
Karten gibt es im Vorverkauf direkt beim Theater oder über die Webseite.
Fotos: Vincent Leifer